München:
Die Erschießung von Günther Jendrian am 21. Mai 1974

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin


Taxifahrer kaltblütig von Polizei erschossen! (Artikel und Bild aus dem KPD/ML_Zentralorgan Roter Morgen, 1974)
Artikel und Bild aus „Roter Morgen“, 1974

Von Günther Jendrians Leben ist in dieser Darstellung fast nichts zu erfahren, außer der Beruf und eine eventuelle Sympathie, es geht daher allein um seinen Tod in München am 21. Mai 1974, gegen den noch am selben Tag in München protestiert wird, aber auch in den folgenden Wochen von einem Solidaritätskomitee Günther Jendrian, in dem die Münchner KPD vertreten scheint (vgl. 10.6.1974, 15.7.1974).

Die Erschießung Jendrians wird anlässlich des Todes von Holger Meins eingereiht in weitere Todesfälle, die von linken Gruppen der Polizei bzw. dem MEK etc. angelastet werden, wie anhand von Ausschnitten eines Dokuments der Roten Hilfe e.V. Dortmund der KPD dokumentiert wird (vgl. 11.10.1974).

Die Ermittlungen werden offenbar bald eingestellt (vgl. 14.12.1974).

Der ebenfalls der KPD verbundene KJV protestiert in NRW ebenfalls gegen diese Vorfälle (vgl. 10.3.1975), wobei die Passagen, die sich auf Günther Jendrian beziehen, gemeinsam mit anderen Texten, Anlass für einen Prozess gegen die pressrechtlich Verantwortliche, Ruth Haase, bieten (vgl. 9.9.1976, 20.9.1976).

Bei Opel Bochum sowie auch bundesweit klärt die KPD/ML derzeit abschließend für diese Darstellung über die damals für deutsche Demokraten noch ungewohnt anmutende neue Rechtslage auf (vgl. Nov. 1977).

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

21.05.1974:
In München wird der Taxifahrer Günther Jendrian durch Polizisten im Rahmen der RAF-Fahndung erschossen. Aus Protest dagegen bildet sich in München ein Jendrian-Komitee (vgl. 10.6.1974).

Davon berichten auch der KBW (vgl. 29.5.1974), die KPD/ML (vgl. 1.6.1974) und die ihr nahestehende provisorische zentrale Leitung der Roten Hilfe (vgl. Juli 1974), die Rote Hilfe e.V. (vgl. Juni 1974), der KOV (vgl. 11.6.1974) und der KJV der KPD (vgl. 6.6.1974) sowie in:
- Bayern der KSV der KPD (vgl. Sept. 1974).
- Berlin durch die KPD bei Daimler-Benz (vgl. 15.8.1974).
- NRW in Bochum die KG Bochum KGB – vgl. Juli 1974) und die KPD/ML bei Opel (IGM-Bereich - vgl. Dez. 1977) und in Dortmund die Ortsleitung (OL) des KOV der KPD (vgl. 13.11.1974) und die OL der KPD (vgl. 31.1.1975) sowie die Ortsgruppe (OG) der Roten Hilfe (RH) e.V. der KPD (vgl. 10.11.1974, 11.11.1974, 15.11.1974).
- Schleswig-Holstein der KB / Gruppe Kiel (vgl. Aug. 1974).
Quellen: Bochumer Arbeiterzeitung Nr.6,Bochum Juli 1974,S.2; Metaller Nr.4,Kiel Aug. 1974,.17;RH e.V.-OG Dortmund:Holger Meins - im Gefängnis ermordet!,Dortmund o.J. (Nov. 1974),S.2;RH e.V.-OG Dortmund:Verhindert weitere Morde an politischen Gefangenen! Version A und B,Dortmund o.J. (Nov. 1974),S.2;Kämpfende Jugend Nr.10/11,Dortmund 6.6.1974,S.1f;Kommunistische Volkszeitung Nr.11,Mannheim 29.5.1974, S. 1;KOV-OL Dortmund:Holger Meins im Gefängnis ermordet!,Dortmund o.J. (13.11.1974),S.1;KPD-OL Dortmund:Mordanschlag auf Rüsselsheimer Opel-Arbeiter und kommunistischen Betriebsrat der Vulkan-Werft-Bremen!,Dortmund o.J. (31.1.1975),S.1;KSV-RK Bayern: Nicht SPD als 'kleineres Übel' – Sozialismus heißt die Alternative! Wählt KPD,München o. J. (1974),S.24Rote Fahne Nr.22,Dortmund 29.5.1974;Kommunistische Arbeiterpresse - Ausgabe Daimler Benz Westberlin Nr.9,Berlin 15.8.1974, S. 1;Zündkerze Nr.7,Bochum Dez. 1977,S.8;Rote Hilfe Nr.6,Dortmund Juni 1974, S. 3ff;Rote Hilfe Nr.25,Dortmund o. J. (Juli 1974), S. 12;Roter Morgen Nr.22,Dortmund 1.6.1974;Schulkampf Nr.5,Dortmund 11.6.1974,S.8f

