Kommunistische Jugendzeitung - Zeitung des Kommunistischen Jugendbundes, Jg. 1, Nr. 4, 13. Dez. 1971

Dezember 1971:
Der Kommunistische Jugendbund (KJB) Freiburg des BKA berichtet von ca. Ende November und Anfang Dezember:"
WOHNUNGSNOT IM KAPITALISMUS

HAUSBESETZUNG IN FREIBURG

In Freiburg wurden in den letzten Wochen drei Häuser besetzt. Nicht nur hier kam es zu solchen Aktionen, sondern auch in vielen anderen Universitätsstädten, wo zum Teil die Hausbesetzer, Studenten und Arbeiter, brutal von der Polizei niedergeknüppelt wurden. So wurde in Frankfurt in einer Großaktion ein besetztes Haus mit Gewalt gesäubert (vgl. **.1*.1971,d.Vf.). Ein Polizist bedrohte die Demonstranten sogar mit einer Pistole.

WAS TRIEB DIE STUDENTEN ZU SOLCHEN AKTIONEN?

In jeder Universitätsstadt ist zur Zeit eine große Zahl von Studenten wohnungslos (Frankfurt 3 000, Freiburg 500), obwohl schon sehr viele in Notunterkünften oder Jugendherbergen wohnen. Während die Zahl der Studenten steigt (was vorauszusehen war), nimmt das Zimmerangebot ab. Der Neubau eines Studentenwohnheims wurde durch den lächerlichen Einwand eines benachbarten Kiesgrubenbesitzers verzögert: Er forderte, jedem Studenten fristlos zu kündigen, der sich über seinen Lärm beklagte!

Was in den meisten Zeitungen verschwiegen wird:
Uns Lehrlingen geht es keinen Deut besser als den Studenten, vielmehr schlechter!

Die Situation zu Hause ist beschissen: Die Wohnungen sind fast alle zu klein. Außerdem muß der größte Teil von uns täglich von auswärts nach Freiburg fahren. Doch ein eigenes Zimmer ist nicht drin. Zum einen reicht der Lohn nicht aus, um eine Bude zu mieten, zum zweiten gibt es zuwenig Zimmer, und wenn, zu unerschwinglichen Preisen. (Unsere Forderung: 500 DM für alle Lehrlinge ist also voll berechtigt).

Die Wohnungsnot betrifft aber nicht nur Studenten und Lehrlinge, sondern die ganze Arbeiterklasse. In der Bundesrepublik gibt es heute 300 000 Obdachlose; in Freiburg suchen heute 12 000 Menschen nach einer angemessenen Wohnung, während 1950 70% der neugebauten Wohnungen Sozialwohnungen waren, sind es heute nur noch 22%. Dagegen wurden Prestigeobjekte wie Schloßbergbahn und Karlsklotz gebaut. Zur Zeit plant die Stadt den Bau eines Millionenprojekts, einer Mehrzweckhalle am Meßplatz.

In der Innenstadt werden im Moment eine Reihe von Häusern abgerissen, um Platz für Straßen, Parkhotels oder neue Wohnhäuser zu schaffen. Bis 1980 ist die Sanierung von weiteren 81 Hektar geplant, auf denen alte Wohnungen stehen. Das heißt nichts anderes, als: Abreißen, Rauswurf der Mieter ohne entsprechenden Wohnungsersatz, Neubau von Geschäftshäuser, versicherungspalästen oder Miethäusern, in denen es weniger Wohnungen als bisher gibt. Dazu bedeutet es auch noch eine wesentliche Mieterhöhung. Die Kosten für die Sanierung werden zum Teil sogar aus Steuermitteln finanziert: 'Eigentumsfinanzierung erfolgt allerdings nur dort, wo eine ausreichende Wirtschaftlichkeit zu erwarten ist. Gebiete, bei deren Sanierung höhere, unrentable Kosten anfallen, können nur mit Hilfe öffentlicher Maßnahmen saniert werden.' (Freiburger Planungsbericht 1970)."

