Frankfurter Kampfbund/Marxisten-Leninisten (FKB/ML): Bausteine - Beiträge zur Klassenanalyse, Jg. 1, Nr. 1, 1972

Oktober 1972:
In Frankfurt gibt der Frankfurter Kampfbund/Marxisten-Leninisten (FKB/ML) vermutlich im Oktober seine 'Bausteine - Beiträge zur Klassenanalyse' Nr. 1 heraus. C. Cordel, Mitglied des Frankfurter Kampfbund/Marxisten-Leninisten (FKB/ML) veröffentlicht den folgenden Artikel: "
ZUR PROGRAMMATISCHEN ARBEIT DER REVOLUTIONÄREN BEWEGUNG

Seit ca. 1 1/2 Jahren entwickelt sich in der revolutionären Bewegung eine, wenn auch nur sehr schwache, Auseinandersetzung um das Programm der Kommunistische Partei. Wesentlich dazu beigetragen, aber ungewollt und im negativen Sinne, hat der Avantgardezirkel 'Roter Morgen' (KPD/ML-ZK, d.Vf.). So wurde im Dez. 1970 (vgl. Dez. 1970, d.Vf.) mit dem Artikel 'Zwei Wege des Westdeutschen Imperialismus' und einer Reihe folgender Artikel und Thesen und einer intern diskutierten, gleichlautenden Grundsatzerklärung eine neuerliche Variante der revisionistischen Imperialismustheorie von den 'zwei Fraktionen' des Finanzkapitals aufgelegt. Durch die daraus erfolgenden inneren Auseinandersetzung und die Kritik von außen (Rote-Fahne-Bochum-Zirkel (KPD/ML-ZB, d.Vf.)) wurde der Zerfall des 'Roten Morgen'-Zirkels eingeleitet, wodurch gleichzeitig eines der größten Bollwerke gegen eine offene, ehrliche und klassenbewußte Polemik um das Kommunistische Programm zerfiel. Denn seit der Gründung des allerersten Zirkels mit Parteianspruch hat ihre selbsternannte Führungsclique einen ganz extremen zirkelbornierten Standpunkt vertreten. Mit keinem anderen Zirkel oder einer ganzen Gruppe wurde ein solidarischer, klassenbewußter politisch-ideologischer Kampf geführt, sondern alle anderen Zirkel und Gruppen hatten sich gefälligst dem 'revolutionären ZK unter der Führung von Ernst Aust' unterzuordnen, sonst wurden sie in übelster Weise beschimpft. Nicht die Methode der Überzeugung wurde benutzt, sondern die der Einschüchterung und des Phrasendreschens. Obwohl dieser arrogante, selbstherrliche Verein die theoretisch-programmatische Arbeit zu seiner wichtigsten politischen Aufgabe erklärte, brachte er nichts außer revisionistischem Dreck und phrasenhaftem Gedresche zustande. Dieses Bollwerk von Dummheit und Reaktion prägte einen Stil, den alle anderen Nachfolgeparteien KJVD, AO, KABD nachahmten. Durch seinen inneren Zerfall ist daher auf dem Wege zur KP EIN wichtiges Hindernis verschwunden. Die linksradikale Restclique dieses Haufens um den Schauspieler Aust nimmt heute niemand mehr ernst, sie versucht vergeblich, dem stinkenden Leichnam neues Leben einzuhauchen. Wer kann auch einen Menschen ernst nehmen, der wie Aust sich im Februar (vgl. Feb. 1972, d.Vf.) in Frankfurt frech hinstellt und verspricht, in einem 3/4 Jahr haben wir das Programm fertig! Diese Clique kann daher ihre paar Leute nur noch zusammenhalten, weil sie FASCHISTISCHE GEFOLGSCHAFTSDISZIPLIN von ihren Mitgliedern verlangt. So hatten in Albanien die Mitglieder einer Rote-Morgen-Reisegruppe STRIKTES REDEVERBOT mit Genossen anderer Zirkel, und bei der Demonstration in München zum Antikriegstag (RAKT - vgl. 2.9.1972, d.Vf.) durfte der FKB/ML im Block des Roten Morgen seine Flugblätter nicht verteilen.

Seitdem also 'blühen 100 Blumen'. An allen Orten und auf allen Ebenen der revolutionären Bewegung wächst das Bewußtsein über die Bedeutung der programmatischen Arbeit, entstehen einzelne Beiträge dazu.

Eine revolutionäre Gruppe hatte allerdings schon früher den Stellenwert der theoretischen Arbeit für eine deutsche KP erkannt und praktisch zu verwirklichen versucht: die Gruppe um das Heidelberger Rote Forum, später Neues Rotes Forum (NRF, d.Vf.). Diese Gruppe kommunistischer Studenten hatte sich schon damals laut und vernehmlich gegen das 'Gründungsfieber' und den 'Parteischwindel' der ML-Bewegung gewandt und als vordringlichste Aufgabe des Parteiaufbaus die ideologische Vereinheitlichung und öffentliche theoretische Auseinandersetzung zwischen den Zirkeln propagiert und realisiert (vgl. Rotes Forum 1/70, 2/70 (vgl. Feb. 1970 bzw. 15.4.1970, d.Vf.).

Nur, bis zum Zerfall des Bollwerks Roter Morgen waren die Genossen vom Roten Forum einsame Rufer in der Wüste. Alle vier Avantgardezirkel fanden es unter ihrer Würde, als einzig Höchstbevollmächtigte des Proletariats sich mit den 'Studenten' des RF, später NRF, auseinanderzusetzen.

Im Jahre 1971 und im 1. Halbjahr 1972 nahmen jedoch die Veröffentlichungen und Kritiken zum Kommunistischen Programm stark zu. Der PARTEIZIRKEL ROTE-FAHNE BOCHUM brachte neben einer fundierten Kritik an der Zwei-Wege-Theorie ernsthafte, programmatische Beiträge zur 'antifaschistisch-demokratischen Revolution in Deutschland 1945 - 1949' und zur Weltlage in den 60iger Jahren heraus (vgl. Bolschewik Nr. 6 und 7 (vgl. Jan. 1971 bzw. 31.5.1971, d.Vf.)). Das NEUE ROTE FORUM veröffentlichte eine Programmatische Erklärung, Thesen zur Mittelklasse, zum Begriff produktive-unproduktive Arbeit, Arbeiten über die imperialistischen Widersprüche in den 70er Jahren, Stellungnahmen zur Parteifrage und Aufgabe von Zirkeln (vgl. NRF 3/70, NRF 3/71, NRF 4/71, NRF 5/71, NRF 2/72 (vgl. 16.12.1970, 1.6.1971, Okt. 1971, 29.11.1971 bzw. Mai 1972, d.Vf.)).

Der KOMMUNISTISCHE BUND/MARXISTEN-LENINISTEN WESTBERLIN (KB/ML, d.Vf.) veröffentlichte eine ausführliche Einschätzung der Weltwidersprüche, des westdeutschen Imperialismus und der westdeutschen Arbeiterbewegung (vgl. Kommunist 4/5/71 (vgl. Dez. 1971, d.Vf.).

die KOMMUNISTISCHE INITIATVE KÖLN (KIK, d.Vf.) nimmt Stellung zur nationalen Frage und zur Frage der US-Besatzer in Deutschland (vgl. Der Klassenkampf, Nr. 4/5/6/71 (vgl. Dez. 1971)).

