Klassenkampf - Zeitung des Bundes Kommunistischer Arbeiter, Jg. 3, Nr. 18, 23. Feb. 1972

23.02.1972:
Der Bund Kommunistischer Arbeiter (BKA) Freiburg gibt seinen 'Klassenkampf' Nr. 18 (vgl. 18.2.1972, 2.3.1972) mit 10 Seiten DIN A 4 unter Verantwortung von Leo Horlacher, Freiburg, und mit folgendem, aus Heidelberg (vgl. 24.1.1972) bezogenem, Leitartikel heraus:"
BRANTDS 'FRIEDENSPOLITIK' - WAFFE DES BRD-IMPERIALISMUS

Die wirtschaftliche und politische Situation zerstört immer mehr die Hoffnungen, die viele Arbeiter und Angestellte auf die Übernahme der Regierung durch SPD-FDP setzten. Als die SPD auf dem Höhepunkt der Krise 1966/67 in die Erhard-Regierung eintrat, versprach sie mit ihren neuartigen 'wissenschaftlichen' Methoden die kapitalistische Wirtschaft 'krisenfrei' zu machen. Als dann SPD und FDP die Regierung übernahmen, versprachen sie zusätzlich 'mehr Demokratie zu wagen' und ein breit angelegtes Reformprogramm zu verwirklichen. DOCH DIE WIRKLICHKEIT SIEHT ANDERS AUS:

4 Jahre nach der Krise 1966/67 stecken Teile der kapitalistischen Profitwirtschaft wieder in einer Überproduktionskrise. Stillegungen, Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen, Entlassungen und Kurzarbeit bei gleichzeitiger Verschärfung der Arbeitshetze und bei Abbau des Reallohniveaus sind die Mittel, mit denen die Kapitalistenklasse die Krise bewältigen will. Die SPD-Regierung, in die doch gerade die Hoffnung weiter Teile der Arbeiterklasse gesetzt war, erweist sich dabei als das, was jede Regierung sein muß, solange die Kapitalistenklasse herrscht: Instrument der Kapitalistenklasse, unterworfen den Zwängen der Profitmacherei.

Deshalb die 'Konzertierte Aktion', deshalb die Lohnleitlinien, mit denen über die Gewerkschaften die Arbeiterklasse vom konsequenten Kampf um ihre Interessen abgehalten werden soll.

Von den angekündigten Reformen war nichts zu sehen: für das Gesundheitswesen, für das Bildungswesen, für den Umweltschutz sind keine Gelder da. Die Gemeinden, die die Hauptlast dieser Leistungen zu tragen hätten, sind total verschuldet. Und der Bund? Groß angekündigte Sofortprogramme für z.B. Umweltschutz wurden zurückgestellt, dafür erhöhte man den Rüstungsetat um 1/3!

Statt der Einlösung der Parole 'Mehr Demokratie wagen' erfolgte die Vorbereitung eines reichhaltigen Waffenarsenals, um alle Ansätze von fortschrittlicher und revolutionärer Bewegung zu ersticken und alle Organisationen, die diese Bewegung vorantreiben könnten, zu zerschlagen. Verstärkte Arbeit der Politischen Polizei (K14, d.Vf.) gegen alle fortschrittlichen Kollegen, Ausbau des Verfassungsschutzes, Militarisierung der Polizei, Umwandlung des Bundesgrenzschutzes (BGS, d.Vf.) zur Bürgerkriegsarmee, Berufsverbot (BV, d.Vf.) für Demokraten und Sozialisten im öffentlichen Dienst (ÖD, d.Vf.), ständige Verbotsdrohung für kommunistische Organisationen zeigen, daß die SPD/FDP-Regierung nicht 'mehr Demokratie wagen' will, sondern alles in ihren Kräften stehende tun will, um die Herrschaft der Kapitalistenklasse in unserem Lande abzusichern.

Nur die Ostpolitik scheint in dieses Bild nicht zu passen. Hier scheint die SPD/FDP-Regierung wirklich die Interessen des ganzen Volkes zu vertreten und die Friedensbedürfnisse der breiten Massen direkt in die Tat umzusetzen. Aber wird diese 'neue Ostpolitik' tatsächlich von den Friedensbedürfnissen der breiten Massen diktiert? Wir haben gesehen, daß die Innen- und Wirtschaftspolitik der SPD/FDP-Regierung der Kapitalistenklasse dient. Warum sollte es bei der Außenpolitik anders sein? Warum sollte ausgerechnet die Außenpolitik andere Interessen durchsetzen als die der Kapitalistenklasse?

