RGO-Nachrichten, 4. Jg., Mai 1981, Nr. 5

Mai 1981:
Die RGO gibt ihre „RGO-Nachrichten“, Nr. 5/1981, heraus.

Inhalt der Ausgabe ist u. a.:
- Betriebsratswahlen 1981
- Die Rache der Bonzen
- Tarifnachrichten
- Eine Verhöhnung der Bauarbeiter, Unternehmer drohen mit Gerichten, Kranke mit Polizeigewalt aus Betrieb geholt
- Kündigungsschutz nur auf dem Papier?
- Graphische Jugend von RGO unterwandert?
- IG DruPa gewinnt Times-Prozess
- Hoesch Arbeiter besetzen Verwaltungsgebäude.

Im Artikel „Hoesch Arbeiter besetzen Verwaltungsgebäude“ wird ausgeführt:

„Mit dieser anschaulichen Übersicht demonstrierte die ‘Bürgerinitiative Dortmund‘ darf nicht sterben!' Anfang April in einem Flugblatt die gegenwärtige Lage bei Hoesch in Dortmund. Sie zeigt auch, wer der eigentliche Profiteur an der für die gesamte Region Dortmund katastrophalen Entwicklung ist: Die Deutsche Bank, die im letzten Jahr eine Gewinnsteigerung von offiziell 28 Prozent hatte und die jeden Tag über eine Million Mark von den Hoesch/Estel-Bossen kassiert. Unterdessen kämpfen die Hoesch-Arbeiter weiter verzweifelt ums Überleben, um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze, der nur durch den ursprünglich versprochenen Bau eines neuen Stahlwerks gesichert werden könnte. Die Hoesch-Bosse und die Profit-Haie der Deutschen Bank … jedoch doch verweigern dies.

Am Donnerstag, den 9. April, kam es jetzt zur bisher entschlossensten Aktion, die ausschließlich von Hoesch-Arbeitern getragen war. Zum zweitenmal wollte der Hoesch-Vorstand mit dem ehemaligen Staatssekretär Detlev Rohwedder an der Spitze vom paritätisch besetzten Aufsichtsrat die Zustimmung für sein ‘Sanierungskonzept‘ einholen. Bereits am 23. März war dies unter dem Druck der Belegschaft von den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat abgelehnt worden (wir berichteten darüber). Diesmal legten die Belegschaften der Werke Union und Westfalenhütte gegen 8 Uhr morgens die Arbeit nieder. Rund eine Stunde später folgte die Belegschaft des Werks Phoenix. Rund 1.000 Kollegen zogen dann vor das Verwaltungsgebäude, in dem die Aufsichtsratssitzung stattfinden sollte und blockierten dort den Verkehr. ‘Stahlwerk jetzt! Keine Entlassungen‘, war ihre zentrale Forderung. Etwa gleichzeitig setzte sich im Werk Westfalenhütte ein Marschblock von etwa 6. 000 Kollegen in Richtung Verwaltungsgebäude in Bewegung. Auf ihrem Weg durch die Innenstadt brachten sie durch Sitzstreiks zeitweilig den Verkehr zum erliegen. An der Spitze ihres Zuges trugen sie ein Transparent mit der Aufschrift: ‘Hoesch instandbesetzen ist besser als durch Estel kaputtbesitzen.‘