Die KOMMUNISTISCHE GRUPPE KÖLN (KGK, d.Vf.) veröffentlicht eine Grundsatzerklärung, kritisiert verschiedene revolutionäre Organisationen und ernsthaft die Imperialismustheorie der DKP (vgl. Theorie und Praxis Nr. 8, 12 (TUP - vgl. 22.11.1971 bzw. Juli 1972, d.Vf.))

Der neu gegründete KOMMUNISTISCHE BUND NORD, früher SALZ und KAB-HH, analysiert den Osthandel und die imperialistischen Ziele der westdeutschen Bourgeoisie, gibt einen historischen Überblick über die Klassenkämpfe in der BRD seit 1945, nimmt Stellung zur Parteifrage und den politisch-organisatorischen Aufgaben der Zirkel (vgl. KAB-Revisionismuskritik 3, KB-Unser-Weg-Revisionismuskritik 4, Unser Weg Nr. 13/14 (vgl. S50f.197*, **.*.1972, Dez. 1971 bzw. Jan. 1972, d.Vf.)).

Diese Beiträge zur Kommunistischen Programmatik sind natürlich alles andere als fehlerfrei, was die meisten Organisationen auch freimütig zugeben (nicht so ZB), daher fordern auch alle Organisationen zur breiten Auseinandersetzung und Kritik auf. Trotzdem kommt die Polemik nicht so recht in Gang. Woran liegt das?

Unserer Meinung nach liegt die Ursache für die schwache, zerfahrene und zersplitterte Arbeit an der Kommunistischen Programmatik, in einem zirkelbornierten Standpunkt. Jede Gruppe veröffentlicht spontan das, was so mehr oder weniger zufällig Genossen des Zirkels untersucht haben, oder was der Zirkel aus praktischem Eigeninteresse gerade mal untersucht hat. Daher sind die bearbeiteten Themen auch insgesamt völlig wahllos und durcheinander: mal nationale Frage, mal Ostpolitik, mal Zwischenschichten, mal DKP, mal spontane Bewegung, mal Gewerkschaftsfrage. Hat ein studentischer Genosse ein Referat oder eine Diplomarbeit für die Uni geschrieben und fällt das irgendwie in die Programmatik, wird es veröffentlicht als 'Beitrag zur Klassenanalyse'. Doch mit der gesamten theoretischen Arbeit aller Zirkel setzt sich fast niemand und kein Zirkel auseinander, niemand verschafft sich einen Gesamtüberblick, niemand versucht in die programmatische Arbeit der revolutionären Bewegung eine Linie reinzubringen.

Genossen! Mit diesem Spontaneismus, dieser Zirkelborniertheit und dem Ressortgeist müssen wir brechen! Der erste Schritt raus aus diesem Subjektivismus ist eine Auseinandersetzung unter allen Zirkeln über die wesentlichen noch offenen und strittigen Fragen der Kommunistischen Programmatik. Denn nur über die wissenschaftliche fundierte Klärung dieser Fragen und die Polemik darum wird die revolutionäre Bewegung entscheidend geeint, theoretisch wie praktisch, kann eine klare Trennung zwischen Marxismus-Leninismus und bürgerlicher Ideologie erfolgen.

Nur wenn die theoretischen Widersprüche zwischen den Zirkeln klargelegt und eventuell beseitigt sind, ist erst überhaupt die Möglichkeit gegeben, wirklich eng miteinander praktische Politik zu machen. Einheit ist daher zunächst einmal ABGRENZUNG! Durch diesen ersten Schritt kann auch der übliche Dogmatismus und Schematismus, wie auch die ekelhafte Marx-Engels-etc.-Schriftauslegung bekämpft werden.

Die Arbeit an Klassenanalyse und Programm BEGINNT DAHER mit der Polemik um die wesentlichsten, strittigen Fragen der revolutionären Bewegung in der BRD und in der Welt überhaupt.

Was ist unsere Meinung dazu?

1.) Wir meinen, daß wir die entscheidenden programmatischen Fragen der westdeutschen Revolution, die noch zu lösen sind, nur durch die Verbindung eines ernsthaften Studiums der Klassiker mit der aktuellen objektiven und subjektiven Bewegung der Klassen und der revolutionären Bewegung herausfinden können. Denn die eigentlichen Probleme der westdeutschen Revolution können wir weder einfach aus der Tagespolitik, aus dem aktuellen Stand der Klassenkämpfe und der aktuellen Polemik in der revolutionären Bewegung entnehmen, noch einfach aus den gesammelten Werken der Klassiker. Das Programm legt die Politik der Kommunisten, die Strategie bis zur Revolution, fest, das aber heißt, daß wir die allgemeinen und besonderen Gesetzmäßigkeiten der westdeutschen Revolution erkennen müssen, um wissenschaftlich fundiert auch Stellung zur aktuellen Lage und Bewegung nehmen zu können. Indem wir Schulungs- und Untersuchungsarbeit und praktische Propagandaarbeit miteinander verbinden, können wir schrittweise zu diesen Erkenntnissen kommen.

2.) Über den Charakter der wichtigsten Fragen der westdeutschen Revolution können wir folgendes sagen: es geht dabei vor allem um die BESONDERHEITEN des westdeutschen Imperialismus und der westdeutschen Revolution. Denn, daß wir uns hier in der BRD allgemein im imperialistischen Stadium des Kapitalismus und des weltweiten Sieges des Sozialismus befinden, das ist nicht zu beweisen. Darüber kann es eigentlich unter Kommunisten keine wesentlichen Auseinandersetzungen geben. Unsere Probleme bestehen i.w. darin, in welcher besonderen, konkret historischen Form der BRD-Imperialismus sich entwickelt und was das für Folgen für die westdeutsche Revolution hat. Darum geht die Auseinandersetzung. Dabei müssen wir natürlich auch revisionistische, reformistische und anarchistische Verfälschungen des wissenschaftlichen Sozialismus konkret und prinzipiell entlarven und bekämpfen (wie z.B. die Zwei-Wege-Theorie oder die Generallinie der Gewalt der RAF und Konsorten).

'Wir betrachten die Marxsche Theorie durchaus nicht als etwas Abgeschlossenes und Unantastbares: wir sind im Gegenteil überzeugt, daß sie nur die Grundpfeiler jener Wissenschaft geschafft hat, die die Sozialisten in allen Richtungen weiterentwickeln MÜSSEN, wenn sie nicht hinter dem Leben zurückbleiben wollen. Wir sind der Meinung, daß für die russischen Sozialisten eine SELBSTÄNDIGE Aufarbeitung der Marxschen Theorie besonders notwendig ist, denn diese Theorie liefert nur die allgemeinen LEITENDEN Sätze, die im BESONDEREN in England anders als in Frankreich, in Frankreich anders als in Deutschland, in Deutschland anders als in Rußland anzuwenden sind.' (W.I. Lenin, Unsere Programme, LW, Bd.4, S. 205/6).

