Klassenkampf - Zeitung des Bundes Kommunistischer Arbeiter, Jg. 2, Extra-Blatt Seit gestern 'besonderes Schlichtungsverfahren' in NW/NB 6, 9% wie in der Chemie?, 2. Dez. 1971

02.12.1971:
Der Bund Kommunistischer Arbeiter (BKA) Freiburg gibt ein Extra-Blatt seines 'Klassenkampf' (vgl. 23.11.1971, 8.12.1971) mit einem Umfang von 4 Seiten DIN A 4 zur Metalltarifrunde (MTR) u.a. in Nordbaden/Nordwürttemberg (NB/NW) (vgl. 1.12.1971) heraus:"
Seit gestern 'besonderes Schlichtungsverfahren' in NW/NB
6, 9% WIE IN DER CHEMIE?

Seit gestern läuft in Stuttgart die 'besondere Schlichtung' zwischen der IGM-Führung und den Metallbossen. 'Neutraler' Schlichter ist der Präsident des Bundessozialgerichts Wannagat. Derselbe Mann, der im Juli dieses Jahres 'neutraler' Schlichter im Chemie-Lohnkampf (CTR, d.Vf.) war. Damals kamen 6, 9% Tariflohnerhöhung für die in der Chemie Beschäftigten raus. Dieser jämmerliche Abschluß hat damals bei den Chemiearbeitern, die in zahllosen Streiks für eine Lohnerhöhung von 12% gekämpft hatten, große Empörung ausgelöst.

Ein ähnlicher Abschluß droht jetzt in der Metallindustrie! Die Gewerkschaftsführung steuerte von Beginn der Tarifrunde an einen Kurs auf die 7, 5% Lohnleitlinie, auf einen Abschluß also, der nicht nur Lohnstopp, sondern Lohnabbau bedeutet. Mit 7, 5% Tariflohnerhöhung lassen sich die immensen Preis-, Steuer-, Mietsteigerungen nicht auffangen. Ende Juli und im August forderten deshalb die Belegschaften und die Vertrauensleute zahlreicher Metall-Großbetriebe eine Lohnerhöhung von mindestens 15%. Die Kollegen von Hoesch (Hoesch MFD Dortmund, d.Vf.) und einigen anderen Betrieben verlangten eine einheitliche Lohnerhöhung von ca. 120 DM für alle Kollegen.

Hier in Freiburg forderte die Funktionärsversammlung der IGM Mitte September (vgl. 24.8.1971, d.Vf.) eine, wenn auch prozentuale Lohnerhöhung von 15%. Die Kollegen waren der richtigen Auffassung, daß nur eine Forderung in dieser Höhe in der augenblicklichen Lage einen Abschluß ergeben würde, der eine Absicherung des augenblicklichen Lebensstandards der Metaller für das nächste Jahr gewährleisten könnte.

Doch Ende September wurden vom IGM Vorstand (HV, d.Vf.)in allen Tarifkommissionen (TK, d.Vf.) die 11% durchgesetzt. In Bremen, wo die Tarifkommission der Klöcknerhütte sich diesem Diktat nicht beugen wollte, wurde die Forderung vom Vorstand eigenhändig auf die 11% reduziert.

Mit der Durchsetzung der 11% war klar, daß es der IGM Führung um einen Abschluß in Höhe der Lohnleitlinien ging. Aber angesichts der Weltwährungskrise, der verschärften Absatzkrise auf dem europäischen und dem Weltmarkt wollten sich die Metallkapitalisten damit nicht zufriedengeben: sie beschlossen, mit Kurzarbeit, Entlassungen und Lohnabbau ihre Stellung auf dem Weltmarkt nicht nur zu halten, sondern auszubauen. Sie fühlten sich stark genug, um es auf Streiks ankommen zu lassen, da sie wußten, daß die IGM Führung eine einheitliche, starke Streikbewegung mehr fürchtete, als eine Verärgerung der Metaller über ihre Gewerkschaftsführung: ging es doch der IGM Führung von Anfang an darum, die SPD aus dem Tarifkampf herauszuhalten. Brenner: 'Wir wollen nicht, daß der Tarifkonflikt von Nordwürttemberg/Nordbaden auf das ganze Bundesgebiet übergreift'. Ein einheitlicher Streik der Metaller für die 11% hätte die SPD Regierung zweifelsohne in 'Mitleidenschaft' gezogen, hätte vielen Arbeitern deutlich gemacht, daß jede bürgerliche Regierung, auch die SPD/FDP Regierung, von den Interessen der Monopolkapitalisten ausgeht und sie vertritt.

So konnten die Metallkapitalisten hart bleiben und die Aussperrung von 360 000 Arbeitern beschließen: wußten sie doch, daß die IGM Führung den Metallarbeitern ihre gefährlichste Waffe - den bundesweiten Streik - aus der Hand geschlagen hatte.

