RGO-Nachrichten, 4. Jg., März 1980, Nr. 3

März 1980:
Die RGO gibt ihre „RGO-Nachrichten“, Nr. 3/1980, heraus, wovon uns nur die Seiten 1-4, 15 und 16 vorliegen. Inhalt der Ausgabe ist u. a.:
- IGBE feuert Strauß Gegner
- Nachhaltige Proteste gegen Entlassung der ‘ran‘- Redakteure
- Deutsche Bibliothek: ÖTV Vertrauensleute ausgeschlossen
- RGO-Delegation bei den streikenden Stahlarbeitern in England
- 8. März: Internationaler Frauentag
- Frauenkomitee Rotterdam
- Bildungsurlaub gerichtlich durchgesetzt
- Westberlin: Kündigung des RGO-Betriebsrates bei Siemens zurückgeschlagen.

Einleitend heißt es in der Ausgabe: „Die Entlassung der beiden Hoesch-Betriebsräte muss zurück genommen werden. Unsere beiden Betriebsräte Norbert Bömer und Hartmut Siemon sind vom Vorstand der Hoesch-Hüttenwerke in Dortmund, entlassen worden. Ihnen wird Vertrauensbruch vorgeworfen. Sie hätten ihre Kollegen über den Sozialplanentwurf informiert, der über die Zukunft von mindestens 4. 200 Hoesch Kollegen entscheiden soll. Jeder ehrliche Kollege wird sich fragen: Seit wann ist es denn ein Vertrauensbruch, wenn Betriebsräte sich über eine so wichtige Frage mit gewerkschaftlichen Vertrauensleuten und den Kollegen beraten? Die Antwort liegt auf der Hand: Es kann nur im Interesse der Unternehmer liegen, wenn Betriebsräte die Belegschaft erst dann informieren, wenn alles schon entschieden und unterschrieben ist.

Es ist ein zusätzlicher Skandal, dass die Entlassung auch noch die einstimmige Unterstützung des zuständigen Betriebsrats von Hoesch -Union gefunden hat. Hier haben gewerkschaftlich organisierte Betriebsräte gegen die Interessen der Gewerkschaftsbewegung entschieden. Wenn dieses Beispiel Schule macht, dann kann jeder unbequeme Betriebsrat gefeuert werden, das Ziel der Unternehmer, aus Betriebsräten Geheimräte zu machen, wäre damit erfüllt. Gleich nach Bekanntwerden dieser Kündigungen gründete sich ein Solidaritätskomitee, das die Wiedereinstellung der beiden Betriebsräte fordert und um breite Unterstützung wirbt. Wir fordern alle ehrlichen Gewerkschafter, alle Kollegen, gewerkschaftliche Gruppierungen und oppositionellen Gruppen auf, sich der Erklärung dieses Solidaritätskomitees anzuschließen und aktiv die Forderung nach Wiedereinstellung der beiden Kollegen zu unterstützen. Hartmut Siemon und Norbert Bömer müssen Betriebsräte bleiben! Vorstand der RGO.“

In der „Erklärung des Solidaritätskomitees für die Wiedereinstellung der fristlos entlassenen Hoesch-Betriebsräte H. Siemon und N. Bömer“ wird ausgeführt:

„Am 19.2. wurden die beiden Hoesch-Betriebsräte Siemon und Bömer von der Unternehmensleitung fristlos entlassen- mit Zustimmung des zuständigen Betriebsrates des Werkes Union.

Sie waren 1978 - nach einer Wahlwiederholung - über eine Kandidatur auf einer Liste der Revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO) mit 17% der Stimmen der Union - Belegschaft in den Betriebsrat gewählt worden. Ihnen wird angeblicher Vertrauensbruch, genauer, Weitergabe des Sozialplanentwurfs (Abbau von 4. 200 Arbeitsplätzen bei Hoesch) an der Belegschaft vorgeworfen. Unter diesem Vorwand brach die Unternehmensleitung die Sozialplanverhandlungen mit dem Betriebsrat ab.