Im Abschnitt "Sanierung für wen?" wird berichtet aus Berlin-Kreuzberg und Wedding, wobei vermutlich die KPD/AO die Urheberrechte des Textes hat, und fortgefahren:"
Auch in Freiburg gibt es Villenviertel für die Ober- und Mittelschicht, besonders im Osten Freiburgs. Auf dem Lorettoberg stehen z.B. jedem Bewohner 31,2 qm Wohnungsfläche zur Verfügung, während den Bewohnern der Wohnsilos im Westen, wie z.B. Haslach-Haid rund 18,1 qm pro Person ausreichen müssen, und das zu horrenden Mieten. Wer hier nicht mithalten kann, zumal die Preise so stark wie noch nie zuvor gestiegen sind, findet sich unversehens in der Obdachlosensiedlung wieder. In Barackensiedlungen und Wohnghettos für sog. 'Problemfamilien', wie z.B. Mundenhof, Opfinger Siedlung, Elsässerstr., Klarastraße.

Die Stadt schrieb über die Opfinger Siedlung, die 1936 gebaut wurde, weil die Wehrmacht die bewohnten Kasernen brauchte, 'bewußt gab man diesen Familien eine ganz einfache Wohnung, um sie zu einer anderen Einstellung zu erziehen, soweit das möglich war'. (Akte der Stadtverwaltung von 1947). Erst 1959 (!) wurde eine Stromleitung, 1962 endlich eine Wasserleitung zur Siedlung gebaut. In der Mundenhofsiedlung, die inmitten des Rieselgutes liegt, wohin täglich die Scheiße ganz Freiburgs fließt, gibt es für 120 Menschen einen Wasserhahn, eine kalte Dusche und drei Bretterklos im Freien. Flamm, vom 'Sozial'amt meint dazu: 'Die Siedlung wurde mit den erforderlichen hygienischen Einrichtungen versehen.'

Im Sommer 1969 plante man die Errichtung eines sozialpädagogischen Zentrums. Die Begründung laut BZ (Badische Zeitung,d.Vf.): 'Anlaß für die Planung des Zentrums ist die Notwendigkeit, die Barackensiedlung an der Opfinger Straße zu beseitigen, wenn man das Wohngebiet Weingarten ausdehnen will' (BZ 1.10.1969). Die Firma Hellige (Litton-Konzern) verhinderte den Bau des Zentrums am vorgesehenen Platz, so daß der Plan verschoben werden mußte. Der Grund: Die Hellige-Kapitalisten fürchteten durch die benachbarte Siedlung in schlechten Ruf zu kommen.

Dabei sind diese 'Asozialen' keineswegs selbst schuld, daß sie unter solch unmenschlichen Bedingungen leben müssen. Sie sind zumeist einfache Arbeiterfamilien, die dem Druck des kapitalistischen Systems nicht mehr gewachsen waren. Sie wurden in ihre heutigen Behausungen verfrachtet, weil sie die zu hohen Mieten nicht mehr bezahlen konnten, weil sie sich verschuldeten usw.

WAS VERBIRGT SICH HINTER ALL DIESEN MISSTÄNDEN?

Auf keinen Fall verfehlte Planung sondern die kapitalistische Wirtschaftsordnung! Hier dienen Grundeigentum und Hausbesitz zur Vermehrung des persönlichen Reichtums einiger weniger. Mit Bodenspekulation verdienen einzelne, wie z.B. Fink in München, im Schlaf Hunderttausende ohne sich nur mal umzudrehen. So wurde in Berlin ein Haus von einem Makler für 89 000 DM gekauft, und noch am gleichen Tag für 135 000 DM weiterverkauft. Während nach dem 2. Weltkrieg die Stadt den Quadratmeter Land in St. Georgen für 90 Pf. kaufte, kostet er dort jetzt 60 DM. Wer der Leidtragende der Bodenspekulation ist, zeigt ganz deutlich der jüngste 'Rhodia-Baulandskandal'. Ein Rhodiaarbeiter, der sich einen Schrebergarten kaufen wollte, hätte für einen qm 20 DM auf den Tisch legen müssen, während die SPD-Clique um Keidel den Rhodiakapitalisten den qm für 10 DM herschenkt. Aber hier hört die Geschäftemacherei der Reichen nicht auf.

Auch in Freiburg besitzen einzelne Großkapitalisten (Gottlieb, Ganter) ganze Straßenzüge, deren Mieten sie unkontrollierbar in die Höhe treiben können. Die Folge davon ist eine Mieterhöhung für alle. Seit 1962 sind die Mietpreise laut BZ um 74% gestiegen, und zwar in ganz Westdeutschland. Die steigenden Mieten fressen immer mehr von dem Lohn der Arbeiterklasse. Durchschnittlich liegt der Anteil der Mietpreise heute schon bei 30% eines Arbeitereinkommens. Daß dies nicht sein muß beweist die Volksrepublik (VR,d.Vf.) China: Dort gibt es kein Privateigentum an Produktionsmitteln, dort gibt es keine Ausbeutung der Masse durch einige wenige. Die Miete darf höchstens 3% des Lohnes ausmachen.

