Arbeiter-Zeitung - Zentrales Organ der Kommunistischen Gruppe (NRF) Mannheim/Heidelberg, Jg. 2, Nr. 5, Mai 1973

07.05.1973:
Vermutlich in dieser Woche gibt die KG (NRF) Mannheim/Heidelberg die Nr. 5 ihrer 'Arbeiter-Zeitung' (vgl. 30.4.1973, 9.5.1973) heraus, die sich mit Chemie- und Drucktarifrunde sowie dem Unvereinbarkeitsbeschluß (UVB – vgl. 16.4.1973) befaßt, von der eigenen Maiveranstaltung in Heidelberg berichtet (vgl. 25.4.1973) und Berichte verschiedener Kollektive der KG (NRF) von den Uniklinken Heidelberg, Vögele Werk Hockenheim, IHC Heidelberg, der HSB Heidelberg und vom ÖTV-Kollektiv Heidelberg enthält. Das Betriebskollektiv BBC-SMW Walldorf meldet eine Jugendvertreterentlassung.

Weiter befaßt man sich mit dem eigenen Programmentwurf, der Heidelberger Altstadt, der Mannheimer Vogelstang und der Kirchwaldsiedlung in Waldhof, den Thieu-Demonstrationen in Heidelberg (vgl. 9.4.1973) und Bonn (vgl. 10.4.1973) sowie der Vietnamspendensammlung in Heidelberg (vgl. 2.5.1973). Berichtet wird auch von den Berufsverbotedemonstrationen am 14.4.1973 in Dortmund Stuttgart. Das Berufsverbotekomitee Karlsruhe habe bereits über 100 Mitglieder, vor allem Schüler, Studenten und Lehrer. Eine Veranstaltung dieses Komitees sei von 200 Leuten besucht worden.

Von J. S. und S. C. erscheint der folgende Artikel anläßlich der UVB, u.a. der IGM (vgl. 16.4.1973):"
AUS DEN ERFAHRUNGEN LERNEN: DIE NIEDERLAGE DER RGO-POLITIK VOR '33

Unter dem Feldzeichen des Kampfes gegen eine sogenannte 'Revolutionäre Gewerkschaftsopposition' (RGO) hat die Führung der IG Metall und der IG Druck eine allgemeine Verfolgungswelle gegen die Mitglieder kommunistischer Organisationen in den Gewerkschaften und gegen alle Kollegen eingeleitet, die den Kurs der gegenwärtigen Gewerkschaftsführung ablehnen und ihre klassenversöhnlerische Politik nicht billigen. Diese Verfolgungswelle gegen Kommunisten und rebellische Arbeiter in den Gewerkschaften hat schon eine lange Tradition. Auch in der heutigen Einheitsgewerkschaft ist sie nicht neu. In den 50er Jahren sollten Gewerkschafter, die in Verdacht standen, Mitglieder der KPD zu sein oder mit ihr in Verbindung zu stehen, sogenannte 'Reverse' (Bescheinungen) unterschreiben, in denen sie sich von den Zielen der KPD lossagen. Die neue Verfolgungswelle in den Gewerkschaften hat ebenfalls schon begonnen, bevor von einer RGO überhaupt die Rede gewesen ist. Sie hat in dem Moment begonnen, als vor allem jüngere Kollegen selbständige Aktivitäten entfalteten und nicht mehr zu allem Ja und Amen sagten, was die Gemeinschaftspolitiker aller Ebenen als die Interessen der Kollegen verkaufen wollten. Seit die junge kommunistische Bewegung in den Gewerkschaften auftritt, häufen sich die Ausschlußanträge in den Gewerkschaften. Ältere Kollegen wissen noch, was die RGO in der Geschichte der Arbeiterbewegung bedeutete: Mit dem Namen RGO ist eine bestimmte Taktik der KPD für die wirtschaftlichen Kämpfe verbunden und ein bestimmtes organisatorisches Konzept, um diese Taktik in die Tat umzusetzen. Die RGO-Politik wurde 1928 im Rahmen einer allgemeinen Kursänderung eingeschlagen. Fehler in dieser Politik und ihrer Anwendung haben zu einer Isolierung der Kommunisten von der Gewerkschaftsbewegung und nach 1930 zum systematischen Aufbau neuer Gewerkschaften, der Roten Verbände geführt. Heute hat nun die Gruppe Rote Fahne, die in verschiedenen Städten Westdeutschlands unter dem Namen KPD auftritt, die RGO-Politik aufs neue angegriffen. Genausowenig wie diese Gruppe ernsthaft mit der Kommunistischen Partei gleichgesetzt werden kann, kann das, was sie unter dem Namen RGO verkauft, mit der RGO-Politik der alten KPD gleichgesetzt werden. Die Gewerkschaftsführung genauso wie die DKP gehen nun mit dieser neuen 'RGO' hausieren, um davon abzulenken, daß sich die gegenwärtige Ausschlußwelle gegen die Einheitsgewerkschaft selber richtet. Mit dem Hinweis auf die 'RGO' wollen sie davon ablenken, wer die eigentlichen Spalter der Gewerkschaft sind: nämlich sie und niemand anders. Wenn wir das feststellen, dann sagen wir gleichzeitig, daß das Spektakel der Gruppe Rote Fahne mit ihrer 'RGO' dieses Vorgehen der Gewerkschaftsführung und aller anderen Kräfte, die die Kommunisten aus den Gewerkschaften vertreiben wollen, erleichtert hat. Aber auch ohne dieses Spektakel hatte die Gewerkschaftsführung mit ihrer Ausschlußpraxis begonnen. Sie nimmt die 'RGO' nur zum Anlaß, um diese Ausschlußwelle auszuweiten und von ihrem eigenen Spaltertum abzulenken. Mit dieser neuen 'RGO' der Gruppe Rote Fahne (KPD) hat es nun folgendes auf sich: Auch in der Geschichte der Arbeiterbewegung, wie in der Geschichte überhaupt, ereignet sich alles zweimal. Einmal als Tragödie und einmal als Farce. Denn die alte RGO-Politik der KPD enthielt zwar schwerwiegende Fehler. Aber das waren Fehler einer an der Spitze der Kämpfe der Arbeiterklasse stehenden Partei, die bei der Erfüllung ihrer großen Aufgaben Irrtümer beging. Die 'RGO' der Gruppe Rote Fahne (KPD) ist ein läppischer Aufguß von Möchtegernen.