DIE AUSSENPOLITIK SICHERT DIE ERFOLGREICHE AUSWEITUNG DES WESTDEUTSCHEN KAPITALS

Wenn wir die Ostpolitik der Regierung untersuchen, dann müssen wir zunächst davon ausgehen, daß die BRD in den letzten Jahren dabei ist, ihre politische Stellung auf dem Weltmarkt auszubauen. Diese Macht der BRD beruht auf der Stärke des westdeutschen Kapitals; sie ist nur der politische Ausdruck der erfolgreichen Expansion des westdeutschen Kapitals. Dieses Kapital, das den Arbeitern in Deutschland abgepreßt wird, sucht überall nach neuen Märkten und Anwendungsmöglichkeiten, um sich zu erneuern und zu vermehren: in Afrika, Amerika und Asien. Die Kapitalistenklasse macht Außenpolitik mit Hilfe ihrer jeweiligen Regierung gerade zu dem Zweck, ihr Kapital auch im Ausland, und sei es in den fernsten Kontinenten, durch riesige Geschäfte und durch Auspressung auch der dortigen Arbeiter zu vermehren. Da werden Arbeiter in Indonesien, Hongkong, den portugiesischen Kolonien, Südafrika (Azania, d.Vf.), Brasilien und Venezuela durch deutsches Kapital ausgebeutet, und niemand wird die Kumpanei der deutschen Regierung mit den meist faschistischen Regierungen dieser Länder für 'Friedenspolitik' halten.

BRD-KAPITAL FÜHREND IM OSTGESCHÄFT

Mit der neuen Ostpolitik verhält es sich nicht viel anders. Auch sie dient der Expansion des deutschen Kapitals, und daraus wird auch gar kein Hehl gemacht. Wo immer Brandt oder Scheel Verträge vorbereiten oder abschließen, da schauen die westdeutschen Kapitalisten über die Schultern, prüfen ihre Geschäftsmöglichkeiten und reiben sich die Hände. So war es in Warschau und Moskau (Polen bzw. SU, d.Vf.) und so ist es natürlich auch in Ost-Berlin (DDR, d.Vf.). Ein führender Kapitalistensprecher, von Amerongen (Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages) (DIHT, d.Vf.) sagte auch, daß der Osthandel 'eine der großen Zukunftsinvestitionen des deutschen Welthandels' sei.

Die sogenannte Friedenspolitik ist die Voraussetzung für die Eroberung des östlichen Marktes durch westdeutsche Waren und für größere Investitionen westdeutschen Kapitals in der Sowjetunion, Polen, der CSSR usw. Die BRD ist zwar schon jetzt im Ostgeschäft führend, aber ohne eine politische 'Normalisierung' der Beziehungen zu diesen Ländern wird sie niemals das ganz große Geschäft machen.

Die Eroberung dieses 'dynamischen Zukunftsmarktes' (AEG-Vorstandssprecher Schmitt) wurde für das westdeutsche Monopolkapital vor allem in den letzten Jahren interessant, seit sich 1966/67 die notwendig krisenhafte Entwicklung des Kapitalismus wieder offen zeigt. So sagte z.B. von Amerongen schon 1970 in guter Hoffnung auf ein wachsendes UdSSR-Geschäft im Gefolge der Moskauer Verträge: 'Es ist sehr angenehm, wenn man für mehrere Jahre einige feste Aufträge, die von der Wirtschaftsentwicklung unabhängig sind, einplanen kann'. Auch wenn der Anteil des Osthandels momentan nur ca. 6% des gesamten Außenhandels der BRD beträgt, so wollen die westdeutschen Monopolkapitalisten doch von Anfang an an der Aufteilung dieses künftigen 'Massenkonsummarktes' (AEG-Schmitt) teilnehmen. Hinter der Brandt'schen Friedenspolitik steckt also die Jagd der westdeutschen Imperialisten nach Profiten, nach neuen Märkten und Investitionsmöglichkeiten. Und wenn die Jagd des Kapitals nach neuen Gebieten wieder eine andere Ostpolitik erfordert, eine offen aggressive Ostpolitik, wie sie unter der Adenauer-Regierung gemacht wurde, dann werden die politischen Statthalter der Kapitalistenklasse diese 'neue' Ostpolitik betreiben.

