Zur Hauptübersicht der Datenbank MAO

IG Druck und Papier (DruPa)
Die Debatte über die Neue Linke 1972

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, 1.10.2007

Hier werden einleitend vier, teils illustrierte, Verweise auf linksradikale Aktivitäten in der bayrischen Druck und Papier-Gewerkschaft (vgl. 16.4.1971), der Münchner Druckindustrie (vgl. 15.11.1971) sowie in der Schweinfurter (Jung-)Gewerkschaftsbewegung (vgl. 25.11.1971, 17.1.1972) als Vorgeschmack gegeben auf eine heftige Debatte, die in den Spalten des Zentralorgans der IG Druck und Papier, der 'druck und papier' entbrannte.

„Roter Widerdruck“, April 1972, Jg. 2, Nr. 9, Betriebszeitung der „Betriebsgruppe der ABG für die Druckindustrie“

Der verantwortliche Redakteur Eugen Stotz machte den Anfang (vgl. 24.1.1972), wobei der Gegner bezeichnenderweise noch recht vage umrissen wurde als die Gruppe aller derjenigen, die der Führung in die Tarifrundengestaltung hereinreden wollten, auch wenn durchaus die ML- und MAO-Gruppen namentlich benannt werden. Nun aber springt ihm flugs der große Vorsitzende Loni Mahlein zur Seite (vgl. 21.2.1973), grenzt die 'neue Linke' messerscharf von den Moskaukommunisten der DKP ab, mengt auch ein wenig Terror mit hinein in den neulinken Einheitsbrei, schießt sich aber dann schnell auf die Münchner Arbeiterbasisgruppen, u.a. im Pressehaus Bayerstraße (PHB), ein, findet diese gar faschistisch.

Das DGB-Zentralorgan darf da nicht feige zurückstehen (vgl. März 1972), so wenig wie die Springerpostille ähnlichen Namens (vgl. 2.3.1972). Nun ist aber die IG DruPa damals nicht von ungefähr wohl mit die linkeste DGB-Gewerkschaft gewesen. Nicht nur diejenigen Mitglieder und deren Vertretungen, die bescheiden ihre Beteiligung an der Forderungsaufstellung umzusetzen trachteten, protestieren nun, sondern auch bekannte Personen. Die neuen Linken werden gar gleich noch mit Marx und Engels gleichgesetzt. Das wird dem Loni nicht gefallen haben, es hagelt häufig heftige Kritik.

Es verwundert angesichts dessen nicht, dass Mahleins Mitstreiter Eugen Stotz ebenfalls deutlich verstimmt ist, und sich deshalb nun mangels einer hinreichenden Anzahl ernsthafter Widersacher gleich noch alle als Gegner vornimmt, die sich kognitiv irgendwie auf Marx, Engels und Lenin beziehen (vgl. 3.4.1972).

Allerdings finden sich in derselben Ausgabe der 'druck und papier' wiederum Leserbriefe, die nicht nur die Bezeichnung der Neuen Linken als 'faschistische' Kräfte kritisieren, sondern überdies auch noch, durch den DruPa OJA Essen, wiederum den Bogen zurück zur Drucktarifrunde 1971/72 spannen, in der ganzen Aufregung ein Ablenkungsmanöver für eventuell schmähliches Kapitulantentum wittern.

Auch die Arbeiterbasisgruppen fühlen sich angesichts des Verlaufs der Debatte, die offenbar demokratisch erfolgt – was ja gerade im Zusammenhang mit offiziellen Gewerkschaften erstaunt und die IG Druck und Papier manchen verdächtig und linksradikal unterwandert erscheinen lassen mag - offenbar eher auf der Siegerseite (vgl. 17.4.1972).

Eugen Stotzs Angriff auf die Anhänger von Marx und Lenin ruft bald wiederholt Widerspruch der Leser hervor (vgl. 1.5.1972, 24.7.1972), u.a. mit Bezugnahme auf die Schweinfurter Günter Wallraff-Veranstaltung (vgl. 25.11.1971, 15.5.1972), bis endlich dann auch mal ein Leserbrief abschließend für die ganze Debatte die Neuen Linken erfolgreich abkanzelt, sie dafür mit den DDR-Kommunisten gemein machend (vgl. 21.8.1972). Damit wäre die Besonderheit der sog. Neuen Linken allerdings aufgehoben.

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

16.04.1971:
In Augsburg beginnt, nach eigenen Angaben, der 10. ordentliche Landesbezirkstag der DruPa Bayern, der bis zum 18.4.1971 andauert.
Der erste Vorsitzende der DruPa, Leonhard Mahlein, habe sich entschieden gegen den Vorwurf gewandt, die Gewerkschaften handelten autoritär. Wer so argumentiere und zudem radikal nach der Revolution rufe, verkenne völlig, daß die Revolution selbst das Autoritärste sei. Die Delegierten sollten Schluß machen mit unnützen theoretischen Auseinandersetzungen und sich stärker der eigentlichen Aufgabe der Gewerkschaften zuwenden, den Fortschritt zu erkämpfen. Von den DiskussionsrednerInnen wurde u.a. gefordert der Austritt aus der Konzertierten Aktion, Widerstand bis zum Streik gegen das neue BVG und die entschlossene Unterdrückung aller rechtsradikalen Bestrebungen.

Laut ABG München werden u.a. Beschlüße zur größeren Einbeziehung der Mitgliedschaft in die Tarifrunde gefaßt. Außerdem sei eine Mehrheit von 70 Delegierten, darunter 16 aus dem Pressehaus Bayerstraße (PHB) München gegen eine Schlichtung eingetreten.
=Roter Aufmucker Nr.4,München Juli 1971;
Roter Widerdruck Nr.1,München Aug. 1971;
druck und papier Nr.9,Stuttgart 3.5.1971;
Kommunistischer Nachrichtendienst Nr.25,Bochum 31.3.1971,S.12

15.11.1971:
„Roter Aufmucker“, Betriebszeitung der „Betriebsgruppe der ABG im Pressehaus Bayerstraße“, November 1971, Nr. 8, In München gibt die Betriebsgruppe Pressehaus Bayerstraße (Münchner Merkur) der ABG die Nr.8 ihres 'Roten Aufmuckers' (vgl. Okt. 1971, 1.12.1971) heraus, die sich für einen Streik um das Weihnachtsgeld einsetzt. Berichtet wird von der Türkeisolidarität einer gemeinsamen Spartenversammlung von DruPa und FG Buchhandel der HBV. Im weiteren wird eingegangen auf eine Vielzahl von Abteilungen, u.a. auch die Redaktionen und die Lehrlinge, den Landesbezirk der DruPa und die IGM Nordbaden/Nordwürttemberg. Die Rubrik "Für den jungen Arbeiter" beschäftigt sich mit den Lehrlingsheimen und der Legalisierung des Lehrlingsstreiks durch das Arbeitsgericht Solingen (vgl. 16.9.1971).
=Roter Aufmucker Nr.8,München Nov. 1971

