Liebknecht-Vereinigung (Berlin)

Materialien zur Analyse von Opposition

Von D. Berger, Berlin

Die „Liebknecht-Vereinigung“ (LV) entstand vermutlich in der ersten Hälfte des Jahres 1975. Sie bestand aus ehemaligen Sympathisanten und Mitgliedern der KPD/ML und der KPD in West-Berlin, die mit den genannten Organisationen gebrochen hatten, weil deren Führungen ihrer Ansicht nach mehr oder weniger offen eine „sozialchauvinistische und kleinbürgerlich-nationalistische“ Linie propagierten. Die Strömung der „Vaterlandsverteidigung“, der neben den Führern von KPD/ML und KPD auch kleinere Zirkel (so die Marxisten-Leninisten Aachens, Bochums und Frankfurts) angehören sollten, verharmlose und beschönige, so die LV, den westdeutschen Imperialismus und zum Teil sogar die NATO (vgl. Aug. 1975). Eine zentrale Rolle spielte in dieser Kritik immer die so genannte „Kieler Rede“ des KPD/ML-Vorsitzenden Ernst Aust.

Nach unseren Daten war die LV vornehmlich publizistisch tätig. Sie gab im Laufe ihres Bestehens vier Broschüren heraus: zwei befassten sich mit der Kritik des Sozialchauvinismus und dem Kampf gegen den imperialistischen Krieg (vgl. Aug. 1975, Dez. 1975, Mrz. 1976), eine weitere mit der Kritik des Programms und der politischen Linie der KPD/ML (vgl. Aug. 1977), die letzte uns bekannte beschäftigte sich mit den Beziehungen zwischen den Industrie- und Entwicklungsländern und der "chinesischen Theorie der drei Welten" (vgl. Jun. 1980). Alle Broschüren wurden vor allem über linke Buchläden bundesweit verbreitet.

Unsere weiteren Informationen über die LV sind spärlich: Sie wurde von anderen ML-Zirkeln zu Konferenzen eingeladen (vgl. 29.05.1975, Apr. 1980), und andere marxistisch-leninistische Gruppen beschäftigten sich mit ihren Schriften (vgl. Aug. 1977, Dez. 1980).

Zur LV siehe auch:

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

August 1975:
Die Broschüre „Sozialchauvinismus im Gewande des Marxismus-Leninismus. Zur Linie der KPD/ML und der KPD im Kampf gegen die Kriegsgefahr“, herausgegeben von ehemaligen Sympathisanten und Mitgliedern der KPD/ML, erscheint (vgl. Mrz. 1976). Druck, Verlag und Kontaktadresse: Liebknecht-Vereinigung, Berlin.

In einer Anzeige der Liebknecht-Vereinigung zu dieser Broschüre heißt es:
„Seit mehr als einem halben Jahr gibt es in der revolutionären Bewegung der Bundesrepublik und Westberlins eine sozialchauvinistische und kleinbürgerlich-nationalistische Strömung, die von einigen kleineren Zirkeln, vor allem aber von den Führern der KPD und der KPD/ML mehr oder weniger offen propagiert wird. Diese Strömung der "Vaterlandsverteidigung" stellt eine gefährliche Verharmlosung und Beschönigung des westdeutschen Imperialismus, z. T. sogar der NATO dar.

Mit der Widerlegung und dem Kampf gegen diesen neuen Sozialchauvinismus beschäftigt sich die Broschüre

SOZIALCHAUVINISMUS IM GEWANDE DES MARXISMUS-LENISMUS (Zur Linie der KPD/ML und der KPD im Kampf gegen die Kriegsgefahr). (Umfang 128 Seiten)

Im ersten Teil erörtert die Broschüre Lenins Kampf gegen den Sozialchauvinismus im ersten Weltkrieg und beweist die Allgemeingültigkeit der Lehren Lenins über den Zusammenhang von Krieg und Revolution für die ganze Epoche des Imperialismus. Weiter wird die Anwendung der Lehren Lenins auf den zweiten Weltkrieg durch die Kommunistische Internationale behandelt.

Im zweiten Teil behandelt die Broschüre das Verhältnis der beiden Supermächte zueinander und zum westdeutschen Imperialismus, der heute zwar keine Supermacht, aber die stärkste imperialistische Macht in Westeuropa ist und eine reale Gefahr für den Frieden darstellt. In diesem Zusammenhang werden auch die Aussagen verschiedener Quellen über die militärische Stärke von NATO und Warschauer Pakt verglichen, um den von den neuen Sozialchauvinisten verbreiteten wüsten Spekulationen auf diesem Gebiet entgegenzutreten.