DKP: ILLUSIONEN ÜBER DEN CHARAKTER DES IMPERIALISMUS

Umso schlimmer, wenn eine Partei, die sich 'kommunistisch' nennt, die DKP, diese geschichtliche Erfahrung vom Tisch fegt. 'Den Frieden sichern! - Jetzt ratifizieren' schreibt und ruft die DKP allerorten. Wir sagen: So lange der Imperialismus herrscht, so lange das Kapital nach immer neuen Märkten suchen muß, können wir kein 'wahrhaft friedliches Europa gestalten' - wie es die DKP als Konsequenz der Verträge verspricht. 2 Weltkriege, Millionen von Toten und weitere zahllose Kriege haben gezeigt, daß die Völker nicht im Frieden leben können, so lange die Imperialisten herrschen. Deshalb ist der Kampf für die sozialistische Gesellschaftsordnung der einzig wirksame Kampf für den Frieden!

Anstatt die 'neue' Ostpolitik der SPD/FDP-Regierung als Bestandteil der Bestrebungen des westdeutschen Kapitals nach 'neuem Lebensraum' bloßzustellen, verstärkt die DKP den Friedensrummel der SPD/FDP-Regierung und betätigt sich damit zugleich als Außenhandelsmission der UdSSR. Außerdem versucht die DKP die Ostpolitik der SPD/FDP-Regierung damit zu verkaufen, daß diese 'unsere Arbeitsplätze sicher' mache und unterschlägt damit, daß keine Ausdehnung des kapitalistischen Marktes die Krisenhaftigkeit des kapitalistischen Systems aufhebt, und daß jeder Versuch der Kapitalistenklasse, ihren Markt auszudehnen, mit verschärften Angriffen auf das Reallohnniveau der Arbeiter verbunden ist, um die Konkurrenz mit Billigstangeboten auszustechen.

'NEUE OSTPOLITIK' - FÖRDERUNG DER REVISIONISTISCHEN ENTWICKLUNG

Der westdeutsche Imperialismus will mit Hilfe der SPD/FDP-Ostpolitik seine Einflußsphäre in Europa ausdehnen. Brandt drückt dies so aus: 'Handel mit den osteuropäischen Staaten ist kein Selbstzweck. Er muß im Gesamtrahmen der westlichen Politik gewertet und fortlaufend überprüft werden.'

DER AUSBAU DER POLITISCHEN BEZIEHUNGEN (Anerkennung der Grenzen, Verträge) IST DABEI DAS MITTEL, UM IN DEN 'MASSENKONSUMMARKT DES OSTENS' EINZUDRINGEN, WIE DIE ZUNEHMENDE WIRTSCHAFTLICHE BINDUNG DAZU BEITRAGEN SOLL, DIE RÜCKKEHR ZU KAPITALISTISCHEN PRODUKTIONSVERHÄLTNISSEN VORANZUTREIBEN. Dies ist verknüpft, mit dem weiterhin andauernden Versuch, die DDR politisch zu isolieren (Nichtanerkennung!), um den Weg für eine 'Wiedervereinigung' unter Herrschaft der dann 'gesamtdeutschen' Kapitalistenklasse offenzuhalten.

Die Ausdehnungsbestrebungen des westdeutschen Imperialismus nach Osten knüpfen an der Rückentwicklung dieser Gesellschaften zu kapitalistischen Produktionsverhältnissen an. Der Klasseninstinkt der Imperialisten läßt sie sehr richtig erkennen, daß sie auf 'den Wandel im Ostblock selbst' (AEG-Sprecher Schmitt) aufbauen können. Weil die politischen Vertreter der revisionistischen Länder Osteuropas Träger dieses 'Wandels' sind, müssen sie verneinen, daß verstärkte ökonomische Beziehungen zum Imperialismus die Wiederherstellung kapitalistischer Produktionsverhältnisse beschleunigen. 'Nein, das ist ganz unmöglich. Während der Zusammenarbeit vollzieht sich das bessere Kennenlernen, stärken sich die Beziehungen auf der Grundlage der friedlichen Zusammenarbeit! Das ist zweifellos so. Aber sozialistische Staaten ändern sich dabei auf keinen Fall' (so Sagladin, Mitglied des ZK der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU, d.Vf.)).

Richtig an der Aussage Sagladins ist nur soviel, daß Gesellschaften, in denen die Arbeiterklasse die Macht hat, durch den Handel mit kapitalistischen Ländern nicht korrumpiert werden können. Der Charakter der Beziehungen zwischen revisionistischen Ländern und Imperialismus im 'Ostgeschäft' aber zeigt, daß in den revisionistischen Ländern die Arbeiterklasse nicht mehr die Macht hat, und Staat und Partei sich zunehmend in Instrumente gegen die Interessen der Arbeiterklasse verwandeln.