Zur Erinnerung, welche Ansprüche wir in diesem Sinne an unsere Arbeit stellen müssen, die Kernpunkte über die Besonderheit des Widerspruchs aus Mao Tse-tungs Schrift 'Über den Widerspruch' kurz zusammengefaßt. Danach müssen wir bei der Analyse des besonderen Wesens eines Dings beachten:

1. ALLE Widersprüche, die innerhalb und außerhalb wirken,
2. BEIDE Seiten eines jeden Widerspruchs,
3. Die einzelnen ENTWICKLUNGSETAPPEN der einzelnen Widersprüche und des gesamten Dinges,
4. Die KLASSENBASIS gesellschaftlicher Widersprüche, der einzelnen Seiten und Etappen der Widersprüche,
5. Den HAUPTWIDERSPRUCH als den besonderen Widerspruch unter all den vielen Widersprüchen, der grundlegend für die Entwicklung der Sache ist,
6. Die HAUPTSÄCHLICHE SEITE eines jeden Widerspruchs und die Verwandlung und Entwicklung eines jeden Widerspruchs über quantitative Veränderungen zum qualitativen Sprung, mit dem der Charakter des Widerspruchs sich ändert. (vgl. Mao Tse-tung, Werke Bd.I, S. 375-388; ähnlich W.I. Lenin, Bd.38, Konspekt zur Wissenschaft der Logik, S. 212-214 und zur Frage der Dialektik, S. 338).

3.) Unsere ersten Vorstellungen über die wesentlichen Fragen der westdeutschen Revolution seien kurz dargestellt:

A. BESONDERHEITEN AUFGRUND DER GESCHICHTE DEUTSCHLANDS

1. DIE URSACHEN UND FOLGEN DER REVOLUTION 1918-1923

Dazu meint z.B. der KJVD (Bolschewik Nr. 6), daß das Junkertum als Klasse dadurch keineswegs ökonomisch und politisch liquidiert war, sondern weiterhin eine soziale Ursache für den Revanchismus und Militarismus in Deutschland war und heute noch ist! Daher spricht er von der 'Vollendung der bürgerlichen Revolution' in der DDR 1947/1948 und von ihrer Notwendigkeit heute noch in der BRD! Aus unserer, allerdings nur lückenhaften Kenntnis der Zusammensetzung des deutschen Finanzkapitals vor und nach 1918 und seines Einflusses auf die Regierung bestreiten wir diese Thesen entschieden. Unserer Meinung nach war dem ostelbischen Junkertum jegliche wesentliche und besondere ökonomische und politische Rolle mit dem Verlust der oberschlesischen Kohlezechen und Stahlkonzerne genommen. Vor 1918 hatte es sich im Bündnis mit der Bourgeoisie zu eigenen Kapitalisten in diesem Gebiet entwickelt und daher diese besondere Rolle gespielt. Bloßer Großgrundbesitz rechtfertigt nicht, von Junkertum als besondere soziale Klasse zu sprechen, da es ja Leibeigene keineswegs mehr gab. Wer aber der reaktionären Rolle von unbedeutend gewordenen sozialen Resten des Feudalismus besonderen Wert zumißt, der erweckt damit den Eindruck, als ob die Monopolbourgeoisie weniger reaktionär wäre!

Ansonsten gibt es zu dieser Frage keinen wesentlichen Beitrag der revolutionären Bewegung, obwohl doch sicher das Scheitern der Revolution von 1918 - 1923 die Niederlage gegen den Faschismus mit beeinflußte!

2. DIE URSACHEN UND FOLGEN DER NIEDERLAGE GEGEN DEN FASCHISMUS

Hier ist besonders die Rolle der KPD und Komintern umstritten, ihre 'linken' Theorien vom 'Sozialfaschismus' und vom 'Faschismus als Übergangsstadium zur Revolution', sowie dann die rechten Theorien von der Einheitsfront und Volksfront des VII. KI-Kongresses.

Während der KJVD i.w. die Politik der KI und der KPD und gerade auch die von Ulbricht für völlig richtig hält, kritisieren das der KB-Nord, der KB/ML Westberlin und das NRF (vgl. KAB-Revisionismuskritik Nr. 3, Kommunist 4/5-71, NRF 3/72 (vgl. Aug. 1972, d.Vf.)).

Kritisiert wird die unzulängliche Bolschewisierung der KPD, die linksradikale Einschätzung der SPD, die revisionistische These von den zwei Fraktionen der Finanzoligarchie, wo angeblich nur ein Teil der Monopolbourgeoisie hinter dem Faschismus stehen soll, die unzulängliche Einschätzung des Faschismus, der bald zusammenbrechen sollte, dessen Partei ihr Monopol nicht lange aufrecht erhalten konnte, die unzulängliche Vorbereitung auf den bewaffneten und illegalen Kampf, was gerade von Ulbricht sabotiert worden sei.

Im einzelnen können wir dazu noch nicht Stellung beziehen. Aber unser prinzipieller Standpunkt ist klar. Kommunisten müssen kritisch die objektiv notwendigen und die vermeidbaren Fehler der internationalen kommunistischen Bewegung und gerade der deutschen analysieren. Schließlich kann der Revisionismus nur erklärt werden, indem man annimmt, daß immer mehr einzelne Fehler gemacht, aber nicht korrigiert wurden, bis sie sich immer mehr summierten und dann Quantität in Qualität umschlug, aus nicht-antagonistischen Widersprüchen antagonistische werden. Ein kleinbürgerlicher Standpunkt wie etwa ein Stalin- oder Dimitroff-Kult ist Verrat an den revolutionären Zielen dieser Führer des internationalen Proletariats. Nichts ist typischer für den kleinbürgerlichen Charaker der Avantgardezirkel, daß sie aus dem antiautoritären Modehelden Che-Guevara einen Stalin-Bürgerschreck-Kult machten! Wir meinen, nur der steht auf dem Standpunkt der Generallinie, der auch konkret an die Verdienste und Fehler Stalins in Bezug auf Die Politik der KPD und Komintern zum Faschismus eingeht. 'Die Verdienste und Fehler im Leben Stalins sind objektive historische Tatsachen. Doch sind seine Verdienste im Vergleich mit seinen Fehlern größer. …In der internationalen kommunistischen Bewegung gab er ebenfalls einige falsche Ratschläge.' (Generallinie) Wir müssen die Fehler nicht vertuschen, sondern erkennen, um sie zu vermeiden, und trotzdem zur KPD und KI und zu Stalin als Revolutionäre stehen!

3. DIE SPALTUNG DEUTSCHLANDS UND DIE ANTIFASCHISTISCH-DEMOKRATISCHE REVOLUTION IN DER SBZ-DDR

Hierzu hat der KJVD umfangreiche Stellung bezogen.

Korrekt ist zwar der hauptsächliche Inhalt seiner Einschätzung der antifaschistisch-demokratischen Revolution als eine Art neudemokratische Revolution, die unter der Führung der KP in eine sozialistische Umwälzungsphase übergeht. Richtig ist auch, daß die dazu notwendigen Bedingungen nach 1945 zeitweilig gegeben waren, während die Bedingungen für eine direkte sozialistische Revolution fehlten.

Diese Bedingungen waren jedoch für Ganz-Deutschland nur bis ca. 1947 gegeben. Denn 1947 setzte in der Taktik des US-Imperialismus eine Wende ein, er machte klare Front gegen die SU und die aufbrandenden nationalen und sozialen Revolutionen in aller Welt. Westdeutschland wollte er zu seiner europäischen Speerspitze machen. Auch SU, SED und KPD mußten daraufhin ihre Taktik ändern: antiimperialistischer Kampf nur in den Westzonen, in der SBZ Aufbau des Sozialismus. Diesen Wechsel nahmen KPD und SED jedoch erst … (unleserlich, d.Vf.) später vor.