Im dritten Teil gibt die Broschüre Auszüge aus den Richtlinien der Komintern für den Kampf gegen den imperialistischen Krieg wieder und versucht, die Aufgaben der westdeutschen Kommunisten im Kampf gegen die Kriegsgefahr heute und während eines imperialistischen Krieges zu umreißen.

Im vierten Teil widerlegt die Broschüre im Einzelnen die kautskyanischen Argumente der Führer der KPD/ML und der KPD, mit denen sie ihre Linie des Sozialchauvinismus und der schrittweisen Klassenversöhnung zu rechtfertigen versuchen.

Die Broschüre hat die Aufgabe, den an vielen Orten begonnenen Kampf revolutionärer Kräfte gegen den neuen Sozialchauvinismus zu unterstützen.“
Quellen: Ehemalige Sympathisanten und Mitglieder der KPD/ML (Hg.): Sozialchauvinismus im Gewande des Marxismus-Leninismus. Die Linie der KPD/ML und der KPD im Kampf gegen die Kriegsgefahr, 2. Aufl., Berlin: Liebknecht-Vereinigung, März 1976; Ehemalige Sympathisanten und Mitglieder der KPD/ML und der KPD (Hg.): Die Kommunistische Internationale über der Kampf gegen den imperialistischen Krieg und die Aufgaben der Kommunisten, Berlin: Liebknecht-Vereinigung, Dezember 1975, Anzeige auf Seite 68.

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Dezember 1975:
Die Broschüre "Die Kommunistische Internationale über der Kampf gegen den imperialistischen Krieg und die Aufgaben der Kommunisten", herausgegeben von ehemaligen Sympathisanten und Mitgliedern der KPD/ML und der KPD, erscheint. Druck, Verlag und Kontaktadresse: Liebknecht-Vereinigung, Berlin. Umfang: 68 Seiten.

In einer Anzeige der Liebknecht-Vereinigung heißt es dazu: "Diese Broschüre veröffentlicht die vom VI. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale verabschiedete programmatische Resolution 'Der Kampf gegen den imperialistischen Krieg und die Aufgaben der Kommunisten', deren Existenz von den neuen Sozialchauvinisten bis heute ignoriert worden ist, und vergleicht in ihrer Einleitung die Linie des neuen Sozialchauvinismus mit der leninistischen Linie der Komintern, die diese entgegen allen Verfälschungen der Opportunisten auch in der ersten Etappe des zweiten Weltkriegs bis zum Kriegseintritt der Sowjetunion beibehielt."

In der Einleitung der Broschüre selbst heißt es zum Schluss: "Hier wie da, bei KPD- wie bei KPD/ML-Führung, finden wir unter der Linie der 'Unterstützung der Verteidigungsbereitschaft' der Bundesrepublik die objektive Unterstützung der Aufrüstung des westdeutschen Imperialismus gegen das Proletariat und die Volksmassen - eine Haltung, die die Kommunistische Internationale völlig zu Recht als 'Verrat am Sozialismus' gebrandmarkt hat.

Die folgende Veröffentlichung der programmatischen Resolution der Komintern zum Kampf gegen den imperialistischen Krieg soll jedem Revolutionär in unserem Land die Möglichkeit geben, die Aufrufe der Führer der KPD und der KPDML mit der prinzipienfesten leninistischen Linie der Kommunistischen Internationale zu vergleichen und so selber zu einem klaren Urteil über die seit über einem halben Jahr betriebene Propaganda der 'Verteidigung unserer Heimat' und der Verharmlosung und verdeckten Unterstützung des westdeutschen Imperialismus unter der Flagge des Kampfes gegen die Supermächte zu gelangen." (S. 18f.)

Inhalt der Broschüre:
I. Im Kampf gegen den imperialistischen Krieg unbeirrt am Leninismus festhalten!
 1. Bedeutung und Charakter der programmatischen Resolution des VI. Weltkongresses der Komintern zum Kampf gegen den imperialistischen Krieg
 2. Die Rolle der programmatischen Resolution vor dem zweiten Weltkrieg und in seiner ersten Etappe
 3. Welche Lehren ziehen die Führer der KPD und der KPD/ML aus der Geschichte des Kampfes der internationalen kommunistischen Bewegung gegen den imperialistischen Krieg?
II. Der Kampf gegen den imperialistischen Krieg und die Aufgaben der Kommunisten (Resolution des VI. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale)
Quellen: Ehemalige Sympathisanten und Mitglieder der KPD/ML und der KPD (Hrsg.): Die Kommunistische Internationale über der Kampf gegen den imperialistischen Krieg und die Aufgaben der Kommunisten, Berlin: Liebknecht-Vereinigung, Dezember 1975; Ehemalige Sympathisanten und Mitglieder der KPD/ML (Hrsg.): Sozialchauvinismus im Gewande des Marxismus-Leninismus. Die Linie der KPD/ML und der KPD im Kampf gegen die Kriegsgefahr, 2. Aufl., Berlin: Liebknecht-Vereinigung, März 1976, Anzeige auf Seite 130.