Gleichzeitig will man sie persönlich verantwortlich machen für Flugblätter der RGO, die vor den Toren der Hütte in Dortmund, verteilt wurden. Angeblich hätten diese Flugblätter teilweise einen beleidigenden Inhalt. Tatsache aber ist: Verantwortlich für diese Flugblätter ist nach dem Landespressegesetz von NRW der presserechtlich verantwortliche Redakteur der RGO. Gegen diesen aber ist noch niemals Strafantrag wegen Beleidigung gestellt worden, obwohl die herangezogenen Flugblätter teilweise Monate alt sind.

Am 20.2. haben die entlassenen Betriebsräte Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Dortmund, erhoben. Unabhängig von unserer im einzelnen unterschiedlichen Stellungnahme zur Linie und zur Konzeption der RGO sind wir der Meinung: Mit dieser Entlassung und ihrer Begründung soll versucht werden, Betriebsräte, die gegenüber der Belegschaft zur rechtzeitigen Information über Pläne der Unternehmer verpflichtet sein müssen, zu Geheimräten zu machen. Von Unternehmerseite wird damit versucht, den Informationsfluss zur Belegschaft zu zensieren. Dies darf nicht Schule machen. Im Interesse einer Ausweitung der betrieblichen Demokratie darf dies von keinem Gewerkschafter, keinem fortschrittlichen Menschen hingenommen werden.

Das Komitee hat sich zur Aufgabe gestellt, über diesen Fall zu informieren, durch Verbreitung der Tatsachen Solidarität über den Betrieb hinaus zu organisieren. Dokumentationen, jeweils auf den neuesten Stand, sind bei der Kontaktadresse zu erhalten, ebenso Listen für Solidaritätsunterschriften …“

Unterzeichner der Resolution sind u. a.: Max von der Grün (Schriftsteller, Dortmund), Klaus Peymann (Intendant, Schauspielhaus Bochum), Annette Schnorr, Dagmar Barich (Betriebsratsmitglieder, Siemens, Witten), Neun Betriebsräte (Opel Bochum) der ‘Liste für die Belegschaftsforderungen‘.

Weiter wird darüber berichtet, dass die „IG Bau Strauß-Gegnerin entlässt“.

In einem Interview mit Hartmut Siemon und Norbert Bömer, heißt es u. a.:

„RGO-Nachrichten:
„Am 19. Februar hat euch die Betriebsleitung von Hoesch-Union fristlos gekündigt. Euch wird Vertrauensbruch und Betriebsfriedensstörung vorgeworfen. Was sind die Hintergründe dieser Vorwürfe?

Antwort:
Seit Monaten ist bekannt, dass bei Hoesch Tausende von Arbeitsplätzen gefährdet sind. Gleichzeitig ist klar, dass damit zusätzlich Tausende von Umsetzungen verbunden sind. Im Oktober 1979 fasste der Aufsichtsrat den Beschluss, dass der Vorstand in möglichst kurzer Zeit ein Konzept zur Änderung der Stahlbasis verbunden mit einem sogenannten Kostensenkungsprogramm vorlegen sollte. Das geschah Ende Januar/Anfang Februar. Parallel dazu liefen Sozialplanverhandlungen zwischen Unternehmensvorstand und Betriebsratsspitzen.

Nach der Aufsichtsratssitzung vom 6.2.1980 wurde den Betriebsräten insgesamt das erste Mal ein Entwurf des Sozialplans gegeben. Am 7.2. schon wollten die Betriebsratsspitzen der drei Hoesch-Werke eine Grundsatzentscheidung darüber herbeiführen - nach nur wenigen Stunden Vorbereitungszeit ein absoluter Skandal.

