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Zollernalbkreis

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, 31.7.2005


Materiallage

Aus dem Zollernalbkreis lag uns kein örtliches Material vor.


Die Organisationen

Nachdem zunächst die Freunde der DKP auftreten, gibt es eine MLAO in Balingen, deren Verbleib aber unklar ist. Später sind sowohl KBW als auch KPD/ML aktiv sowie die KPD. In den 90er Jahren tritt in dieser Darstellung allein die kurdische PKK auf.


Wichtige Themen und Ereignisse

Wir erfahren von den Ausläufern der APO sowohl in Gestalt der ADF (vgl. 3.7.1969) als auch der Marxisten-Leninisten (vgl. 17.10.1969). In der Metalltarifrunde 1970 (MTR) wird wiederholt warngestreikt (vgl. 21.9.1970, 25.9.1970).

Die Gruppe Balingen der MLAO (vgl.12.2.1972) scheint sich nicht der KPD/ML-ZB angeschlossen zu haben, zumindest finden sich in deren Presse keine weiteren Berichte aus Orten des Zollernalbkreises. Anders bei der KPD/ML-ZK, die offenbar in Tailfingen Freunde hat (vgl. 17.7.1972, 14.8.1972), aber bald auch in Ebingen (vgl. 31.3.1973) und eine Rote Garde (RG) Ebingen/Tailfingen gründet (vgl. 17.5.1973, 7.7.1973) sowie verschiedene Sympathisanten-Gruppen für Erwachsene (vgl. 9.2.1974, 8.2.1975). Aktiv ist die Gruppe vermutlich sowohl in der Textilindustrie anlässlich des Streiks bei Schöller (vgl. 17.5.1973), als auch bei Albi Tailfingen (vgl. 2.6.1973), dem Postamt Tailfingen (vgl. 26.1.1974) und am Gymnasium Tailfingen (vgl. 16.3.1974). Die Unterschriftensammlung für Sascha Haschemi deutet auf den vermutlichen Einfluss der KPD/ML in Ebingen und Tailfingen hin (vgl. 27.4.1974).

Der KABD ist zwar zumindest mit seinem Jugendverband in Balingen präsent, taucht aber in dieser Darstellung nur anlässlich des antifaschistischen Gedenkens am KZ Bisingen auf (vgl. 26.11.1972).

Der KBW hat eine befreundet Marxistische Gruppe (MG) Ebingen/Tailfingen (vgl. 2211.1973), die sich zumindest in der Intensität ihrer theoretischen Bemühungen an der gleichnamigen Gruppe in Erlangen/Nürnberg zu orientieren scheint, aber auch durchaus Praxis betreibt, wie wir vom KBW-Regionalbeauftragten erfahren (vgl. 22.2.1974). Die MG scheint am Gymnasium Ebingen vorher nicht intensiv gearbeitet zu haben, da sie dort erfolgreich eine Broschüre verkauft, die bereits vor längerer Zeit erschien (vgl. 9.4.1975). Auch im Jugendzentrum Ebingen scheint die MG nunmehr aktiv zu werden (vgl. 10.4.1975).

Die KPD hat Freunde in Balingen (vgl. 7.1.1976, 4.8.1976), der KABD organisiert in seinem BKI Balingen vermutlich Lehrer (vgl. Apr. 1979) und zur selben zeit gibt es auch einen Antifaschistischen Arbeitskreisen (AFAK) in Balingen (vgl. 8.4.1979).

Die letzten beiden Berichte behandeln die PKK, wobei zunächst die Isolationshaft gegen deren mutmaßlichen Verantwortlichen für Balingen aufgrund der Spendenbeschaffung geschildert wird (vgl.2.4.1996) und der zweite Bericht Balingen nur indirekt als Anlass für ein Verbot in Karlsruhe berührt (vgl. 9.4.1998).


