Klassenkampf - Zeitung des Bundes Kommunistischer Arbeiter, Jg. 2, Nr. 8, 16. Apr. 1971

16.04.1971:
Der BKA Freiburg gibt die Nr. 8 seines 'Klassenkampfes' (vgl. 31.3.1971, 26.4.1971) mit 12 Seiten heraus. Berichtet wird über die Gründung des Gewerkschaftlichen Maikomitees (vgl. 7.4.1971): "
Der DGB Freiburg dagegen will, wie schon in den vergangenen Jahren, auch diesmal eine Maifeier im Kolpingsaal veranstalten. Anstatt angesichts der krisenhaften Entwicklung und der notwendig zu führenden Arbeitskämpfe gerade in diesem Jahr zu einer machtvollen Demonstration alle Werktätigen Freiburgs aufzurufen, überlegen die DGB-Funktionäre, wie sie den 1.Mai am besten über die Runden bringen können. Eine unverbindliche Podiumsdiskussion über das Betriebsverfassungsgesetz (BVG, d.Vf.) soll das entschlossene Nein zu diesem arbeiterfeindlichen 'Reform'entwurf der SPD/FDP-Regierung ersetzen. …

Kollegen,
kritisiert gegenüber Euren Vertrauensleuten und Betriebsräten den Beschluß des DGB Freiburg, anstatt einer Demonstration eine Feierstunde im Saal abzuhalten, unterstützt das Gewerkschaftliche Maikomitee, damit am 1.Mai die Arbeiterklasse machtvoll demonstriert."

In "1.Mai Festtag der Partnerschaft mit den Kapitalisten oder Kampftag der Arbeiterklasse?" wird zunächst eingegangen auf die Geschichte des 1.Mai und dann fortgefahren: "
KAMPF DER POLITIK DER SOZIALPARTNERSCHAFT - FÜR DEN AUFBAU DER KOMMUNISTISCHEN PARTEI …
Die heutigen Gewerkschaften in Westdeutschland vertreten jedoch nicht einmal konsequent die Tagesinteressen der Arbeiterklasse. Die Gewerkschaftsführer reden von Sozialpartnerschaft, treiben eine kapitalistenfreundliche Politik und verhindern so den entschlossenen gewerkschaftlichen Kampf der Arbeiterklasse gegen die sich ständig verschlechternde Lage der Arbeiter und Angestellten. Die Kapitalisten binden die Gewerkschaften durch ihren Staat mehr und mehr an ihre Interessen: über die SPD-Regierung soll jeder Lohnkampf im Keim erstickt werden. Über die Lohnleitlinien wollen die Kapitalisten die Gewerkschaften von vornherein zum Stillhalten verpflichten. In der Konzertierten Aktion will Schiller die Arbeiterklasse zum Wohl der Unternehmer dirigieren. …

KOLLEGEN,
auch dieses Jahr will der DGB in Freiburg eine Feierstunde im Kolpingsaal abhalten. Drei Vertreter von bürgerlichen Parteien (Burger/CDU, Schieler/SPD, Spitzmüller/FDP) wollen dort mit einem IG Chemie Vorstandsmitglied über das Betriebsverfassungsgesetz diskutieren. Zahlreiche Gewerkschafter der unteren Gewerkschaftsgremien sind empört über die 1.Mai Beschlüsse der Freiburger DGB-Führung. Sie haben erkannt, daß es dieses Jahr notwendiger denn je ist, den 1.Mai wieder als Kampftag der Arbeiterklasse zu begehen. Der Bund Kommunistischer Arbeiter unterstützt die Initiative des gewerkschaftlichen 1.Mai-Komitee am 1.Mai eine Demonstration und Kundgebung zu veranstalten. Wir rufen alle Kollegen dazu auf an dieser Demonstration teilzunehmen unter den Parolen:
- Die Krise darf nicht auf die Arbeiterklasse abgewälzt werden
- Gegen die Spaltung der Arbeiterklasse
- Gegen das arbeiterfeindliche Betriebsverfassungsgesetz
- Internationale Solidarität der Arbeiterklasse und unterdrückten Völker
- Gegen die Angriffe der Kapitalisten und ihres Staates - für den Aufbau der kommunistischen Partei - für starke kampfentschlossene Gewerkschaften".

