Der 1. Mai

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, 29.4.2020

Diese wie immer unvollständige Darstellung über den internationalen Kampftag der Arbeiterklasse, verfolgt nicht den Anspruch, die Geschichte des Ersten Mai weltweit oder in Deutschland zur Gänze zu behandeln. Es geht vielmehr vor allem um die Würdigung des Ersten Mai durch die bundesrepublikanische und Westberliner Linke der späten sechziger und siebziger Jahre, wobei selbstverständlich zahlreiche Darstellungen der Geschichte des Ersten Mai erschlossen werden können. Separate Darstellungen zu den Maiaktionen in einzelnen Städten und Ländern liegen bisher vor aus:

Weitere Berichte über die örtlichen oder regionalen Aktionen zum 1. Mai finden sich in den entsprechenden gebietsbezogenen Beiträgen.

Während lokale Maiaufrufe in dieser Überblicksdarstellung nicht aufgenommen wurden, finden sich zahlreiche zentrale Maiaufrufe der einzelnen Gruppen noch nicht in diesem Text, sondern allein in den örtlichen Beiträgen, da uns bisher nur die lokal verbreitete Version vorlag bzw. nur örtliche Quellen eingescannt wurden.

Diese Darstellung zerfällt wesentlich in einen historischen Teil, d.h. die Zeit, über die von der Neuen Linken berichtet wird, ohne dass ihre Protagonisten damals, von wenigen Ausnahmen abgesehen, selbst bereits aktiv gewesen wären, so wie einen darauf folgenden praktischen Teil.

Konstitutiv für das kommunistische Selbstverständnis sind dabei nicht so sehr die frühen spartakistischen Bestrebungen (vgl. 1.5.1916), sondern vor allem der Berliner Blutmai 1929, auf den immer wieder verwiesen wird, wenn es gilt, sich überzeugend von der Sozialdemokratie abzusetzen (vgl. Mai 1929, 1.5.1929). Dern zweiten Beleg für die berüchtigte sozialfaschistische Entartung der Sozialdemokratie und der von ihr kontrollierten Gewerkschaften bildete für die ML-Bewegung der 1. Mai 1933, zu dem sich der ADGB auch mit den nationalsozialistischen Todfeinden der Arbeiterbewegung gemein zu machen zu belieben schien (vgl. 19.4.1933, 22.4.1933, 1.5.1933, 2.5.1933, Feb. 1971).

Abgesehen von einigen ausführlichen bzw. internationalen Darstellungen ist damit die historische Periode des 1. Mai für die Neue Linke, nach unserer lückenhaften Quellenauswertung, abgeschlossen. Nun tritt die Neue Linke vielmehr selbst auf den Plan (vgl. 1.5.1965).

Der Erste Mai, zu dem es in der Bundesrepublik vermutlich 1968 im Gefolge der Springerunruhen erstmals an verschiedenen Orten wie z.B. Westberlin und Hamburg, zu oppositionellen Manifestationen kommt, ohne dass etwa linksradikale Strukturen bereits landesweite Kampagnen auf Massenbasis durchführen, wie in Schweden (vgl. 1.5.1968, 1.5.1969, 1.5.1970), bildet fortan einen festen Bestandteil in den Arbeitsplänen aller Avantgardeorganisationen (vgl. Jan. 1969) und die Aufmärsche müssen als Beleg für die Beliebtheit der eigenen Mutmaßungen über den Marxismus-Leninismus dienen, wobei es zunächst vor allem darauf ankommt, an möglichst vielen Aufmärschen initiativ beteiligt zu sein (vgl. Apr. 1969, 1.5.1969, Jan. 1971).

Allerdings bieten die Maikampagnen schon früh auch immer wieder Anlass zum Prozess von Kritik und Selbstkritik (vgl. Okt. 1969, März 1971), oder zur Selbstbeweihräucherung (vgl. 24.5.1969, 8.3.1970, Aug. 1970), wenn nicht gar zur Spaltung, wie im Falle der GIM und der Spartacisten (vgl. Mai 1969).