Auszug aus der Datenbank "Materialien zur Analyse von Opposition" (MAO)

03.07.1969:  Die DKP gibt die Nr.14 ihrer 'Unsere Zeit' (UZ) - Regionalausgabe Baden-Württemberg/Südbayern/Nordbayern heraus.
Berichtet wird u.a. über die ADF in Balingen.
=Unsere Zeit Baden-Württemberg/Südbayern/Nordbayern Nr.14,Essen 3.7.1969

17.10.1969:  Die aus dem SDS Konstanz hervorgegangene Betriebsgruppe Friedrichshafen (Schüler, Lehrlinge und Arbeiter) berichtet in der heutigen 'RPK' über die von ihr geplante Errichtung eines Sozialistischen Zentrums. Zumindest Teile davon bilden vermutlich später die Marxistisch-Leninistische Aufbauorganisation (MLAO) mit verschiedenen Ortsgruppen im Bodenseeraum (Konstanz, Friedrichshafen, Balingen, Lindau) und der ML Initiative als Hochschulgruppe in Konstanz. Wiederum Teile der MLAO treten 1972 zur KPD/ML-ZB über.
=Rote Pressekorrespondenz Nr.35,Berlin 17.10.1969,S.9;

21.09.1970:  Zu Metalltarifrundenstreiks kommt es heute, laut KPD/AO, in Balingen.
=Kommunistische Arbeiterpresse - Ausgabe AEG Telefunken ohne Nr. (10),Berlin 5.10.1970

21.09.1970:  Zu Metalltarifrundenstreiks kommt es heute, laut KPD/AO, in Tailfingen.
=Kommunistische Arbeiterpresse - Ausgabe AEG Telefunken ohne Nr. (10),Berlin 5.10.1970

25.09.1970:  Laut BKA Freiburg findet in Balingen mindestens ein kurzer Metallstreik statt.
=Klassenkampf Nr.2,Freiburg Sept. 1970,S.2

12.02.1972:  Laut KPD/ML-ZB ist die Einheit der Marxisten-Leninisten in der Region Friedrichshafen einen entscheidenden Schritt vorangekommen. Die Marxistisch-Leninistische Aufbauorganisation (MLAO) veranstaltet heute zusammen mit ihrer Konstanzer Hochschulgruppe MLI (Marxistisch-Leninistische Initiative) ihre erste außerordentliche Mitgliederversammlung (vgl. 16.2.1972):"
Die MLAO, die Gruppen in Friedrichshafen, Konstanz und Balingen (Württ.) hat und früher auch Stützpunkte in Lindau, Ravensburg und Weingarten besaß, wollte auf dieser Mitgliederversammlung nach acht Monaten theoretischer Aufarbeitung ihre Politik grundsätzlich neu bestimmen. Das Ortskomitee der Partei verteilte zu dieser Gelegenheit einen Offenen Brief an die Mitglieder von MLAO und MLI, der die Bedeutung und die Notwendigkeit der Einheit der Marxisten/Leninisten unterstrich, die Politik der MLAO als praktisches Liquidatorentum und Sabotage der Kämpfe der Arbeiterklasse kennzeichnete, und herausstrich, daß die drei Haupttendenzen der westdeutschen marxistisch-leninistischen Bewegung, Rechtsopportunismus, linkes Liquidatorentum und bolschewistische Linie - auch innerhalb der MLAO zu finden sind."
=Kommunistischer Nachrichtendienst Nr.20,Bochum 11.3.1972

17.07.1972:  Der 'Rote Morgen' Nr.14 (vgl. 3.7.1972, 31.7.1972) der KPD/ML-ZK erscheint. Spenden kommen u.a. von Genossen aus Tailfingen.
=Roter Morgen Nr.14,Hamburg 17.7.1972

14.08.1972:  Der 'Rote Morgen' Nr.16 (vgl. Aug. 1972, 28.8.1972) erscheint. Zwei aus Tailfingen in Baden-Württemberg schrieben eine Arbeiterkorrespondenz über die Textilfirma Firma Albert und Bitzer (GTB-Bereich).
=Roter Morgen Nr.16,Hamburg 14.8.1972

26.11.1972:  In Bisingen bei Hechingen nehmen, laut KABD, 1 000 an einer Kundgebung bei dem ehemaligen KZ teil.
=Rote Fahne Nr.12,Tübingen Dez. 1972

31.03.1973:  Die KPD/ML-ZK gibt ihren 'Roten Morgen' Nr.12 (vgl. 24.3.1973, 7.4.1973) heraus. Spenden für den 'Roten Morgen' kamen u.a. aus Ebingen.
=Roter Morgen Nr.12,Hamburg 31.3.1973