In "'Mit den Frauen kann man's machen'" heißt es: "
… so meinen die Unternehmer und springen mit den Kolleginnen um wie es ihnen paßt. Und die bundesdeutsche Presse singt das gleiche Lied:

IM LETZTEN SOMMER HIESS ES z.B. in der 'BILD'-Zeitung: 'Die Nur-Hausfrau muß sich vieles verkneifen.
- Männer, deren Frauen berufstätig sind, haben sich das beste Stück aus dem Ehekuchen geschnitten.
- Diese Männer werden mehr verwöhnt, als in einer Ehe, in der die Frau nur im Haushalt arbeitet.
- Meist sind Ehen, in denen beide Partner arbeiten glücklicher.' In einer Juni-Nummer von 'BILD' freute man sich über die zunehmende Arbeit von Frauen: 'endlich werden der Industrie neue Arbeitskräfte zugeführt, und die Haushaltskassen der Familien werden spürbar aufgebessert.'

JETZT, EIN DREIVIERTEL JAHR SPÄTER meldet die Bundesanstalt für Arbeit:
- Wachsende Arbeitslosigkeit der Frauen, vor allem in der Metall-, Elektro- und Textilindustrie.
- Die offizielle Arbeitslosenzahl von Frauen überschritt den entsprechenden Vorjahresstand um 29 800. (Dagegen war die Arbeitslosenzahl der Männer um 39 100 geringer als im gleichen Monat des vergangenen Jahres). Die tatsächliche Zahl der arbeitslosen Frauen liegt viel höher, denn ein großer Teil der entlassenen Arbeiterinnen kehrt stillschweigend in den Haushalt zurück, ohne Arbeitslosenunterstützung zu beantragen.

Im letzten Sommer wurden die Kolleginnen gebraucht, denn die Unternehmer wirtschafteten mit hohen Profiten, die Auftragsbücher waren voll. Inzwischen will man einen Teil von uns loswerden, denn in vielen Industriezweigen sind die Auftragseingänge rückläufig, der Absatz stockt. Die Kolleginnen sind die ersten, die entlassen werden.

WAS HAT DIE BILD-ZEITUNG IHNEN JETZT ANZUBIETEN?

Auf einmal heißt es wieder:
- Kümmern Sie sich mehr um Ihren Haushalt und die Kinder.
- Frauen haben es doch eigentlich gar nicht nötig zu arbeiten.
- Machen Sie es sich zu Hause gemütlich.
- Mann und Kinder brauchen Sie.
Meint man denn, die Kolleginnen gingen nur einmal zur Abwechslung in die Fabrik, um sich etwas dazuzuverdienen, damit sie sich Luxus leisten können. Soll das heißen, sie könnten nach Lust und Laune im Betrieb schaffen oder zu Hause bleiben?

! IN WIRKLICHKEIT SIEHT ES SO AUS: !
! 36% aller arbeitenden Frauen sind Hauptverdiener in ihren Familien. !
! 94% aller arbeitenden Frauen sind aus finanziellen Gründen aufs Verdienen !
! angewiesen: weil der Lohn des Ehemanns nicht ausreicht, um Miete, Möbel !
! manchmal sogar das Essen zu bezahlen. (SPIEGEL vom 25.1.1971) !

In 'BILD' und ähnlichen Blättern sollen die Frauen einmal in die Fabrik gerufen und dann wieder nach Hause geschickt werden - ganz wie es dem augenblicklichen Interesse der Unternehmer entspricht. Nach dem Interesse der Kolleginnen wird da nicht gefragt. Wenn sie als Arbeitskräfte gebraucht werden, kümmert es niemanden, was mit dem Haushalt und den Kindern passiert - und wenn sie entlassen werden, fragt keiner, wie sie ohne den Verdienst zurechtkommen sollen.

WIE SIND DIESE WIDERSPRÜCHE ZU VERSTEHEN?

In Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs, bei Vollbeschäftigung benutzen die Unternehmer die 'billige Arbeitskraft' der Frauen, um die Konkurrenz der Arbeiter untereinander zu verschärfen. Wenn die Arbeitskräfte knapp werden, dann können wir Arbeiter leichter gemeinsame Forderungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen durchsetzen. Darum versuchen die Unternehmer immer, wenn die Zahl der Arbeitslosen sinkt, sich eine RESERVEARMEE an Arbeitskräften zu schaffen. Darum die Werbung um die Frauen ebenso wie um die ausländischen Arbeiter. Wenn sich Krisenzeiten ankündigen, versuchen die Unternehmer ihre sinkenden Profite zu retten, indem sie einen Teil von uns Arbeitern und Arbeiterinnen auf die Straße werfen und dabei aus den restlichen, die den Arbeitsplatz behalten, die gleiche Produktion herauspressen, wie vorher aus allen. Dazu müssen sie die Ausbeutung verschärfen, das Arbeitstempo erhöhen und die Effektivlöhne kürzen. Das geht umso leichter, wenn wir Angst um unsere Arbeitsplätze haben, weil jederzeit ein Kollege oder eine Kollegin an unsere Stelle treten kann.