Zu der noch überschaubaren Zahl maoistischer Gruppen gesellen sich in der bundesweiten Maivorbereitung 1970 schon früh die Trotzkisten (vgl. 3.2.1970, 21.2.1970, 4.4.1970, 6.4.1970), die den Ersten Mai auch zuvor schon in einigen Städten zu beeinflussen mochten. Die teils ausgefeilte Argumentation scheint dabei den aktuellen Entwicklungen eher angepasst als die eher altbackene Politik der ML-Gruppen, die meist aus Vermischung von Volkskriegs- oder Vorhutparteiphantasien mit ökonomischen Forderungen und Parolen aus der Weimarer Republik bestand (vgl. Apr. 1970, 27.4.1970, 1.5.1970). Attraktivität allerdings strahlen beide Richtungen auf die jungen Radikalen aus, während die Führung des DGB am 1. Mai 'verlassen' scheint, ist sie doch viel zu tief eingebunden in die Regierungsgeschäfte (vgl. 1.5.1970).

Der 1. Mai 1971 wird vor allem für die KPD/ML-ZB, die zentral nach Dortmund aufruft, zum entscheidenden Aktionstag, an dem sie sich als die wahre Vorhut der bundesdeutschen Arbeiterklasse vorzustellen trachtete, was einer intensiven Vorbereitung bedurfte (vgl. 27.3.1971, 29.3.1971, Apr. 1971, 3.4.1971, 5.4.1971, 8.4.1971, 12.4.1971, 15.4.1971, 17.4.1971, 30.4.1971).

Die KPD/ML-ZK und ihre Rote Garde ergehen sich auch zum 1. Mai 1971 in ihren einprägsamen, weil an Kinderabzählreime erinnernden, Faustformeln, die immerhin die ad hoc Erstellung bzw. das aus dem Ärmel Schütteln zentraler theoretischer Texte zu ermöglichen scheinen (vgl. Apr. 1971).

Die DKP dagegen ist zum 1. Mai 1971 auf die Erweiterung der Mitbestimmung, aber auch die Absicherung der Grenzen der DDR bedacht (vgl. 3.4.1971), die KPD/ML-ZB bläst zum Sturmangriff auf den Sozialfaschismus bzw. gegen die eine faschistische Machtergreifung vorbereitende sozialliberale Koalition (vgl. 4.4.1971, 19.4.1971), der der DGB treu zur Seite steht (vgl. 5.4.1971). Interessant an der Rhetorik der KPD/ML-ZB ist nicht zuletzt die Bezugnahme auf die in der Landwirtschaft Tätigen, fordert sie doch den Arbeiter- und Bauernstaat. Eine politische Praxis der KPD/ML-ZB unter der Bauernschaft oder dem ländlichen Proletariat ist, jenseits der Berichterstattung etwa über Milchpreiserhöhungen, bisher so wenig bekannt geworden wie eine Klassenanalyse des ländlichen Raumes. Es scheint sich bei dieser Parole eher um die Übernahme eines historischen Vorbilds von KPD oder SED zu handeln. Die KPD/ML-ZB bereitet nicht nur ihre zentrale Demonstration am 1. Mai 1971 frühzeitig vor, sondern auch deren Glorifizierung (vgl. 26.4.1971).

Die durch die Spaltung schwer angeschlagene KPD/ML-ZK mag da nicht gern zurückstehen, betont trotzig ihre zentrale Rolle bei der Vorbereitung der Aktion am 1. Mai, auch wenn ihre Übersicht nur wenige Orte zu nennen vermag, an denen sie überhaupt irgendwie aktiv wurde und erneut ihre Erkenntnisse spontan gewinnend (vgl. Mai 1971), was intern durchaus kritisiert wird (vgl. Juni 1971, Juli 1971).

Die KPD/ML-ZB nimmt dagegen lieber Bezug auf bewährte Vorbilder im fernen Volkschina (vgl. 1.5.1971), zu schweren Auseinandersetzungen kommt es am 1. Mai 1971 in verschiedenen Ländern, u.a. im Iran und den USA, aber auch in Portugal, Spanien und - weniger heftig - auch in der Schweiz.