Zu welchen Ergebnissen hat der Osthandel bisher geführt?

GEGEN WIRTSCHAFTSPLAN UND AUSSENHANDELSMONOPOL

Alle revisionistischen Länder sind Schuldner der westdeutschen Kapitalisten, Schon 1967 hatte Rumänien insgesamt 2, 2 Milliarden westdeutsche Kredite, die DDR bis 1970 1, 3 Milliarden. Diese wirtschaftliche Abhängigkeit wird umso schwerwiegender, wenn man weiß, daß die Sowjetunion schon jetzt aus den kapitalistischen Industrieländern 2/5 ihrer gesamten Einfuhr von Maschinen, Einrichtungen und Anlagen bezieht. Und dabei sind sich beide Seiten darüber einig, daß 'die Zusammenarbeit noch in den Kinderschuhen steckt'. Schon jetzt ist aber der Stand erreicht, daß die Erfüllung der Planziele in einem hohen Maß von den Lieferungen der westlichen Produktionsanlagen, Maschinen etc. abhängig ist.

Die 'Reformen' rückwärts zum Kapitalismus kommen dabei den Imperialisten entgegen. Zunehmend erhalten die Betriebe in den revisionistischen Ländern eine größere Selbständigkeit und eine stärkere Ausrichtung aud Profit und Rentabilität. Die Betriebsdirektoren erhalten immer mehr Macht, um die wirtschaftlichen Interessen der einzelnen Betriebe durchzusetzen.

Die Orientierung an der Rentabilität der Einzelbetriebe ersetzt immer mehr die planvolle Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse. So ist es z.B. kein Zufall, daß der UMWELTSCHUTZ auch in den osteuropäischen Ländern zu einem ernsten Problem geworden ist.

Die 'Reformen' in den revisionistischen Ländern begünstigen eine weitere Verflechtung mit dem Kapitalismus, was auch die 'westlichen Beobachter' befriedigt feststellen: 'Je mehr man auch in den östlichen Partnerländern den Begriffen Gewinn und Markt vermehrte Aufmerksamkeit schenkt, desto größer wird auch ihr Interesse an einer echten Kooperation mit dem Westen sein' (Nachrichten für den Außenhandel, 6.6.1970). Und auch das HANDELSBLATT (HB, d.Vf.), Sprachrohr der Unternehmer, meldete schon frühzeitig: 'KOOPERATION UND KOPRODUKTION WERDEN VON DEN REFORMEN IM OSTBLOCK GÜNSTIG BEEINFLUSST' (22.4.1968).
Auch die größere Selbständigkeit der Betriebe kommt den Kapitalisten entgegen: 'Die Ostblockländer müssen sich stärker als bisher an die Marktgegebenheiten in der BRD anpassen. Sie sollten den deutschen Importeuren die Möglichkeit geben, direkt mit den Produzenten zu verhandeln' (Fritz Dietz, Handelsblatt 17.3.1970), womit die Einzelbetriebe gemeint sind.

Richtungsweisend für den 'guten Willen' der revisionistischen Länder ist neben Jugoslawien Rumänien, dessen Chemieminister 1971 bei seinem Besuch in Frankfurt (vgl. S4.**.1971, d.Vf.) westdeutschen Firmen Kapitalbeteiligungen in Rumänien anbot, wobei Garantien geboten werden sollen für die Überweisung der Gewinnanteile und Abschreibungen ins westliche Ausland! Vorläufig ist diese direkte Form des Kapitalexports, also die Möglichkeit der Kapitalisten, im 'Ostblock' eigene Fabriken aufzubauen und direkt die dortige Arbeiterklasse auszubeuten, noch nicht die Regel. Aber auch die anderen Methoden der 'Zusammenarbeit' verstärken das Maß an wirtschaftlicher Verflechtung:
- Lizenzgeschäfte, bei denen die Kapitalisten ganze Produktionsanlagen liefern, die ihnen langfristig mit einem Teil der Produktion bezahlt werden müssen,
- Lohnfertigungen, z.B. DDR - Arbeiterinnen fertigen Nylon-Strümpfe, die in der DDR das Mehrfache vom Preis hier kosten.

Durch derartige Geschäfte ermöglichen die Revisionisten den imperialistischen Monopolen, sich in den Ländern des 'Ostblocks' einzunisten und verschachern zunehmend Teile ihrer Arbeiterklasse an die imperialistische Ausbeutung.