15 - 11 - 7, 5 - 7, 3 - 6, 9?

Die IGM Führung ist bislang zielsicher Stück um Stück runtergegangen. Dem 7, 5 Schlichtungsergebnis in NB/NW folgten die 7, 3% in Nordrhein-Westfalen (NRW - vgl. 24.11.1971, d.Vf.). Als dann nach allen möglichen Verschleppungstaktiken der Streik in NB/NW begann, waren es zunächst nur drei Betriebe. In Mannheim herrschte unter den Kollegen große Empörung über diese 'Schwerpunkttaktik', welche die meisten Kollegen aus dem Streik ausschloß (vgl. 23.11.1971, d.Vf.). … Am Freitag antworteten die Kapitalisten mit der Aussperrung von über 300 000 Metallarbeitern!

Die Antwort auf diese Provokation hätte nur sein können: Die Kollegen in NRW sofort in die Streikfront miteinzubeziehen, denn seit letztem Freitag besteht auch in diesem Tarifbezirk keine 'Friedenspflicht' mehr. Aber statt eine starke Kampffront aller Metaller für die Forderung nach 11% aufzubauen, hatte die Gewerkschaftsführung nichts besseres zu tun, als am 1. Streiktag (!) den Kapitalisten die besondere Schlichtung 'auf der Basis des 7, 5% Schiedsspruches' anzubieten! Seit dem 1. Streiktag wird die 11% Forderung der Urabstimmung in den Streikzeitungen und den auch in unserem Betrieb verteilten 'Metall-Nachrichten' mit keinem Wort mehr erwähnt! Stattdessen verkündete Willi Bleicher am ersten Streiktag im Fernsehen: '7% auf 7 Monate ist das Mindeste'. DIE GEWERKSCHAFTSFÜHRUNG HAT BISHER ALLES GETAN, UM EINEN EINHEITLICHEN, WIRKSAMEN LOHNKAMPF DER METALLER ZU VERHINDERN!

SOLIDARISCH MIT DEN KOLLEGEN IN NORDBADEN-NORDWÜRTTEMBERG

In den Freiburger Betrieben wird viel über den Kampf der Metaller in NB/NW diskutiert. Viele Kollegen sagen: 'es ist schlecht, daß die Metaller in Nordwürttemberg/Nordbaden alleine streiken. Wir müßten uns solidarisieren. Es geht auch um unser Geld!'"
Berichtet wird (vgl. 29.11.1971) aus den Freiburger Metallbetrieben Hellige, Litton und Raimann.

In einem weiteren Artikel heißt es:"
BILD ZEITUNG HETZT GEGEN STREIKENDE METALLARBEITER

In den letzten Tagen entfachten die bürgerlichen Zeitungen eine zum Teil wüste Propaganda gegen die streikenden Kollegen in Nordbaden/Nordwürttemberg. In den Meldungen über die Streiks wird immer mehr ausschließlich der Standpunkt der Kapitalisten vertreten. Der Öffentlichkeit und vor allem uns Arbeitern soll eingeredet werden, die berechtigten Forderungen der Metallarbeiter würden Inflation und Arbeitslosigkeit erzeugen und die Arbeitsplätze in Gefahr bringen.

Allen voran die BILD-Zeitung unterstützt lautstark die Kapitalisten bei ihrem Versuch, die beginnenden Krise voll auf die arbeitende Bevölkerung abzuwälzen. Seit Wochen schürt diese Zeitung beharrlich die Angst um die Arbeitsplätze mit Schlagzeilen wie:
'400 Arbeitslose, wenn der Winter hart wird!' (7.10.)
'Nun auch noch das: Streik droht - Weltfirmen betroffen' (10.11.)
'380 000 verlieren den Arbeitsplatz' (23.11.)
'500 000 ab Freitag ohne Arbeit?' (24.11.)
'Eine Million Arbeitslose vor Weihnachten?' (29.11.)

BILD sagt von sich immer, es sei der 'Anwalt des kleines Mannes'. Jetzt, da weit über 100 000 Metaller für ihre elementarsten wirtschaftlichen Interessen in den Streik getreten sind, wo Hunderttausende von den Kapitalisten ausgesperrt wurden, zeigt sich ganz offen, was BILD immer ist: Ein reaktionäres Sprachrohr der Unternehmer, ein Hetzblatt gegen die Arbeiterklasse.