Wie wir jetzt an vielen Beispielen gezeigt haben, tut der Staat so gut wie nichts für die Bedürfnisse der Arbeiter. Zur Zeit macht die SPD/FDP-Regierung ein Mordstrara um das neue 'Mieterschutzgesetz' (vgl. **.**.1971,d.Vf.). Es soll angeblich die Mieter besser vor den Vermietern schützen. Kernpunkt des neuen Gesetzes ist eine Neuregelung der Kündigung. Ein die Kündigung rechtfertigender Grund ist unter anderem in Zukunft dann gegeben, 'wenn die Fortsetzung des Mietverhältnisses den Vermieter an einer angemessenen Verwertung des Grundstückes hindert…'. Der Sanierung sind also Tür und Tor geöffnet. '… stellt die Kündigung für die Mieter einen Härtefall dar, entscheidet das Gericht…'. In wessen Interesse das Gericht entscheidet, beweisen folgende Zahlen aus dem Jahre 1969. '… Dabei endete in 95% der Fälle der Rechtsstreit mit dem Ergebnis, daß der Mieter räumen mußte'. (Die letzten Zitate aus: Presse- und Informationsamt (PIA,d.Vf.) der Bundesregierung ). Dieses Gesetz bezeichnet die SPD dann als 'einen großen Schritt nach vorn in der Verwirklichung des sozialen Rechtsstaates'.

Das Resultat der kapitalistischen Wohnungspolitik ist, 'daß die Arbeiter vom Mittelpunkt der Städte an den Umkreis gedrängt werden, daß Arbeiterwohnungen seltener und teurer werden, und oft gar nicht mehr zu haben sind. Denn unter diesen Verhältnissen wird die Bauindustrie, der teure Wohnungen ein weit besseres Spekulationsfeld bieten, immer nur ausnahmsweise Arbeiterwohnungen bauen.' (Friedrich Engels: Zur Wohnungsfrage).

WIE UND MIT WELCHEN FOLGEN VERLIEFEN DIE HAUSBESETZUNGSAKTIONEN IN FREIBURG?

Nach monatelangem ergebnislosem Verhandeln mit der Stadtverwaltung entschlossen sich SDAJ, AStA, DKP etwas gegen die 'himmelschreienden Ungerechtigkeiten' auf dem Wohnungsmarkt zu tun. Und sie haben etwas getan. Sie haben 3 Häuser besetzt, nachdem sie natürlich zuerst zum OB (Oberbürgermeister,d.Vf.) gerannt sind, obwohl dessen Haltung bekannt war, mußten 2 Häuser jedoch gleich wieder räumen, weil sie urplötzlich abgerissen werden sollten. Jetzt sind diese Gruppen (SDAJ, AStA, Jusos (Jungsozialisten der SPD,d.Vf.), Jungdemokraten (Judos der FDP,d.Vf.)) wieder in das Stadium der Verhandlungen getreten.

Warum sind diese Wohnungsbesetzungen im Sande verlaufen?

Diese Gruppen gehen nicht vom Interesse der gesamten Arbeiterklasse aus, sondern versuchen, EINEN besonders krassen 'Mißstand' im Kapitalismus zu verbessern.

Sie sehen nicht, daß einige wenige fast alle Produktionsmittel und Häuser besitzen. Wenn Kapitalisten Wohnungen bauen lassen, dann nicht zum Nutzen der Mieter, sondern um damit Profit zu machen.

Die Wohnsilos, in die sie uns stecken, wo es keine Kinderspielplätze gibt, wo die Wände schlecht isoliert sind, wo man keinen Platz hat, wo keiner den anderen kennt, sind die besten Beispiele dafür.

Und diese Wohnungen, in denen wir nicht leben, sondern uns nur für den nächsten Arbeitstag aufmöbeln können, fressen bis zu einem Drittel unseres Monatslohns.