17.05.1973:  In der Filiale Stiegel (?) der Schlüpferfabrik Ernst Schöller (Textilien) streiken, laut Rote Garde Ebingen/Tailfingen der KPD/ML-ZK, 160 Näherinnen eine halbe Stunde lang.
=Roter Morgen Nr.21,Dortmund 2.6.1973

02.06.1973:  Die KPD/ML gibt ihren 'Roten Morgen' (RM) Nr.21 (vgl. 26.5.1973, 9.6.1973) heraus. Die Rote Garde Ebingen/Tailfingen berichtet aus der Albi Strickmaschinenfabrik und deren Abteilung Schloßbau, sowie aus der Textilindustrie bzw. Ernst Schöller Stiegel (vgl. 17.5.1973).
=Roter Morgen Nr.21,Dortmund 2.6.1973

07.07.1973:  Die KPD/ML gibt ihren 'Roten Morgen' (RM) Nr.26 (vgl. 30.6.1973, 14.7.1973) heraus. Spenden für den 'Roten Morgen' gingen u.a. ein von der RG Ebingen/Tailfingen.
=Roter Morgen Nr.26,Dortmund 7.7.1973

22.11.1973:  Der KBW gibt seine 'Kommunistische Volkszeitung' (KVZ - vgl. 7.11.1973, 5.12.1973) Nr.7 heraus. U.a. wird berichtet durch die Marxistische Gruppe (MG) Ebingen/Tailfingen.
=Kommunistische Volkszeitung Nr.7,Mannheim 22.11.1973

26.01.1974:  Die KPD/ML gibt ihren 'Roten Morgen' (RM) Nr.4 (vgl. 19.1.1974, 2.2.1974) heraus, in dem sie u.a. berichtet vom Postamt Tailfingen.
=Roter Morgen Nr.4,Dortmund 26.1.1974

09.02.1974:  Die KPD/ML gibt ihren 'Roten Morgen' Nr.6 (vgl. 2.2.1974, 16.2.1974) heraus. Für das Solidaritätskonto wurde u.a. gespendet vom Kollegentreff Tailfingen.
=Roter Morgen Nr.6,Dortmund 9.2.1974

22.02.1974:  Innerhalb des KBW verfaßt der Regionalbeauftragte des Ständigen Ausschusses des ZK des KBW für Südost, d.h. Bayern und die württembergischen Teile Baden-Württembergs, einen Bericht:"
Bericht SÜDOST
...
KG oder Sympathisantengruppen gibt es in: ... Tailfingen, ...

Zum Teil bestanden Kontakte zum früheren NRF, wo die Gruppen neu entstehen geht das meistens über die KVZ. Es folgt die Auseinandersetzung mit dem Programm, wobei die Genossen dazu neigen, das Programm nochmal zu schreiben (Tailfingen) ...
SCHWIERIGKEITEN gab es hier vor allem in kleineren Orten in der FRAGE DES VERANTWORTLICHEN unter die Flugblätter (Tailfingen, ...)"
=N.N. <KBW-Regionalbeauftragter Südost>:Bericht Südost,Mannheim 22.2.1974

16.03.1974:  Die KPD/ML gibt ihren 'Roten Morgen' Nr.11 (vgl. 9.3.1974, 23.3.1974) heraus und berichtet u.a. vom Gymnasium in Tailfingen.
=Roter Morgen Nr.11,Dortmund 16.3.1974

27.04.1974:  Die KPD/ML gibt ihren 'Roten Morgen' Nr.17 (vgl. 20.4.1974, 4.5.1974) heraus.
Für den Iraner Sascha Haschemi von der RG München wurden insgesamt 14 262 Unterschriften gesammelt, davon 101 in Tailfingen.
=Roter Morgen Nr.17,Dortmund 27.4.1974

21.09.1974:  Die KPD/ML gibt ihren 'Roten Morgen' (RM) Nr.38 (vgl. 14.9.1974, 28.9.1974) heraus. Genossen aus Singen und Hohentwiel befassen sich u.a. auch mit Tailfingen.
=Roter Morgen Nr.38,Dortmund 21.9.1974

25.11.1974:  In Ebingen/Tailfingen will die KPD/ML eine Veranstaltung zum 30jährigen Bestehen der VR Albanien durchführen.
=Roter Morgen Nr.46,Dortmund 16.11.1974