Kolleginnen, Ihr seid die ersten, die entlassen werden, weil die Unternehmer darauf spekulieren, daß Ihr Euch gegen ihre Angriffe weniger zur Wehr setzt. Weil sie hoffen, daß sie Arbeiterinnen und Arbeiter gegeneinander ausspielen können.

KOLLEGINNEN, wenn die Unternehmer und mit ihnen die 'BILD'-Zeitung, Euch wie Modepuppen einmal lieber in den Arbeitskittel und dann wieder in den Haushaltskittel stecken wollen, so wißt Ihr, daß Ihr nicht arbeitet, weil es mal modern und mal unmodern ist. Ihr arbeitet genau wie die Kollegen, weil Ihr auf den Verdienst angewiesen seid. Deshalb müssen wir geschlossen Front machen gegen die Spaltungsversuche.

KOLLEGEN, Frauen werden solange eine Konkurrenz für Euch sein, wie sie zu niedrigeren Löhnen und unter schlechteren Bedingungen arbeiten als Ihr. Wir müssen gemeinsam für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen kämpfen und uns gemeinsam dagegen wehren, daß die Unternehmer die Auswirkungen der Krise auf uns abschieben.

Die zusätzliche Ausbeutung der Frauen als 'billige Arbeitskräfte', mit denen die Unternehmer umspringen, wie sie wollen, ist nur EIN Beispiel für die Benachteiligung und Unterdrückung der Frauen in der kapitalistischen Gesellschaftsordnung.
SO NOTWENDIG ES ALSO IST, SICH GEMEINSAM GEGEN SCHLECHTERE ENTLOHNUNG UND ARBEITSBEDINGUNGEN FÜR FRAUEN ZU WEHREN - SO KLAR MUSS GLEICHZEITIG SEIN, DASS ERST DURCH DIE ABSCHAFFUNG DES KAPITALISMUS AUSBEUTUNG UND UNTERDRÜCKUNG AUFGEHOBEN WERDEN."

Geschildert wird auch der "Sozialismus in China" und über die Wilhelm Zeh KG in Freiburg wird berichtet in "Kleinbetriebe versuchen zu überleben - auf Kosten der Arbeiter", wo es heißt: "
Die Fa. Zeh KG (Brombergstr.) ist ein typisches Beispiel für die Betriebe einer Größenordnung von 100 - 200 Beschäftigten, von denen es in Freiburg eine ganze Reihe gibt. Die Überlebenschancen für solche Betriebe sind begrenzt. … Die Firma Zeh KG existiert seit etwa 45 Jahren. Produziert werden Gleichrichter. Beschäftigt sind etwa 110 Arbeiter und Angestellte. Typisch für die Firma sind niederen Löhne und schlechten Arbeitsbedingungen. Gearbeitet wird hauptsächlich im Einzelakkord. Ein Facharbeiter kommt dabei auf einen Durchschnitt von ca. 5, 70 DM. Die Akkordzeiten sind so festgelegt, daß man oft die 100% nicht erreicht. Für viele Arbeiten braucht man doppelt so viel Zeit als vorgegeben war. Gespräche über knappe Akkordzeiten sind an der Tagesordnung. Die Arbeiter leben in ständiger Angst um ihren Verdienst. Um die Kosten für Löhne noch niedriger zu drücken, werden Frauen für 4, 52 DM Stundenlohn in der Produktion eingesetzt. Im Zweigwerk Schluchsee sind ein Mann und 10 Frauen, die für ca. 4, 20 DM arbeiten, beschäftigt. Weitere billige Arbeitskräfte sind die Lehrlinge, die als Hilfsarbeiter voll in der Produktion arbeiten; es wird darauf geachtet, daß sie die Akkordzeiten einhalten. Lehrstücke werden nicht gemacht. … Eine Interessenvertretung existiert praktisch nicht, weil der Betriebsrat untätig ist. Die letzte Wahl war 1968. Seitdem haben keine Betriebsversammlungen (nach dem Gesetz 1/4-jährlich) stattgefunden. Nur einmal informierte der Betriebsrat kurz über 'vermögenswirksame Leistungen'."
Q: Klassenkampf Nr. 8, Freiburg 16.4.1971

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