Kommunistische Jugendzeitung - Zeitung des Kommunistischen Jugendbundes, Jg. 1, Nr. 2, Juni 1971

28.06.1971:
In dieser Woche gibt in Freiburg der Kommunistische Jugendbund des BKA die Nr. 2 seiner 'Kommunistischen Jugendzeitung' (KJZ - vgl. März 1971, Juli 1971) mit 8 Seiten DIN A 4 heraus. Auf dem Titelblatt wird gefordert: "
500 DM FÜR ALLE LEHRLINGE
GEGEN EINFÜHRUNG DES STUFENPLANS".
Im zugehörigen Leitartikel heißt es: "
Ausbildung im Kapitalismus heißt Ausbildung orientiert an den Interessen der Kapitalisten. Die Kapitalisten stellen Lehrlinge ein, in der Anzahl, wie sie es benötigen. Die Mehrzahl der Lehrlinge muß im Handwerk und in kleinen Betrieben voll arbeiten und die Kosten für das Überleben der Kleinbetriebe zahlen. Nur 49% der Lehrlinge arbeiten später in den Berufen, für deren Erlernen sie drei Jahre lang unterbezahlt worden sind; sie werden für Berufe ausgebildet, die im Aussterben begriffen sind und es in der Form nicht mehr geben wird (z.B. die Bäckerei wird an's Fließband gelegt). Nach Beendigung der Lehrzeit sind deshalb viele Lehrlinge gezwungen, den Beruf zu wechseln oder ungelernte Arbeiten in größeren Betrieben anzunehmen; d.h. sie sind drei Jahre lang um Lohn und Ausbildung betrogen worden.

Aber auch die Lehrlinge, die in den Lehrwerkstätten der größeren Industrie beschäftigt sind, müssen oft schon im 1.Lehrjahr in der Produktion arbeiten. Trotz der Arbeit in der Produktion erhalten sie einen Lohn, der alleine nicht zum Leben ausreicht und durch die unterschiedliche Bezahlung (Prämiensysteme) nach Lehrjahren wird eine Spaltung der Lehrlinge hervorgerufen. Die besondere Ausbeutung der Jugendlichen kann nur deshalb geschehen, weil unsere Eltern einen großen Teil unserer Lebenshaltungskosten tragen müssen. … Der Kampf gegen die zusätzliche Ausbeutung der Lehrlinge und Jungarbeiter ist also einerseits ein Kampf für Interessen der Lehrlinge, andererseits aber auch ein Kampf im Interesse des erwachsenen Arbeiters, da eine Verbesserung der Bezahlung des Jugendlichen eine Entlastung des Arbeiters bedeutet, da sie nicht mehr die Lebenshaltungskosten ihrer Kinder zahlen müssen. Deshalb unsere Forderung:

500 DM EINHEITSLOHN FÜR LEHRLINGE

Der Einheitslohn wird nicht mehr bestimmt nach dem Anteil der Tätigkeit in der Produktion. Die Grundlage dieser Forderung ist die Erkenntnis der gleichen Klassenzugehörigkeit der Lehrlinge und Arbeiter und gegen die Spaltungsversuche der Kapitalisten. Solange die Lehrlinge diesen Lohn nicht bekommen bleibt die Möglichkeit zur Ausbildung den Jugendlichen vorenthalten, deren Eltern nicht genug Geld haben, eine 3 - 3 1/2-jährige Ausbildung zu bezahlen.

Durch den Einheitslohn allein wird die Ausbildung jedoch nicht besser. Im Gegenteil könnte es sein, daß die Unternehmer, und vor allem die der kleinen Betriebe sagen: 'Ja, wenn wir jetzt 500 DM für die Lehrlinge zahlen sollen, dann werden wir das aus ihnen aber zehnfach wieder rausholen.' Dagegen müssen wir uns natürlich wehren. Die Forderung nach dem Einheitslohn muß in dem Zusammenhang mit den Forderungen zur allgemeinen Verbesserung der Ausbildung gesehen werden. Diese Verbesserungen werden uns aber von den Kapitalisten nicht geschenkt, sondern wir müssen sie uns erkämpfen. Doch dagegen haben sich die Unternehmer schon abgesichert; denn wir Lehrlinge haben kein Streikrecht. Dies hat auch dazu geführt, daß Lehrlinge als Streikbrecher eingesetzt worden sind, deshalb: STREIKRECHT FÜR LEHRLINGE