Der KJVD untersucht diese Situation nicht materialistisch und kritisch, sondern folgt sklavisch einer neuen 'Kolonialisierungstheorie', die er in den DWI-Berichten (3/1950 - vgl. S52*.1950, d.Vf.) gefunden hat, und walzt sie auch noch breit aus. Danach wird der Unfug behauptet, dieUS-Imperialisten hätten nach dem 2.Weltkrieg ganz Westeuropa kolonialisiert, unter anderem auch Großbritannien und Frankreich! (vgl. Bolschewik 6, S. 16ff) Doch Kolonien haben keine staatliche Eigenständigkeit, keine eigene militärische Macht. Während der Faschismus im Osten wie im Westen genau eine Kolonialisierungspolitik auch mit seinen imperialistischen Konkurrenten betrieb, ihre staatliche, militärische und politische Eigenständigkeit zerschlug, Statthalter und Kompradoren einsetzte, kann man das von den US-Imperialisten wirklich nicht behaupten. Trotz seiner starken Vormachtstellung konnte sich das der US-Imperialismus wegen der Weltlage gar nicht leisten, selbst wenn er es gewollt hätte. Dazu hätte er genau dieselben faschistischen Methoden wie Hitler-Deutschland anwenden müssen. Auch wäre das weltpolitisch dumm gewesen, weil ein imperialistisches Bündnis unter Führung der US-Imperialisten gegen das sozialistische Lager effizienter ist als ein imperialistisches Kolonialreich. Der KJVD setzt das alles einfach gleich, als ob es zwischen deutschem Faschismus und US-Imperialismus damals keinerlei wichtige Unterschiede gegeben hätte! Außerdem, wo sind eigentlich die europäischen Befreiungskriege geblieben? Heute hält der KJVD ja die westdeutschen Staaten für unabhängig!

Konkret: In der Weltwährungskonferenz von Bretton-Woods (vgl. S52**.19**, d.Vf.) gab es einen hart umkämpften Kompromiß zwischen den USA und Großbritannien; Kompromisse machen Bündnispartner, nicht Kolonien und Mutterland! - In der NATO haben Großbritannien und Frankreich 1948 wichtige Positionen erhalten. Schon bald nach 1945 war auch Großbritannien Atommacht, Frankreich schaffte es in den Fünfzigern. Großbritannien, Frankreich, Niederlande und Belgien usw. besaßen zunächst noch weiterhin große Kolonialreiche, während die USA damals nur ganz wenige Kolonien besaßen (Philippinen, Mittelamerika); so schwach waren die westeuropäischen Imperialisten also auch wieder nicht!

Und inwieweit wurde Deutschland kolonisiert?

Für die Phase der Entwicklung, wo man eine Kolonialisierung am ehesten akzeptieren kann, für die direkte Nachkriegszeit von 1945 - 1947, spricht der KJVD NICHT von Kolonialisierung, sondern von 'Plünderungsphase'! An die schloß sich erst 1947 dann die Kolonialisierung an. Diese begriffliche Differenzierung ist falsch. Jede Kolonie wird ORGANISIERT geplündert, bis 1947 fand das in Westdeutschland statt, während das nach 1947 eingeschränkt und beendet wurde. Bis 1947 kann man sagen, daß Westdeutschland kein eigenständiger Staat war, ohne eigene Regierung, militärische Macht; ökonomisch sollte es zum Rohstoffanhängsel der Imperialisten werden. Statthalterregierungen beherrschten das Gebiet total. Aber 1947 trat die berühmte Wende ein. Westdeutschland sollte ein eigenständiger Staat werden, deutsche Gesetzgebung und Rechtsprechung eingeführt werden. Die deutsche Monopolbourgeoisie wurde wieder in ihre ökonomischen und politischen Machtpositionen eingesetzt, eine westdeutsche Armee heimlich wieder aufgebaut. Ja, die Machtstellung der westdeutschen Finanzoligarchie war sogar stärker als je zuvor im Verhältnis zum beherrschten Volk. Und sie wurde vom amerikanischen Imperialismus bevorzugt behandelt und gegen die anderen europäischen Monopolbourgeoisien als Druckmittel benutzt! Dann wurde die BRD gleichberechtigter Partner in der Montan-Union, EVG-Plänen, schließlich in der NATO. 1952/53 regelte außerdem das Londoner Schuldenabkommen (vgl. 27.2.1953, d.Vf.) die Finanzschuld des Deutschen Reiches, die die BRD günstig übernahm und dadurch wieder Kredit aufnehmen konnte. Die Reparationen wurden auf den St. Nimmerleinstag vertagt.

Diese reale Entwicklung widerspricht völlig der These des KJVD von der Kolonialisierung und der Behauptung, die westdeutsche Monopolbourgeoisie hätte sich 'bedingungslos unterworfen' (Bolschewik 6, S. 29). Das ist Quatsch! Die BRD-Imperialisten wurden ab 1947/1948 zu einem Bündnispartner der US-Imperialisten, zunächst waren sie zwar schwach, wurden aber ständig stärker. Die weiter unten wiederabgedruckte DWI-Berichte von 1956 sprechen mit keinem Wort von Kolonialisierung und auch Stalin, den der KJVD für sich sprechen läßt, ist keineswegs dieser Meinung, er spricht von Bündnispartnern und von der Unstabilität der Bündnisse und der Vorherrschaft der US-Imperialisten (vgl. J. Stalin: Die ökonomischen Probleme des Sozialismus, S. 39-45). Allerdings ist es wiederum nicht so, als ob der westdeutsche Imperialismus heute schon wieder VOLLSTÄNDIG seine imperialistische Eigenständigkeit erlangt hat, wie es der KJVD wiederum behauptet (Bolschewik 7, S. 25), wobei er gar nicht erklären kann, wie er eigentlich als Kolonie so einfach dazu gekommen ist! Vielmehr gibt es beachtliche Reste von Unselbständigkeit: die Deutschlandverträge und die Besatzertruppen, sowie den Verzicht auf die Herstellung von Atombomben IN der BRD. Gerade diese Besonderheiten müssen wir richtig einschätzen, wenn wir die Politik der westdeutschen Imperialisten, z.B. ihre Ostpolitik, richtig einschätzen wollen. Diese Politik ist nämlich vor allem darauf gerichtet, diese Reste von Unselbständigkeit und Abhängigkeit zu beseitigen, ohne daß gleich die ganze Welt hellhörig wird! (Zu dieser ganzen Entwicklungsphase des deutschen Imperialismus ist unserer Meinung nach der unten wieder veröffentlichte DWI-Bericht von 1956 korrekter als die KJVD-Broschüre!)