15.11.1971:
„Roter Widerdruck“, Betriebszeitung der „Betriebsgruppe der ABG für das Grafische Gewerbe“, November 1971, Nr. 4, In München gibt die Betriebsgruppe der ABG für das grafische Gewerbe in dieser Woche die Nr.4 ihres 'Roten Widerdrucks' (vgl. 25.10.1971, 13.12.1971) heraus. Bei Giesecke und Devrient sei auf der Betriebsversammlung fast nur der eigene Artikel über den Betrieb (vgl. Aug. 1971) behandelt worden. Ein neuer Artikel befaßt sich wiederum mit dieser Firma und deren Tochterfirma, der Papierfabrik Louisenthal (IG Chemie-Bereich) in Gmund am Tegernsee.
Berichtet wird von der Türkeidemonstration (vgl. 13.11.1971) und der Solidaritätsresolution der gemeinsamen Spartenversammlung von DruPa und HBV.
Eingegangen wird auf den IG DruPa Tag (vgl. 24.10.1971), den DruPa Ortsverein München und dessen Jugendgruppe und die Lehrlinge in Groß- und Kleinbetrieben sowie an der Berufsschule, auf das Streikrecht für Lehrlinge (vgl. 16.9.1971), auf den Betrieb Müreg, die Metallrunde in Bayern und Baden-Württemberg und die Angestellten im DGB Haus.
=Roter Widerdruck Nr. 4,München Nov. 1971

25.11.1971:
In Schweinfurt führt die Ortsgruppe der RJ/ML, nach eigenen Angaben, in ihrem Ernst Thälmannkeller eine Veranstaltung mit Günther Wallraff durch, der gerade bei Fichtel und Sachs entlassen wurde und u.a. einen Artikel über das Fichtel und Sachs Werk Süd in der Betriebszeitung der RJ/ML verfaßt habe. Die RJ/ML zählt 100 Besucher.

Laut einem Leserbrief in der 'druck und papier' vom 15.5.1972, sollte die Veranstaltung ursprünglich von der Gewerkschaftsjugend durchgeführt werden und der Offenlegung der Praktiken der Sachs-Bosse dienen, wurde aber durch den DGB-Vorsitzenden verboten. Danach habe die RJ/ML dies aufgegriffen und veröffentlicht.
=druck und papier Nr.10,Stuttgart 15.5.1972;
Rebell Nr.1,Tübingen Jan. 1972;
Rote Fahne Nr.2,Tübingen Feb. 1972

17.01.1972:
Vermutlich zur heutigen Ortsvereinsversammlung der DruPa München gibt die Betriebsgruppe der ABG für das grafische Gewerbe die Nr.6 ihres 'Roten Widerdrucks' (vgl. 13.12.1971, 8.2.1972) heraus.

Berichtet wird u.a. vom Flugblatt des DruPa Ortsvereines gegen die ABG (vgl. 20.12.1971), welches auch gemeinsam mit der Antwort der ABG beiliegt. Gegen das OV-Flugblatt habe sich der Vertrauensleutekörper beim Münchner Merkur ausgesprochen. Die Mitgliederversammlung in Regensburg werde dies wahrscheinlich bei ihrem nächsten Treffen, im März, tun.
=Roter Widerdruck Nr.6,München Jan. 1972

24.01.1972:
In der Nr.2 der 'druck und papier' der IG DruPa (vgl. 10.1.1972) erscheint in der Rubrik "Meinung" ein Beitrag des verantwortlichen Redakteurs dieser Zeitschrift, Eugen Stotz, unter dem Titel "Demokratie und Lohnbewegung" (vgl. 21.2.1972, 20.3.1972), der sich mit der Frage der Beteiligung der Mitgliedschaft an den Entscheidungen in den Tarifrunden befaßt. Hierbei sieht Stotz das Problem, das einzelne und ganz kleine Gruppen, zum Teil zusammengesetzt aus Nichtmitgliedern bzw. Nichtfunktionären der DruPa, im Namen der Mitgliedschaft sprechen und der Führung Rechtsabweichlertum, Mut- und Charakterlosigkeit nachsagen. Er fragt sich, ob die Mitgliedschaft diese Vorwürfe billigt oder nur Angst davor habe die Auseinandersetzung mit den Extremen zu führen. Im Interesse der eigenen Glaubwürdigkeit und im Interesse der sozialen Demokratie aber müsse man den, von 'ML- und Mao-Gruppen' hingeworfenen Fehdehandschuh aufgreifen, auch jetzt, mitten in der Tarifauseinandersetzung. Denn gerade zu diesen Zeiten trügen diese Gruppen den Spaltpilz am erfolgreichsten in die Reihen der Gewerkschaften. "Ich, Eugen Stotz, äußere den Verdacht, daß in dieser Tarifbewegung, wie auch schon in früheren, besonders 'kämpferische' Forderungen, mit Leidenschaft hektographiert, von solchen klitzekleinen Gruppen durchs Bundesgebiet geschickt wurden, in Mitgliederversammlungen zur Diskussion gestellt, zur Anheizung der Stimmung verwendet und schließlich als Resolution manipulierter Beschlußorgane der Tarifkommission zugeleitet wurden, um ihr die sachliche Prüfung der wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht etwa zu erleichtern, sondern zu erschweren."
=druck und papier Nr.2,Stuttgart 24.1.1972