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KOV_Schulkampf574

KOV_Schulkampf576

Bochum_KGBE096

Berlin_Daimler031

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24.05.1974:
In München führen die KPD Sympathisantengruppe, die Rote Hilfe (RH) e.V. und der KSV vermutlich heute gemeinsam eine Kundgebung mit 150 Personen gegen die 'Ermordung' von Günther Jendrian (vgl. 21.5.1974) durch.
Q: Rote Fahne Nr.22,Dortmund 29.5.1974

10.06.1974:
In München erscheint vermutlich in dieser Woche die Broschüre "Die Mörder können ihre Spur nicht vertuschen! Dokumentation des Jendrian-Komitees und der Roten Hilfe zur Aufdeckung der Umstände und Hintergründe der Erschiessung Günther Jendrian's". Aufgerufen wird zur Mitarbeit im Komitee, welches sich wieder am 18.6. in der Kaulbach-Klause in der Kaulbachstr. 40 treffe.
Q: Die Mörder können ihre Spur nicht vertuschen! Dokumentation des Jendrian-Komitees und der Roten Hilfe zur Aufdeckung der Umstände und Hintergründe der Erschiessung Günther Jendrian's, München o. J. (1974)

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15.07.1974:
In München führt die KPD, nach eigenen Angaben, vermutlich in dieser Woche eine erste Veranstaltung zu den Landtagswahlen (LTW) durch. Die KPD werde in allen 5 Münchner Wahlkreisen Direktkandidaten aufstellen, die u.a. im Solidaritätskomitee Günther Jendrian (vgl. 21.5.1974) aktiv waren oder sind.
Q: Rote Fahne Nr.30,Dortmund 24.7.1974

10.11.1974:
Die Ortsgruppe (OG) Dortmund der Roten Hilfe (RH) e.V. der KPD gibt vermutlich heute ein Flugblatt zum Tod von Holger Meins (RAF) in der JVA Wittlich (vgl. 9.11.1974) heraus:"
HOLGER MEINS - IM GEFÄNGNIS ERMORDET!

Die Bourgeoisie macht Jagd auf ihre politischen Gegner, sie scheut nicht vor Morden zurück: Bei der Verfolgung der RAF mobilisierte sie Polizei und Bundesgrenzschutz (BGS,d.Vf.). Maschinenpistolen wurden an jeden Polizisten verteilt. In Großeinsätzen wurden ganze Stadtviertel umstellt und durchkämmt.

Petra Schelm (vgl. Hamburg - 15.7.1971,d.Vf.), Georg von Rauch (vgl. Berlin - 4.12.1971,d.Vf.), Ian Mc Leod (vgl. Stuttgart - 25.6.1972,d.Vf.) wurden die Opfer dieser Jagd. Inzwischen wurde die Polizei weiter aufgerüstet, spezielle 'Mobile Einsatzkommandos' (MEK,d.Vf.) geschaffen.