Solange es einen Kapitalismus gibt, gibt es für die Arbeiterklasse, die Lehrlinge sind ein Teil davon, nur Ausbeutung und Unterdrückung. Solange die Arbeiterklasse für den Profit weniger, und nicht für die Bedürfnisse aller produziert, ist eine gute Ausbildung nicht möglich. Wenn wir nur gegen diese Erscheinungsformen des Kapitalismus kämpfen, nicht aber zielbewußt für seine Abschaffung, dann werden Ausbeutung und Unterdrückung nie ein Ende finden. Immer mehr Lehrlinge die das erkennen, die zielbewußt für den Sozialismus kämpfen, organisieren sich in kommunistischen Organisationen. Einen großen Fehler begehen aber diejenigen, die glauben, daß man die Mißstände in der Lehrlingsausbildung durch die Einführung von staatlichen Lehrwerkstätten beheben könne. Diese Leute sehen in dem Staat nicht das, was er wirklich ist, nämlich ein Instrument der Kapitalisten und produzieren damit die Illusion, daß man den Staat nur 'überzeugen' oder langsam Einfluß auf ihn gewinnen muß, um gesellschaftliche Übel zu beseitigen. Dieser Staat schafft keine idyllischen Ausbildungsinseln, sondern wird sich nur perfekter daran orientieren, welche Arbeitskräfte die Kapitalisten brauchen. Und zum weiteren haben diese Leute scheinbar schon vergessen, daß genau dieser Staat ein Berufsbildungsgesetz verabschiedet hat, das die Ausbeutung und Unterdrückung der Lehrlinge gesetzlich verankert hat; daß genau dieser Staat jetzt ein Betriebsverfassungsgesetz vorbereitet, das den Arbeitern und Angestellten jegliche Interessensvertretung durch den Betriebsrat unmöglich machen wird. Und in die Hände dieses Staates soll die Berufsausbildung gelegt werden? Außerdem wird die Arbeiterklasse durch solche staatlichen Lehrwerkstätten ein weiteres Mal gespalten. Die Lehrlinge sollen in diesen Ausbildungsstätten von den Kollegen im Betrieb getrennt werden. Es müßte ja an und für sich schon verdächtig sein, daß jetzt die 'progressivsten' Kapitalisten auch für solche Lehrwerkstätten sind. Denn sie brauchen jetzt eine relativ höhere Zahl von besser ausgebildeten Arbeitern und rechnen sich aus, daß diese Ausbildung ja eigentlich der Staat bezahlen könnte; diese staatlichen Lehrwerkstätten sollen also aus unseren Steuergeldern bezahlt werden. Zudem kann man die Lehrlinge in diesen staatlichen Lehrwerkstätten darauf 'erziehen', daß sie, wenn sie später in den Betrieb kommen, funktionieren. Denn die Lehrlinge würden dann wahrscheinlich auch in Lehrlingsheimen nahe der Lehrwerkstatt wohnen, wo sie dann wieder besser kontrolliert werden können. Daran ändert sich auch nichts, wenn man fordert, daß diese staatlichen Lehrwerkstätten 'unter Kontrolle der Gewerkschaften' stehen sollen; denn das würde nur heißen, daß sie unter Kontrolle der Gewerkschaftsbürokraten stehen würden. Und auf eine solche Kontrolle können wir gut und gerne verzichten."

In "Stufenausbildung - Ausbeutung in vier Stufen" wird der Stufenplan dargestellt und fortgefahren: "
Was heißt das für uns? Am Beispiel Krupp sieht man - wir werden nur noch das lernen, was der Betrieb momentan braucht, und wenn er einen nicht braucht, dann heißt es: 'Seht selbst was ihr macht, wir können euch nicht mehr brauchen'. … Und zum weiteren erhoffen sich die Kapitalisten noch einen ungeheuren Konkurrenzkampf unter den Lehrlingen: jeder will ja die nächste Stufe erreichen - aber man weiß, alle können sie ja gar nicht erreichen, nur still! Nicht motzen und sich wehren, und wenn sich einer wehrt - ihn ja nicht unterstützen! Jeder tut pflichterfüllt seine Arbeit, spezialisiert ohne unnötigen Handgriff, damit sich der Profit der Kapitalisten noch schneller erhöht!