B. INNERE BESONDERHEITEN DER WESTDEUTSCHEN REVOLUTION

1. DER HAUPTFEIND DER REVOLUTION. DIE MONOPOLBOURGEOISIE, IHRE BESONDERE ÖKONOMISCH-POLITISCHE STÄRKE WÄHREND DER WIEDERERRICHTUNG IHRER HERRSCHAFT

Der KB Nord entwickelt die These, daß seit ca. 1947/1948 die westdeutsche Monopolbourgeoisie in der OFFENSIVE gegenüber der Arbeiterklasse ist. Denn die Arbeiterklasse habe bei fast allen ökonomischen und politischen Kämpfen der Nachkriegszeit Niederlagen erlitten (vgl. Unser Weg, Nr. 13, S. 5ff). Der KB Nord bleibt allerdings bei einer bloßen Feststellung dieser Lage stehen, ohne sie jedoch polit-ökonomisch zu erklären. Der Westberliner KB/ML arbeitet den besonders hohen Ausbeutungsgrad der westdeutschen Arbeiterklasse und damit die besonders hohe Akkumulation des Kapitals in der BRD heraus (ähnlich lauten die Ergebnisse des Gesetzes der ungleichmäßigen Entwicklung in: DWI-Bericht 3/1956, S. u.) Dabei sieht er bis 1955 eine extensive Akkumulation des Kapitals (unveränderte organische Zusammensetzung) und erst ab 1957-1962 eine intensive Akkumulation durch Weiterentwicklung der Produktivkräfte (erhöhte organische Zusammensetzung). Damit gibt er eine innere Bedingung für das recht späte Einsetzen des Krisenzyklus in den 60er Jahren an. Diese besonders günstige ökonomische Lage hat nach Meinung des KB/ML drei wichtige Ursachen:

- a) die Arbeitskraft war besonders billig, da eine große Reservearmee bestand und ständig aus dem Osten neue Arbeitskräfte zuströmten;
- b) durch besondere Maßnahmen erhöhte der Staat die Maximalprofite der Monopole;
- c) bestimmte Industriezweige expandierten besonders stark, weil sie auf dem Weltmarkt ihre Waren gut absetzen konnten (Produktionsmittelindustrie).

Aus diesen Erklärungsversuchen werden dann besondere Schwierigkeiten (Schwächen) bei der weiteren Expansion abzuleiten versucht.

a) Bei den zunehmenden Schwierigkeiten, die Ausbeutung der Arbeitskraft zu erhöhen, wird die Wissenschaft vermehrt als 'Produktivkraft' verwandt. Folgen für die Klassenbewegungen: die nichtproletarischen Schichten und der 'tertiäre Sektor' werden für den Kapitalismus eine größere Rolle spielen, die Widersprüche werden sich daher weiter zu Ungunsten des Kapitals verschärfen: Bei der daraus abgeleiteten Abgrenzung des Proletariats verlassen die Genossen des KB/ML allerdings den Boden des Marxismus, wenn sie die nichtproduktiven und indirekt produktiven Lohnarbeiter zum Proletariat zählen (vgl. auch NRF-Kritik 3/72).

b) Der Faschismus wird eingeschätzt als 'gewaltsamer Prozeß, um die gewachsenen Macht- und Kräftekonstellationen innerhalb der Kapitalistenklasse auf nationaler und internationaler Ebene und zwischen den Klassen umzuverteilen', die Bourgeoisie befindet sich dann also in einer grundlegenden Schwäche (vgl. Kommunist, S. 113). Daraus leiten sie dann eine andere Einschätzung der Sozialdemokratie ab, als die vom 'Zwillingsbruder des Faschismus' (Stalin, Bd.6, S. 253), weil die Sozialdemokraten selber Gegenstand des faschistischen Angriffs sind. Der antiimperialistische Kampf darf daher nicht als eigenständige Kampfform geführt werden, sondern nur unter der zentralen Perspektive des Kampfes für die Errichtung der Diktatur des Proletariats. Kurz, wenn die Bourgeoisie also wegen ihrer Schwächeposition zum Faschismus greifen muß, muß das Proletariat OFFENSIV im antifaschistischen Bündnis auch mit den Mittelschichten für den SOZIALISMUS kämpfen.

Diese Thesen widersprechen natürlich denen des KJVD. Das widerspricht aber auch dem KB-Nord, der zwar auch von einer 'raschen Verschärfung der Widersprüche' und baldigen umfangreichen Klassenkämpfen ausgeht, aber wegen des Fehlens von wirklichen Kommunistischen Parteien in den meisten westeuropäischen Ländern sieht er auch dann noch die Arbeiterklasse notwendig in der DEFENSIVE und propagiert daher den DEMOKRATISCHEN ABWEHRKAMPF gegen den drohenden Faschismus (vgl. Unser Weg 13, S. 12, 17).

Wir können zu diesen wirklich konträren Einschätzungen z.Zt. noch nicht i.e. Stellung beziehen, beide Argumentationen haben einleuchtende Argumente, beide sind aber in gewisser Weise einseitig. Der KB/ML Westberlin berücksichtigt nicht den Stand der Parteibildung, ohne KP und ohne breites sozialistisches Bewußtsein in der Arbeiterklasse gibt es keinen Kampf für den Sozialismus. Der KB-Nord berücksichtigt nicht, daß die Bourgeoisie nur dann zum Faschismus greifen wird, wenn sie es muß, wenn sie also in eine tiefe politische und ökonomische Krise gerät, d.h. sie ist eigentlich in der Defensive und versucht durch die faschistische Offensive wieder Boden zu gewinnen. Deswegen ist der Faschismus nicht einfach nur die Politik der Gewalt, sondern ein qualitativer Bruch mit der demokratischen Republik, eine besondere Gewalt-Politik. Durch das 'kleinere Übel' SPD wird diese objektive Entwicklung in keinster Weise hinauszuzögern oder zu behindern sein, wie das der KB-Nord glaubt und deshalb vorschlägt, SPD zu wählen! (vgl. Arbeiterkampf 20/21 (vgl. Juli bzw. Sept. 1972, d.Vf.)).

c) Die besonders extreme Exportorientierung des westdeutschen Kapitals bringt zunehmende Schwierigkeiten fürs Kapital:

- Die hohen Disproportionen zwischen Konsumgüterindustrie und Produktionsmittelindustrie (60% des Exports entfällt auf die Produktionsmittel) werden sich immer stärker von der optimalen inländischen Rate entfernen, so daß die Produktionsmittelindustrie immer mehr von der Entwicklung des Weltmarktes abhängt.

- Da in den 70ger Jahren die Steigerungsraten im Außenhandel eh zwischen den Industrienationen abnehmen werden, weil eine gewisse Bedarfsättigung in den Metropolen besteht, die Integrationseffekte der EWG auslaufen und die USA und England seit längerem stagnieren, besteht für das westdeutsche Kapital eine besonders große Gefahr für Exporte und Beschäftigung.

- Ein weltweiter Protektionismus setzt ein, der Kapitalexport wird verstärkt, der Kampf um die restlichen Kolonien wird sich verschärfen.

Falsch scheint hier die Erklärung für die Abnahme des Handels zwischen den Industrieländern zu sein. Denn der BEDARF kann nicht die Ursache sein, es ist ein Hohn von Bedarfssättigung zu sprechen! Die Ursache kann nur der Fall der Profitraten wegen der gesteigerten organischen Zusammensetzung des Kapitals sein. Außerdem fehlen weitere Schlußfolgerungen aus der Verschärfung der Widersprüche: der drohende Kampf zwischen dem US-Imperialismus und den westdeutschen Kapitalisten um die Hegemonie in der Welt, die Gefahr eines dritten Weltkrieges, die Folgen für das Proletariat und die Politik der KP!

