Ehemalige Mitglieder der KPD/ML und der RG:
„Betrachtungen über die KPD/ML“ (Berlin, 1979/80)

Materialien zur Analyse von Opposition

Von D. Berger, Berlin, März 2014

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Ende 1979 oder Anfang 1980 geben ehemalige Mitglieder der Kommunistischen Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten (KPD/ML) und ihrer Jugendorganisation, der Roten Garde (RG), in Berlin die kleine Schrift „Betrachtungen über die KPD/ML“ heraus.

In einigen Aufsätzen versuchen sie, „Merkmale der heutigen Politik der KPD/ML mit ihren früheren Stellungnahmen und der heutigen gesellschaftlichen Wirklichkeit zu vergleichen und zu konfrontieren“. Dabei gelangen sie zu der Ansicht, dass der Marxismus-Leninismus in der Partei „nur als Phrase“ existiere, „die nur noch für die Legitimation ihrer Existenz und für die Anerkennung durch die Albaner dienlich“ sei. Die KPD/ML läge heute im „Verfall“ wie die „gesamte übrige revolutionäre Bewegung“. In zehn Jahren hätte sie „keinerlei Analyse des westdeutschen Imperialismus“ und des „ostdeutschen Revisionismus“ hervorgebracht, „geschweige denn Erscheinungen und Probleme der westdeutschen Arbeiterbewegung und der marxistischen Weltbewegung erklären“ können.

Einen Hauptgrund für den Niedergang der marxistisch-leninistischen Bewegung sehen die Verfasser der Schrift in der mangelnden bzw. nicht vorhandenen Kenntnis des Marxismus-Leninismus. Deshalb müsse gegenwärtig vor allem das Studium der Theorie vorangetrieben werden. Die momentane Aufgabe sehen sie im „Aufbau einer m-l Studienbewegung“.

Damit reihen sich die Verfasser in die so genannte „Hauptseite Theorie“-Strömung ein, die in der zweiten Hälfte der 70er und Anfang der 80er Jahre aus vor allem ehemaligen Mitgliedern der „großen“ maoistischen Organisationen entsteht.

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

Januar 1980:
Vermutlich im Dezember 1979 oder Anfang 1980 erscheint in Berlin die kleine Schrift „Betrachtungen über die KPD/ML“ mit Aufsätzen zur Politik der KPD/ML (Format: DIN A5, 26 Seiten). Verfasst wurde sie von ehemaligen Mitgliedern der KPD/ML und der RG.

Im Vorwort erläutern die Verfasser ihr Vorhaben und ihre Sicht der Situation: „In dieser Broschüre legen wir einige Aufsätze zur Politik der KPD/ML vor. Dies ist keine geschlossene, umfassende Analyse, sondern der Versuch, Merkmale der heutigen Politik der KPD/ML mit ihren früheren Stellungnahmen und der heutigen gesellschaftlichen Wirklichkeit zu vergleichen und zu konfrontieren. Die Notwendigkeit einer umfassenden Analyse bleibt bestehen, ja scheint uns immer dringender und notwendiger. Gerade wegen dem Problem der Dringlichkeit, da zur Zeit große Unsicherheit innerhalb der Organisation herrscht, haben wir uns entschlossen, einige Aufsätze über unserer Meinung nach zentrale und momentane Fragen der Politik der KPD/ML zu veröffentlichen. Gleichzeitig bemerken wir: Trotz der großen Austrittswelle entsteht keine öffentliche Diskussion über die KPD/ML, eher private Resignation. Dies ist ein Zeichen des geringen ideologischen Niveaus in dieser Organisation. Dem möchten wir hiermit ein Ende setzen und mit einem Anfang zur Auseinandersetzung beginnen.

Genossen, man stiehlt sich nicht so leicht aus der Vergangenheit, wenn man wirklich einmal für die Revolution eintrat.

Die heutige politische Entwicklung verlangt eine breite ideologische Auseinandersetzung, da die hiesige ml-Bewegung einen großen Anteil an der Unsicherheit und Verwirrung innerhalb der revolutionären Bewegung hat. Gleichzeitig tritt die Bourgeoisie gestärkt zur Verschärfung der Situation an. Die Krisensituation wird nur überwunden, wenn als Grundlage die Fehler der ml- Bewegung analysiert werden und die marxistisch- leninistische Diskussion zur Lage und zu Problemen und Fragen des wissenschaftlichen Sozialismus in Gang kommt. Wir sind zur Ansicht gekommen, dass der M-L nur als Phrase in der KPD/ML existiert, die nur noch für die Legitimation ihrer Existenz und für die Anerkennung durch die Albaner dienlich ist. Heute, am Ende der Jugend- und Studentenbewegung von 68, liegt die KPD/ML genauso im Verfall, wie die gesamte übrige revolutionäre Bewegung flach.