Aber es kommt noch besser. Wir, wie auch andere Betriebsräte informierten in der einen oder anderen Form unsere Kollegen über den Text des Plans um noch Anregungen usw. in die nächste Sitzung mitzunehmen. Diese wurde am Freitag, dem 8. 2., für den folgenden Mittwoch angesetzt. Tagesordnung: Beratung und Verabschiedung des Sozialplans! Man wollte also innerhalb von 3 bis 5 Tagen die Sache über die Bühne ziehen. Darüber informierten ein Flugblatt der RGO -Betriebsgruppe Hoesch. Man wirft uns nun erstens vor, diesen Entwurf an die Kollegen gegeben zu haben, zum anderen seien wir für Flugblätter der RGO verantwortlich, die am Tor verteilt worden sind.

RGO-Nachrichten:
Die Betriebsleitung behauptet, Kollegen hätten gestreikt, um eure Entlassung zu erzwingen. Was ist daran wahr?

Antwort:
Richtig ist, dass es auf der Hütte große Empörung gab, und zwar darüber, dass der Vorstand unter diesem Vorwand die Verhandlungen mit den Betriebsräten abbrach und damit die Kollegen verunsicherte. Schließlich wusste jeder, es kommt auf uns einiges zu, da müssen vernünftige Regelungen her. Dies wurde dann gezielt von bestimmten Kräften im Betriebsrat und der IGM - Ortsverwaltung ausgenutzt, um gegen uns Stimmung zu machen. An zwei Stellen auf Phönix wurden die Pausen von ca. jeweils 15 Kollegen verlängert - nachher gab man das als Warnstreik aus! Auf der Westfalenhütte wurden etwa 50 bis 60 Kollegen, ähnlich wie auf Union, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zu einer Information zum Betriebsrat mobilisiert. Wir wissen von verschiedenen Kollegen, dass man ihnen gesagt hat, wir müssen am Sozialplan weiter verhandeln, lasst uns mal Druck machen. Nachher wurde das der - zum Teil extra vorher bestellten - örtlichen Presse als ‘Streik mit Entlassungsforderungen‘ verkauft.

RGO-Nachrichten:
Ihr sagt, Eure Entlassung ist ein Angriff auf die gesamte Belegschaft. Könnt ihr das näher begründen?

Antwort:
Sicher! Einmal heißt ein solches Vorgehen, dass der Vertrauensleutekörper und auch der Betriebsrat sich selbst entmachten. Sie lassen sich damit vom Unternehmer zensieren, was gesagt werden darf und was nicht - und zwar über die gesetzlichen Vorschriften nach § 79 (Schweigepflicht unter ganz genau festgelegten Bedingungen) hinaus! Zum zweiten ist die Frage der Flugblätter zu sehen. Dieser Vorwurf von einem Arbeitsgericht bestätigt - würde jeden, der sich zu einer Gewerkschaft oder einer politischen Organisation bekennt, die auch vor den Toren Flugblätter verteilt, in Zukunft zu einem gefundenen Fall für die Unternehmer machen. Er könnte für jede Äußerung im Flugblatt, selbst wenn ein presserechtlich Verantwortlicher vorhanden ist, verantwortlich gemacht werden. Was das heute zum Beispiel vielleicht schon für einen Juso in Bayern bedeuten könnte, kann sich jeder selbst ausmalen.

RGO Nachrichten:
Die IGM-Betriebsräte auf Union haben der fristlosen Kündigung einstimmig zugestimmt. Wie bewertet ihr diese Tatsache?

Antwort:
Hintergrund sind die Bestrebungen, uns schon im Hinblick auf die kommenden Betriebsratswahlen aus dem Betrieb zu halten. Weiterhin hat man gesehen, dass man nicht in der Lage ist, mit Argumenten gegen uns anzukommen. Unabhängig von politischen und sonstigen Differenzen ist es einfach eine Skandal, dass ein Betriebsrat - und dann noch einstimmig - der Entlassung von der Belegschaft gewählter Vertreter zustimmt. Das kann eigentlich nur dem Unternehmer nützen, denn jeder kann sich vorstellen, dass man auch bei anderen fortschrittlichen Betriebsräten Gründe finden kann, sie außer Kraft zu setzen.