Außerdem fällt auf, daß beim KB/ML die besonderen Schwächen fehlen, von denen der westdeutsche Imperialismus bei seiner Expansion ausging und weiterhin ausgehen muß, bzw. die er beseitigen muß, wie:
- 1/3 seines ehemaligen Territoriums und seiner Bevölkerung hat er verloren;
- er ist immer noch stark vom US-Imperialismus abhängig, 200 000 Besatzertruppen, Deutschlandvertrag, Atombombenproduktionsverbot, 20% Anteil des Auslandskapital;
- die Welt ist längst aufgeteilt, eine Neuaufteilung verlangt vorherige massive ökonomische Unterwanderung der Konkurrenten und deren Einflußgebiete, vgl. Südamerika, das ist die Vorbereitung für den Krieg;
- die veränderte Weltlage (Bündnis USA-UdSSR) führten zum Abbau der Sonderrolle der BRD im Bündnis;
- Die Widersprüche zwischen den zwei vorherrschenden westdeutschen Monopolgruppen (Deutsche Bank-Gruppe, Dresdener Bank-Gruppe) haben die Besonderheit, daß die eine mehr 'atlantisch' orientiert ist (Dresdener), die andere mehr europäisch-national;
- Die Einheit und die Gegensätze der bürgerlichen Parteien werden nicht erklärt, wir müssen sie aber erklären aus den besonderen sozialen Kräften, die sie vertreten, bzw. auf die sie sozialen Einfluß ausüben.

Hier müßte auf die SPD-Theorie des KJVD eingegangen werden, was wir zurückstellen wegen des neuen Bolschewik Nr. 8 (?, vgl. Sept. 1971, d.Vf.), den wir noch nicht kennen, der aber darüber handeln soll.

2. DIE ENTWICKLUNG DER KLASSEN UND SCHICHTEN, ABGRENZUNG DER ARBEITERKLASSE, ANALYSE DER BÜNDNISPARTNER, BEGRÜNDUNG EINER BÜNDNISPOLITIK UND IHRER INHALTE

Zu dieser Frage gibt es bisher die wenigsten Analysen und Stellungnahmen. Einen ernsthaften Beitrag dazu liefert nur Schmierer im NRF (4/71, 3/72). Kritisch ist dazu zu vermerken:

1. Es ist korrekt als Grundlage für die Abgrenzung der Arbeiterklasse von den Zwischenschichten den Begriff der produktiven Arbeit im Gegensatz zur indirekt oder unproduktiven Arbeit zu benutzen, weil nur die produktive Arbeit Mehrwert schafft, das Kapital produziert. Das gilt es, gegen Revisionisten und z.B. KB/ML zu verteidigen.

2. Trotzdem ist eine gewisse Einseitigkeit zu kritisieren. Für eine vollständige Abgrenzung der Arbeiterklasse und der Bestimmung der anderen Schichten reicht der Begriff nicht aus. Die von Lenin in der 'Großen Initiative' angegebenen weiteren Kritiken müssen zusätzlich benutzt werden, um einerseits die produktiven Arbeiter weiter zu differenzieren und andererseits Kriterien für die Unterschiede innerhalb der Zwischenschichten treffen zu können.

3. Die eigentliche Aufgabe ist jedoch durch die bloße Auseinandersetzung über Kriterien der Klassenbestimmung noch gar nicht angegangen und kann nicht einfach 'der Praxis überlassen' werden (NRF 4/71, S. 55); die empirische Bestimmung, auf welche Teile der werktätigen Bevölkerung die einzelnen Kriterien konkret zutreffen. Denn die soziologischen Abgrenzungen der bürgerlichen Statistik müssen erst zerschlagen werden, weil sie zunächst nur falsche Anhaltspunkte durch die tarifvertragliche Definition von 'Arbeiter' und 'Angestellte' haben.

3. DIE BESONDERE SCHWÄCHE DES WESTDEUTSCHEN PROLETARIATS UND DIE SCHWÄCHE DER REVOLUTIONÄREN BEWEGUNG

In dieser Frage gibt es wohl die tiefsten Differenzen unter den verschiedenen Zirkeln. Während die Avantgardezirkel von der 'Haupttendenz Revolution auch in Westdeutschland…', '…auch im Ruhrgebiet', …auch im Bayerischen Wald' sprechen und somit die Analyse der Weltlage durch Mao Tse-tung verballhornen, vertreten fast alle anderen Zirkel, so wie wir, die These, daß die westdeutsche Arbeiterklasse in der Defensive ist (NRF, KB-Nord, AO, KABD). Das ist bei den Avantgardezirkeln ja eigentlich auch nur konsequent. Denn wer sich zur Partei des Proletariats ernennt, der muß ja alles im rosigsten Lichte sehen, der muß dem Proletariat ja auch vorgaukeln, unter seiner Führung werde die Revolution sehr bald siegreich beendet, der muß sich schlichtweg anbiedern!

Zwei wirklich einzigartige Argumente bringen die Avantgardezirkel vor:

1. Die spontanen ökonomischen Kämpfe der westdeutschen Arbeiterklasse werden als revolutionäre Flut bezeichnet, was nichts weiter als billigster, stupidester Ökonomismus ist, wie schon das NRF feststellte (NRF 6/71 (vgl. 27.12.1971, d.Vf.).

2. 'Radio Tirana ist auch unserer Meinung' (Roter Morgen 17/72 (vgl. 28.8.1972, d.Vf.), S. 10). Dieses freche Gesindel in der Führung des Roten Morgen entblödet sich doch immer wieder, zu behaupten, die albanischen Genossen würden ihre teils 'links'- und teils rechtsrevisionistische Linie billigen! Wie war das doch mit der 'Zwei-Wege-Theorie? War da nicht auch das Hauptargument des 'ZK' gegen alle wissenschaftlich fundierte Kritik von innen und außen, 'Ruga e Partise' habe doch die Theorie auch abgedruckt, sie könne also gar nicht revisionistisch sein! (vgl. Roter Morgen 13/71, S. 5) Und was mußte der Rote Morgen dieses Jahr, immer noch halbherzig, feststellen? Daß die Zwei-Wege-Theorie doch revisionistisch ist, ohne allerdings zu begründen, warum und weshalb (wahrscheinlich weiß das diese 'Führung' des Proletariats noch immer nicht) und vor allem, warum dieser Dreck solange hochgehalten wurde und den albanischen Genossen untergejubelt wurde! Die Kommunistische Partei erkennt man daran, daß sie zu ihren Fehlern steht - die bürgerliche Linie der Führer des Roten-Morgen-Haufens erkennt man an ihren völlig verrückten und verschämten Begründungen ihrer Politik und dem Vertuschen der Gründe für ihre Fehlleistungen. So z.B. Ernst Aust im Februar in Frankfurt: er habe von all der innerparteilichen Kritik an der Zwei-Wege-Theorie bis dato nichts gewußt!

Warum ist die Arbeiterklasse in der Defensive zur Zeit?

1. Der faschistische Terror hat tiefe Furchen in der deutschen Arbeiterklasse hinterlassen. Die besten Kämpfer des deutschen Proletariats fielen im Kampf dagegen. Die Massenbasis der Kommunisten war fast völlig verloren. 1945 waren auch Teile der Arbeiterklasse mit faschistischen und chauvinistischen Ideen getränkt, besonders die damalige Arbeiterjugend, die schon keinerlei Klassenkampferfahrungen aus der Weimarerzeit mehr besaß.

2. Die folgenden Niederlagen im Kampf gegen die Restauration des Imperialismus und der revisionistische Verrat in der DDR drückten die Kampfbereitschaft und das Bewußtsein der Arbeiterklasse auf ein immer niedrigeres Niveau. Sozialdemokratische Ideologien und damit tiefe Resignation drang in die Arbeiterklasse ein.

3. Der militante Antikommunismus der gesamten Meinungsmache, das Wiederentstehen einer Arbeiteraristokratie, der massive Import von Millionen von Flüchtlingen und ausländischen Arbeitern verstärkte die materielle und ideologische Spaltung der Arbeiterklasse.