CDU/CSU: FLANKENSCHUTZ FÜR DIE OSTPOLITIK DER REGIERUNG

Warum aber wettert die CDU/CSU gegen die Ostpolitik, wenn diese doch ganz im Sinne des Ausdehnungsdranges des westdeutschen Kapitalismus ist?

Keineswegs deshalb, weil die CDU/CSU, wäre sie an der Regierung, nicht auch versuchen würde, dem westdeutschen Monopolkapital den Weg nach Osten zu ebnen. Schon unter der CDU/CSU-Regierung Erhard/Schröder wurde der Osthandel intensiviert, übernahm die Regierung Bürgschaften für Lieferkredite über 5jährige Laufzeiten hinaus, wurde eine ganze Reihe von Handelsabkommen geschlossen.
Worauf es der CDU/CSU ankommt ist vielmehr, das Gedankengut des 'kalten Krieges' aufzubewahren. Die CDU/CSU fürchtet, die Ostpolitik könne die innere ideologische Festigkeit der BRD gefährden, die vor allem auf dem Antikommunismus und der Verteufelung der Sowjetunion beruhte. Die CDU/CSU beschwört die 'Gefahr', daß durch die Ostpolitik der Kommunismus 'gesellschaftsfähig' wird, wie z.B. Strauß (FJS - vgl. S4.*.1972, d.Vf.) jetzt eben auf seiner Rede im bayrischen Vilshofen.

Richtig gesehen, ist die CDU/CSU-Politik gerade ein Flankenschutz für die Ostpolitik der Regierung. Sie sorgt dafür, daß der traditionelle Antikommunismus am Kochen gehalten wird, und daß die alten Lügen von der Verteidigung der Freiheit nicht in Vergessenheit geraten.

DER BRD-IMPERIALISMUS BLEIBT AGGRESSIV!

Demgegenüber gilt es zu sehen, daß die Ostpolitik der Regierung mit Friedenspolitik so viel zu tun hat wie jedes kapitalistische Geschäft: nämlich gar nichts! Sicher ist das Los der Arbeiterklasse besser, solange der kapitalistische Staat die Geschäfte der Kapitalisten friedlich besorgen kann. Aber es bleiben die Geschäfte der Kapitalisten. Diese Geschäfte stoßen im Imperialismus immer notwendig an die Grenzen, wo sie nur noch mit gewaltsamer Aggression nach außen und blutiger Unterdrückung im Innern gesichert werden können.
DAS HEISST:

DIE VÖLKER WERDEN SOLANGE NICHT IN FRIEDEN LEBEN KÖNNEN, WIE DIE KAPITALISTEN IHRE GESCHÄFTE MACHEN"

Ebenfalls auf der Titelseite beginnt der Artikel:"
DIE LAGE DER BAUERN IM KAPITALISMUS

'Wir produzieren - andere profitieren!'
'Erzeugerpreise minimal - Verbraucherpreise ein Skandal!' Das waren einige der Parolen, unter denen am Freitag vor einer Woche (vgl. 18.2.1972, d.Vf.) 100 000e Bauern gegen die Agrarpreispolitik der Brüsseler EWG-Kommission demonstrierten. Aus diesem Anlaß konnten wir in den bürgerlichen Zeitungen wieder alles mögliche lesen, wie z.B.: Die Bauern sind die Kostgänger der Steuerzahler; oder: Die Bauern sind an ihrer schlechten Lage selber schuld, weil sie sich nicht an die 'neuen Verhältnisse' gewöhnen können; oder: die Bauern sind schuld an den hohen Preisen für Lebensmittel usw.

Kollegen, nicht nur die Bauern und die zahlreichen Kollegen, die noch nebenbei eine Landwirtschaft betreiben, sondern alle Werktätigen stehen heute vor den Fragen: Wie kommt es, daß trotz enormer Investitionen (über 4 Milliarden DM jährlich!) und dadurch erhöhter Menge von Agrarprodukten das Einkommen der Bauern sich im Verhältnis zum Durchschnittseinkommen der Werktätigen immer mehr verschlechtert? Im vergangenen Jahr haben die Bauern sogar eine Einkommensverminderung von 11% hinnehmen müssen (lt. 'Grünem Bericht')!

- Wie kommt es, daß trotz immer rationellerer landwirtschaftlicherer Produktion für uns die Lebensmittelpreise ständig rasant ansteigen? 1971 z.B. bei Milch um 15%, bei Brot, Obst, Eiern um etwa 10%!