Die Bilanz der letzten Monate:
- H.J. Remizko (vgl. 17.7.1974,d.Vf.), ein Mannheimer Arbeiter, wurde von Zivilpolizisten bei einer einfachen Ausweiskontrolle erschossen
- G. Jendrian (vgl. München - 24.5.1974,d.Vf.), der verdächtigt wurde, mit der RAF zu sympathisieren, wurde in seinem Zimmer von Schußgarben eines Mobilen Einsatzkommandos zerfetzt.

Kollegen, laßt Euch nicht weismachen, daß die Bourgeoisie gegen Kriminelle rüstet, daß Polizeimanöver, Isolationshaft, Schauprozesse mit Terrorurteilen Eurem Schutz dienen sollen!"
Q: RH e.V.-OG Dortmund:Holger Meins - im Gefängnis ermordet!,Dortmund o.J. (Nov. 1974)

14.12.1974:
Die KPD/ML gibt ihren 'Roten Morgen' (RM) Nr.50 (vgl. 7.12.1974,
21.12.1974) heraus und berichtet von der Einstellung der Ermittlungen zum Tod von Günther Jendrian.
Q: Roter Morgen Nr.50,Dortmund 14.12.1974, S. 7

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10.03.1975:
Vermutlich spätestens Anfang dieser Woche gibt der KJV der KPD ein Flugblatt heraus, welches vermutlich einen bundesweiten Text enthält, aber nur zu Aktionen in NRW am 14.3.1975 in Köln und Münster aufruft:"
KAMPFWOCHEN GEGEN IMPERIALISTISCHE KRIEGSTREIBEREI UND MILITARISIERUNG

Die Aufrüstung der Polizei mit scharfen Waffen, Polizeikontrollen mit Maschinenpistolen im Anschlag, Einsatz von Spezialterrortruppen fordern beinahe täglich ihre Opfer. Vom Taxifahrer Jendrian (vgl. München - S2.**.197*,d.Vf.), der durch die Tür erschossen wurde, bis zum kommunistischen Arbeiter Routhier (vgl. S2.*.197*,d.Vf.), der in Duisburg von Polizisten erschlagen wurde, zieht sich eine immer breiter werdende Blutspur. Von Kindesbeinen an sollen wir an Militarismus und Terror gewöhnt werden. Mit dem Wehrkunde-Erlaß (WKE,d.Vf.) sollen wir schon in der Schule für den staatlichen Terror begeistert werden!

WIR WERDEN DAGEGEN KÄMPFEN!

Schüler, bekämpft den militaristischen Unterricht an den Schulen!
Entlarvt den BRD-Imperialismus und seine aggressiven Absichten im Unterricht!

KRIEG DEM IMPERIALISTISCHEN KRIEG!
KOMMT ZU DEN VERANSTALTUNGEN DES KJV"
Q: KJV:Kampfwochen gegen imperialistische Kriegstreiberei und Militarisierung,Dortmund o.J. (1975)

09.09.1976:
Das RK NRW des KJVD der KPD gibt - vermutlich nur in Dortmund – ein Flugblatt heraus:"
AM 14.9. ERNEUT STAATSSCHUTZPROZESS IN DORTMUND: FREISPRUCH FüR RUTH HAASE!

Am 14.September wird in Dortmund wieder einmal in sogenannter Staatsschutzprozeß eröffnet werden. Angeklagt wird Ruth Haase, Mitglied des ZK des KJVD und ehemals presserechtlich Verantwortliche für das Zentralorgan 'Kämpfende Jugend' (KJ,d.Vf.) und andere Veröffentlichungen des KJVD.

Die Staatsanwaltschaft 'ermittelte' gegen eine Reihe von Flugblättern und Artikel in der KÄMPFENDEN JUGEND, weil in diesen Schriften 'die BRD oder ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpft oder böswillig verächtlich gemacht' worden sei.