Uns bringt das alles nichts als schnelleren Verschleiß unserer Ware Arbeitskraft und wenn unsere Kenntnisse nicht mehr reichen: RAUSSCHMISS! Darum wehren wir uns gegen die Einführung des Stufenplans! In Freiburg soll er wahrscheinlich eingeführt werden bei: Rhodia, Hellige und Intermetall - das werden nicht die einzigen Betriebe bleiben."

In "Intermetall Lehrlingsausbildung" heißt es: "
Intermetall ist ein Zweigbetrieb des amerikanischen Mischkonzerns ITT, der Gleichrichter, Transistoren und integrierte Schaltungen herstellt. Die Mehrzahl der Beschäftigten besteht aus angelernten Frauen. So werden neben deutschen Arbeiterinnen Kolleginnen aus Frankreich, Jugoslawien, Italien und Spanien beschäftigt. Intermetall bildet etwa 30 Lehrlinge als Nachwuchs für die einzelnen Spezialabteilungen aus (Elektromechaniker, Physiklaboranten, Kaufmänner und Werkzeugmacher). Während der Lehrzeit wechselt der Lehrling alle vier Monate die Abteilung (Physiklaboranten und Kaufmänner). Die Elektromechaniker bleiben ein Jahr in der mechanischen Werkstatt. Anschließend kommen sie in den Meßgeräteausbau, wo sie ebenfalls die Abteilungen wechseln. In den einzelnen Abteilungen werden die Lehrlinge da eingesetzt, wo gerade jemand gebraucht wird. Die Werkzeugmacher müssen bereits in der kleinen Lehrwerkstatt produktive Arbeit leisten. Sie erhalten während ihrer Ausbildungszeit keinen theoretischen Unterricht, lediglich ein paar Stunden vor der Abschlußprüfung. Bei den Physiklaboranten ist die Ausbildung viel zu betriebsspezifisch und einseitig. Früher bildete Intermetall die Physiklaboranten gleichzeitig zu qualifizierten Physikalisch-Technischen Assistenten aus, da es zu wenig Ingenieure gab, die man sofort auf dem Halbleitergebiet einsetzen konnte und die Arbeit in den Entwicklungslabors noch nicht stark spezialisiert war. Heute werden dagegen Ingenieure für die einzelnen Spezialgebiete eingestellt und den Physiklaboranten teilt man die Aufgaben von Labortrotteln zu. Die theoretische Ausbildung wird immer schlechter und die praktische Ausbildung bleibt dem guten Willen einzelner Angestellter überlassen; darin ändert auch ein neuer Lehrlingsraum nichts. Um diese Entwicklung in Gang zu setzen, suchte sich die Geschäftsleitung einen geeigneten Menschen. Es ist dies Herr Anders! Aufgeblasen wie ein Ochsenfrosch kommt er sich nicht nur als Lehrlingsausbilder wichtig vor (seine Fachkenntnisse sind äußerst mangelhaft), sondern er schnüffelt auch den ganzen Tag in der Firma herum. Auf Lehrlingsversammlungen, die nur dann einberufen werden, wenn es dem Herrn Neumann aus der Personalabteilung gerade paßt, werden Diskussionen um eine bessere Ausbildung durch unverbindliches Geschwätz erstickt: 'Man werde deswegen Rücksprache nehmen … die Verhandlungen seien darüber im Gange … im Allgemeinen werde es so weiterlaufen wie bisher' und ähnliches Blah, Blah! Einige Ausbilder erzählen ihren Lehrlingen in tiefster Überzeugung immer wieder, die Lehrlingsausbildung bei Intermetall sei die beste in Freiburg. Im Kapitalismus ist jede Ausbildung die Beste, die Beste im Interesse des Profits!"

Hingewiesen wird auf die heute beginnende China-Ausstellung. In "Polizei gegen streikende Arbeiter!" werden die Teile des gleichnamigen Artikels aus dem 'Klassenkampf - Rhodia' vom 24.6.1971 übernommen, die sich mit der Rolle der Polizei befassen und ergänzt durch Meldungen vom 25.6.1971 aus Hessen.
Q: Kommunistische Jugendzeitung Nr. 2, Freiburg Juni 1971

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