- Wer profitiert von der Ruinierung der Masse der kleineren und mittleren Bauern? Warum kommt die fortschreitende Technisierung und Vergrößerung der landwirtschaftlichen Betriebe ausschließlich den Profiten der landwirtschaftlichen Großkapitalisten, der Lebensmittelindustrie und des Handels zugute? Und warum wird die Qualität der Lebensmittel gleichzeitig immer schlechter?

- Waum besteht eine so tiefe Spaltung zwischen Arbeiterklasse und
Bauernklasse? Warum folgt ein so großer Teil der Bauern der erzreaktionären
Politik der CDU/CSU?

- Wie ist die Lage der Nebenerwerbslandwirte und warum stellen manche Kapitalisten lieber Nebenerwerbslandwirte als Arbeiter aus der Stadt ein?

- Was bedeuten 'Mansholt-Plan' und 'Ertl-Plan'?

- Warum kann nur im Sozialismus die landwirtschaftliche Produktion so organisiert werden, daß die Lage der Bauern grundlegend verbessert und dabei gleichzeitig die Masse der arbeitenden Bevölkerung ausreichend billig und mit hochwertigen Lebensmitteln versorgt wird?

Wir wollen versuchen in dieser und in den nächsten beiden Ausgaben des 'Klassenkampf' darauf eine Antwort zu geben.

DIE SPALTUNG DER BAUERNSCHAFT

In der Bundesrepublik sind ungefähr 50% aller landwirtschaftlichen Betriebe Kleinbauernbetriebe mit weniger als 5 ha, bei uns im Breisgau sind das sogar fast 3/4. Allerdings sind bei uns in den meisten Gebieten, vor allem am Kaiserstuhl, die natürlichen Bedingungen für eine ertragreiche Landwirtschaft überdurchschnittlich gut (Wein, Obst, Gemüse, Erdbeeren). Dieser großen Masse der Kleinbauern und der Mittelbauern (5 - 20 ha) steht ein winziges Grüppchen Großbauern und landwirtschaftlicher Kapitalisten gegenüber. Allein im Breisgau besaßen 1960 317 Großbauern doppelt so viel Land wie 6 340 Kleinbauern. Heute hat sich diese Situation noch mehr zugunsten der Großbauern verschoben, in der übrigen Bundesrepublik allerdings mehr als in unserer Gegend. Welche Folge hat das?

Im KAPITALISMUS muß jeder Bauer seine Landwirtschaft SELBSTÄNDIG bewirtschaften, jeder muß für sich selbst die notwendigen Maschinen, Düngemittel, Saatgut usw. anschaffen. Im Vergleich zu diesen hohen Investitionen, die jeder EINZELNE Bauern für seine Landwirtschaft machen muß, ist die Produktion bei den Klein- und Mittelbauern zu gering. Bei mehr als einem Drittel der landwirtschaftlichen Betriebe sind die JAHRESeinkommen aus diesen geringen Erträgen geringer als 6 500 DM!

1971: 83 000 BAUERN WENIGER

Davon können die Massen der ärmeren Bauernfamilien nicht leben, obwohl die Hälfte aller Bauern mehr als 70 Stunden in der Woche arbeitet. Im Gegenteil: Der Schuldenberg der Landwirte wird immer größer, heute ist er fast so groß wie ihre jährlichen Verkaufserlöse! Den Großbanken gehören heute (z.T. über die Genossenschaften) 23% des landwirtschaftlichen Vermögens.

So gab es in den letzten 20 Jahren jährlich 50 000 hauptberufliche Klein- und Mittelbauern weniger, im vergangenen Jahr waren es lt. 'Grünem Bericht' 83 000. Auch in unserer Gegend mußten sich in den vergangenen 10 Jahren über 5 000 Bauern eine Arbeit in der Industrie suchen.

DAS KAPITAL RUINIERT DIE BAUERN UND VERGIFTET DIE LEBENSMITTEL

Sowohl beim EINKAUF ihrer Produktionsmittel (z.B. Maschinen, Kunstdünger, Pflanzenschutzmittel) als auch beim VERKAUF ihrer Produkte sind die kleinen und mittleren Bauern immer vollständiger von den Kapitalisten abhängig. Wie, darauf gehen wir weiter unten ein. Nur so viel vorweg: Das Kapital holt natürlich genau wie aus den Arbeitern auch aus den Bauern raus was möglich ist. Das drückt sich schon darin aus, daß in den letzten 4 Jahren die Preise für die Produktionsmittel der Bauern um 28% gestiegen sind, während gleichzeitig die Erzeugerpreise für die landwirtschaftlichen Produkte gleich blieben oder z.T. sogar gedrückt wurden (im letzten Jahr um 5%), und wir im Laden dafür Jahr für Jahr mehr auf den Tisch legen mußten (im letzten Jahr durchschnittlich 6%)!