Wenn nun einer der Hausbesetzer, er will von 'politischem Engagement' nichts wissen, sondern nur ein Dach über dem Kopf haben, sagt, die Aktion soll nicht als 'rotes Signal' gegen kapitalistische Eigentumspolitik verstanden werden, so drückt das nur den Charakter der 'Initiative für Wohnraumbeschaffung' sehr treffend aus. Die 'Initiative für Wohnraumbeschaffung' verbindet ihren Kampf nicht mit dem gesamten Kampf der Arbeiterklasse gegen die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse, sondern vertritt nur die Gruppeninteressen einiger wohnungssuchender Studenten.

UNSERE AUFGABE IST ES, DEN KAMPF GEGEN DIE WOHNUNGSNOT ALS EINEN TEIL DES KAMPFES DER ARBEITER, LEHRLINGE UND STUDENTEN GEGEN DIE ALLUMFASSENDE HERRSCHAFT DES KAPITALS AUFZUNEHMEN."
Q: Kommunistische Jugendzeitung Nr. 4, Freiburg 13.12.1971, S. 1ff und 7f

13.12.1971:
Der Kommunistische Jugendbund (KJB) Freiburg des BKA gibt seine 'Kommunistische Jugendzeitung' (KJZ) Nr. 4 (vgl. 13.10.1971, 23.3.1972) mit einem Umfang von 10 Seiten DIN A 4 heraus.

Im Leitartikel befaßt man sich mit den Hausbesetzungen in Freiburg (vgl. Dez. 1971), ein weiterer Artikel mit der Jugendgruppe der IG Chemie (CPK) bei Rhodia (vgl. Apr. 1971, 29.11.1971). Zum Lesen des 'Klassenkampf' des BKA wird unter einem Emblem von Hammer, Sichel und Gewehr geworben, welches in der Regel lediglich von KPD/MLs verwandt wird. Zum Ausgleich dafür wird dann noch das "Garstige Weihnachtslied" des DKP-nahen Dieter Süverkrup" abgedruckt. Auf der letzten Seite heißt es: "
AN ALLE BERUFSSCHÜLER!!

Kolleginnen und Kollegen!
Die Ereignisse der letzten Wochen in der Metalltarifrunde (MTR, d.Vf.) zeigen uns deutlich, daß die Kapitalisten nicht mehr so ohne weiteres die Lasten der immer wiederkehrende Krisen des Kapitalismus der Arbeiterklasse aufhalsen können. Die Kollegen beginnen immer mehr zu erkennen, daß dagegen nur ein gemeinsames Vorgehen erfolgreich sein kann, und daß darüber hinaus völlig andere gesellschaftliche Bedingungen geschaffen werden müssen, um dem Klassenstaat und der Ausbeutung ein Ende zu bereiten. Es geht den Kollegen, die jetzt streiken und die in Stuttgart zu zigtausenden auf die Straße gegangen sind (vgl. 8.12.1971, d.Vf.) nicht mehr NUR um die Lohntüte, denn sie haben erkannt, daß sie in diesem System immer am kürzeren Hebel sitzen und um ihre gerechten Lohnforderungen beschissen werden. Aber sich hinsetzen und zu warten, bis sich etwas von alleine ändert, heißt, dem Klassenfeind, den Kapitalisten, Schützenhilfe zu leisten. Deshalb haben sich an den Freiburger Berufsschulen Berufsschulgruppen (BSG, d.Vf.) gebildet, in denen die Kollegen versuchen wollen, AKTIV mit an der Veränderung der kapitalistischen Gesellschaft, in der wir leben, mitzuarbeiten. Wir vom KJB unterstützen diese Initiative und fordern sämtliche interessierten Berufsschüler auf, in diese Berufsschulgruppen zu gehen und sich ein Bild davon zu machen, was hier gearbeitet wird. Es wird ganz besonders auf die Probleme und Schwierigkeiten, unter denen wir Lehrlinge zu leiden haben eingegangen, denn auch die Ursachen unsere Unzufriedenheit fallen nicht vom Himmel, sondern sind Produkt des Kapitalismus, dem ärgsten Feind der Arbeiterklasse.
KOLLEGEN UND KOLLEGINNEN!
SPRECHT MIT UNSEREN VERTEILERN! SIE GEBEN NÄHERE AUSKÜNFTE.
RUFT AN BEI UNSERER KONTAKTADRESSE!
ORGANISIERT EUCH IM KJB!"
Q: Kommunistische Jugendzeitung Nr. 4, Freiburg 13.12.1971

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