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März 1976:
Die zweite Auflage der Broschüre „Sozialchauvinismus im Gewande des Marxismus-Leninismus. Die Linie der KPD/ML und der KPD im Kampf gegen die Kriegsgefahr“, herausgegeben von ehemaligen Sympathisanten und Mitgliedern der KPD/ML, erscheint (vgl. Aug. 1975). Druck, Verlag und Kontaktadresse: Liebknecht-Vereinigung, Berlin. Umfang: 128 Seiten.

Im Vorwort zur zweiten Auflage schreiben die Verfasser, dass sich seit der Fertigstellung ihrer Broschüre im August 1975 „der neue Sozialchauvinismus und kleinbürgerliche Nationalismus in der revolutionären Bewegung Westdeutschlands und Westberlins weiterentwickelt und vertieft“ habe. Von den „sogenannten Marxisten-Leninisten Aachens, Bochums und Frankfurts ebenso wie von der KPD“ könne man sagen, dass „der Sozialchauvinismus in diesen Organisationen nur der Ausgangspunkt für eine Schritt für Schritt sich entwickelnde anti-revolutionäre, bürgerliche Linie in allen wichtigen Fragen der Strategie und Taktik der Revolution gewesen“ sei.

Den Führern der KPD/ML wird bescheinigt, dass sie „- mehr auf massive Kritik verschiedener ausländischer wahrhaft marxistisch-leninistischer Parteien hin denn als Ergebnis eines inneren Kampfes - in der Frage des Hauptfeindes der proletarischen Revolution ihre Linie geändert“ habe und „zu der marxistisch-leninistischen Wahrheit zurückgekehrt“ seien, dass, „wer die Staatsmacht in Händen“ halte, „der Hauptfeind der Revolution“ sei. Allerdings fehle der „Polemik, die die KPD/ML-Führung heute gegen die zutiefst bürgerlichen Positionen der KPD-Führung begonnen“ habe, eine „wirklich tiefgehende, nichts beschönigende, gründlichste Selbstkritik“.

Inhaltsverzeichnis
I. Entschlossen gegen die Strömung des Sozialchauvinismus in der westdeutschen revolutionären Bewegung kämpfen

II. II. Die Lehren Lenins über den Krieg sind allgemeingültig für die ganze Epoche des Imperialismus und der proletarischen Revolution
 1. Lenins Kampf gegen den Sozialchauvinismus im ersten Weltkrieg
 2. Die Anwendung und Erweiterung der Lehren Lenins im zweiten Weltkrieg durch die Kommunistische Internationale

III. Die Hauptkriegsgefahr geht heute von den beiden Supermächten aus
 1. Der USA-Imperialismus war und bleibt ein äußerst aggressiver und gefährlicher Feind aller Völker
 2. Der sowjetische Sozialimperialismus - ein genauso gefährlicher und aggressiver Feind der Völker wie der USA-Imperialismus
 3. Die beiden Supermächte sind wesensgleich, ihr Ziel ist die Weltherrschaft und die Vernichtung des Sozialismus
 4. Die größte konterrevolutionäre Kraft auf der Welt ist die Allianz der beiden Supermächte
 5. Strategischer Schwerpunkt Europa und die militärischen Kräfteverhältnisse zwischen NATO und Warschauer Pakt
 6. Die beiden Supermächte, der gemeinsame Hauptfeind der Völker und die Frage des Hauptfeindes in jedem einzelnen Land

IV. Der westdeutsche Imperialismus, stärkste europäische NATO-Macht, Hauptpartner der Supermächte in Europa, eine reale Gefahr für den Frieden
 1. Westdeutschland nach Kriegsende: Ein unterdrücktes Land
 2. Westdeutschland heute: Eine imperialistische Macht
 3. Der westdeutsche Imperialismus bildet eine reale Gefahr für den Frieden in Europa