Eine Ausnahme bilden hier die LANDWIRTSCHAFTLICHEN KAPITALISTEN. Als Großabnehmer bzw. Großlieferanten sind sie von den anderen Kapitalisten wesentlich weniger abhängig, ja sie sind nicht selten selbst an der Lebensmittelindustrie und am Handel beteiligt. Sie können es sich auch ungestraft leisten, in ihren Lebensmittel-, Fleisch- und Geflügelfabriken billig zu produzierende, minderwertige, mit Chemikalien und Arzneimitteln verseuchte Lebensmittel unter die Leute zu bringen. Für diese scheinbar 'fortschrittlichen' Agrarkapitalisten stimmt die Kasse auf jeden Fall.

KONZERNE BEHERRSCHEN DIE MÄRKTE

Als Käufer von LANDMASCHINEN sind die Bauern heute von 4 Konzernen abhängig. Diese beherrschen 60% des Marktes! Bei den DÜNGE- UND PFLANZENSCHUTZMITTELHERSTELLERN ist diese Situation noch viel krasser. Der Stickstoffdüngemittel-Markt z.B. wird durch die BASF, die Farbwerke Hoechst und die Ruhrstickstoff AG beherrscht. Alle 3 sind an der 1962 in Zürich gegründeten NITREX AG beteiligt. Im Rahmen der NITREX AG treffen die führenden Stickstoffkonzerne verschiedener kapitalistischer Länder Absprachen über Preise, Aufteilung der Märkte usw. Zusätzlich bestehen zwischen den EWG-Monopolen noch Gebietsabsprachen. Folge: Für fast alle Stickstoff- und Phosphatdünger sind die Preise weit überhöht, in der Bundesrepublik noch mehr als in den anderen EWG-Ländern.

Und so können die Düngemittelkonzerne auch die Preise weiter treiben, z.B. um 6, 5% allein im letzten Jahr, obwohl es ein starkes Überangebot gibt und die Produktionskapazitäten der Konzerne bei weitem nicht ausgelastet sind.

Als Verkäufer ihrer Produkte ist die große Masse der Klein- und Mittelbauern von ihren Hauptabnehmern, der Lebensmittelindustrie, dem organisierten Einzelhandel (z.B. Gottlieb, Edeka, Ruef) und den Genossenschaften abhängig. Bei den Lebensmittelkonzernen beherrschen einige, wie Unilever, Nestle und Südzucker fast den gesamten Markt bei einzelnen Produkten. Sie können so den Bauern Niedrigstpreise diktieren. Im Krisenjahr 1967 wuchs der Nettoprofit der Südzucker AG um 8 Millionen auf 48, 6 Millionen DM! Bei Unilever schnellten die Profite von 81, 8 Millionen DM (1965) auf 192, 4 Millionen im Jahre 1967!

Und die Genossenschaften? Auch sie haben die Verelendung der großen Masse der Bauern nicht aufhalten können. Im Gegenteil: Sie sind heute ganz normale kapitalistische Großunternehmen. In immer größerem Umfang werden sie jetzt in Aktiengesellschaften (unter starker Beteiligung der Banken) umgewandelt. So sollen die Bauern, mit deren Geld die Genossenschaften ja aufgebaut wurden, auch noch den Rest einer Kontrolle über sie verlieren.

Beim Groß- und Einzelhandel schaut es kein bißchen anders aus. Nach Auskunft von Fritz Logemann, Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, betragen die 'Handelsspannen zwischen landwirtschaftlichen Erzeugerpreisen und Verbraucherpreisen oft 300 - 400%'.

Im nächsten Klassenkampf (vgl. 23.3.1972, d.Vf.) werden wir vor allem über die Lage der Nebenerwerbslandwirte berichten."