Während auch der KAB/ML nur wenige Städte zu benennen vermag, in denen er 1971 Maikomitees bildete, umging die KPD/ML-ZB solch kleinliche regionale Heerschauen durch ihren mit rund eintausend Getreuen, die teilweise gar nur der Mobilisierung der KPD/ML-ZK etwa in Bochum zu verdanken waren, eher kleinen Marsch in Dortmund. Trotzdem feiert sich die KPD/ML-ZB fortan nicht nur begeistert als ideologisches Zentrum, wenn schon nicht des Weltgeistes, so doch des Marxismus-Leninismus (vgl. 24.5.1971), die zum 1. Mai die wegweisenden Parolen produzierte (vgl. 29.5.1971), und - auch im eigens erstellten Parteifilm - als kraftvolle Organisatorin der als historisch bedeutsam dargestellten Dortmunder Maidemonstration 1971 (vgl. 29.5.1971, 14.6.1971, 19.6.1971, 21.6.1971, 28.6.1971, 29.6.1971).

Während sich die trotzkistischen Avantgarden einerseits zwar teilweise theoretisch (vgl. Okt. 1971), zumindest im Vergleich mit der aus den örtlichen ML-Zirkeln bestehenden Aktionseinheit zur Metalltarifrunde gestählt fühlen (vgl. 10.11.1971), sind die abtrünnigen Spartacisten andererseits eher mit internen Auseinandersetzungen befasst (vgl. 17.10.1971, Jan. 1972) und die ehemaligen Rädelsführer des SDS Berlin melden sich nun anläßlich der Verabschiedung des Betriebsverfassungsgesetzes (BVG) auch für den 1. Mai als überregional ideologisch den Ton Angebende zu Wort (vgl. 10.11.1971), die sich nun fast ebenso früh wie die Spartacisten (vgl. 2.2.1972) anschickt, flächendeckend den 1. Mai in der Bundesrepublik und Westberlin vorzubereiten (vgl. 5.2.1972).

Die in der Aktionseinheit zur Metalltarifrunde längst zerstrittenen Zirkel aus Hamburg und Bremen bemühen sich zum 1. Mai 1972 zwar noch um ein Bündnis, die Bremer aber befreunden sich erneut mit den Göttingern (vgl. Feb. 1972), gar die beiden größten der damals offiziell noch vier zerstrittenen KPD/ML Organisationen bzw. Gruppen, die um Weinfurth und Genger und die KPD/ML-Zentralkomitee (ZK) unter Ernst Aust, bringen angesichts der befürchteten Faschisierung fast ein Bündnis zustande (vgl. 8.3.1972, 18.3.1972, 20.3.1972, 27.3.1972, 28.3.1972, 1.4.1972, 3.4.1972, 6.4.1972), zumindest in einigen Orten, dem sich aber die KPD kühn verweigert (vgl. 19.3.1972, 21.3.1972, 6.4.1972, 7.4.1972), möchte sie sich doch viel lieber selbst als alleinige Arbeiteravantgarde Westdeutschlands und Westberlins darstellen, auch wenn sie bis dato wesentlich nur in Westberlin wirklich zu überzeugen vermochte (vgl. 24.3.1972), ihre wenigen weiteren örtlichen Vertretungen (vgl. 7.4.1972), wie etwa in Hamburg teilweise erst kurz vor dem 1. Mai zusammenzimmernd, woran erneut die Rolle des Ersten Mai als zentralem religiösem Feiertag im marxistisch-leninistischen Kirchenjahr, aber auch der hehre Anspruch der im letzten Jahr noch als KPD-Aufbauorganisation allein auf Westberlin beschränkt agierenden sich nun KPD nennenden Gruppe auf uneingeschränkte Führung der Arbeiterklasse und der fortschrittlichen Teile des Volkes deutlich werden. Um ihren Anspruch auf die ideologische Führung zu untermauern, unterbreitet die KPD umfassende Analysen der gegnerischen Positionen (vgl. 14.4.1972).