21.02.1972:
In der Nr.4 der 'druck und papier' der IG DruPa erscheint u.a. ein Artikel von Leonhard Mahlein: "Die sogenannten 'Neuen Linken' - Beginn einer notwendigen Auseinandersetzung" (vgl. 24.1.1972, 20.3.1972). In letzter Zeit habe man auch im Organisationsbereich der DruPa sektiererische Gruppen bemerkt, die sich Basisgruppen, Rote Zellen, Marxisten-Leninisten, Spartacisten (auch mit k), Trotzkisten, Maoisten, Proletarische Linke, Parteiinitiative usw. nennen und mit der DKP nichts gemein haben. Diese Gruppen nämlich treten für die Lehren von Marx, Engels, Lenin, Trotzki, Stalin und Mao Tse-tung auf. Sie sehen sich selbst als Kommunisten, könnten aber in Wirklichkeit nur als ein paar ideologische Spinner bezeichnet werden. Diese könne man an drei Symptomen erkennen:
1. Ausrichtung auf Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit,
2. Anwendung anarchistischer Methoden wie Terror, Desorientierung und Verbreitung pseudorevolutionärer Phrasen und
3. eine 'starke linksfaschistische Tendenz' in Form einer 'ausgeprägten sozialen Demagogie' und einem 'hemmungslosen politischen Abenteurertum'. Am Rande der Bewegung seien bewaffnete Gruppen wie Stadtguerrillas, RAF, Tupamaros und Schwarze Zellen anzutreffen, die allerdings von den anderen 'anarchistisch-linksfaschistischen Sektierern' in der Regel abgelehnt und höchstens als naive Anarchisten toleriert werden.
Nachdem die Gegner nun hinreichend benannt und auch deren Merkmale konkretisiert sind, wendet Mahlein sich einer Formation der Neuen Linken, den Arbeiterbasisgruppen München (ABG) bzw. dem 'eigenartigen Gebilde' von deren Betriebsgruppen im grafischen Gewerbe und im Pressehaus Bayerstraße zu. Diesen wird so einiges vorgehalten:
1. Der Verantwortliche für die Zeitungen 'Roter Widerdruck' und 'Roter Aufmucker', Harald Haugwitz sei Student und nicht Mitglied der DruPa und habe gar auch noch die selbe Adresse wie das Zentralorgan der ABG, die 'Kommunistische Arbeiter Zeitung' (KAZ). Hieran macht Mahlein das Symptom der 'Propagierung radikaler pseudorevolutionärer Phrasen' aus und stellt fest, daß Lenin Haugwitz als aus dem Geleise geworfenen Intellektuellen einschätzen würde.
2. Im 'Roten Aufmucker' vom Nov. 1971 (vgl. 15.11.1971) sei eine Meldung aus der unternehmerfreundlichen 'Capital' Nr.5/71 über die Aufsichtsratsentschädigungen von Gewerkschaftsvorsitzenden übernommen worden, die eigentlich aus der Nr.3 des 'Deutschland-Magazins' stammte. Hieran zeige sich das Symptom der manipulierten Information mit dem Ziele der Abwendung von den Gewerkschaften und ausgesprochene Demagogie. Nicht gefragt werde, wieviel von diesen Geldern an die Stiftung Mitbestimmung abgeführt werde und wieviel Mitgliedern dadurch der Besuch von Akademien ermöglicht werde.
3. Sie nennen sich Betriebsgruppen, seien aber nur ein paar Hanseln, die scheinbar nur beim 'Münchner Merkur' und auch dort nur im Versteckten leben. Die anderen stünden in Kleinbetrieben und mischten im Dunklen. Nachdem gefragt wird, wer denn dieses 'wir' in den Artikeln der ABG sei, folgen 'unsere Schätzungen', daß es sich bei den ABG-Anhängern unter den 5 000 DruPa-Mitgliedern in München insgesamt um etwa 30 bis 50 Personen handele. Hier seien die Symptome: "Typische Sektierer, allgemeine Phrasen, nichts steckt dahinter, ideologische Selbstüberschätzung."
4. Im 'Roten Widerdruck' vom Nov. 1971 (vgl. 15.11.1971) hätten die ABG die Forderung des 'Münchner Merkur' nach 25 DM Vorweganhebung und 35 DM pro Woche für alle kämpferisch unterstützt und eine Laufzeit von nur 7 Monaten gefordert. Direkt nach den ersten Verhandlungen am 25.1.1972 aber hätten die beiden ABG-Betriebsgruppen plötzlich die von der Tarifkommission beschlossenen 10% voll und ganz vertreten (vgl. 26.1.1972). Hier zeigen sich die Symptome der totalen "Fehleinschätzung der gesellschaftlichen und gewerkschaftlichen Situation, Begründung ihrer Forderungsvorstellungen mit schizophrenen Phrasen, Desorientierung der Arbeitnehmer, politisches Abenteurertum."
5. In der Nr.10 des 'Roten Aufmuckers' (vgl. 17.1.1972) habe der Protest gegen den Vorwurf des 'Linksfaschismus' im Ortsvereinsmitteilungsblatt vom August 1971 lediglich in dem Gegenvorwurf der Partei- und Spalterpolitik bestanden. Hierzu wird an Symptomen festgestellt: "Der Versuch zur Zersplitterung der Arbeiterbewegung ist eindeutiges faschistisches Wesenselement und zugleich typisches Merkmal für diese Sektierergruppen. Die Inhalte ihrer Schmierblättchen sind voll von Widersprüchen, Unausgegorenheiten, Verdrehungen und Unterstellungen, wie sie der Mentalität von politisch unausgereiften, verworrenen 'Intellektuellen' entsprechen, die selbst noch nicht gearbeitet haben und die Gewerkschaften nur vom Hörensagen kennen." Die Auseinandersetzung mit diesen an sich kleinen Gruppen zu führen lohne sich wegen der Aufdeckung ihrer Methoden, Praktiken, faulen Tricks und Argumenten und der Sichtbarmachung der Falschheit und Hintergründigkeit ihrer Spalterpolitik. "Denn das Fazit der geschilderten Vorgänge und deren Einschätzung liegt in der richtigen Erkenntnis, daß die meisten Gruppen der sogenannten 'Neuen Linken' in ihrer Theorie die Arbeiterklasse als den alleinigen Träger einer Revolution ansehen, in ihrer Praxis es aber darauf abstellen, einen wesentlichen Teil jener Arbeiterklasse, nämlich die Gewerkschaftsbewegung, zu zersplittern und zu zerstören. Darüber einmal mehr nachzudenken, lohnt sich aber tatsächlich!"