Berichtet wird auch vom Abschluß der Drucktarifrunde (DTR - vgl. 19.2.1972), dem eigenen Arbeitertreffen (vgl. 14.2.1972), den Fahrpreiserhöhungen (vgl. 17.2.1972) und in einem letzten Artikel aus dem IGM-Bereich von:"
INTERMETALL

Nachdem bis Ende 1971 die Kolleginnen und Kollegen befürchten mußten, daß INTERMETALL ganz dicht machen würde, haben die Bosse in Amerika (USA, d.Vf.) ihre Profitaussichten kalkuliert und entschieden, daß in Freiburg doch weiter produziert werden soll. Schließlich hat Stasek es ja fertig gebracht, die Gewinne für den Konzern zu retten auf Kosten der Arbeiterinnen und Arbeiter: durch die Kurzarbeit hat er das Arbeitslosengeld eingespart und durch 'Rationalisierungsmaßnahmen', vor allem durch Verschärfung der Arbeitshetze 'mit weniger Arbeiterinnen mehr produziert' (Stasek am 23.10.1970).

Der ITT-Konzern hat das letzte Jahr gut überstanden, er ist jetzt sogar durch den Aufkauf neuer Betriebe groß in die deutsche Autozubehörindustrie eingestiegen. Mit dem gleichen Mittel des 'Gesundschrumpfens' durch Verschärfung der Ausbeutungsmethoden (von den Kapitalisten Rationalisierung genannt) gelang es z.B. Ende letzten Jahres der Texas Instruments trotz sinkender Umsätze (um 6%) die Gewinne um 28% zu steigern. Die ITT bekam für SEL Stuttgart noch einen Riesenauftrag aus Griechenland dazu.

Bei Intermetall wurde im neuen Jahr erst eine Spätschicht und dann eine Frühschicht wieder eingerichtet. Jeden Tag werden Neue eingestellt; es werden Briefchen an die ehemaligen Intermetall-Kolleginnen und Kollegen verschickt, sie 'dürften' jetzt zurückkommen; damit sie das auch tun, wurden stillgelegte Buslinien wieder eingesetzt. Es gibt also wieder Arbeit:

Vor allem für die Zener und Tuner-Dioden liegen neue Aufträge vor, bei der IC-Fertigung soll - wie es heißt - sogar eine Samstagsschicht eingeführt werden. Betriebsrat Hellinger reitet mit aufwärts und macht schönes Wetter, z.B. mit dem Kummerkasten…
Können die Kolleginnen und Kollegen also hoffen, daß alles wieder läuft, können sie vergessen, mit welcher Willkür man mit ihnen umsprang, welche Angst sie ausstanden, wie man sie gegeneinander auszuspielen versuchte und wie Hellinger ihnen in den Rücken fiel? Jetzt, wo es wieder aufwärts geht, würden sich viele am liebsten um gar nichts mehr kümmern, was im Betrieb vorgeht. Im Sommer hieß es noch: 'Jetzt müßte aber mal ein anderer Betriebsrat her', heute heißt's schon manchmal: 'Jeder kann mal Fehler machen…'

WAS IST VON DIESEM AUFWÄRTS ZU HALTEN?

Sicher gibt es nach Entlassungen und Kurzarbeit jetzt wieder Arbeit; es sind Aufträge da und die Produktion bei Intermetall läuft wieder. Aber wie lange? Immer kündigt sich die ALLGEMEINE KRISE, die die ganze Wirtschaft erfaßt, in einzelnen Branchen zuerst an. Sie greift dann auf andere Industriezweige über: im Moment erfaßt sie die Auto- und Stahlindustrie und die Chemiebranche. Hier in Freiburg müssen seit Mitte Januar über 300 Kollegen bei Rhodia (CPK-Bereich - vgl. 17.1.1972, d.Vf.) kurzarbeiten, und die Kollegen bei Düsseldorf jeden Montag. Schließlich erfaßt die allgemeine Krise unweigerlich alle Branchen wie 1966/67 und dann werden auch die Kolleginnen und Kollegen bei Intermetall davon betroffen sein. Vor 5 Jahren wurden die Frauen, die vorher mit allen Versprechungen an die Arbeit geholt wurden, rücksichtslos wieder rausgeworfen, als keine Profite mehr zu machen waren. Wenn in der allgemeinen Krise viele von uns in allen Branchen arbeitslos sind, dann werden die ITT-Kapitalisten das ausnutzen, um mit allen Mitteln die Löhne weiter zu drücken und die Arbeitsbedingungen zu verschärfen, um weiter zu 'rationalisieren', das heißt z.B. die Bonderinnen rauszuschmeißen und durch Automaten zu ersetzen."
Q: Klassenkampf Nr. 18 und 21, Freiburg 23.2.1972 bzw. 17.5.1972, S. 1ff bzw. S.10

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