4. Die Entartung der KP, das KPD-Verbot und das Fehlen jeglicher revolutionärer Organisation für über zehn Jahre taten ein weiteres. Und heute besteht eine beispiellose Verwirrung und ideologisch-politisch-organisatorische Zersplitterung der revolutionären Kräfte. Die revolutionäre Bewegung ist ein undefinierbarer BREI von linksradikalen, terroristischen, trotzkistischen und anarchistischen Kräften bis hin zu platt reformistischen Strömungen. Die revolutionäre Partei des Proletariats muß sich daher erst noch durch einem langen konsequenten politisch-ideologischen Kampf gegen alle möglichen Spielarten bürgerlicher und kleinbürgerlicher Theorien und politischer Linier herausbilden. Die Art und Weise, wie Ernst Aust und andere politische Hochstapler die KPD/ML gegründet haben, ist das hervorragendste negative Beispiel wie der Aufbau einer KP nicht erfolgt (vgl. hierzu KB-Nord, Unser Weg Nr. 14). Wie sollte aber ohne eine wirkliche KP überhaupt in Deutschland Haupttendenz Revolution sein können?

Der Tiefpunkt dieser Entwicklung des westdeutschen Proletariats wurde ungefähr 1966/1967 erreicht (vgl. Streikstatistik in Unser Weg 13, S. 8, Kommunist S.123), wo die Arbeiterklasse fast völlig wehrlos selbst diesen massivsten ökonomischen Würgegriffen der Bourgeoisie ausgeliefert war. Seitdem wächst jedoch das Bewußtsein der Arbeiterklasse, die Kampfbereitschaft, und die Möglichkeiten für Kommunisten, sozialistisches Bewußtsein in die Arbeiterklasse zu tragen, nehmen zu. Bisher jedoch bleiben - ausgenommen einzelne Individuen - jedoch selbst die fortschrittlichsten Teile der Arbeiterklasse i.w. noch in bürgerlicher Ideologie befangen. Das zeigten drastisch die Sympathiestreiks für die SPD und ihre Ostpolitik, wobei sich dabei die Illusionen über die SPD-Politik und über die Möglichkeiten, wirklichen Frieden im Imperialismus zu erreichen, klar äußerten. Wer das, wie die ZB-Rote Fahne bewußt fälscht zu einer Bewegung gegen die Monopolbourgeoisie und ihre SPD/FDP-Regierung, den kann man nicht bloß für politisch unzurechnungsfähig erklären, sondern den muß man als bürgerlichen Roßtäuscher und Scharlatan entlarven und bekämpfen.

Als Folgerung aus der These 'Haupttendenz Revolution auch in Westdeutschland…' leiten die Avantgardezirkel klar eine rechtsopportunistische Linie ab. Denn, wenn die Massen schon den Weg der Revolution gehen, dürfen die Kommunisten natürlich nicht abseits stehen, keine Zeit mehr verlieren mit den Arbeiten am Programm, der Kaderqualifizierung, also dem Parteiaufbau selber. Daher: Vorrang der Massenarbeit und Massenagitation vor der Propaganda für die wenigen Fortschrittlichen, Vernachlässigung der programmatischen Arbeit, Kaderarbeit, Schulungs- und Untersuchungsarbeit. Das ist einerseits klar ersichtlich aus den Zeitungen dieser Zirkel, die hauptsächlich Agitation betreiben, andererseits aus der Aktionsgeilheit. Letzteres muß mal klar gelegt werden. Die ständigen Aktionen, das ist anscheinend die einzige Art, mit der die selbsternannten Führer die Masse ihrer Mitglieder und Ortsgruppen überhaupt führen können! Denn dazu braucht man anscheinend keine besondere Qualifikation, das hat schon der SDS gezeigt, und man macht viel Aufsehens und Wirbel um sich! Das allerdings können Ernst Aust und die anderen politischen Hochstapler, die mit dieser Taktik schon seit Jahren den Parteiaufbau sabotieren! Es ist ein schwerer taktischer Fehler, ständig Demonstrationen als Propagandamittel zu benutzen, wobei zu 90% die Teilnehmer der Demonstrationen Mitglieder und Sympathisanten (MO-Mitglieder (Massenorganisations-Mitglieder, d.Vf.)) sind, die sich damit offen der Bourgeoisie und Polizei vorstellen! Demonstrationen haben doch nur dann einen wirklichen taktischen Wert, wenn Teile der Volksmassen dabei sind. Kommunisten führen die Aktionen und Demonstrationen des Volkes, nicht aber Kommunisten spielen Volksersatz! Die falsche Einschätzung der Stärken und Schwächen des Feindes und der eigenen Kräfte in jeder Periode der Revolution haben schon immer der Revolution schweren Schaden zugefügt! Es gibt immer wieder besondere und lokale Bewegungen, die von der generellen Bewegung und Tendenz sowohl in der Richtung, als auch in der Entwicklungsgeschwindigkeit abweichen. Darüber dürfen Kommunisten nicht hinweghuschen, indem sie sich auf Mao Tse-tung berufen, das ist Idealismus und keineswegs Anwendung des Marxismus-Leninismus (vgl. Peking Rundschau Nr. 30/1972 (PR - vgl. Juli 1972, d.Vf.) Die allgemeine Richtung der historischen Entwicklung erkennen lernen, S. 8).

2. DIE EWG-FRAGE

Es ist wirklich erstaunlich, daß das Problem der EWG von der westdeutschen revolutionären Bewegung einerseits so sträflich vernachlässigt wird und andererseits so große Fehleinschätzungen vorliegen.

Als erstes stellt sich doch die Frage, ob sich die EWG jemals aus einem bisherigen bloßen Bündnis zu einem neuen imperialistischen Staat entwickeln kann und wird. Der KB-Nord umgeht in seinem programmatischen Abschnitt diese Frage (vgl. Unser Weg, 13). Zum einen schätzt er die Widersprüche zwischen den westdeutschen Imperialisten für geringer ein, als die zwischen EWG-Block und den US-Imperialisten und sagt, die Einigung werde sich weiter beschleunigen. Andererseits sieht er klar die nationalen Gegensätze zwischen England, Frankreich und BRD und betont die Hindernisse auf dem Weg der Einigung. Wie es jedoch weitergeht, ob es mehr als ein Bündnis wird, bleibt offen! Fast ähnlich widersprüchlich drückt sich das ZB um die Frage rum (Bolschewik 7, S. 48). Einerseits sieht es den Souveränitätsverzicht der einzelnen Monopolbourgeoisien z.G. der EWG-Zentralen und damit die Richtung hin auf einen neuen westeuropäischen Staat. Andererseits definiert es die westeuropäische Einigung als bloßes Bündnis gegen die US-Imperialisten und sagt sogar ein Scheitern voraus, weil Frankreich die EWG eventuell verläßt. Was das alleine bleibende Frankreich dann gegen den EWG-Druck der westdeutschen Imperialisten machen wird, bleibt völlig offen, also bloße Spekulation das ganze. Die Bedingung für das Scheitern der EWG ist, daß die US-Imperialisten immer schwächer werden, so daß der Einigungsdruck wegfalle. Doch dabei vergißt das ZB die SU-Imperialisten, die durch einen immer schwächer werdenden, US-Imperialismus als erste gestärkt werden, so daß umgekehrt in Europa sogar der Einigungsdruck noch zunähme!