Seitenweise findet man riesige Anzeigen der Kapitalisten. Dort lügen diese: 'Wer jetzt noch mehr fordert, ist verantwortlich für noch mehr Kurzarbeit und gefährdet die Arbeitsplätze.' Die Schlagzeile von BILD AM SELBEN TAG: 'Wenn der Streik noch ein paar Tage dauert, geraten Hunderttausende in Not!' Im 'BILD-Kommentar' am selben Tag (27.11.) steht's dann noch drastischer: 'Dieser Streik IST ein Unglück, denn er trifft eine Wirtschaft, die ohnehin von einer Krise bedroht ist. Unser aller Wohlstand ist in Gefahr.'

Wenn BILD von 'unserem' Wohlstand redet, dann meint es den Wohlstand der Unternehmer. Seit einem Jahr werden UNSERE Löhne von den Kapitalisten und ihrer Regierung durch Preiserhöhungen, Steuererhöhungen, Abbau der Überstunden und Zulagen und durch eine starke Zunahme der Arbeitshetze ABGEBAUT. Dieser Streik ist die Antwort der Metaller auf die Angriffe der Kapitalistenklasse und ihres Staates auf unsere Lebensverhältnisse! Und nur durch Streik, nur durch unseren solidarischen Kampf können wir einem weiteren verschärften Lohnabbau Einhalt gebieten! Jeder Abschluß unter den 11% bedeutet eine Stabilisierung der Profite durch eine weitere Senkung unserer Löhne.

Genau das ist es aber, was die BILD-Zeitung und ihre finanzstarken Inserenten wollen! Um die Streikfront der Metallarbeiter aufzuweichen, die Kollegen zu verwirren und die unorganisierten Kollegen gegen die Gewerkschaftsmitglieder aufzuhetzen, dazu ist BILD kein Mittel zu schäbig. Nicht nur, daß BILD in riesigen Überschriften die Panikmache der Kapitalisten breittrampelt. Besonders in die Familien der streikenden Kollegen versucht BILD Streit zu sähen, indem es pausenlos versucht, die Frauen gegen ihre Männer aufzuwiegeln. Zum Beispiel wird Weihnachten von BILD in den düstersten Farben gemalt, und über die finanzielle Lage der Kollegen im Streikgebiet weiß BILD nur zu berichten: 'Das Streikgeld: Zu wenig zum Lebn - Zum Sterben zuviel!' (27.11.) oder: 'Einschränken! Sonst haben wir Weihnachten nichts zu essen.' (30.11.)

Wie es wirklich aussieht, das berichten in der 'Heilbronner Stimme' (Heilbronner Lokalzeitung) eine Hausfrau und eine Metallarbeiterin". In einem nachgedruckten Artikel heißt es:
DAS IST DIE WAHRHEIT

Margarete Eschenweck, 45, Hausfrau: 'Schon zum dritten Mal mach' ich das jetzt mit, daß mein Mann streikt. Aber ich halte es für richtig. Finanziell kann ich nicht klagen, weil mein Mann in der Gewerkschaft ist und Unterstützung bezieht. Wenn man als Hausfrau zusehen muß, wie ständig stillschweigend die Preise in die Höhe getrieben werden, dann hält man es natürlich für richtig, daß der Mann mehr Geld heimbringen will und deshalb streikt. Ich wäre auch dafür, wenn wir Hausfrauen uns einmal zusammenschließen würden, um wegen der ständigen Preiserhöhungen auch mal die Läden zu bestreiken.'

Lieselotte Fiedler, 45, Metallarbeiterin: 'Ich bin gewerkschaftlich organisiert und trete voll für den Streik ein. Der wird so lange dauern, bis wir unser Recht bekommen. Daß es in den Metaller-Familien zu Schwierigkeiten wegen des Streiks kommt, glaube ich nicht, da gerade die Hausfrauen beim täglichen Einkauf sehen, daß vieles teurer wurde, aber noch immer nicht mehr Geld in der Lohntüte des Mannes ist. Natürlich werden die Familien der Ausgesperrten den Arbeitskampf zu spüren bekommen, weil man von heute auf morgen plötzlich weniger Geld zur Verfügung hat.'"

Der BKA fährt fort:"
Kollegen! Lassen wir uns durch BILD nicht beirren. Die Kollegen in Nordbaden/Nordwürttemberg kämpfen trotz der arbeiterfeindlichen Propaganda der bürgerlichen Zeitungen und trotz Aussperrung geschlossen für ihre Forderungen.

SOLIDARITÄT MIT DEN STREIKENDEN KOLLEGEN IN NORDBADEN/NORDWÜRTTEMBERG!"

In "Angestellte solidarisch" wird berichtet über die Aussperrung in Nordbaden/Nordwürttemberg (vgl. 26.11.1971) und die Politik der DAG.
Q: Klassenkampf Extrablatt Seit gestern 'besonderes Schlichtungsverfahren' in NW/NB 6, 9% wie in der Chemie?, Freiburg 2.12.1971

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