Begeisterter Beifall empfing sie bei ihrer Ankunft vor dem Verwaltungsgebäude, wo sie sich mit den Union - Kollegen vereinigten. Ohne zu zögern marschierten sie ins Gebäude und zum geplanten Sitzungssaal mit dem Ruf: ‘Detlev, wir kommen, versteck Dich nicht, wir finden Dich!‘ Der hatte sich jedoch eilends mit seinen Kumpanen verzogen. Schnurstracks ging es weiter auf den Balkon, der vor dem Sitzungssaal zur Straße raus liegt. Dort wurden Transparente aufgehängt. Dem Betriebsratsvorsitzenden Schrade von der Westfalenhütte blieb es dann vorbehalten, die Kampfbereitschaft der Masse der Kollegen abzuwiegeln, indem er sie nach einer kurzen Kundgebung aufforderte, wieder an die Arbeit zu gehen. Der entschlossenste Teil der Hoesch-Kollegen jedoch blieb im Gebäude und im Sitzungssaal. Sie stellten den Aufsichtsratsmitgliedern das Ultimatum, ihre vorgesehene Tagesordnung abzubrechen und sofort Kontakte zur Regierung aufzunehmen mit dem Ziel, eine Kommission für Montag einzuberufen, die aus Vertretern der Bundes- und Landesregierung, der Stadt Dortmund,, der Deutschen Bank, des Konzernvorstands, der IG Metall und der Belegschaft bestehen sollte. Ihre Aufgabe sollte die Erstellung eines Alternativplans sein, der Entlassung ausschließt, die Sicherung Stahlbasis für Dortmund, garantiert und finanziell durch die Regierung gesichert wird.

Als nach einer Stunde das Ultimatum abgelaufen war, zogen die Kollegen erneut zum Sitzungssaal. Der aber war leer, die Herren hatten sich in einem anderen Saal eingeschlossen. Wütend hämmerten die Kollegen gegen die Türen, Daraufhin ließ Hoesch-Boss Rohwedder Polizei auffahren, die vor dem Eingang des Verwaltungsgebäudes Stellung bezog. Durch Vermittlung des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Preiss, der auch Mitglied im Hauptvorstand der IG Metall ist, kam in dieser brisanten Lage jedoch ein Gespräch zwischen einer Delegation der Arbeiter - der auch die beiden RGO-Betriebsräte Norbert Bömer und Hartmut Siemon angehörten - und den sogenannten Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat zustande. Diese Delegation handelte dann den folgenden Kompromiss aus: Es soll umgehend ein Arbeitskreis gebildet werden, dem Vertreter der Regierung, der Stadt Dortmund,, der IGM und der Belegschaft angehören. Von ihm soll der geforderte Alternativplan ausgearbeitet werden. Außerdem wurde den Teilnehmern der Besetzung zugesichert, dass keienerlei Repressalien gegen sie unternommen würden. Danach sah sich dann die Mehrheit des Aufsichtsrats gezwungen, den Vorstandsplan erneut abzulehnen.“

Berichtet wird auch darüber, dass die RGO-Liste bei Siemens/Westberlin einen Stimmenanteil von 51,5 Prozent erreicht habe. Bei Daimler/Benz in Bremen wurde im Block gewählt (Persönlichkeitswahl): Sieben oppositionelle Kollegen kandidierten auf der Liste der IG Metall. Vier Kollegen dieser Liste wurden in den BR gewählt. Bei Daimler/Benz in Untertürkheim erhielt die oppositionelle Liste der „Plakat - Gruppe“ um Hoss/Mühleisen 30, 9 Prozent der Stimmen. Die Liste wird 9 BR stellen. Bei HDW in Hamburg erhielt die oppositionelle Liste „Aktive Metaller bei HDW“ „ein Drittel mehr an Stimmen als die IGM-Liste“. Die RGO kandidierte mit einer eigenen Liste und kann mit einem „Kandidaten in den Betriebsrat“ einziehen. Bei Kalle in Wiesbaden gelang es der oppositionellen Liste „acht Kandidaten in den Betriebsrat zu entsenden“. Gegen 27 Kollegen, die auf der Liste kandidierten, wurden „Gewerkschaftsausschlussverfahren gestellt“.

Bei Gillette in Westberlin erreichte die „Liste 3“ sechs Betriebsratssitze, bei KWU in Westberlin erreichte die „Liste linker Gewerkschafter“, 20,3 Prozent. Listenführer war der RGO-Betriebsrat Uwe Jessen. In Westberlin bei BMW erhielt die „Liste Metaller für einen demokratischen Betriebsrat“ 23 Prozent der Stimmen.