Die frühzeitig am grünen Tisch erschaffenen Maiaufrufe (vgl. Apr. 1972) veralten umgehend teilweise durch die Entwicklungen in Vietnam, die dem 1. Mai 1972 auch in der Bundesrepublik und Westberlin nachhaltig beeinflussen und den dortigen Kämpfen mehr Gewicht verleihen (vgl. 31.3.1972). Leicht kann hier von der Propaganda nachgebessert werden (vgl. 10.4.197, 16.4.1972, 17.4.1972, 30.4.1972), auch wenn es zum 1. Mai 1972 natürlich weiterhin auch um die Ostverträge geht (vgl. 10.4.1972, 16.4.1972), sind diese doch nicht zuletzt erneut mit das zentrale Anliegen der DKP, aber deren Einschätzung auch Streitpunkt zwischen den KPD/MLs und der KPD (vgl. 17.4.1972, 18.4.1972), die von der Faschisierung noch nicht überzeugt, auch in München noch nicht von deren aktuellen, durch die KPD/ML-ZB halluzinierten Auswirkungen betroffen, stärkt sie doch vielmehr gerade kühn ihre eigenen Reihen, dem Imperialismus unerschrocken Paroli bzw. zumindest den zahlreichen jungen Revolutionären parteinahe Massenorganisationen und massenhaft passend platte Parolen präsentierend (vgl. 19.4.1972, 9.7.1972).

Für den bereits länger agierenden KJVD der KPD/ML-ZB dagegen sind die politischen Entlassungen bereits bittere Realität (vgl. 22.4.1972), die den Eindruck der Verschärfung des Klassenkampfes verstärkt haben mögen, so dass auch die Wiedervereinigung der feindlichen KPD/ML-Flügel an Bedeutung gewann (vgl. 24.4.1972), obwohl zunächst noch Vorbehalte geltend gemacht werden (vgl. 28.6.1972).

Die von Korruption geschwängerten Feilschereien um die Abgeordnetenstimmen des Bundestages anlässlich des Mißtrauensvotums aufgrund der Ostverträge, die mit einer der umfassendsten politischen, d.h. kriminellen, Streikwellen der deutschen Geschichte beantwortet wurden, bei der es aber nicht zu Massenerschießungen kam, beeinflussen naturgemäß auch den wenige Tage später stattfindenden Maifeiertag 1972, wobei sich die Marxisten-Leninisten teils äußerst empört geben ob der Breite der ihnen mißliebigen Bewegung (vgl. 25.4.1972, 26.4.1972, 1.5.1972, 5.5.1972). Eine gewisse Ausnahme bildet dabei der KB, der zum 1. Mai 1972 erstmals als überregionale Organisation jenseits des heimatlichen Hamburg agiert (vgl. Mai 1972, Okt. 1972), während der südbayrische Arbeiterbund immerhin regionale Bedeutung jenseits Münchens erlangt.

Die Maikampagne der KPD war nach den Zahlen nur in West-Berlin bedeutend, dafür zeigt sie sich an der ideologischen Front in der Opposition gegen die Ostverträge beharrlich, versucht ihre in der Maikampagne gefestigten Kontakte nun auch als Kulisse weiterer Laienspielscharaufführungen in Sachen Geschichte der Weimarer Republik bzw. Mythos der damaligen RGO zu verwenden (vgl. 21.5.1972, 25.6.1972), während weitere nun aufstrebende und sich schnell bundesweit vereinheitlichende örtliche Kräfte auf andere Auswege sinnen (vgl. Juni 1972), nicht nur unter Bezug auf Jose Cumplido (vgl. 4.9.1972) bzw. den 1. Mai in Spanien, sondern auch aufgrund des Gefühls des Versagens der KPD/MLs bei der Herstellung der Einheit der Marxisten-Leninisten zum 1. Mai 1972 und ihrer theatralischen Vermarktung der eigenen Reihen als jener des Proletariats, wie es in dem Beitrag aus Hagen anklingt (vgl. 23.10.1972).

Von diesen Gruppen, dem späteren KBW, wird nun der 1. Mai 1973 zumindest in NRW bereits frühzeitig vorbereitet und sie versuchen sich dort im Aufbau von Maikomitees, während die KPD/ML-ZB zerfällt (vgl. 7.2.1973), von örtlichen Aktivitäten wie in Essen bzw. durch ihre Essener Ortsgruppe einmal abgesehen. Die KPD/ML-ZK hat ihr Organisationsgerüst bis zum 1. Mai 1973 kaum flächendeckend aufzuspannen vermocht (vgl. 11.4.1973, 5.5.1973), was sich aber zum nächsten Jahr dramatisch ändern soll dank des Anschlusses großer Teile der ehemaligen KPD/ML-ZB, die zum 1. Mai 1973 vermutlich häufig reumütig bei der KPD/ML-ZK mitmarschieren, ohne sich selbst kenntlich zu machen.