Mit diesem Artikel befassen sich auch die ABG im Münchner Druckgewerbe (vgl. 17.4.1972).
=druck und papier Nr.4,Stuttgart 21.2.1972;
Roter Widerdruck Nr.9,München Apr. 1972

März 1972:
Vermutlich im März verfaßt Bernhard Tacke in der 'Welt der Arbeit' einen Artikel zur Neuen Linken, unter Berufung auf L. Mahlein (vgl. 21.2.1972).
=druck und papier Nr.7,Stuttgart 3.4.1972

02.03.1972:
In der 'Welt' erscheint ein Artikel zur 'Neuen Linken', der sich auf L. Mahleins Artikel dazu in der 'druck und papier' vom 21.2.1972 beruft.
=druck und papier Nr.7,Stuttgart 3.4.1972

20.03.1972:
In der Nr.6 der 'druck und papier' erscheinen verschiedene Leserbriefe. Der Bezirkssekretär der DruPa Wiesbaden, Dietmar Glaßler, und Fritz Lamm aus Stuttgart äußern sich zu dem Artikel "Demokratie und Lohnbewegung" von Eugen Stotz in der Nr.2/72 der Zeitung (vgl. 24.1.1972), Siegfried Otto aus Leonberg-Ramtel, Anton Hunger aus Dettingen/Erms und Werner Swoboda aus Ludwigsburg beschäftigen sich mit Mahleins Artikel "Die sogenannten 'Neuen Linken' - Beginn einer notwendigen Auseinandersetzung. Glaßler verwahrt sich im Namen der Arbeitsgemeinschaft Wiesbadener Betriebsräte und Vertrauensleute auf das schärfste dagegen, sich als "kleine extreme politische Gruppe, Mao-Gruppe o.ä. bezeichnen zu lassen, die Beschlüße eines Organs unserer Gewerkschaft manipuliert hätte.
Wer sich mit der Entstehung der Forderungen auf Mitgliederebene beschäftigt hat, weiß, daß sich die Meinung nahezu ausschließlich in Kreisen von aktiven Gewerkschaftern bildete, die teilweise schon zwei Jahrzehnte in unseren Reihen tätig sind. Der Hauptvorstand - wenn die Meinung des Kollegen Stotz stellvertretend für die anderen Mitglieder des Hauptvorstandes steht - scheint sich jedenfalls nicht mit der Meinung der Mitglieder an den Arbeitsplätzen in der Druckindustrie beschäftigt zu haben. Dies ist umso erstaunlicher, wenn man berücksichtigt, daß selbst Kollege Mahlein in Frankfurt am Main – dem Tenor des o.a. Artikels folgend - einer kleinen extremen Gruppe unterlag und dort eine 'überhöhte Forderung' verabschiedet wurde. Die Frage, warum es überall dort, wo die Mitgliedschaft wirklich zu Wort kam, zu Forderungen in einer Höhe von 14 und 16 Prozent kam, ist anders zu beantworten als mit dem primitiv anmutenden Abschieben auf extreme Gruppen.
...
Auch der Begriff der Spaltung ist fehl am Platz, da wohl noch nie zuvor so viele Mitglieder wirklich hinter einer Forderung standen wie hinter der von ihnen selbst erstellten. Es erhebt sich allerdings die Frage, ob nicht eine Spaltung bewirkt wird, indem man von Personen, 'die jedenfalls ohne Funktion in unserer Gewerkschaft' sind, spricht. Nur der elitär autoritär Denkende, um Stotzsche Worte zu gebrauchen, kann an einer Klasseneinteilung der Mitgliedschaft interessiert sein."

Fritz Lamm äußert sich so:
"Aufruf zur Kreuzigung: Spaltpilz Jesus Christus zieht mit einer 'klitzekleinen Gruppe' durchs Land, 'kämpferisch fordernd', 'leidenschaftlich anheizend'. Verdammenswert, wer auf ihn hört, sich gar einige oder alle seiner Argumente zu eigen macht. Gelingt es einem Jünger, die Mehrheit in sonst frommer Gemeinde zu überzeugen, dann wird der Kommission eine 'Resolution manipulierter Beschlußorgane' zugeleitet. ...
...
Immer dieselbe aufgeplusterte Scheinheiligkeit: Zum Schutz der Demokratie wird diese amputiert - im Namen der Mündigkeit wird die Grenze der Informationsquellen eng gezogen -, und zur Abwehr unsachlicher Beschimpfungen 'werden wir uns - wechselseitig - an noch deutlichere Worte (gemeint sind: Wörter) gewöhnen müssen.'

Das meint unser verantwortlicher Redakteur nicht nur, wenn er fordert, dieser 'Auseinandersetzung nicht aus dem Wege zu gehen', er demonstriert es auch: keine sachliche Entgegnung oder Widerlegung, sondern: einen groben Keil auf einen groben Klotz, Diffamierungen auf Diffamierungen, Fehde gegen unbedeutende Gruppen, die in der Tat kaum ein mündiges Mitglied beeinflußen. Warum diesen solche Bedeutung mit feuilletonistischen Stilblüten anjubeln? - so schlecht sind doch die Argumente des Hauptvorstandes und der Tarifkommission gar nicht. Enthüllt wird nur das Demokratieverständnis des Autors."