Angeklagt werden u.a. solche Passagen:

'…Die Aufrüstung der Polizei mit scharfen Waffen, Polizeikontrollen mit Maschinenpistolen im Anschlag, Einsatz von Spezialterrorgruppen fordern beinahe täglich ihre Opfer: vom Taxifahrer Jendrian (vgl. München - 24.5.1974,d.Vf.), der einfach abgeknallt wurde, bis zum kommunistischen Arbeiter Günther Routhier (vgl. Mannesmann, IGM-Bereich - 5.6.1974,d.Vf.), der in Duisburg von Polizisten erschlagen wurde, zieht sich eine immer breiter werdende Blutspur! Von Kindesbeinen an sollen wir an Militarismus und Terror gewöhnt werden…'"
Q: KJVD-RK NRW:Am 14.9. erneut Staatsschutzprozeß in Dortmund: Freispruch für Ruth Haase!,Dortmund 9.9.1976

20.09.1976:
Der KJVD der KPD, vermutlich das RK NRW, gibt vermutlich Anfang dieser Woche das folgende Flugblatt mit zwei Seiten DIN A 4 unter Verantwortung von S. Siebenkäs, Dortmund, Münsterstr.95, zum Dortmunder Prozeß gegen Ruth Haase (vgl. 14.9.1976, 23.9.1976) heraus:"
FREIHEIT FÜR DIE KOMMUNISTISCHE PRESSE!
FREISPRUCH FÜR RUTH HAASE!

Am Donnerstag, den 23.9. wird der Staatsschutzprozeß gegen Ruth Haase weitergeführt. Ruth Haase, Mitglied des ZK des KJVD und ehemals presseverantwortlich für das Zentralorgan 'KÄMPFENDE JUGEND' (KJ,d.Vf.), ist angeklagt, weil in einer Reihe von Schriften und Flugblättern des KJVD 'die Bundesrepublik Deutschland oder ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpft oder böswillig verächtlich' gemacht worden sei.

STAATSSCHUTZ - Schlüsselwort für den rasanten Abbau der demokratischen Rechte in der Bundesrepublik!

Werfen wir einen Blick auf die Anklageschrift!

Gegen die imperialistische Kriegstreiberei schrieb der KJVD im Flugblatt '…Die Aufrüstung der Polizei mit scharfen Waffen, Polizeikontrollen mit Maschinenpistolen im Anschlag, Einsatz von Spezialterrorgruppen fordern beinahe täglich ihre Opfer: vom Taxifahrer Jendrian (vgl. München - S1.**.197*,d.Vf.), der einfach abgeknallt wurde, bis zum kommunistischen Arbeiter Günther Routhier (vgl. S1.*.197*,d.Vf.), der in Duisburg von Polizisten erschlagen wurde, zieht sich eine immer breiter werdende Blutspur! Von Kindesbeinen an sollen wir an Militarismus und Terror gewöhnt werden. Mit dem Wehrkundeerlaß WKE,d.Vf.) sollen wir schon in der Schule für den staatlich befohlenen Massenmord begeistert werden… Die Volksmassen lassen sich durch Polizeiterror nicht vom Kampf um ihre Interessen abhalten!' - Das ist staatsgefährdend nach Paragraph 90a. Das ist Verächtlichmachung der Bundesrepublik."
Q: KJVD:Freiheit für die kommunistische Presse! Freispruch für Ruth Haase!,Dortmund o.J. (Sept. 1976)

November 1977:
Die KPD/ML kommentiert im 'Roten Morgen' (RM - vgl. **.1*.1977) vermutlich aus dem November**:"
OFFEN GESAGT…
'RETTUNGSSCHUSS'

Erinnern Sie sich noch an den 'Fall' Benno Ohnesorg (vgl. Berlin -2.6.1967,d.Vf.)? Oder an Günther Jendrian (vgl. München - 24.5.1974,d.Vf.), den Schotten McLeod (vgl. Stuttgart - 25.6.1972,d.Vf.)? Man könnte auch andere Namen nennen, Hunderte von Namen. Denn solche 'Fälle' gehören zum Polizeialltag der deutschen Bundesrepublik. Ein Mensch stirbt unter den Kugeln der Polizei. Aber haben Sie manchmal Ihrer Empörung Luft gemacht, etwa laut gesagt, hier würden Menschen 'einfach abgeknallt'? Dann ist höchste Vorsicht geboten.