Der auch 1973 noch fast nur südwestdeutsche KABD (vgl. 1.5.1973) sowie seine RJ/ML (vgl. Apr. 1973) üben sich zum 1. Mai 1973 in grundlegenden taktischen Neuerungen, ohne damit bisher wirklich Eingang in die Weltgeschichte der Wissenschaft gefunden zu haben.

Die KPD beherrscht für die bundesdeutsche radikale Linke den 1. Mai. Nicht nur, dass sie sich zunächst der Bündnisbereitschaft verschiedener Gruppen provinzieller Provenienz versichert, von denen die meisten außerhalb ihrer jeweiligen Ortschaften weitgehend unbekannt gewesen dürften (vgl. 11.3.1973). Immerhin vermag die KPD erneut ihre Massenorganisation ins Feld der Maivorbereitung zu führen (vgl. 11.4.1973), dieses Jahr ergänzt um den Oberschülerverband KOV (vgl. 11.3.1973, Apr. 1973) sowie die Revolutionären Gewerkschafter (vgl. 21.3.1973, 1.4.1973, 14.4.1973). Die Presse der KPD widmet sich intensiv dem 1. Mai (vgl. 14.3.1973, 20.3.1973), lehnt prinzipiengetreu, der eigenen vermeintlichen praktischen wie philosophischen Führungsrolle für das westdeutsche und Westberliner Proletariat gewahr (vgl. 2.4.1973), das Bündnis mit der KPD/ML-ZK entschieden ab (vgl. 28.3.1973, 31.3.1973, 12.5.1973), ohne sich aber mit dem DGB gemein zu machen, dessen Maiaufruf als 'reaktionäres Ordnungskonzept' angegriffen wird (vgl. 2.4.1973).

Es ist vor allem der Sturm auf das Bonner Rathaus am 10. April 1973 anlässlich des Besuchs des südvietnamesischen Diktators Thieu, der allerdings nicht ergriffen werden konnte, welcher der KPD in den Wochen vor dem 1. Mai 1973 zu einem drohenden Organisationsverbot verhilft (vgl. 16.4.1973) und auch ein Demonstrationsverbot für die gesamte radikale Linke in Nordrhein-Westfalen bewirkt, wogegen nicht nur in Dortmund, sondern auch an anderen Orten wie Aachen protestiert wird, wird dort doch ebenfalls durch Maikomitees oppositioneller Gewerkschafter der 1. Mai 1973 vorbereitet. Die KPD sonnt sich im Rampenlicht der Verbotsdrohungen, die es bis dahin gegen die bundesdeutsche Neue Linke ja nur als Verbotsantrag gegen den Kommunistischen Bund Bremen (KBB) und als vollzogenes Verbot gegen den SDS Heidelberg gegeben hatte. Der Neid der KPD ob solcher staatlicher Aufmerksamkeit erscheint umso verständlicher als mittlerweile gar die Bremer und Heidelberger auch noch bestens befreundet waren. So war es spätestens zum 1. Mai 1973 die Weltgeltung der KPD bzw. der Führer des ehemaligen SDS Landesverbandes Berlin unter Beweis zu stellen. Was wäre dafür besser geeignet als ein Verbotsverfahren und der möglicherweise militante Kampf dagegen? Militanz hieß dabei nicht wirklich Waffengewalt wie bei der Roten Armee Fraktion, sondern eher als Variante für Arme als Politrocker mit Helm und Knüppel, zumindest wurde es offenbar so in der Presse kolportiert, wobei bereits mit der schwarzen Maskierung Andeutungen auf den späteren 'schwarzen Block gemacht werden (vgl. 27.4.1973). So trat die KPD oft genug an, am 1. Mai 1973 allerdings verunmöglichte die landesweiten Vorkontrollen vermutlich solche Kostümierung. Das dräuende Verbot aber sicherte der KPD die Aufmerksamkeit der Medien allerorten (vgl. 28.4.1973), bis in die DDR hinein (vgl. 19.4.1973, 2.5.1973), was nicht zuletzt aufgrund des bevorstehenden Breschnew-Besuchs am 19.5.1973 nicht ohne Brisanz gewesen sein dürfte (vgl. 25.4.1973), auch wenn die wahren Sachwalter der Bekämpfung des Sozialimperialismus sich bereits am 1. Mai 1973 in Gestalt der ML Aachen, ML Bochum und ML Duisburg zu Wort melden, was sich auch im folgenden Jahr wiederholt.