Bezüglich der 'Neuen Linken' stimmt Siegfried Otto mit Mahlein überein, wenn es um deren 'totale Fehleinschätzung der gesellschaftlichen und gewerkschaftlichen Situation' geht:"
Aus den zum Teil stark in sich geschlossenen Zirkeln der 'Neuen Linken' werden oft die Meinungen gehört, man stehe dicht vor einer revolutionären Situation, oder man könne unsere privatkapitalistische Gesellschaft kurzfristig ändern. ... Eine Binsenwahrheit ist aber, daß politische Fragen reine Machtfragen sind; und was dabei herauskommt, wenn man seine Kräfte überschätzt, haben uns am deutlichsten zwei verlorene Weltkriege gelehrt. Pseudorevolutionäre Einzelaktionen können derzeit an unserer gesellschaftlichen Struktur nichts ändern, sondern nur die ängstlich Konservativen in ihrer Ablehnung jeder Änderung des Bestehenden bestärken. Was aber das Erarbeiten und die Diskussion von Thesen zu Politik und Gesellschaft betrifft, so vermag ich die Beschimpfung als 'linke Spinner' nicht einzusehen. Ähnliches gilt für die zahlenmäßige Schwäche dieser Gruppen. Wir dürfen doch nicht vergessen, daß auch Marx und Engels als 'einzelne' begannen. ...
...
Was die Angriffe ungebundener 'Linksaußen' gegen unsere Parteien und Gewerkschaften betrifft, so sind sie zum Teil dumm und leichtfertig, zum Teil Ausdruck ratloser Negation (gegenüber einer gewissen Bürokratie oder bestimmten Personen nicht immer ohne Grund), in jedem Falle für die Angegriffenen ärgerlich. Für uns Gewerkschafter gilt: Eine Spaltung darf nie und nimmer möglich sein, dieser Tendenz müssen wir immer und mit aller Kraft entgegenwirken! Aber warum nicht aus den Angriffen lernen, schwache Stellen in unserer Organisationsarbeit zu finden? Wer richtig informiert ist, wird sich eben nicht über die Gehälter und Spesen von Funktionären aufhalten; wer die Stimmung unter den Arbeitern unseres Gewerbes kennt und die Kosten eines Arbeitskampfes, der wird eben nicht leichtfertig zum Streik hetzen. Und wir müssen nicht nur Informationen bereithalten, wir müssen auch dafür sorgen, daß sie 'angenommen' werden.
Für etwas billig halte ich es, wenn Kollege Mahlein so deutlich unterscheidet zwischen Arbeitern und Intellektuellen (Studenten). ... (Und falls es immer noch einmal gesagt werden muß: Marx, Engels und viele ihrer Freunde waren 'Intellektuelle', ohne deren geistige Arbeit wir gesellschaftlich noch viele Jahre zurück wären.)
Nicht zufrieden bin ich auch mit dem Urteil über die 'Basisgruppen im Druckhaus Bayerstraße', wiewohl ich die Münchener Verhältnisse nicht kenne. Daß sich Kollegen, die sich nach links exponieren, ihrem Arbeitgeber nicht extra zu erkennen geben .... - sollte das einen Gewerkschaftsvorsitzenden wirklich wundern? Und warum der abwertende Ausdruck über die paar 'Hansel'? Zur Frage über die Quantität habe ich oben schon Stellung genommen - und als 'Hansel' oder 'Blödmänner' werden wir engagierten Gewerkschafter und Betriebsräte von den 'schlauen Trittbrettfahrern' doch auch hingestellt.
Wer heute extreme Ansichten vertritt (und manche Ansichten sind nur deswegen extrem, weil sie leider so selten vertreten werden), der ist vielleicht schlecht informiert oder läßt das nötige Augenmaß vermissen - aber das hat er: Mut und Willen zum Engagement! Und wir sollten um Himmels Willen nicht nach dem Ausschlußverfahren schielen, sondern sollten versuchen, diese Kollegen in unsere Arbeit stärker einzubeziehen. Gerade bei der Betriebsratsarbeit stellt sich Augenmaß oft sehr schnell ein. Ein bißchen mehr Aktivität können wir immer brauchen, denn die schlimmste Parole der letzten zwanzig Jahre Bundesrepublik hieß: 'keine Experimente!'"

Nach Ansicht von Anton Hunger war Mahleins Artikel ein 'Schlag ins Wasser'. "Anstatt eine echte Analyse zu liefern, wurden diesen Gruppen die Prädikate 'Linksfaschismus' und 'Unausgegorenheit' angehängt; Wertungen, wie sie Strauß und Guttenberg am laufenden Meter abgeben. Um die Situation der 'Neuen Linken' begreifen zu können, sollte man mindestens die Geschichte seit 1945 - unter dem speziellen Gesichtspunkt der erzwungenen Errichtung des Kapitalismus und der daraus resultierenden Arbeiterbewegung - rekapitulieren." Dies wird nun unter Berufung auf vor allem Schmidt/Fichter, Der erzwungene Kapitalismus, getan. Zu den Notstandsgesetzen 1968 wird bemerkt:"
Es lag damals in der Hand der Gewerkschaften, mit einem Generalstreik dieses Gesetz vom Tisch zu wischen, aber die Gewerkschaften haben diese Chance nicht wahrgenommen. Sie dürfen sich deshalb heute auch nicht wundern, wenn ihnen andere politische Gruppen den Ruf streitig machen, Interessenvertreter der Arbeiter zu sein. ...
Die Auseinandersetzung der Gewerkschaften mit den 'Neuen Linken' wird kommen. Für die Gewerkschaften wäre es aber besser, wenn sie nicht nur die Haltung der Sozialpartner am konzertierten Aktionstisch einnehmen, sondern die Interessenfunktion der Arbeiter ausüben würden."

Werner Swoboda äußert sich so:
"Das also ist das Produkt des Beginns einer notwendigen Auseinandersetzung mit der sogenannten 'Neuen Linken'. Sollte der Leser zu Beginn des Artikels vielleicht noch mit einer kritischen Analyse gerechnet haben, so wird ihm jedoch schon nach den ersten Zeilen klar, daß dies wohl nicht die Aufgabe ist, der sich unser Kollege Mahlein unterziehen wollte. Es wäre wohl auch von unserem Vorsitzenden zuviel verlangt, würde man von ihm verlangen, auf die derzeit gängige Masche der Minderheitenverteufelung ganz im Sinne dder Bauer- und Springer-Presse zu verzichten.
Ich betone ausdrücklich, daß ich zur Zeit weder einer Partei noch einer sonstigen politischen Organisation angehöre. Ich halte es jedoch für ein gefährliches Anzeichen, wenn in unserem Blatt gegen 'politische Minoritäten und angeblich sektiererische Gruppen' polemisiert wird. Der Autor gibt damit einen Beweis seines Demokratieverständnisses. Der Leser wird ihn daran messen. Mag sein, daß man sich mit den Tatsachen abfinden muß. Mag sein, daß nur Anarchisten und ideologische Spinner unerträgliche Zustände als unerträglich empfinden. Die anderen schließen ihre blutigen Kompromiße; sie haben eine lange Übung darin. Wem graust noch vor dem Dritten Reich?
Im Detail: Im Absatz 1 spricht der Autor von den sogenannten 'Neuen Linken'. Das Wort 'sogenannt' wohlgemerkt ohne Anführungszeichen. Im Anschluß daran wird die DKP als stärkste linke Organisation bezeichnet. Von 'sogenannt' ist keine Rede mehr. Die Neuen Linken sind für den Autor nichts als ein paar 'ideologische Spinner'. Tja, wenn es zahlenmäßig mehr wären, dann sähe sich wohl unser Schreiber gezwungen im Synonymlexikon weiterzublättern."
Mit dem Vorwurf des Faschismus versuche Mahlein Verwirrung zu stiften, dieser aber sei ein Wesenselement des Kapitalismus.
"'Betrachten wir diese Schmierblättchen - Genossen, erst mal arbeiten und sparen, und wenn ihr dann viel Geld habt, dann bringt eure Thesen bitte im Vierfarbglanzdruck an den Mann.' ... Kollege, wo besteht denn die IG Druck und Papier außer den paar Hanseln in den Betrieben? ... 'Aber lohnt es sich wirklich, diesen demagogischen Rattenfängern soviel Raum zu widmen?' Natürlich lohnt es sich, man hat dann nämlich keinen Raum mehr für kritische Leserbriefe."