V. Die Aufgaben der Kommunisten im Kampf gegen den imperialistischen Krieg
 1. Der VI. Weltkongreß der Komintern über "Der Kampf gegen den imperialistischen Krieg und die Aufgaben der Kommunisten
 2. Die Wahrheit in den Tatsachen suchen!
 3. Ist ein Weltkrieg unvermeidlich?
 4. Welche Aufgaben stellt der Kampf gegen die Kriegsgefahr in unserem Land?
 5. Über die Aufgaben der Kommunisten im Krieg
 6. Die Außenpolitik der VR China und die Aufgaben der Kommunisten in Westdeutschland
 7. Die vier grundlegenden Widersprüche in der Welt und die Theorie der drei Welten

VI. Die Linie der KPD/ML und der KPD im Kampf gegen die Kriegsgefahr - ein gerader Weg in den Sozialchauvinismus und Neorevisionismus
 1. Die Kieler Rede von Ernst Aust
 2. "Rote Fahne", KPD-Schulungsbroschüre und der Kampf gegen die Kriegsgefahr

VII. Wesen und Bedeutung des Sozialchauvinismus
Q: Ehemalige Sympathisanten und Mitglieder der KPD/ML (Hg.): Sozialchauvinismus im Gewande des Marxismus-Leninismus! Die Linie der KPD/ML und der KPD im Kampf gegen die Kriegsgefahr, 2. Aufl., Berlin: Liebknecht-Vereinigung, März 1976

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29.05.1977:
Die KGB/E und der KAB Kassel laden zur "ML-Zirkelkonferenz am 16./17. Juni 1979 in Bochum" ein. U. a. haben ihre Teilnahme verbindlich zugesagt:
- KGB/E,
- KAB-Kassel,
- Komitee für Demokratie und Sozialismus (Aachen),
- Marxistisch-Leninistischer Schulungskreis (Berlin),
- AKV (Düsseldorf),
- Gruppe Klöppinger (Frankfurt),
- Redaktion der 'Aufsätze zur Diskussion' (AzD),
- Kreis Gelsenkirchener Marxisten-Leninisten,
- Gruppe Andreas Lißner (Hannover),
- Gruppe Maier (ehemals KABD-Karlsruhe),
- Gruppe Herausforderung (Kiel),
- Initiative für eine KG Mainz (Mainz),
- ML-Zirkel Neu Isenburg,
- KAG (Osnabrück),
- Gruppe Ratinger Kommunisten.

Unklar sei die Anwesenheit folgender Gruppen auf der Konferenz:
- Liebknecht-Vereinigung (Berlin),
- Gruppe H. Westrup (Bielefeld),
- Kommunistische Gruppe Bonn (Bonn),
- Gruppe Klassenkampf (Duisburg),
- Gruppe ehemaliger KBWler (Frankfurt),
- Komitees für Demokratie und Sozialismus (Mannheim),
- Erobert die Theorie (München),
- Gruppe fränkischer Kommunisten (Nürnberg),
- ML-Zirkel Walldorf.

Ausdrückliche Absagen, an der Konferenz teilzunehmen, erhielten die Einlader bisher von:
- Gruppe R. Kurz (Fürth),
- Kommunistische Gruppe München (KGM).
Q: KGB/E und KABK: Einladungsschreiben an die Teilnehmer der ML-Zirkelkonferenz am 16./17. Juni 1979 in Bochum, Bochum 1979

August 1977:
Von der Liebknecht-Vereinigung erscheint die Broschüre "Deutschland - ein Spießermärchen. Zur Kritik des Programms bzw. der politischen Linie der KPD/ML". Druck und Verlag: Liebknecht-Vereinigung, Berlin. Umfang: 110 Seiten.

In der Vorbemerkung dazu heißt es: "Im August 1975 gab eine Gruppe von vormaligen Mitgliedern und Sympathisanten der KPD/ML die Broschüre "Sozialchauvinismus im Gewände des Marxismus-Leninismus - Zur Linie der KPD/ML und der KPD im Kampf gegen die Kriegsgefahr" heraus. Noch betrachtete diese Gruppe die KPD/ML mehr oder weniger als marxistisch-leninistische Partei, wenn auch auf dem Wege einer schweren Verirrung. Der Sozialchauvinismus erschien uns als eine "drastische Änderung" der politischen Linie der KPD/ML, obgleich es Hinweise darauf gab, daß die Vaterlandsverteidigung im imperialistischen Krieg schon durch den bürgerlichen Nationalismus der ZK-Erklärung "Deutschland dem deutschen Volk!" vorbereitet worden war. Im Verlauf einer weitergehenden und allmählich die Entwicklung der politischen Linie der KPD/ML seit ihrer Gründung umfassenden Untersuchung mußten wir erkennen, daß der Sozialchauvinismus der "Kieler Rede" Ernst Austs und einiger nachfolgender Grundsatzdokumente nur vorläufiger Höhepunkt einer Entstellung des Marxismus und des Leninismus waren, die sich mit der Gründung der KPD/ML als ideologisch-politische Linie dieser Partei entwickelt und seit ihrer Spaltung 197o gesteigert hat.