08.02.1975:  Die KPD/ML gibt ihren 'Roten Morgen' (RM) Nr.6 (vgl. 1.2.1975, 15.2.1975) heraus. Erwähnt wird auch der RMLK Tailfingen.
=Roter Morgen Nr.6,Dortmund 8.2.1975

09.04.1975:  Die Schülervertretung (SV) des Gymnasiums Ebingen führt heute, laut Marxistische Gruppe (MG) Ebingen/Tailfingen, eine Veranstaltung zur Militärfrage durch, die die MG beantragt hatte. Unter den knapp 50 anwesenden Schülern habe man 30 Exemplare der KBW-Soldatenbroschüre "456 und der Rest von Heute" verkaufen können.
=Kommunistische Volkszeitung Nr.16,Mannheim 24.4.1975

10.04.1975:  Der KBW gibt seine 'KVZ' Nr.14 (vgl. 3.4.1975, 17.4.1975) heraus, in der er u.a. berichtet aus Ebingen vom Jugendzentrum (JZ).
=Kommunistische Volkszeitung Nr.14,Mannheim 10.4.1975

17.05.1975:  Die KPD/ML gibt ihren 'Roten Morgen' (RM) Nr.20 (vgl. 10.5.1975, 24.5.1975) heraus. Spenden für Kambodscha kamen u.a. vom RMLK Ebingen.
=Roter Morgen Nr.20,Dortmund 17.5.1975

07.01.1976:  Die KPD gibt ihre 'Rote Fahne' (RF) Nr.1 (vgl. Jan. 1976, 14.1.1976) heraus. Propagandaspenden gingen u.a. ein aus Balingen.
=Rote Fahne Nr.1,Köln 7.1.1976

04.08.1976:  Die KPD gibt ihre 'Rote Fahne' (RF) Nr.31 (vgl. 28.7.1976, 11.8.1976) Wahlspenden gingen u.a. ein aus Balingen.
=Rote Fahne Nr.31,Köln 4.8.1976

April 1979:  Gründungsdelegiertentag des Bundes Kommunistischer Intellektueller (BKI) des KABD.
Zu diesem Ereignis erscheinen später die "Dokumente des Gründungsdelegiertentages des Bundes Kommunistischer Intellektueller (BKI) vom April 1979". Diesem Bericht zufolge gibt es Ortsgruppen bzw. Stützpunkte des BKI u.a. in Balingen.
=BKI:Dokumente des Gründungsdelegiertentages des Bundes Kommunistischer Intellektueller (BKI) vom April 1979,o.O. 1979;

08.04.1979:  Laut KB treffen sich in Tuttlingen Antifaschistische Arbeitskreise (AFAK) u.a. aus Balingen um Aktionen gegen den für den 6.Mai geplanten baden-württembergischen Landesparteitag der NPD in der Tuttlinger Festhalle vorzubereiten. Außerdem sind anwesend: KABD, KPD und KB, Vertreter der türkischen Arbeiter- und Studentenföderationen (ATIF/ATÖF). "Es wurde ein Aufruf zur Verhinderung des Parteitags beschlossen. ... Außerdem soll verhindert werden, daß die Nazis ihre im Anschluß an den Parteitag (Ende gegen 16 Uhr 30) geplante Kundgebung und Demonstration durchführen können."
=Arbeiterkampf Nr.152,Hamburg 30.4.1979,S.35

02.04.1996:  Der 'Kurdistan-Rundbrief' (vgl. 19.6.1996) dokumentiert:"
KRIMINALISIERUNG DER KURDISCHEN BEWEGUNG IN DER BRD

Isolationshaft in der JVA Freiburg, weil angeblich 'Kader der dritten Hierarchieebene der PKK'

Über die Haftbedingungen von kurdischen politischen Gefangenen in der BRD entnahmen wir den folgenden Bericht aus den 'Antifaschistischen Nachrichten Emmendingen'.