DIE RGO-POLITIK SEIT 1928

Die Kommunistische Internationale hat auf ihrem zweiten Kongreß von 1920 der Arbeit in den Gewerkschaften eine entscheidende Bedeutung für die Vorbereitung der proletarischen Revolution zugeschrieben. Gerade die Erfahrungen der deutschen Revolution von 1918, als die klassenversöhnlerische Gewerkschaftsführung einen großen Teil der organisierten Arbeiter vom Kampf für die Eroberung der politischen Macht durch das Proletariat abhalten konnte, hat dies gezeigt. Die Komintern legte deshalb fest, daß der Kampf um die Gewerkschaften mit dem Ziel der Eroberung der Gewerkschaften eine entscheidende Aufgabe auf dem Weg zur proletarischen Revolution und zur Errichtung des Sozialismus ist. Diese richtige Erkenntnis, für deren Durchsetzung vor allem Lenin erbittert gekämpft hatte, wurde aber von vielen kommunistischen Parteien nicht in die Praxis umgesetzt. Vor allem auch in der KPD wurde diese Aufgabe zeitweise nicht nur vernachlässigt, sondern direkt durch die Führung selbst sabotiert (die Ruth-Fischer A. Maslow-Führung zwischen 1924 und 1925). Der Aufbau von Betriebszellen als Grundeinheiten jeder wirklichen Kommunistischen Partei und der Aufbau von kommunistischen Fraktionen in den Gewerkschaften wurde sträflich vernachlässigt. Zu verschiedenen Zeiten gab es richtige Austrittswellen aus den Gewerkschaften, die von der Führung der Partei stillschweigend geduldet wurden. Erst nachdem die Fischer/Maslow-Führung 1925 entmachtet worden war, wurde eine ernsthafte Fraktionsarbeit in den Gewerkschaften in Angriff genommen. Dennoch entsprach dem politischen Einfluß der KPD zu keinem Zeitpunkt ihre organisatorische Stärke in den Betrieben und den Gewerkschaften.