RGO-Nachrichten:
Was werdet ihr gegen die Entlassung unternehmen? Welche Unterstützung habt ihr bei den Kollegen?

Antwort:
Wir haben Kündigungsschutzklage eingereicht. Neben diesen juristischen Mitteln ist die Unterstützung durch die Kollegen in den Betrieben - durch Anbringung von Klebern, die unsere Wiedereinstellung fordern, Unterschriftensammlungen und aktives Parteiergreifen im Betrieb für uns der entscheidende Punkt.

Hinzu kommt, dass sich ein Solidaritätskomitee gebildet hat, das die Sache über den Betrieb hinaus bekanntmacht, und eine breite Solidarität organisiert. Neben einer Veranstaltung gleich nach unserer Kündigung, die von über 100 Freunden und Kollegen besucht war, wird in dieser Woche eine große Veranstaltung mit Max von der Grün, Frank Baier u. a. stattfinden.

Wir sind sicher, da haben die Gespräche mit unseren Kollegen gezeigt, das hat die V-Leute Versammlung am Montag gezeigt, auf der ein V-Mann aus unserem Bereich noch mal klar gegen die Entlassung Stellung genommen hatte. Sie haben uns zwar im Augenblick erst mal aus dem Betrieb geworfen, es wird jedoch - so denken wir - nicht lange dauern und wir sind wieder da. Die Arbeit der RGO wird im Betrieb auch jetzt durch die anderen Kollegen weiterlaufen.”

Der Ausgabe liegt vermutlich das 6-seitige Flugblatt der BG Hoesch vom 18.2.1980 bei:

„Vorstand will Betriebsräte zu Geheimräten machen.“

Dort heißt es: „Vorstand will Betriebsräte zu Geheimräten machen.“ „Nur so kann man die Entscheidung des Vorstands der Hoesch-Hüttenwerke bezeichnen, der am Dienstag letzter Woche mitteilte, dass er derzeit die Verhandlungen über den Sozialplan nicht weiterführen wolle! Dies bedeutet nicht nur eine Provokation gegenüber dem Betriebsrat, sondern auch eine gezielte Verunsicherung der gesamten Belegschaft. Wissen wir doch seit Anfang Februar, dass neben dem Bau des Oxygenstahlwerks die Aufsichtsräte ein Kostensenkungsprogramm verabschiedeten, nachdem in den nächsten Jahren mindestens 3.500 Arbeitsplätze abgebaut werden sollen. Außerdem kündigte der Arbeitsdirektor Dr. Heese an: …‘Wir werden das eine oder andere Pförtnerhaus schließen müssen! …‘ (vgl. Ruhrnachrichten vom 14.2.80,).

Der Vorstandsvorsitzende der Hoesch-Hüttenwerke AG Dr. Rohwedder deutete an, dass weitere Stilllegungen bei den Walzstraßen nicht auszuschließen seien, (vgl. WAZ vom 7.2.80. und Westfälische Rundschau vom 16.2.80.). Der Hoeschvorstand begründet nun den Beschluss über den Abbruch der Sozialplanverhandlungen mit einem angeblichen ‘Vertrauensbruch‘, mit der Veröffentlichung von angeblich ‘vertraulichen Unterlagen‘. Außerdem wird von einem Flugblatt der RGO gesprochen, in dem Abschnitte des Sozialplans (Entwurf) enthalten seien, mit denen die Belegschaft verunsichert werden soll. Reichlich schwere Geschütze fährt der Hoesch - Vorstand auf, um die Kollegen zu täuschen.

Was sind denn die Tatsachen?

1. Der Sozialplanentwurf, der am 6. bzw. 7. Febr. 80, den Betriebsräten der drei Hüttenwerke vom Betriebsratsvorstand vorgelegt wurde, war vom Unternehmer nicht als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis bezeichnet worden. Der Unternehmer hatte keine ausdrückliche Erklärung - wie gesetzlich notwendig - abgegeben, dass dies so sei und darüber Stillschweigen von den Betriebsräten zu bewahren sei. Eine eventuelle Kennzeichnung als ‘vertraulich‘ genügt im Gegensatz zu dem Betriebsverfassungsgesetz von 1952 heute nicht mehr.