Vielleicht wissen Sie, daß es schon verboten ist, im Zusammenhang mit diesen 'Fällen' das Wort 'Mord' zu gebrauchen. Wer es dennoch tat, wurde bestraft. Denn: die Polizei mordet nicht, sagt das Gericht. Und jetzt hat ein bundesdeutscher Minister erklärt: Die Polizei tötet nicht, sie rettet. Das glauben Sie nicht, das halten sie für einen makabren Witz? Hören Sie, was der Innenminister von NRW, Hirsch (FDP,d.Vf.), vorige Woche in einer Landtagsdebatte in Düsseldorf sagte: Er sprach in Bezug auf das geplante einheitliche Polizeigesetz vom 'Bereich unmittelbarer Zwang, Untergruppe Schußwaffengebrauch, Untergruppe Todes…, sogenannter Todesschuß, den ich nenne Rettungsschuß, deswegen, weil auch dort nicht das Ziel polizeilichen Handelns ist zu töten'.

Benno Ohnesorg, Günther Jendrian und all die anderen, sie wurden also gerettet! Wahrhaftig, das ist echte deutsche Polizeitradition. Wie war es denn vor vierzig Jahren? Da zeigte sich doch die Polizei in ähnlicher Weise besorgt, als es etwa darum ging, Kommunisten zu 'schützen'. Es wurde sogar eigens die Schutzhaft eingeführt und Konzentrationslager (KZ,d.Vf.) wurden errichtet, die einen solchen 'Schutz' gewährleisteten.

Und heute wird also gerettet. Aber offenbar waren Ohnesorg, Jendrian und die anderen noch nicht genug. Nach dem Willen des Ministers Hirsch, und da hat er die Zustimmung seiner Kollegen, sollen künftig noch mehr Menschen zu Tode gerettet werden. Denn der 'Rettungsschuß', von dem er sprach, soll in das einheitliche Polizeigesetz aufgenommen werden.

Vielleicht macht die Sprachregelung des Ministers ja Schule in diesem Land. Dann wird es in den Betrieben bei schweren Unfällen nur noch 'Rettungsfälle' geben. Dann werden diejenigen, die aufgrund der elenden Versorgung in den Krankenhäusern sterben, die Geretteten sein. Und vielleicht wird man sogar die DKP von dem 'Rettungsstreifen' an der Grenze zur DDR reden hören.

Auf diese Art wird die Bundesrepublik dann zu dem 'freiesten Staat deutscher Geschichte' wie es der Minister Hirsch und seine Kollegen in ihrer Debatte beschwören. Ein Staat ohne Berufsverbote (BV,d.Vf.), denn Schmidt (SPD,d.Vf*) hat höchst persönlich dekretiert, daß es die nicht gibt. Ein Staat ohne politische Gefangene, denn der Justizminister sagt ja selbst, daß nur 'kriminelle Häftlinge' in den Gefängnissen sitzen. Ein Staat, in dem es keine Isolationshaft, sondern von Stammheim bis Moabit (in Stuttgart bzw. Berlin,d.Vf.) nur 'Privilegien für Terroristen' gibt.

Ein Staat schließlich, in dem jeder sagen kann, was er denkt. Nur eben nicht, daß es Polizeimorde gibt, Isolationsfolter usw. usf. Wer so etwas sagt, der gehört bestraft. Notfalls mit Gefängnis. Aber er soll ja nicht denken, er wäre dann ein politischer Gefangener."

Verbreitet wird dieser Artikel auch bei Opel Bochum (IGM-Bereich - vgl. Dez. 1977).
Q: Roter Morgen Nr.**,Dortmund **.1*.1977,S.*; Zündkerze Nr.7,Bochum Dez. 1977,S.8

Letzte Änderungen: 8.3.2012

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