Die "Grundsatzerklärung" und das neue Programm der KPD/ML bestätigten alle unsere bis dahin erstellten, noch unsystematischen Untersuchungen zur Linie; eine Kritik dieser Linie kann sich daher in fast allen wesentlichen Punkten auf die wichtigsten programmatischen Dokumente der KPD/ML gleichermaßen beziehen. Trotz zahlreicher Schwankungen in Einzelfragen (man denke nur an die Gewerkschafts-"Linie"!) hat die KPD/ML-Führung in den Kernpunkten ihrer Programmatik relativ feste (wenn auch nicht auf die Prinzipien des Marxismus-Leninismus verpflichtete) Positionen entwickelt. Diese Hauptfragen bestimmen auch den Gang unserer Kritik, die dabei neben den ideologisch-politischen auch methodische Aspekte aufzugreifen versucht.

Unsere ganze Kritik hat allerdings enge Grenzen, die durch die bisherige Entwicklung der revolutionären Bewegung in Westdeutschland und Westberlin mitbestimmt sind. Ebenso wie KPD, KBW usw. hat auch die KPD/ML niemals wirklich radikal mit dem modernen Revisionismus gebrochen, was unsere Kritik u.a. beweisen wird. Eine marxistisch-leninistische Theorie der Revolution für Westdeutschland - also die Verbindung der allgemeingültigen Prinzipien des Marxismus-Leninismus mit den konkreten (west-)deutschen Bedingungen - konnte sie also schon deswegen nicht hervorbringen, weil sich ihre Führung niemals den Marxismus-Leninismus wirklich angeeignet und zur Grundlage ihrer Arbeit gemacht hat. Aber auch außerhalb der genannten opportunistischen Organisationen sind bisher größere und befriedigende Beiträge zu einer solchen Theorie der Revolution, die immer Hand in Hand mit der Widerlegung der Theorien des modernen Revisionismus gehen muß, noch nicht geleistet worden. Wenn wir hier von der Theorie der Revolution und der Widerlegung der Theorien des modernen Revisionismus sprechen, so meinen wir nicht eine Aneinanderreihung allgemeiner Prinzipienerklärungen, die doch noch nichts aussagen über die konkrete Wirklichkeit des westdeutschen Imperialismus, seinen besonderen Charakter, seine Geschichte, die Klassen der westdeutschen Gesellschaft, die Wechselbeziehungen dieser Klassen im Unterschied zu anderen imperialistischen Ländern, die konkrete Ausformung der Front zwischen Revolution und Konterrevolution im Weltmaßstab usw. usf. Wirkliche Verteidigung der Prinzipien des Marxismus-Leninismus gegen den Opportunismus kann nur heißen, den Nachweis zu führen, daß die opportunistischen Theorien falsch sind, weil sie mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmen. Was Marx in Bezug auf eine einzelne Wissenschaft formulierte, gilt heute mehr denn je für alle Teilbereiche der Theorie der Revolution in Westdeutschland und Westberlin:

"Nur dadurch, daß man an die Stelle der conflicting dogmas (der widersprüchlichen Dogmen, d.V.) die conflicting facts (die widersprüchlichen Tatsachen, d.V.) und die realen Gegensätze stellt, die ihren verborgenen Hintergrund bilden, kann man die politische Ökonomie in eine positive Wissenschaft verwandeln." (Marx an Engels, lo. Oktober 1868, MEW Bd. 32, S. 18o)

Wir sind uns völlig darüber im klaren, daß unsere eigenen Veröffentlichungen bisher in keiner Weise diesem Anspruch genügen, daß auch sie sich größtenteils auf der Ebene der prinzipiellen Argumentation bewegen; der Rest sind Hypothesen, auf eine beschränkte Anzahl von Tatsachen und Beobachtungen gegründet. Diese Hypothesen haben zwar eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich, sind aber beileibe noch keine "konkrete Analyse der konkreten Situation", wie Lenin sie verlangt. Durch sie kann höchstens der Gang zukünftiger Untersuchungen vorgeschrieben werden. Nur so kann auch eine wirkliche Aneignung des Marxismus-Leninismus nach Inhalt und Methode erfolgen - indem dieser schrittweise auf die Untersuchung der heutigen gesellschaftlichen Wirklichkeit angewendet wird. Gerade, auf diese Aufgabe der Marxisten-Leninisten in Westdeutschland und Westberlin will die vorliegende Kritik die Aufmerksamkeit ihrer Leser lenken." (S. 3f.)