2. Hat es zu einem eventuellen Stillschweigen keinen Betriebsratsbeschluss gegeben - zumindest im Union Betriebsrat nicht, so dass die Betriebsräte nicht der Schweigepflicht unterworfen waren. Damit ist ein Teil der Vorwürfe schon einmal hinfällig. Es bleibt die Frage: Wie soll der Betriebsrat bei der Erstellung des Sozialplanes mit dem Vorstand vorgehen, wie wird die Belegschaft in diese Verhandlungen mit einbezogen? Wie die Erfahrungen bei der Erstellung von Sozialplänen zeigen, ist der Betriebsrat in diesen Verhandlungen umso stärker, je mehr er von der Belegschaft unterstützt wird. Der Unternehmer hat natürlich ein Interesse daran, die Belegschaft vor vollendete Tatsachen zu stellen, um gewerkschaftliches Handeln unmöglich zu machen.

Die Betriebsräte als Repräsentanten der Belegschaft, die nach dem Willen des Gesetzgebers die eigentlichen Träger des Mitbestimmungsrechts sind, sind die Kontrahenten des Unternehmers bei der Aushandlung des Sozialplans, Sie dürfen sich dabei von diesem nicht zu Geheimräten machen lassen. Eine betriebliche Öffentlichkeit für die Diskussion der Regelungen des Sozialplans ist notwendig für eine, an den Interessen der Kollegen orientierte, Vertretung der Rechte des Betriebsrats.

So wird in einer DGB-Untersuchung über den 1963er Sozialplan der Dortmund,er/Hörder- Hüttenunion festgestellt: ‘.. Der Entscheidung gingen ausführliche Diskussionen in Belegschaftsversammlungen voraus …‘. Was damals richtig war, soll offenbar heute nicht mehr stimmen. Denn bereits am Mittwoch, den 13.2.80. sollte zumindest auf Union und Phönix über den erst wenige Tage vorher den Betriebsräten ausgehändigten Entwurf des Sozialplans beschlossen werden. Tagesordnung für den Mittwoch war u. a. ‘Beratung und Verabschiedung des Sozialplans.‘

Das RGO-Flugblatt

Genau darauf wies ein Flugblatt der RGO am Dienstag Morgen hin, klärte die Belegschaft über diese Eile auf. Obwohl die Mehrheit der Betriebsräte die genauen Entwürfe erst kurz vor der Betriebsratssitzung am 7.2, erhalten hatte, war dort schon die Entscheidung über ‘eine Zustimmung im Grundsatz‘ getroffen worden - teilweise nach nur 2-stündiger Diskussion, in der noch nicht einmal alle Fragen behandelt werden konnten. Offenbar wollte der Unternehmer die Betriebsräte zwingen, ohne gründliche Diskussion, ohne Einbeziehung des gewerkschaftlichen Vertrauenskörpers und der Belegschaft, diesem Plan zuzustimmen. Um die innerbetriebliche Öffentlichkeit herzustellen, um noch Änderungen am Entwurf einzubringen, wurde von den Betriebsräten der RGO aber auch von einigen IG - Metall -Betriebsräten der Entwurf Vertrauensleuten und interessierten Kollegen zur Verführung gestellt. Gleichzeitig arbeiteten die RGO-Betriebsräte insgesamt 15 schriftliche Änderungsanträge aus, die sie auch den Betriebsräten von Phönix und der Westfalenhütte zustellten.