Die Diskussion aber wird sowohl von Redaktions- als auch von Leserseite fortgesetzt (vgl. 3.4.1972).
=druck und papier Nr.6,Stuttgart 20.3.1972

03.04.1972:
In der Nr.7 der 'druck und Papier' (vgl. 20.3.1972, 17.4.1972) der DruPa wird die Diskussion über die 'Neue Linke' (vgl. 20.3.1972, 1.5.1972) fortgesetzt, sowohl von Seiten der Redaktion als auch von der Leserseite, nachdem es auch bereits in anderen Zeitungen einen Widerhall gegeben hat (vgl. März 1972, 2.3.1972). Der Redakteur Eugen Stotz findet in einem Artikel "Ideologie und Gewerkschaft" die bisherige Auseinandersetzung nur wenig zufriedenstellend. Die Leserbriefe seien bestenfalls Versuche die 'Neue Linke' jeder konkreten Definition zu entziehen:"
Mit Eifer werden Zitate ausgegraben, auf ihre Echtheit überprüft und blutrot aufs Papier geklatscht - als ob Gesellschaftspolitik, Gewerkschaftspolitik mit Zitaten gemacht werden könnten! Just diese Vorliebe zum Zitat charakterisiert jedoch die 'Neue Linke' in ihrer Theorienseligkeit mehr als jedes andere Merkmal. ... Neu auftauchende, vom klassischen Marxismus-Leninismus nicht bereits geklärte und entschiedene, das heißt in die rote Theologie eingeordnete Probleme gibt es überhaupt nicht, sie sind Scheinprobleme, die die Wirklichkeit des Klassenkampfes oder des Kapitalismus und des Imperialismus verschleiern sollen. Punktum. Man hat den eigenen Kopf nicht, um selbst zu denken, sondern um Marx und Engels und Lenin zu lesen.

Diese ideologische Spintisiererei und diese Autoritätsgläubigkeit, dieser geradezu masochistische Verzicht auf eigene Originalität verurteilt die Neue Linke zu hoffnungsloser Unwirksamkeit. Durch das noch so inbrünstige Schwingen tibetanischer Gebetsmühlen, durch das Ableiern von Zitaten lassen sich Welt und Gesellschaft nicht verbessern. ...
...
Wenn die heutigen Marxisten den Gewerkschaften und speziell ihren Führungen mißtrauen, so können sie sich auch hier auf die heiligen Worte von Marx, Engels und Lenin berufen. Diese Propheten der Arbeiterbewegung haben in der Tat fast alles verurteilt, was die Arbeiterbewegung in ihrem Bestreben, das Leben des Proletariats erträglicher zu machen, in der Praxis unternahm. Es ist nicht zufällig, daß auch heute die Gewerkschaften und die Gralshüter des Marxismus-Leninismus in einem Spannungsverhältnis leben. ... Es sind objektive Notwendigkeiten, die die Gewerkschaften zwingen, sich von Marx- und Leninismen und allen anderen Heilslehren der 'Neuen Linken' zu distanzieren. Die dort geplante revolutionäre Veränderung der Gesellschaft wird die Gewerkschaften keineswegs unter ihren Vorkämpfern finden.

Marx hatte das - mit Bedauern - begriffen. Den Marxisten ist es bis heute verschlossen geblieben. Selbstverständlich auch vielen Gewerkschaftern, die sich selbst und ihre Aufgabe mißverstehen, sie aber dennoch erfüllen. Hierher rührt bei vielen das tiefe Unbehagen (Stichwort dafür: ist die Gewerkschaft eine Kampforganisation oder ein 'Ordnungsfaktor'?), das die Neue Linke heute zu mobilisieren sucht.

Das Schlagwort, das Schwarz-weiß-Klischee ist das Kennzeichen der ideologischen Auseinandersetzung. Gewerkschaftsarbeit jedoch vollzieht sich in den vielen Grautönen zwischen dem Schwarz und dem Weiß - und nur diese Grautöne entsprechen den Realitäten, dem Leben."

Von der Leserseite erscheinen drei Beiträge zur 'Neuen Linken', erstens aus NRW vom Ortsjugendausschuß des Ortsvereins Essen, zweitens von Peter Baumöller aus Düsseldorf und drittens aus Hessen von Emil Carlebach aus Frankfurt. Der OJA Essen, für den der Bezirksjugendleiter Rolf Adams sowie Wolfgang MacGregor, Wolfgang Mandzel, Ingbert Segmüller und Karl D. Bedbur zeichnen, versteht Mahleins Artikel als eine Kampfansage an die gesamte Linke. In ihm würden alle möglichen Gruppen in einen Topf geschmissen, obwohl lediglich DKP, SDAJ, Spartacus (Trotzkisten) (KJO,d.Vf.) und der Kommunistische Arbeiterbund (vermutlich gemeint ist der KAB/ML,d.Vf.) sich auf gewerkschaftliche Arbeit orientierten, während sämtliche maoistischen Organisationen eine unreflektiert anti-gewerkschaftliche Haltung einnehmen würden. Auch die Diffamierung aller Linken als Anarchisten und 'richtige Interpreten' von Marx, Lenin, Trotzki etc. findet keine Zustimmung. Im Gegensatz zu ihrem Vorsitzenden haben sich diese Mitglieder im Grundkurs ihrer Gewerkschaft mit dem Anarchismus befaßt und dabei gelernt, daß es durchaus Unterschiede zwischen Marxismus und Anarchismus gibt, von denen zwischen Trotzki und Stalin gar nicht zu reden. Auch die Methode eine Gruppe herauszugreifen und als repräsentativ darzustellen müsse als Demagogie bezeichnet werden:"
Uns kommt es darauf an, klarzustellen, was Ziel dieses Artikels ist, zu einem Zeitpunkt, wo große Unzufriedenheit der Tarifabschlüße wegen in der Mitgliedschaft ist: letzten Endes den Kolleginnen und den Kollegen den Buhmann Anarchismus um die Gehirne zu schmieren, damit sie nicht durch die Arbeit von Sozialisten und Kommunisten innerhalb der Gewerkschaften zu der Überlegung kommen, daß auch links von der SPD klare Vorstellungen und Alternativen zu finden sind. Und um dem zu begegnen, greift man zu Methoden wie Bauer, Springer & Co. Hat man einen Buhmann, packt man ihn mit allem, was einem politisch nicht paßt, in einen Sack und bezeichnet den Sack nach dem Buhmann und läßt die Anderen draufhauen. 'Beginn einer notwendigen Auseinandersetzung' wurde der Artikel genannt - hoffentlich verstehst du zumindest das Wort Auseinandersetzung richtig, Kollege Mahlein. Das heißt nämlich auch, andere zu Wort kommen zu lassen. Und wir werden uns auseinandersetzen, und zwar 1. mit Kollegen, die solche Artikel schreiben und 2. mit den studentischen Zirkeln, die außerhalb der Gewerkschaft Zellen züchten, aber anhand einer Wissenschaft - dem Marxismus!"