Als mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise die Kapitalistenklasse zur allgemeinen Offensive auf die Arbeiterklasse überging und die wenigen Zugeständnisse, die sie während und nach der Revolution von 1918 hatte machen müssen, rückgängig zu machen begann, war die Partei auf diesen Angriff höchst unzulänglich vorbereitet. Die reformistischen Gewerkschaftsführer waren nicht bereit, den Kampf gegen die Offensive der Kapitalisten aufzunehmen und sabotierten die Kämpfe der Arbeiter, wo immer sie konnten. Genauso leistete die SPD der Kapitalistenklasse die besten Dienste bei ihren Angriffen gegen das deutsche Proletariat. Die KPD griff sie deshalb als 'Sozialfaschisten' an. In dieser Situation traten nun die Komintern und die KPD die Flucht nach vorne an. Sie interpretierten sogar die Abwehrstreiks der Arbeiterklasse gegen diese Offensive als den Beginn einer revolutionären Offensive der Arbeiterklasse auf die Positionen der Kapitalistenklasse und ihren Staat hin zur proletarischen Revolution. Sie erhob die Taktik der selbständigen Führung von Wirtschaftskämpfen ohne und gegen die Gewerkschaftsorganisation ZUM PRINZIP und versuchte, die klassenbewußten Arbeiter auf gewerkschaftlicher Ebene als RGO unabhängig von den bestehenden Gewerkschaften, wenn auch noch zunächst auf sie bezogen, zu organisieren, statt die Betriebszellen und die kommunistischen Fraktionen zum entscheidenden Hebel im Kampf um die Arbeitermassen und die Gewerkschaften zu machen.

Die RGO wurde praktisch zum entscheidenden Hebel erklärt, um die Taktik der selbständigen Führung von Wirtschaftskämpfen in die Tat umzusetzen. Obwohl es in einzelnen Fällen gelang, selbständige Streiks einzuleiten, führte die RGO-Politik zu einer Schwächung der Partei in den Betrieben und den Gewerkschaften. Die Fehler der RGO-Politik lagen nicht in der Taktik der selbständigen Führung von Wirtschaftskämpfen. Die Partei mußte versuchen, die Arbeiterklasse in solche Streiks zu führen. Aber die Taktik der selbständigen Führung von Wirtschaftskämpfen durfte nicht zum Prinzip erhoben werden. Diese Taktik mußte mit dem Kampf um die Gewerkschaften verbunden werden. Dazu aber war die RGO als feste Organisationsform ungeeignet. Sie wurde zwangsläufig zu einer Gegengewerkschaft, zunächst noch in den bestehenden Gewerkschaften, bald aber außerhalb derselben.

Nach 1930 wurde die RGO systematisch in Rote Verbände umgewandelt. Die ständig wachsende Ausschlußwelle von Kommunisten und rebellischen Gewerkschaftern legten diesen Schritt nahe. Tatsächlich war das aber kein Fortschritt im Kampf um die Massen, sondern bloß ein weiterer Schritt auf der Flucht nach vorn, die die Kommunisten von der Gewerkschaftsbewegung isolierte. Der Erfolg war, daß die KPD zwar immer mehr zu einem politischen Bezugspunkt vieler Unzufriedener wurde und zum Beispiel in den verschiedenen Reichtagswahlen beträchtliche Erfolge erzielte, aber in den großen Betrieben und in den Gewerkschaften keine organisatorische Basis schaffen konnte, die sie wirklich befähigt hätte, die Reformisten zu schlagen und den Kampf gegen die ökonomische und politische Offensiver der Kapitalistenklasse erfolgreich zu führen. Die linksopportunistischen Fehler der RGO-Politik waren die spontane Reaktion auf die Offensive der Kapitalistenklasse und die versöhnlerische Politik der Gewerkschaftsbürokratie, die diese Offensive erst ermöglichte. Die Bildung Roter Verbände, also neuer Gewerkschaften, war die naturwüchsige Konsequenz dieser linksopportunistischen Fehler der RGO-Politik. Gemessen an der 1920 festgelegten Linie der Komintern für die Arbeit in den Gewerkschaften bedeuteten diese linksopportunistischen Fehler eine klare Abweichung, die sich bitter rächte. So war zum Beispiel die KPD, obwohl sie zum Kampf aufrief, weder bei dem Staatsstreich Papens, noch bei der Machtergreifung des Faschismus organisatorisch in der Lage, eine breite Streikbewegung einzuleiten. Natürlich trifft die sozialdemokratischen Reformisten die Hauptverantwortung für die relative Wehrlosigkeit der deutschen Arbeiterklasse im Kampf gegen die Offensive der Kapitalistenklasse und des Faschismus. Sie haben den Kampf von vornherein sabotiert. Aber von den Verantwortlichen für diese Politik konnte man auch nichts anderes erwarten.