Halten wir also fest: Der Unternehmer hat und hatte kein Interesse an einer betrieblichen Öffentlichkeit über den Sozialplan und die Forderungen - der Betriebsrat müsste sie jedoch haben, um nicht zum Geheimrat zu werden. Im RGO-Flugblatt vom Dienstag, den 12.2.80, wurde in erster Linie auf zwei Punkte eingegangen, die z. T. in der Presse zum anderen aber auch durch die Information der Betriebsräte an die Vertrauensleute schon allgemein bekannt waren, nämlich das Problem der vom Unternehmer geplanten Voraussetzung (mehrfache Versetzungen) der Kollegen, zum anderen die Absicherung der Einkommen bei Schichtänderungen für nichtversetzte Kollegen. Also auch hier: Keine Brechung irgendeines Geheimnisses.

Fadenscheinige Argumente

In der betrieblichen Diskussion werden aber noch weitere Argumente - auch von Betriebsräten- gebracht, warum angeblich eine Diskussion mit der Belegschaft nicht sinnvoll wäre:

1. Der Arbeitgeberverband könne davon erfahren und eventuell gegen zu weitgehende Regelungen Einspruch einlegen. Dieses Argument ist falsch: Es gibt Sozialpläne aus anderen Betrieben der Eisen- und Stahlindustrie, die noch weitergehende Regelungen enthalten, so dass der Arbeitgeberverband keine Möglichkeit hätte zu sagen: Mannesmann, Thyssen und andere dürfen so etwas - aber Hoesch nicht.

2. Der Vorstand habe bisher nicht davon genau Kenntnis genommen, nur der Arbeitsdirektor - jetzt wisse der ganze Vorstand Bescheid, und dem sei das zu teuer. Auch dies ist falsch. So stellte doch der Vorstandsvorsitzende der Hoesch Werke AG, Dr. Rohwedder, und das Vorstandsmitglied von Hoesch, Dr. Schmidthals bereits am 6.2. vor der Presse die geplanten Maßnahmen, einschließlich eines 65 Millionen umfassenden Sozialplans, vor. (s. WAZ vom 7.2.80).

3. Die Weiterverarbeitungsbetriebe hätten sich beschwert - auch sie wollten einen solchen Sozialplan. Da kann man nur sagen: Was die stahltypischen Regelungen angeht, sind diese durch Gesetz auf die Montanindustrie beschränkt, was das Ausscheiden mit 59 angeht, ist diese Regelung schon seit '77 eine Richtlinie für die Hoesch-Werke AG. So weit noch andere Punkte im Plan enthalten sind, sollten sie allerdings im Falle eines Falles auch in der Weiterverarbeitung angewandt werden; wir Arbeiter haben sicher kein Interesse an einer Ungleichbehandlung der Hoesch-Kollegen in der Weiterverarbeitung. 4. Die Diskussion in den Betrieben verhindere einen schnellen Abschluss, der besonders für die betroffenen Kollegen aus P3 wichtig sei. Nun, die Verantwortung dafür, dass für die Kollegen aus P3 nicht alles klar ist, trägt in erster Linie der Vorstand, der ja die Maßnahme so schnell durchführen wollte, in zweiter Linie die Mehrheit des Betriebsrats Union, die noch vor einem Beschluss über den Stahlwerksneubau und den Sozialplan - schon im Januar- dieser Schichtreduzierung zustimmte. Dies hatten die RGO-Betriebsräte abgelehnt.

Die zum Bereich des RGO-Betriebsrats Siemon gehörenden Kollegen … arbeiten weiter nach ihrem alten Plan, da von ihnen darauf bestanden wurde, erst eine Absicherung der Schichtzuschläge zu vereinbaren, bevor geplante Änderungen durchgeführt würden. Die Kollegen dort hatten einen Brief an Arbeitsdirektor und Betriebsrat gerichtet, in dem sie genau dies gefordert hatten - nicht zuletzt dadurch ist eine solche Regelung - wenn auch noch unzureichend - in den Entwurf des Plans aufgenommen worden. Gehen wir also aus vom gewerkschaftlichen Standpunkt der Arbeitsplatzsicherung, erweisen sich die genannten Argumente als Unternehmerargumente. Sicher, je besser die Regelung, desto teurer wird der Sozialplan für die Unternehmer. Erinnern wir uns an den Stahlarbeiterstreik für die Unternehmer. Auch dort kamen die Unternehmer mit dem Kostenargument. Für uns ist doch aber die Frage: Wie können wir unsere Arbeitsplätze, unseren sozialen Besitzstand, so teuer wie möglich verkaufen?