Inhaltsverzeichnis der Broschüre:
I. Vorbemerkung

II. Wie entsteht das Programm der Kommunistischen Partei?
 1. Das Parteiprogramm - Ergebnis eigener wissenschaftlicher Einsicht oder Kopie eines historischen Vorbildes?
 2. Lenin und die Kommunistische Internationale über das Parteiprogramm
 3. Welche Anforderungen sind an ein revolutionäres Programm für Westdeutschland zu stellen?

III. Über Weg und Ziel der Revolution in Westdeutschland
 1. Zum marxistisch-leninistischen Begriff der Diktatur des Proletariats
 2. Zur Bündnisfrage
 3. Zur nationalen Frage
  Volk und Nation
  Die betrügerische Losung der "nationalen Interessen"
  Zur Frage der Wiedervereinigung
  "Nationale Bewegung" und "nationale Front" gegen "nationalen Verrat"?
  Propaganda im Dienste des Revanchismus
  "Nationalbewußtsein" und nationale Kultur
  Noch einmal zum Sozialchauvinismus der KPD/ML
  Eine entwickelte nationalistische Linie

IV. Spontaneismus - eine grundlegende Linie des Programms und der Politik der KPD/ML
 1. Was ist und wie entsteht das revolutionäre Klassenbewußtsein des Proletariats?
 2. Was ist revolutionärer Klassenkampf?
 3. Verfälschungen der Geschichte der revolutionären Arbeiterbewegung
 4. Unterschätzung von Reformismus und Revisionismus

V. Zur politischen Ökonomie der KPD/ML
 1. Kapitalismus und Mehrwerttheorie
 2. Wer hat den Reichtum der Bundesrepublik erzeugt?
 3. Die Lage der Arbeiter im Sozialismus

VI. Schluß

Quelle: Liebknecht-Vereinigung: Deutschland - ein Spießermärchen. Zur Kritik des Programms bzw. der politischen Linie der KPD/ML, Berlin: Liebknecht-Vereinigung, August 1977.

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August 1977:
In Kiel erscheint die erste (und wohl auch einzige) Nummer der „Herausforderung - Zeitschrift zur Förderung Marxistisch-Leninistischen Denkens“.

In einem Beitrag über neue marxistisch-leninistische Zirkel wird u. a. über die Liebknecht-Vereinigung in Berlin berichtet. „Die Liebknecht-Vereinigung ist eine Gruppe ehemaliger Sympathisanten und Mitglieder der KPD/ML und der KPD in Westberlin. Die Genossen haben mit den genannten Organisationen gebrochen, als diese Kurs nahmen auf die Rechtfertigung der sogenannten "Vaterlandsverteidigung“ in einem Krieg, an dem sich die westdeutsche Bourgeoisie beteiligt. Im August 1975 gab die Liebknecht-Vereinigung eine Broschüre heraus mit dem Titel: "Sozialchauvinismus im Gewande des Marxismus Leninismus - Zur Linie der KPD/ML und der KPD im Kampf gegen die Kriegsgefahr." Diese Broschüre, die unter anderem die "Kieler Rede" von Ernst Aust ausführlich kritisiert, stützt sich vor allem auf eine sehr sorgfältige Darstellung der historischen Erfahrungen der internationalen Arbeiterbewegung im Kampf gegen den imperialistischen Krieg. Die KPD/ML-Führer haben von ihren damaligen z. T. offenkundigen sozialchauvinistischen Positionen in zwischen Abstand genommen und eine "Selbstkritik" verfaßt, die diesen Namen kaum verdient. Statt die begangenen Fehler vollständig aufzudecken und zu analysieren, werden sie heruntergespielt oder ganz und gar abgeleugnet. Sie spekulieren dabei offensichtlich mit der bewährten politischen Vertrauensseligkeit und Vergesslichkeit ihrer Anhänger. Für solche Gebrechen empfehlen wir als wirksames Gegenmittel die Lektüre der genannten Broschüre. Kontaktadresse: Liebknecht-Vereinigung, Postfach 150648, 1 Berlin 15“

Über die Kieler „Herausforderung“ berichtet der KB: „Ihre Zielgruppe sieht die neue Zeitschrift in den aus KBW, KPD, KPD/ML und KABD Ausgeschlossenen bzw. Ausgetretenen.“ Dem Bericht ist weiter zu entnehmen, daß sich die 'Herausforderung' aus Ehemaligen Mitgliedern der KPD/ML bzw. des Thälmann Kampfbundes/Marxisten-Leninisten (TKB/ML) Kiel rekrutiert.
Q: Herausforderung, Nr. 1, Kiel, Aug. 1977, S. 10; Arbeiterkampf, Nr. 113,Hamburg, 19.9.1977, S. 59