Die KPD fühlt sich so zwar als zentrales Ziel des Wütens der westdeutschen Bourgeoisie, aber durch ihren Widerstand gestählt und allen Widersachern deutlich überlegen, auch wenn dies sicherlich nur in Westberlin halbwegs so war, wo sich die KPD mittlerweile gegen viele Konkurrenzgruppen durchgesetzt hatte. In der Bundesrepublik allerdings bleiben die Aktionen der KPD zumeist zahlenmäßig eng begrenzt, wobei auch die regionale Zusammenfassung der Anhänger aus den kleineren Städten kaum zu überzeugen vermag, zumindest nicht die sogenannten Zirkler (vgl. 9.5.1973). Diese organisieren sich bald als KBW und berichten dann auch von den Folgen des 1. Mai 1973 in Spanien (vgl. 5.10.1973, Dez. 1974).

Zum 1. Mai 1974 hat sich die KPD halbwegs bundesweit etabliert (vgl. 27.3.1974, Apr. 1974), bereitet sich zumindest in NRW auch frühzeitig vor (vgl. 26.1.1974), während sich auch kleinere regionale Organisationen wie der südwestdeutsche KABD erneut penetrant mit ihren wirren taktischen Weisungen zu Wort melden (vgl. Apr. 1974, 1.5.1974) und sich die KPD/ML nun deutlich flächendeckender darstellt (vgl. 27.4.1974), auch wenn Aktionsberichte nur aus wenigen Orten kommen (vgl. 11.5.1974). Ihre Bündnisbereitschaft aber weist die KPD brüsk zurück (vgl. 6.4.1974, 17.4.1974).

Zur bedeutendsten Kraft der radikalen Linken aber ist zum 1. Mai 1974 der sich der Aktionseinheit mit anderen Gruppen verweigernde (vgl. 20.3.1974), KBW geworden (vgl. 6.4.1974, 1.5.1974, 15.5.1974), der diesen Rang erst 1977 wieder an den KB bzw. die ihm als Basis dienenden Bürgerinitiativen einbüßt. Die trotzkistischen Bemühungen zum 1. Mai 1974 scheinen vergleichsweise bescheiden (vgl. 4.4.1974, 2.5.1974, 18.5.1974).

Der KABD ist zwar früh um den 1. Mai 1975 bemüht (vgl. 3.12.1974, , 24.2.1975), wird aber zumindest von der KPD gar nicht erst als Partner in Erwägung gezogen, auch von den Vorläufern der ML Deutschlands (MLD) scheint sich die KPD wenig bedroht zu fühlen (vgl. 26.3.1975). Von diesen wird hier die vehemente Propagierung der Vaterlandsverteidigung dokumentiert, die vermutlich noch weitgehend bundesweit in vielen linksradikalen Buchläden erhältlich und in dieser Form für viele Lesende neu schien, wurde doch nun der bisher angeprangerte westdeutsche Revanchismus zum nationalrevolutionären Unabhängigkeitsstreben umgedeutet. Diese Linie erschien zwar äußerst absurd, andererseits aber entsprach sie durchaus den Direktiven aus Peking. Das brachte die anderen ML-Organisationen in eine gewisse Verlegenheit. Die nationale Frage war weitgehend unbeantwortet. Während die lambertistischen Trotzkisten der Internationalen Arbeiterkorrespondenz stets für die sozialistische Wiedervereinigung eingetreten waren, hatten zwar der bayrische Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD neben der roten auch die deutsche Fahne auf sein Programm gedruckt und die KPD/ML gar in ihrem neuen theoretischen Organ 'Weg der Partei' die Parole "Deutschland dem deutschen Volk!" propagiert. So richtig ernst aber wurde das zuvor nicht genommen. Dies war angesichts der Initiative der Frankfurter, Bochumer und Aachener ML zum 1. und 8. Mai 1975 vorbei (vgl. 20.4.1975, 21.4.1975), die Vaterlandsverteidigung bricht sich offenbar breite Bahn (vgl. 26.4.1975), wobei der KB zu ihrem schärfsten Ankläger wird (vgl. 29.4.1975), während sich der KBW als weiterhin stärkste linksradikale Kraft (vgl. 30.4.1975, 1.5.1975) eher neutral verhält, will er es sich doch weder mit der KP Chinas noch mit seinen zahlreichen Anhängern in der Bundeswehr verderben, die sich auch zum 1. Mai 1975 gerne in ihren Uniformen präsentieren, was gesetzwidrig ist und entsprechend verfolgt wird.