Auch bei Hoesch in Dortmund, wurde gewählt. Für die RGO-Betriebsräte stimmten 31,7 Prozent. Dieses Ergebnis habe „eine besondere Bedeutung. Denn hier fand um die Entlassung und die erkämpfte Wiedereinstellung der beiden RGO-Betriebsräte eine Diskussion um grundlegende Fragen von Betriebsratsarbeit und Gewerkschaftspolitik statt, die weit über den Betrieb hinaus ging“.

Auch bei Ford in Köln bekam die „Liste Arbeitereinheit für sichere und bessere Arbeitsplätze“ 533 Stimmen. HDW in Kiel stelle jetzt 5 RGO-Betriebsratssitze. Die oppositionelle Liste „Frischer Wind“ bei Freudenberg in Weinheim stellt jetzt 7 BR. Sie erhielt 36 Prozent der stimmen.

Im Artikel „Die Träume der Unternehmer sind geplatzt. Stimmt bei der Urabstimmung für Streik. Keine Abstriche von 8 Prozent“ wird ausgeführt:

„Nach einer Nachtsitzung mit den Unternehmern in Wiesbaden geschah am 24. April das nahezu Unglaubliche: Die hessische Verhandlungskommission der IG Metall legte der Großen Tarifkommission den Vorschlag vor, einer Lohnerhöhung von sage und schreibe 4,7 Prozent bei einer verlängerten Laufzeit von 13 Monaten zuzustimmen. Nach nur kurzer Sitzung schmetterte die Tarifkommission dies mit 43 zu 18 Stimmen ab. Damit war die letzte Hoffnung der Bosse - doch noch um Urabstimmung und Streik herumzukommen - zerstoben. Eine Stunde später musste der gleichzeitig tagende Vorstand der IG Metall das Scheitern der Tarifverhandlungen in vier entscheidenden Tarifgebieten bekannt geben: in Hessen, Nordverbund, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.

Damit sind die Weichen für Urabstimmung und Streik gestellt. Erst am Montag, den 27. April - nach Abschluss dieser Ausgabe - will der IGM-Vorstand entscheiden, wann und in welchem Tarifgebiet die Urabstimmung durchgeführt werden soll. Jetzt kann und darf es aber kein Zurück mehr geben. Ohne Votum der Mitglieder - das heißt ohne Urabstimmung - darf jetzt kein Tarifabschluss mehr erfolgen. Alles andere wäre ein Schritt zurück und ein Betrug an den Mitgliedern.

Das gilt auch für den Tarifbezirk von Franz Steinkühler (Nordwürttemberg/Nordbaden), der sich in dieser Situation noch einmal mit den Unternehmern an einen Tisch setzte. Auch hier war das Ergebnis bei Redaktionsschluss leider noch nicht bekannt. Es kann aber eigentlich nur lauten: Abbruch der Verhandlungen wie in Hessen, Antrag auf Urabstimmung! Jetzt ist die entscheidende Wende der diesjährigen Tarifrunde erreicht. Jetzt darf keiner bei der Urabstimmung fehlen. Jede Stimme muss jetzt für Streik abgegeben werden. Alle Kraft muss dann in den Streik selbst gelegt werden. Den streikenden Metallern jede Unterstützung! Jetzt haben wir es selbst in der Hand, die Hoffnung der Unternehmer auf eine ‘lohnpolitische Wende‘ für die 80er Jahre platzen zu lassen. Darum, Kollegen:

Streikfond der RGO eröffnet. Der RGO-Vorstand wird sofort einen Streikfond für die Metaller eröffnen. Das eingehende Geld wird an die Streikleitung der IG Metall weitergeleitet …“
Q: RGO: RGO-Nachrichten, Nr. 5, Kassel, Mai 1981.

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