Juni 1978:
Vermutlich Mitte 1978 wird von der Liebknechtvereinigung Westberlin das Papier "Ein Maskenball. Spätbürgerliche Farce in zwei Aufzügen (Beiläufige Anmerkungen zur Emanzipationstheorie des ML-Intellektuellen aus der westdeutschen Studentenbewegung)" erarbeitet, welches als anonymer Schreibmaschinendurchschlag zirkuliert. Quelle: N. N. <Liebknecht-Vereinigung>: Ein Maskenball. Spätbürgerliche Farce in zwei Aufzügen (Beiläufige Anmerkungen zur Emanzipationstheorie des ML-Intellektuellen aus der westdeutschen Studentenbewegung), O. O. <Berlin> o. J. <1978>

1980:
Von der Liebknecht-Vereinigung (Berlin) erscheint vermutlich in der Zeit 1979/80 das Papier: "Zur Kritik der ökonomischen und politischen Voraussetzungen der Drei-Welten-Theorie". Dabei handelt es sich um eine Vorarbeit zu dem Buch: "Geht das Zeitalter der Ausbeutung zu Ende?" (vgl. Juni 1980)".

Abschnitte darin sind: "
I. Einleitung
1. Wie wird bisher gegen die Drei-Welten-Theorie gekämpft?
2. Statistik und materialistische Erkenntnistheorie
II. Die chinesische Position (Kernthesen der Drei-Welten-Theorie)
III. Kritik zentraler Thesen der Drei-Welten-Theorie
1. Agrarproduktion und Unabhängigkeit
2. Die Abhängigkeit der Entwicklungsländer von ausländischen Krediten
3. Imperialistische Kapitalanlagen in den Entwicklungsländern und ihre Wirkungen
4. Die Industrialisierung der Entwicklungsländer
5. Der Einsatz der 'Erdölwaffe'
6. Das 'integrierte Rohstoffprogramm'
7. Welthandel und Entwicklungsländer
8. Der Kampf um ein neues Seerecht Exkurs: Der Panamakanalvertrag
9. Die militärische Rüstung der Entwicklungsländer
10. 'Wachsende Einheit' und 'wirtschaftliche Fortschritte' Schlussfolgerungen
IV. Die Geschichte der Konferenzen der Entwicklungsländer
V. Die herrschenden Klassen der Entwicklungsländer - einige ausgewählte Beispiele
VI. Zur Bedeutung des Befreiungskampfes der unterdrückten Völker (Historischer Abriss der Problemstellung in der kommunistischen Weltbewegung)
VII. Einige Schlussfolgerungen zur gegenwärtigen internationalen Lage
VIII. Nachwort"

U. a. wird erwähnt, dass der "Inhalt dieser Broschüre" sich mit "den Erscheinungen des Neokolonialismus, d. h. des Systems, in dessen Form heute die Abhängigkeit der überwiegenden Mehrheit der Länder der Welt vom Imperialismus zum Ausdruck kommt", beschäftigt.
Quelle: Liebknecht Vereinigung (Berlin): Zur Kritik der ökonomischen und politischen Voraussetzungen der Drei-Welten-Theorie, (Fragment) o. O., o. J. (1979/80).

April 1980:
Von der Marxistisch-Leninistischen Gruppe Erlangen-Nürnberg-Fürth (MLG ENF) wird das 'Konferenz-Info' Nr.1 (vgl. Juni 1980) herausgegeben. Thema: Die Vorbereitung auf eine wissenschaftliche Konferenz zum Thema "Marxismus und nationale Frage". Bereits Ende Januar rief die Gruppe zu einer Initiative für diese Konferenz auf. Das Info ging an folgende Gruppen: Erobert die Theorie (München), eine Gruppe in München um Axel Jansen, KG Osnabrück, 'Herausforderung' (Kiel), AKV (Düsseldorf), Liebknecht-Vereinigung (Berlin), KG Bochum/Essen (KG B/E), 'Beiträge zur Diskussion' (Bayern), Gruppe Ratinger Kommunisten (GRK). Zur Information ging das Info auch an die Neue Hauptseite Theorie (NHT) Gelsenkirchen-Rüsselsheim, GDS (Frankfurt) und die Komitees für Demokratie und Sozialismus (KDS).
Q: MLG ENF: Konferenz-Info, Nr. 1,Nürnberg, Apr. 1980