Wie bereits in der letzten Ausgabe der AN berichtet, ist neben Erhan Sari ein weiterer kurdischer politischer Gefangener in der JVA Freiburg inhaftiert. S.Y. wurde zusammen mit vier anderen Kurden am 28. November 1995 in Tübingen auf einem Parkplatz von mehreren Polizisten mit gezogener Pistole verhaftet. Zwei wurden wieder freigelassen. Die anderen drei sind in der JVA-Tübingen, Heidelberg und Freiburg in Haft. Die Gefangenen wurden vor ihrer Verhaftung wochenlang telefonisch überwacht und observiert. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat jetzt in ihrer Anklageschrift vom 2.April 1996 bei der Staatsschutzkammer des Landgerichts Stuttgart beantragt, die Anklage zuzulassen und das Hauptverfahren zu eröffnen. Der Rechtsanwalt von S.Y., Hans Stengert aus Tübingen, rechnet mit dem Beginn des Prozesses frühestens im September 1996.

Angeklagt wurde S.Y. sowie die anderen zwei am 2. April 1996 wegen eines 'gemeinschaftlichen Verstoßes gegen ein Betätigungsverbot', d.h. wegen der angeblichen Fortführung einer verbotenen kurdischen Organisation - der ERNK - sowie wegen einer 'Verabredung eines Verbrechens', d.h. dem angeblichen Versuch der 'Spendengelderpressung'.

Den drei Angeklagten wird vorgeworfen, 'Aktivisten' der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) bzw. deren Teilorganisation, der Nationalen Befreiungsfront Kurdistans (ERNK), zu sein. 'Ungeachtet des ihnen bekannten Verbotes haben die Angeschuldigten für die PKK/ERNK Aktivitäten fortgeführt', so die Staatsanwaltschaft Stuttgart.

Die Staatsanwaltschaft weiter: 'Die streng hierarchische organisatorische Struktur der PKK in Europa gliedert sich in ein Zentralkomitee, Gebiets- und Regionalkomitees und örtliche Parteiorganisationen. In Deutschland tritt die PKK nicht mit einem Organisationsteil auf, der ihren Namen trägt.

Ihre Aktivitäten entfaltet sie vielmehr über ihre Teil- und Nebenorganisationen, insbesondere auch die ERNK. Aufgabe der ERNK ist es, Propaganda für die PKK zu betreiben.

Als propagandistische Aktivitäten kommen Informationsveranstaltungen in der Öffentlichkeit und im privaten Rahmen, insbesondere in Asylbewerberwohnheimen, bei Treffen mit 'Freunden der Partei' und bei Einzelbesuchen besondere Bedeutung zu, bei denen Druckerzeugnisse, insbesondere die Zeitschriften 'Serxwebun', 'Berxwedan', Bücher des Führers der PKK, Abdullah Öcalan, und ähnliches verteilt werden, Vorträge und Diskussionen abgehalten werden und insbesondere Spendengelder gesammelt werden.

Oft wird von 'Freunden der Partei' bei den sich in Deutschland aufhaltenden Kurden unter Ausnutzung bzw. Androhung der bekannt gewalttätigen Strafaktionen gegen 'unwillige Zahler' ein regelmäßiger Monatsbeitrag und zusätzlich im Rahmen der herbstlichen Spendengeldkampagne eine Jahresabgabe in Höhe eines Monatseinkommens als 'Spenden für die kurdische Sache' erhoben.

Ziel ist es, durch ein möglichst hohes Spendenaufkommen die Fortsetzung und Steigerung des militärischen Kampfes der PKK in der Türkei zu finanzieren.'

S.Y. soll dabei als 'Kaderfunktionär der 3. Hierarchieebene in Deutschland 'Raumverantwortlicher' des 1. Bezirks des Gebietes Stuttgart (Provinz Baden) und somit im Bereich von Balingen über Tübingen, Nürtingen bis Geislingen für die Vorbereitung, Koordinierung und Durchführung verantwortlich' sein.

Sie sollen 'ab einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Frühjahr 95 an der Vorbereitung und Durchführung der 'Herbstkampagne' der PKK/ERNK im bewußten und gewollten Zusammenwirken beteiligt' gewesen sein. Bei der Sammlung von Spenden für die 'Herbstkampagne' sollen sie auch 'für die Behandlung unwilliger Zahler zuständig' gewesen sein.

In diesem Zusammenhang wird von der Staatsanwaltschaft Stuttgart weiter behauptet, daß sie im Zeitraum vom 26. und 27. November 1995 gegen 'säumige Zahler', insgesamt drei, in einem Asylantenwohnheim in Balingen eine sogenannte Bestrafungsaktion durchführen wollten.