Die KPD/ML organisiert zum 1. Mai 1975 einige eigene Aufzüge, bei den DGB-Aktionen nimmt sie nicht teil. Die trotzkistischen Initiativen bleiben wiederum unbedeutend.

Zum 1. Mai 1976 ist die KPD nun vollends auf den Kurs zur Verteidigung des Vaterlands eingeschwenkt (vgl. 24.3.1976), zur KPD/ML gibt es dabei noch Differenzen (vgl. 6.4.1976, 12.4.1976, 20.4.1976, 21.6.1976, 9.8.1976), erst recht aber zum KBW (vgl. 7.4.1976, 15.4.1976). Der KABD ist auch zum 1. Mai 1976 wieder nur in bescheidenem Rahmen aktiv. Insgesamt wird die ML-Bewegung auf den Maidemonstrationen nun unwichtiger im Vergleich zu den ausländischen Gruppen einerseits und den Neuen sozialen Bewegungen, in und mit denen vor allem der KB agiert andererseits. Die Prophezeiungen der Faschisierung kennzeichnen auch Maiaufrufe des Jahres 1977 (vgl. 25.4.1977), während in der Türkei die terroristischen Faschisten der Grauen Wölfe ihre Verbrechen bereits offen begehen können, auch und gerade am 1. Mai (vgl. Juni 1977, 9.6.1977, Dez. 1977).

Zum 1. Mai 1978 versucht sich die RGO der KPD/ML mit einer Mischung der gewohnten Parolen und neuer, den ökonomischen Kämpfen entlehnter Forderungen, die sich nicht wesentlich von denen der linken Sozialdemokratie in den Gewerkschaften unterscheiden (vgl. Mai 1978), während der KBW sich vor allem auf die Zimbabwesolidarität konzentriert (vgl. 10.4.1978, 22.4.1978, 22.4.1978, 29.5.1978) und der KABD sich etwas konsolidiert zu haben scheint (vgl. 1.5.1977, 1.5.1978), während sich der Arbeiterbund bescheiden ausdehnte (vgl. 21.4.1978).

Zentrale Forderung zum 1. Mai 1979 ist für verschiedene Gruppen die 35-Stundenwoche (vgl. März 1979, Apr. 1979, 16.4.1979, 1.5.1979), wobei sich die KPD/ML offenbar nun recht aufgeschlossen gegenüber Aktionseinheiten zeigte und sich gar an den DGB-Demonstrationen beteiligt (vgl. 29.6.1979).

Auch für den 1. Mai 1980 bleibt die 35-Stundenwoche die zentrale Forderung (vgl. 25.2.1980, 1.5.1980), was sich auch zum 1. Mai 1981 wenig ändert (vgl. Apr. 1981), einmal abgesehen von den Gruppen, die sich nun um die Organisierung des revolutionären 1. Mai bemühen, sich dabei bald befehdend (vgl. Apr. 1981, Okt. 1981, 8.3.1982, Apr. 1982, 10.4.1982, Mai 1982, 1. Mai 1982, 15.7.1982, 31.8.1982, Dez. 1982, 16.12.1982), was sie auch zum vorläufigen Abschluss dieser Darstellung anlässlich des 1. Mai 1983 fortsetzen (vgl. 28.4.1983, 1.5.1983).

Auszug aus der Datenbank "Materialien zur Analyse von Opposition" (MAO)


Letzte Änderung: 01.03.2023