Nach 10 Jahren Existenz kann die KPD/ML keinerlei Analyse des westdeutschen Imperialismus, des ostdeutschen Revisionismus und keinen Plan für ihren Parteiaufbau vorweisen, geschweige denn Erscheinungen und Probleme der westdeutschen Arbeiterbewegung und der marxistischen Weltbewegung erklären und weiterentwickeln. Stattdessen wird sie vom Gründungsfieber geschüttelt, um den Eindruck einer großen Organisation vorzutäuschen (siehe RGO, Volksfront). Dies ist nur noch ein Betrugsmanöver gegenüber den Mitgliedern, während eine kleinbürgerlich-sozialistische Bewegung an Stärke gewinnt.

‚Na und, sollen sie doch, wir stürzen uns auf die Arbeiterklasse‘, erwidern die KPD/ML-Führer. Schön wär' es! Hätten sie nur einen Funken Ahnung von den Arbeitern. Eine Partei, die vom demokratischen Zentralismus höchstens das Wörtchen Zentralismus kennt, vom Prinzip Kritik und Selbstkritik für Funktionäre soviel hält, dass der 1. Vorsitzende bei ‚Fehlern‘ immer mit der Ausrede davon kommt, er habe nichts gewusst, er sei in Hamburg gewesen ,wo Lüge, Verdrehung, Denunziation und körperliche Bedrohung von Kritikern als Mittel der Auseinandersetzung angewendet werden, aber über die Verhältnisse im Lande nicht der geringste Schimmer von Wissen vorhanden ist, wo Pragmatismus und Dogmatismus vorherrschen, um Unwissenheit und Unfähigkeit zu verdecken, nach so einer Partei sehnen sich die Arbeitermassen? Eine Partei, in der der Ernst in der Politik sich beschränkt auf den Vornamen Ernst des Vorsitzenden Aust. Angesichts dieser Situation gibt es immer noch Genossen, die sich mit Händen und Füßen wehren, nachzudenken, um nur nichts von ihrem gemütlichen Glauben aufgeben zu müssen.

Genossen, alte Weiber in der Kirche glauben, aber Kommunisten müssen hinterfragen und den Tatsachen nachgehen, sollten den Mut haben, Auseinandersetzungen zu führen, falls ihnen noch etwas an der Wahrheit liegt.“

Es folgen die Aufsätze:

Im Nachwort heißt es dann: „In unseren vorliegenden Aufsätzen sind wir weit davon entfernt, eine grundlegende marxist. Analyse vorgenommen zu haben. Es gibt noch viel zu schreiben …

Dennoch meinen wir, anhand der aufgezeigten Fakten … begründen zu können, dass diese Organisation keine revolut. marxistische Partei ist. Praktisch wurde die KPD/ML zu einer opportunistischen Sekte heruntergewirtschaftet … Dabei ist die Anzahl der Mitglieder nebensächlich. Aber ein Kennzeichen dafür ist die neueste Entwicklung. Die Politik heißt: abschotten, keine Auseinandersetzung, sondern Unterordnung, glauben und ackern, das ist die Parole. Zweifelnde und zu sehr fragende Genossen werden entfernt, Prominenten biedert man sich an, Andersdenkende werden nur noch schäbig diffamiert. Die politische Linie ist eine Farce aus Stimmungsmache und Betrügerei.

Wir hoffen aber, dass es noch an der Revolution interessierte Mitglieder und Ehemalige gibt. Deren Aufgabe muss es sein, die Widersprüche zur Austschen Führung voranzutreiben …

Wir vertreten nicht die Ansicht, dass sofort eine neue Partei gegründet werden kann. Denn ein Hauptpunkt des Niedergangs der m-l Bewegung ist die mangelnde bzw. nicht vorhandene Kenntnis des M-L. Es muss im Kampf um die Entlarvung und Analyse der KPD/ML vor allem das Studium der Theorie vorangetrieben werden. Hier sehen wir die momentane Aufgabe im Aufbau einer m-1 Studienbewegung. Die revolutionären Arbeiter müssen sich freimachen von der Austschen Umarmung … Aber die besten Arbeiter überlasen das Denken nicht den Ochsen. Ihr Interesse an der Befreiung von Unterdrückung und Ausbeutung veranlasst sie, am radikalsten zu hinterfragen, zu studieren und zu kämpfen und nicht zu kriechen. Sie sind es, die am unnachgiebigsten nach Klärung verlangen, über den mod. Revisionismus, über die Situation der Arbeiterbewegung in West- u. Ostdeutschland, über die Stalin- und Mao-Frage, über die Entwicklung der heutigen m-l Bewegung etc. - Dazu sind sie aufgefordert.“

Am Ende ihrer kleinen Schrift verweisen die Verfasser u.a. auf Texte anderer Kritiker der KPD/ML:

Quelle: Ehemalige der KPD/ML und der RG: Betrachtungen über die KPD/ML, Berlin, o. J. (1979/80).

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