Peter Baumöller ist folgender Meinung:"
Die von unserem Vorsitzenden Leonhard Mahlein begonnene Auseinandersetzung mit der sogenannten 'Neuen Linken' kann nur begrüßt werden. Kollege Mahlein hat die Schädlichkeit anarchistischer Aktivitäten für die Arbeiterbewegung präzise belegt. Dazu brauchen keine neuen Fakten beigetragen zu werden. In zwei Punkten allerdings ist entschieden zu widersprechen:
1. handelt es sich nämlich bei Spartakus mit 'k' um die Studentenorganisation, die gemeinsam mit dem SHB den Verband Deutscher Studentenschaften kontrolliere. Wenn man die DKP von den linksradikalen Splittergruppen abgrenze, müsse man dies auch mit dem MSB Spartakus tun und
2. halte ich es für außerordentlich gefährlich, einen Begriff wie 'anarchistisch-linksfaschistische Sektierer' zu prägen. Der Anarchismus ist, wie Lenin völlig richtig feststellte, 'ein Produkt der Verzweiflung'. Er kann zweifellos gefährlich werden, aber in ganz anderer Weise, als es der Faschismus ist. Die Anarchisten mögen als Schreckgespenst dienen, um den faschistischen Mob zu organisieren und dann gegen die Arbeiterbewegung einzusetzen, sie deshalb aber mit dem Faschismus gleichzusetzen, ist nicht nur ungerecht, sondern kann nur der Verwirrung dienen. ...
Bei aller notwendigen Auseinandersetzung mit linkssektiererischen Erscheinungen darf die Erkenntnis nie aus den Augen verloren werden: Der Feind der Arbeiterbewegung steht rechts!"

Emil Carlebach hält Mahleins Artikel für zumindest mißverständlich, da sich u.a. sogar Springers 'Welt' darauf berufen könne (vgl. 2.3.1972):"
Mit Kollegen Mahlein wende ich mich gegen jeden, der unsere Gewerkschaft zerstören will. Ich halte es aber für ungeheuer gefährlich, das hinterhältige CSU-Wort vom 'Linksfaschismus' gegen irgendeine anarchistische oder trotzkistische Gruppe zu verwenden. Der Faschismus ist eindeutig eine Herrschaftsform, der Privatbesitzer der Produktionsmittel - und was man auch immer irgendeiner Anarchisten-Gruppe vorwerfen mag, es dient nur als Alibi für die Tiefbraunen ganz rechts, wenn man dann nach links hin mit dem Wort Faschismus operiert. Im Übrigen aber staune ich doch ein wenig, daß wir für eine Minderheit von ungefähr 60 Personen wie Kollege Mahlein schreibt, zwei Druckseiten unseres Zentralorgans verwenden. Ich bezweifle, daß die Anarchisten oder Trotzkisten unserer Gewerkschaft ernstlich gefährlich werden könnten. Ich fürchte allerdings, daß es Gefahren gibt, die ernster zu nehmen sind, denen gegenüber wir aber eine seltsame Zurückhaltung in unserem Zentralorgan verspüren. Ich glaube zum Beispiel, daß von der Politik des Ministers Schiller eine erheblich größere Gefahr für die Gewerkschaftsbewegung ausgeht, als von irgendwelchen Flugblattverteilern in München. Und aus dem Wort Loni Mahleins auf dem Gewerkschaftstag in Nürnberg, daß die SPD nicht nach dem beurteilt wird, was die FDP in der Regierung etwa verhindert, sondern nach dem, was sie selbst durchsetzt - aus diesem Wort sollte meines Erachtens unsere Gewerkschaft und auch das Zentralorgan unserer Gewerkschaft viel mehr Schlußfolgerungen ziehen."

Mit Mahleins Artikel befassen sich auch die ABG im Münchner Druckgewerbe (vgl. 17.4.1972).
=druck und papier Nr.7,Stuttgart 3.4.1972;
Roter Widerdruck Nr.9,München Apr. 1972

17.04.1972:
Im "Roten Widerdruck", der Betriebszeitung der "Betriebsgruppe der Arbeiter-Basis-Gruppen für die Druckindustrie", April 1972, Jg. 2, Nr. 9, erscheint der Artikel "IG-Druck-Führung gegen Arbeiter-Basis-Gruppen", der sich kritisch mit der Debatte um die 'Neue Linke' im "Zentralorgan" der IG DruPa befaßt:
Artikel „IG_Druck_Führung gegen Arbeiter_Basis_Gruppen“, aus: „Roter Widerdruck“, Betriebszeitung der Betriebsgruppe der ABG für die Druckindustrie, April 1972, Jg. 2, Nr. 9
=Roter Widerdruck Nr. 9,München April 1972