Um den Kampf gegen die Kapitalistenklasse und die politische Reaktion erfolgreich führen zu können, muß man die Reformisten schlagen. Dazu war die RGO-Politik als bloße Flucht nach vorn, die mit der Schaffung eigener kleiner Gewerkschaften endete, überhaupt nicht in der Lage. Schon 1030 hatte dies der sozialdemokratische 'Vorwärts' triumphierend festgestellt, wenn er über die RGO-Politik schrieb: 'Die Linie, die zur Säuberung der Gewerkschaften von
kommunistischen Paroleschmieden führt, wird streng eingehalten. Das ist alles, was wir wünschen können.' Die linksopportunistischen Fehler und die Konsequenzen der RGO-Politik sind weder in der Komintern noch in der KPD kritiklos hingenommen worden. Vor allem Piatnitzki, ein alter Bolschewik, und seit 1928, Sekretär der Komintern, hat immer wieder gegen die Auswirkungen der linken Fehler Stellung genommen und sich zum Beispiel gegen die schematische Trennung zwischen dem Kampf um die gewerkschaftlich organisierte Massen und den Kampf um die gewerkschaftliche Organisation gewehrt.

Eine grundsätzliche Selbstkritik an diesen linksopportunistischen Fehlern setzt allerdings erst nach der Niederlage der deutschen Arbeiterbewegung gegen den Faschismus ein. Pieck und vor allem Dimitroff rechneten auf dem 7. Weltkongreß der Komintern scharf mit diesen Fehlern ab (1935).

WELCHE LEHREN MÜSSEN WIR DARAUS ZIEHEN?

Es bedeutet ein Nachgeben und Zurückweichen gegenüber den reformistischen Spaltern der Gewerkschaftsbewegung, wenn man aufgrund ihrer Gemeinheiten den Kampf um die Gewerkschaftseinheit und den Kampf für die Eroberung der Gewerkschaften praktisch aufgibt. Auf das aber lief die RGO-Politik mit ihren linksopportunistischen Fehlern und ihrer völligen Verkennung der Bedeutung der Massengewerkschaften für die Arbeiter hinaus. Die Folge war, daß die Roten Verbände nach 1930 immer schwächer wurden, die Massengewerkschaften des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes aber neue Mitglieder hinzugewannen. Die Reformisten hielten im ADGB unangefochten die Macht, nachdem sich die Kommunisten hatten hinauskatapultieren lassen.

Die Erfahrungen der KPD mit der RGO-Politik und ihren Fehlern sind für die junge kommunistische Bewegung heute von großer Bedeutung. Diese Bewegung ist noch sehr schwach. Umso tödlicher wäre es für sie, wenn sie aus den Erfahrungen der Arbeiterbewegung und der KPD nicht lernen wollte, sondern die Fehler wiederholen würde, die der damals politisch sehr starken KPD schwere Niederlagen eingebracht haben. Wir wissen sehr gut, daß die Gewerkschaftsführung, die bürgerliche Presse und einige linksopportunistische Organisationen hervorragend zusammenspielen, um die 'RGO' der Gruppe Rote Fahne (KPD) heute als die Gewerkschaftspolitik der Kommunisten darzustellen. Auch die revisionistische DKP stößt ins selbe Horn. Wir wissen auch, daß einige wenige Kollegen sich dadurch verwirren lassen und die 'RGO'-Politik einfach deshalb gut finden, weil sie die Gewerkschaftsführung bekämpfen wollen. Aber wir sagen allen Kollegen: die 'RGO'-Politik ist nicht geeignet, die bürgerlichen Machthaber in den Gewerkschaften zu schlagen. Ohne aber diese bürgerlichen Machthaber in den Gewerkschaften zu schlagen, sind weder wirkliche Erfolge in den wirtschaftlichen Kämpfen der Arbeiterklasse möglich, noch der Sieg der Arbeiterklasse über die Ausbeuterherrschaft. Es gibt nur einen Weg zum Sieg über die Kapitalistenklasse und ihre reformistischen Helfershelfer. Das ist: der Aufbau und die Festigung von kommunistischen Betriebszellen und der Aufbau und die Festigung von kommunistischen Fraktionen in den Gewerkschaften. Auf diese Weise kann die Masse der Kollegen auf der richtigen politischen Linie gesammelt und politisch zusammengeschlossen werden, ohne den bürgerlichen Machthabern in den Gewerkschaften bei ihrem Versuch der Spaltung der Gewerkschaftsbewegung entgegenzukommen."

Auch die KFR im Ruhrgebiet verbreitet diesen Artikel in Dortmund und Castrop-Rauxel (vgl. 25.5.1973).
Q: Arbeiter-Zeitung Nr. 5, Mannheim Mai 1973; Die Rote Front Nr. 10, Dortmund Mai 1973, S. 4;

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