Die Freitags-Aktivitäten

An 4-5 Stellen auf der Hütte verlängerten jeweils 50-60 Kollegen ihre Pausen, teilweise wurde zum Betriebsrat marschiert, in bestimmten Bereichen wurden Resolutionen verfasst - interessanterweise nicht aus den Bereichen der RGO-Betriebsräte. Sie hatten z. T. eine berechtigte Stoßrichtung: Der Vorstand muss mit dem Betriebsrat weiter über den Sozialplan verhandeln! Die Empörung der Kollegen über den Vorstand zeigt, welche Kraft und Bereitschaft vorhanden ist, würde man sie gewerkschaftlich zum Kampf gegen Arbeitsplatzabbau und ungünstige Sozialplanbedingungen mobilisieren. Man fragt sich, warum wurde dies bisher nicht getan? Eine - von bestimmten Betriebsräten, teilweise V-Leute, hineingetragene -Stoßrichtung ist jedoch unserer Meinung nach falsch und schädlich und bewusst gesteuert - die, so zu tun, als seien die RGO-Betriebsräte für diesen Abbruch der Verhandlungen verantwortlich. Wir sind oben schon auf die Tatsachen eingegangen. Jeder Betriebsrat, jeder Vertrauensmann, jeder Kollege sollte sich überlegen, ob er es ernsthaft wollen kann, dass eine Geheimratspolitik, hinter verschlossenen Türen gemacht wird, wo die Belegschaft später ein Ergebnis serviert bekommt, das für uns nachteilig ist, uns für die Sicherung der Hoesch-Gewinne zur Kasse bittet.

Der Betriebsrat muss von seiner gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch machen, den Unternehmer zur Fortsetzung der Verhandlungen zu zwingen! Neben den Vorstellungen der RGO-Betriebsräte haben auch andere noch weitergehende Forderungen an den Sozialplan, die es notwendig machen, die Beratungen in der Belegschaft, im Betriebsrat und dann die Verhandlungen mit dem Hoesch Vorstand unverzüglich weiterzuführen … Weg mit den Entlassungsdrohungen gegen die Kollegen Siemon und Bömer!

Soweit in der Presse schon zu den Punkten des Sozialplans Stellung genommen wurde, die dazu unserer Meinung nach wichtigsten Änderungspunkte: Die wichtigsten Änderungsvorschläge zum Sozialplan - ist es wichtig, alle Vereinbarungen im Rahmen eines rechtlich auch einklagbaren Sozialplans zu fassen. Z.T. ist wohl geplant, entscheidende Punkte außerhalb, in irgendwelchen Notizen zu behandeln. Für die betroffenen Kollegen ist es wichtig, dass sie rechtlich unanfechtbare Ansprüche besitzen. - Es gibt z.B. bei Klöckner einen Sozialplan, in dem den Kollegen, die vorzeitig ausscheiden, für die entgangenen Rentenversicherungsjahre zwischen dem 60. und 63. Lebensjahr eine Ausgleichszahlung gewährt wird. Immerhin macht dies für drei Jahre etwa 100 DM monatlich bei der Rente aus. - Ebenfalls bei Klöckner gibt es eine Regelung für diesen Personenkreis, wenn das Arbeitsamt die als arbeitslos gemeldeten Kollegen doch wieder vermitteln kann.

Dass dies nicht unmöglich ist, zeigen die Erfahrungen von 1963. Damals wurde ‘in einer Vorlage für den Aufsichtsrat … auf eine Zusage des Leiters des Dortmunder Arbeitsamtes hingewiesen, nach der ‘unsere Belegschaftsmitglieder tunlichst nicht vermittelt werden sollen. Die Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt verlief dennoch nicht ohne Schwierigkeiten.‘ (DGB).