01.05.1972:
In der Nr.9 der 'druck und papier' (vgl. 17.4.1972, 15.5.1972) wird die Debatte über die 'Neue Linke' (vgl. 3.4.1972, 15.5.1972) fortgesetzt durch einen Leserbrief "Die Ratifizierung der Ostverträge geht vor!" von K.Littek aus Gelsenkirchen. Littek betont:
"Der Artikel unseres Vorsitzenden Leonhard Mahlein 'Die sogenannten Neuen Linken' ist, glaube ich, genügend beantwortet worden. Auf Seite 5 der Ausgabe vom 3. April hat ein Kollege in einem stark umrahmten Artikel: 'Ideologie und Gewerkschaft' ebenfalls auf Kollege Mahlein Bezug genommen. Dieser Kollege 'E. St.' hat sich an Fragen des Marxismus-Leninismus herangewagt, von denen er aber auch überhaupt nichts versteht. Bestensfalls hat er von Gegnern des Marxismus über diesen etwas gelesen, anders wäre sein Artikel nicht möglich. Soviel Mangel an Logik und anderen Schnitzern ist so einfach nicht zu beantworten, wollte man nicht Seiten füllen. Der Kollege 'E. St.' wird es nicht glauben, aber es gibt in unserer IG wirklich Kollegen, die inzwischen begriffen haben, daß ein Kopf, der Marx, Engels und Lenin gelesen hat, besser denken kann als die Köpfe jener Leute, die sich diese 'Arbeit' nicht gemacht haben und darum glauben, gerade damit oder dadurch in der Lage zu sein, sich eine 'eigene unabhängige' Meinung zu gewerkschaftlichen oder gesellschaftspolitischen Fragen bilden zu können. - Doch Schluß damit! Vorrang hat die Ratifizierung der Ostverträge."
=druck und papier Nr.9,Stuttgart 1.5.1972

15.05.1972:
In der Nr.10 der 'druck und papier' der DruPa (vgl. 1.5.1972, 29.5.1972) erscheint ein Leserbrief zur Debatte über die Neue Linke (vgl. 24.7.1972), welcher von Werner Enke aus Sennfeld stammt. Die Linken könnten Mahlein und Stotz ja, nach deren eigener Einschätzung, nicht gefährlich werden. "Aber offensichtlich ist dem nicht so! Anscheinend gibt es doch 'Maoisten' und ähnliche 'Spinner', die die marxistische Theorie auch in der Praxis anwenden können. Warum würde E. St. sonst so ins Schleudern geraten?

Nach meiner Meinung ist nicht der Artikel des Kollegen Mahlein der Beginn der Auseinandersetzung gewesen, sondern erst die Leserbriefe, auch wenn sie laut E. St. angeblich nur der Versuch sind, 'die Neue Linke der konkreten Definition zu entziehen'. Denn erst die Leserbriefe brachten eine Auseinandersetzung mit dem Thema, während das Andere aufgeschrecktes Gegacker blieb. Ich finde, daraus sollte man lernen.

Das heißt, in unser Zentralorgan gehören Artikel zu diesem Thema (Stichwort: ist die Gewerkschaft eine Kampforganisation oder ein Ordnungsfaktor?). Meinetwegen auch eine Definition (kein Geschimpfe) 'der Linken' vom Kollegen E. St.. Die Artikel zu diesem Thema können ruhig theoretisch sein, die Mitglieder können sicherlich eine Menge praktischer Erfahrungen beitragen."
Es folgt ein Bericht über die Wallraff-Veranstaltung der RJ/ML Schweinfurt (vgl. 25.11.1971), die der Gewerkschaftsjugend zuvor vom DGB-Vorsitzenden verboten worden war. "Die Frage, wer hier arbeitsfeindlich gehandelt hat, erübrigt sich. Und ich unterstütze die 'Spinner' auf das Wärmste, wenn sie gegen solche Extremisten in unseren Reihen vorgehen."
=druck und papier Nr.10,Stuttgart 15.5.1972

24.07.1972:
In der Nr.15 der 'druck und papier' (vgl. 10.7.1972, 7.8.1972) erscheint u.a. ein Leserbrief zur Debatte um die 'Neue Linke' (vgl. 15.5.1972, 21.8.1972), den Wilfried Bartusch für den Vorstand des Ortsvereins Sonthofen-Immenstadt der DruPa verfaßte. Dieser beschäftigt sich mit dem Artikel "Ideologie und Gewerkschaft" von Eugen Stotz (vgl. 3.4.1972), in dem der 'Neuen Linken' ein Verzicht auf eigene Originalität unterstellt worden war:
"Dein Vorwurf ... fällt allerdings auf dich zurück, da Du selbst es bist, der jede Originaliät vermissen läßt, und der reichlich unüberlegt über die 'Neue Linke' herzieht. Weiter fehlt in Deiner 'Beweisführung' die (notwendige) ideologische Determination. Die persönliche Originalität fehlt Dir vor allem deshalb, weil ausschließlich der Tenor der Bourgeoisie und des Kapitals sowie der Ton reaktionärer Haltung gegenüber progressiven Kräften in der Gewerkschaft anklingt."
=druck und papier Nr.15,Stuttgart 24.7.1972

21.08.1972:
In der Nr.17 der 'druck und papier' (vgl. 7.8.1972, 4.9.1972) veröffentlicht die DruPa u.a. einen Beitrag zur Debatte über die 'Neue Linke' (vgl. 24.1.1972). Ein Leserbrief von Adolf Kohnle aus Lindau antwortet auf den Leserbrief von Wilfried Bartusch aus Sonthofen-Immenstadt in der vorletzten Nummer (vgl. 24.7.1972):
"Gegen seine Absicht liegferte er nur reichlich abgegriffene Schlagworte, die aus der Propagandakiste der DDR-Machthaber stammen. ... Karl Marx und seine Genossen haben zu ihrer Zeit zweifellos richtig gehandelt. Aber was sollen Marx-Rezepte heute? Kalter Kaffee! Was in der DDR und in anderen kommunistisch-unfreiheitlich regierten Staaten trotz aller Lippenbekenntnisse nicht funktioniert, soll ausgerechnet für die Bundesrepublik Deutschland richtig sein? Bleiben wir doch auf dem Teppich!
...
Was die sogenannte 'Neuen Linke' (in Wirklichkeit ist es die alte Linke) propagiert, unterscheidet sich kaum von dem, was unseren unterdrückten Landsleuten in der DDR täglich unter die Weste gejubelt wird. Für diese Art der Menschheitsbeglückung hat die überwiegende Mehrheit der Mitglieder unserer Gewerkschaft bestimmt keinen Bedarf. Die Genossen von der sogenannten 'Neuen Linken'sollten es nicht zu weit treiben, sonst könnte es mit der Einheitsgewerkschaft in der Bundesrepublik nicht mehr lange gutgehen. Auch eine Schwächung der IG Druck und Papierdurch Austritte verprellter Mitglieder wäre kaum zweckdienlich. Es gilt den Radikalismus-Anfängen zu wehren!"
=druck und papier Nr.17,Stuttgart 21.8.1972

Valid HTML 4.01!   Valid CSS!


[ Zum Seitenanfang ]  [ Zur Hauptübersicht der Datenbank MAO ]