Juni 1980:
Von der Liebknecht-Vereinigung in West-Berlin wird im Sommer das 272-seitige Buch "Geht das Zeitalter der Ausbeutung zu Ende? Die Beziehungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern und die chinesische Theorie der drei Welten" herausgegeben.
Q: Kampf-Kritik-Umgestaltung, Nr. 1, Ulm, 28.8.1980, S. 46; DNB, 7.12.2011

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November 1980:
In Erlangen erscheint mit einer Auflage von 300 Stück die Nr. 3 der Zeitschrift "Neue Strömung - Zeitschrift für marxistisch-leninistische Theorie und Politik". Sie enthält einen Artikel der Liebknecht-Vereinigung mit dem Titel: "Über die 'Gesetzmäßigkeit des Sozialismus' und einige andere Glaubensweisheiten des Marxismus-Leninismus".

Kritisiert wird der Artikel von der NS-Redaktion gleich im Editorial: "Heftige Kritik seitens der Redaktion der 'Neuen Strömung' und der m-l-Gruppe Nürnberg als Herausgeber hat der in dieser Nr. abgedruckte Artikel der Genossen der Liebknecht-Vereinigung Berlin zur Geschichtsphilosophie des Marxismus ausgelöst. Wir sind der Meinung, dass sich die Genossen mit ihrer Argumentation auf die Ebene eines Relativismus begeben haben, der mit der zweifellos angestrebten wissenschaftlichen Unbefangenheit wenig zu tun hat. Zwar wird von den Genossen das zweifellos wichtige Problem des Mechanizismus Stalins und der 3. Internationale aufgegriffen (die hier nur den schon von Marx und Engels attackierten, aber dennoch in der 2. Internationale weitverbreiteten Geschichtsdeterminismus fortgeführt haben) aber der Schuss geht unserer Meinung nach in die falsche Richtung, letzten Endes gegen die historische Rolle des Proletariats und der gesamten marxistischen Kapitalanalyse - also gerade in Richtung derjenigen Sorte von Stalin-Kritik, von der wir uns abgrenzen wollen. Wegen des schwerwiegenden Charakters der hier angedeuteten Differenzen hielt die Redaktion eine direkte Replik für erforderlich, die vom Genossen P. Klein geliefert wurde und im Anschluss an den Artikel der Liebknecht-Vereinigung abgedruckt ist. Damit halten wir aber natürlich die Diskussion keineswegs für abgeschlossen. Für die Ausgaben der Neuen Strömung im kommenden Jahr ist geplant, die Auseinandersetzung um die marxistisch-leninistische leninistische Geschichtsauffassung weiterzuführen. Wir hoffen dabei auch auf Diskussionsbeiträge unserer Leser, zu denen hiermit ausdrücklich aufgefordert wird." (S. 5)
Q: Neue Strömung, Nr. 3, Erlangen, November 1980.

Dezember 1980:
Verabschiedung des Arbeitsplanes des 3.Welt-Kollektivs der Kommunistischen Gruppe Bochum/Essen (KGB/E). Er umfaßt den Zeitraum Dezember 1980 bis Juni 1981. U. a. wird ausgeführt: "Im Rahmen der Ausrichtung der theoretischen Arbeit der Gesamtorganisation durch die letzte MV wird der Schwerpunkt der kollspezifisch-theoretischen Arbeit im allgemeinen Sinne am Verhältnis von Klassenanalyse und Imperialismus ansetzen. Das Verhältnis von unterdrückten Völkern und Nationen zum Imperialismus steht im Zentrum der theoretischen und praktischen Aufgaben des Kollektivs.

Dieses Verhältnis soll auch in der Verbindung von theoretischer Arbeit und Beiträgen zur Propagandaarbeit in der BAZ zum Ausdruck kommen.

An konkreter Aufgabenstellung wird genannt:
- Aneignung der politisch-ökonomischen Entwicklung des Imperialismus seit dem 1.Weltkrieg,
- Rezension des Buches der Liebknecht-Vereinigung: "Geht das Zeitalter der Ausbeutung zu Ende?"
- Gründliche Aneignung der Imperialismustheorie Lenins, dabei insbesondere die Bedeutung des Kapitalexports, die Rolle der Finanzbourgeoisie.
- Diskussion wesentlicher theoretischer Versuche die allgemeine Entwicklung des Imperialismus seit Ende des 1. Weltkrieges zu analysieren (u. a. KOMINTERN-Theorie).
- Empirische Untersuchung über die Formen und das Ausmaß des Kapitalexports heute.
- Diskussion der Theorien über Internationale Arbeitsteilung.
Q: KGB/E: Arbeitsplan 3.Welt-Kollektiv, Bochum, Dez. 1980

Letzte Änderung: 06.02.2022




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