Klöckner z. B sichert ausdrücklich in diesen Fällen Wiedereinstellung zu. Betriebsratsvorsitzender Rosen fordert laut WR vom 16.2.80 die Stahltypische Regelung auf andere Personenkreise auszudehnen. Warum sollte es nicht möglich sein zu vereinbaren, dass auch bei den 55-58-jährigen, die ausscheiden, ein Ringtausch durchgeführt wird mit Kollegen, die die Bedingungen nach Montanunion erfüllen? -Das Problem der Umsetzungen: Laut WAZ vom 7.2.80 sollen insgesamt 2. 000 Kollegen umgesetzt werden. Unserer Meinung nach werden es noch mehr werden. Sie sollen dabei sozial abgesichert werden. Dazu gehört sicher, wie z.B. bei Mannesmann in einem Sozialplan vereinbart, dass die neuen Arbeitsplätze zumutbar sein müssen. Im Interesse des Unternehmers liegen mehrmalige Versetzungen. Für uns kommt es auf die genaue Bestimmung der Zumutbarkeit an. Mannesmann spricht hier u. a. auch von einer räumlichen Zumutbarkeit, die sich unserer Meinung nach für Hoesch nur auf Dortmund,, für Hörder auf Schwerte beziehen kann.

Der Vorstand hat offenbar andere Gedanken - so sprach laut RN vom 16.2.80 Dr. Heese davon, Facharbeiter, die bei Hoesch gelernt hätten, nach Holland zu vermitteln. Vorerst für ein, zwei Jahre, da dort Facharbeitermangel sei. Die WAZ vom 2.2.80 berichtet von ‘Sorgen bereitet dem Betriebsrat vielmehr die Frage, ob die verbleibenden Belegschaftsmitglieder in ihrem erlernten Beruf weiterbeschäftigt werden können.‘ Zumutbar für einen Facharbeiter kann aber unserer Meinung nach nur ein Facharbeiterplatz sei, dies sollte man auch so festschreiben. In der WAZ vom 16.2.80 wird weiter von der unbegrenzten Besitzstandregelung gesprochen. Aber nur, wenn kein ‘zumutbarer‘ Arbeitsplatz abgelehnt wird. Und eben dies ist genau zu klären. Bei den Regelungen im Saarland, mit dessen Lage Dortmund, oft verglichen wurde, wurde z. B. für alle Kollegen eine 5-jährige Absicherung der Schichtzuschläge vereinbart.

In einem Interview mit Prof. Farthmann im Gewerkschafter (IGM-Funktionärsorgan Nr.2/ 80), wird z.B. gesagt: … ‘ man könne festlegen, dass keiner mehr als 20 Jahre im Leben Schichtarbeit leisten darf …‘. Gut, sagen wir, dann lasst uns doch nach 20 Jahren Betriebszugehörigkeit die Schichtzuschläge auch entsprechend - zumindest jetzt schon mal im Sozialplan - absichern. Sicher kann hier nicht auf alle Punkte eingegangen werden. In der betrieblichen Diskussion mit Euren Betriebsräten müssen diese Punkte noch vertieft werden. Sprecht mit Euren Betriebsräten darüber, über ihre eigenen Vorschläge, über die ihnen zugegangenen Vorschläge der RGO-Betriebsräte und vor allem, bringt selber Eure Vorschläge ein! Deshalb: Innerbetriebliche Diskussion über den Sozialplan! Auf dieser Grundlage Weiterführung der Verhandlungen mit dem Vorstand! Schluss mit der Hetze gegen die RGO-Betriebsräte.“ Aufgerufen wird zu einer Veranstaltung der RGO Hoesch am 21. Februar in Dortmund,. Themen sollen sein: Was war am Freitag wirklich bei Hoesch los? Wer betreibt die Diffamierungskampagne gegen die RGO-Betriebsräte? Aufgerufen wird auch zur „Jugendvertreterwahl 80.“
Q: RGO: RGO-Nachrichten, Nr. 3, Vellmar, März 1980.

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