Dabei hätten die Gefangenen 'die üblichen Maßnahmen, wie Schläge ins Gesicht, das Umdrehen von Armen und das Brechen von Gliedmaßen vereinbart, um ein Exempel zu statuieren und die fälligen Zahlungen zu erhalten'.

Und nun der Höhepunkt der Anklageschrift:

'Die Protokolle der Telefonüberwachung zeigen, daß S.Y. und (?,d.Vf.) äußerst konspirativ vorgingen, insbesondere vermieden sie am Telefon überflüssig oder im Klartext zu reden ('Tomaten', 'Obst', 'Schäfer', 'Balingen machen'). Trotzdem ergibt sich hieraus eindeutig ihr Ansinnen und ihre Aufgabenverteilung im Sinne der Anklage.'

DIE HAFTSITUATION VON S.Y. IN DER JVA FREIBURG

Dem Rechtsanwalt von S.Y. zufolge wurde S.Y. die ersten Wochen in strengster Isolationshaft gehalten.

Erst auf Druck seines Rechtsanwaltes wurde die Haftsituation gelockert. Nach wie vor ist er jedoch in Einzelhaft, das heißt, er ist 23 Stunden in der Zelle und hat eine Stunde Zeit für den Hofgang.

Hinzu kommt die strikte Trennung von anderen kurdischen politischen Gefangenen.

Außerdem wurde ein 'Arbeitsverbot' verhängt und er darf an keiner 'Gemeinschaftsveranstaltung' teilnehmen.

In einer der nächsten Ausgabe werden wir ausführlicher über den Vorwurf der 'Spendengelderpressung' berichten.
(stw, entnommen aus: Antifaschistische Nachrichten für den Kreis Emmendingen, Nr. 6, 7. Juni 1996)"
=Kurdistan-Rundbrief Nr.12,Berlin 19.6.1996

09.04.1998:  Der 'Kurdistan-Rundbrief' (vgl. 21.4.1998) berichtet:".
POLIZEIBEHÖRDE VERBIETET SOLIDARITÄTSVERANSTALTUNG MIT DEN FLÜCHTLINGEN VON NINOVA IN KARLSRUHE

Am Donnerstag, den 9. April, verbot die Polizeibehörde der Stadt Karlsruhe eine für den 25. April geplante Veranstaltung zur Solidarität mit den kurdischen Flüchtlingen von Ninova in der Karlsruher Europahalle sowie jegliche Ersatzveranstaltungen, auch unter freiem Himmel.

Es wäre ja zu schön gewesen, wenn eine kurdische Veranstaltung einmal ohne jegliche behördliche Verfolgung durchgeführt werden könnte. Die Europahalle wurde von der Stadt Karlsruhe an den Veranstalter - den Verein zur Förderung kurdischer Kultur e.V. - vermietet.

Bis dato hatte die Polizei sich auch nicht mit dem Veranstalter ins Benehmen gesetzt.

Unsäglich, was der städtischen Behörde Polizei für ein Verbot einfällt: Hinter allem stecke die PKK. Da gäbe es einen Kurden aus Balingen, der laut Polizei wegen Verstoß gegen das Vereinsverbot verurteilt worden ist und zwei Busse angemietet haben soll, sowie eine Fahrzeugkontrolle in Singen, bei der 500 Eintrittskarten gefunden worden seien. Auf einer Veranstaltung in Mannheim im November 1997 hätte auch verbotene Propaganda stattgefunden. Der Höhepunkt der Verbotsverfügung ist aber, daß die Polizeibehörde erklärt, die PKK würde sich für die Flüchtlinge von Ninova einsetzen.

Gegen diese Verfügung klagt nun der Veranstalter vor dem Verwaltungsgericht, daß hoffentlich am 18. April (nach Redaktionsschluß dieser Zeitung) eine das polizeiliche Verbot korrigierende Entscheidung fällt.

Bisher also noch verboten ist:
'Solidarität mit den Flüchtlingen von Ninova' Kulturveranstaltung Europahalle, Karlsruhe Samstag, 25. April 1998 von 15 - 22 Uhr (Einlaß ab 14 Uhr)
Veranstalter: 'Verein zur Förderung kurdischer Kultur e.V.', Karlsruhe"
=Kurdistan-Rundbrief Nr.8,Berlin 21.4.1998




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