Unserer Meinung nach, muß erst mal prinzipiell geklärt werden, ob eine Einigung verschiedener Monopolbourgeoisien in einem westeuropäischen Staat als gemeinsamer Aktiengesellschaft ihrer Interessen möglich und wahrscheinlich ist, um die Fologen dann für die Revolution zu klären.

Dabei müssen wir vor allem untersuchen und beobachten, wie sich schon jetzt westeuropäische Monopolgruppen herauszubilden beginnen. Seit 1963 (!) arbeiten schon drei Monopolgruppen zusammen: die starke Deutsche Bank-Gruppe, die relativ schwache Midland-Bank-Gruppe und die Amsterdam-Rotterdam-Bank-Gruppe, die z.T. auch gemeinsame Tochtergesellschaften auf industriellem Gebiet haben, wie z.B. Hoesch-Hoogovens, AKZO-Glanzstoff. Dazu kamen 1971 die belgische Societe Generale de Banque und die französische Societe Generale. Um die Bedeutung dieser Gruppen zu erkennen, muß man wissen, daß sie seit einigen Jahren als gemeinschaftliches Unternehmen die größte ausländische Bank und Kapitalgruppe in den USA besitzt (European Banking Trust Corp), die ca. 1, 5 Mrd. Dollar Kreditvolumen umfaßt.

Seit mehreren Jahren entwickeln sich weitere Gruppen, eine um die britische Barclay's-Gruppe, die größte englische Monopolgruppe, eine um die US-Rockefeller-Gruppe mit der westdeutschen Landesbank (Poullain), eine um die Commerzbank-Gruppe und Credit Lyonnais, eine um die Privatbankiers Rothschild, Lazard, BHF. Hier entwickelt sich auf höchster finanzkapitalistischer Ebene eine Verflechtung heraus, die durchaus zur Herausbildung europäischen Finanzkapitals führen kann, was sicher Auswirkungen auf die Revolution in Westeuropa hat.

Zur Einschätzung der relativen Stärke des westdeutschen Imperialismus ist allerdings noch zu bemerken, daß die Avantgardezirkel anscheinend völlig auf die Propaganda der Bourgeoisie reinfallen! Denn sie nehmen immer für so selbstverständlich an, daß die BRD die führende politische Rolle in der EWG spielte und spielen werde. Sie versteigen sich sogar zu der Behauptung, die BRD sei die drittstärkste Militärmacht der Welt (vgl. Bolschewik Nr. 7, S. 48, Roter Morgen 18/72, S. 5 (vgl. 11.9.1972, d.Vf.)).

Wie wenig sind diese Hochstapler doch über die wahren Kräfteverhältnisse informiert! England und Frankreich sind imperialistische Mächte ohne Besatzungstruppen, Staaten ohne eine weiche Ostflanke, sie verfügen über immer noch erheblichen Kolonialbesitz mit Rohstoffen wie Erdöl, Uranerz, NE-Metalle, Eisenerz, es sind Staaten, die Atomwaffen besitzen, militärische Stützpunkte in aller Welt unterhalten, die seit Jahrzehnten (früher sowieso) ständig Kolonialkriege und Antiguerillakriege führen. Wie verschwindet doch hinter diesen schrecklichen imperialistischen Eigenschaften die BRD! All das haben die BRD-Imperialisten nicht, daher träumen sie davon! Sie haben keine eigene Luftfahrtindustrie (alle ausländisch unterwandert!), sind in wichtigen Branchen völlig abhängig vom ausländischen Kapital: Mineralölindustrie, Computerindustrie. Und vor allem, die Völker Europas haben noch allzugut im Gedächtnis, daß zwei imperialistische Kriege von deutschem Boden ausgingen, daher beobachten aus berechtigtem Interesse alle europäischen Völker jeden Schritt und Tritt des westdeutschen Imperialismus. Und dasselbe gilt gerade auch für das deutsche Volk, es wieder in einen imperialistischen Krieg zu jagen, das bedeutet für ihn sehr viel Energie der Täuschung, Demagogie, Verheimlichung etc. Das ist unsere Chance als Kommunisten, dieses Bewußtsein wach zu halten und zu antiimperialistischem Bewußtsein zu entwickeln, aber nicht durch Phrasen, sondern durch Überzeugung der Volksmassen mit Tatsachen und wissenschaftlich fundierten Theorien.

Ist es da nicht lachhaft, wie KJVD und Roter Morgen voll der westdeutschen Bourgeoisie auf den Leim gehen! Diese Leute sind nichts als Hochstapler und Scharlatane!

C. ÄUSSERE BESONDERHEITEN DER WESTDEUTSCHEN REVOLUTION

1. DIE NATIONALE FRAGE

Die nationale Frage im allgemeinen Sinne ist für Deutschland längst geklärt. Sie kann nur aus zwei Gründen überhaupt Gegenstand der Auseinandersetzung unter Revolutionären sein:

1. weil in beiden deutschen Staaten ausländische Truppen stehen und damit jede Revolution in einem der beiden Staaten mit dem Eingreifen der ausländischen Besatzer rechnen muß; 2. weil die westdeutsche Monopolbourgeoisie vorhat, die nationale Frage im reaktionären Sinne erneut zu stellen, indem sie die DDR versucht, sich einzuverleiben, friedlich oder mit Gewalt.

Zu diesen beiden Fragen herrscht in der revolutionären Bewegung völlige Unklarheit. Während der Rote Morgen als strategische Parole aufstellt: 'Für ein vereinigtes sozialistisches Deutschland', ohne allerdings auch nur ein Wörtchen über die Bedingungen und Voraussetzungen dazu zu sagen, lehnt der KB-Nord das radikal ab als Unterstützung des westdeutschen Revanchismus, wobei sich der KB Nord noch einige Illusionen über die Rückverwandlung der DDR in einen sozialistischen Staat macht. Die Kommunistische Initiative Köln spekuliert ebenfalls über eine nationale Revolution, weil sich angebliche eine einheitliche deutsche Arbeiterklasse herausbildet, seitdem die DDR zu einem kapitalistischen Staat entartete, und weil wegen der gegenseitigen Besatzungsmächte die Revolution auf der einen und der anderen Seite durch die Weltwidersprüche bedingt wird. Dazu muß man allerdings sagen, daß sich keineswegs die beiden deutschen Arbeiterklassen allein schon wegen der kapitalistischen Entwicklung in der DDR vereinheitlichen müssen. Die revisionistischen Staaten sind eine besondere Form des Kapitalismus, mit einer Bourgeoisie, die nur als Gesamtheit, also kollektiv das werktätige Volk ausbeutet und unterdrückt. Daher ist es klar, daß die beiden Revolutionen unterschiedlich sein werden, solange es zwei deutsche Staaten mit dieser unterschiedlichen ökonomischen Grundlage gibt. Anders wäre es, wenn es der westdeutschen Monopolbourgeoisie gelänge, friedlich die DDR zu erobern, etwa sie in eine Konföderation hineinzupressen. Das müßte dann erneut diskutiert werden, bzw. heute überhaupt mal problematisiert werden! Eine militärische Einverleibung der DDR wird es nicht geben, weil der Versuch die DDR militärisch, also gegen den Willen der SU-Imperialisten zu erobern, eine Wahnsinnstat wäre, die in einen Krieg mit der SU führen würde, ohne daß ein westlicher Imperialist die BRD unterstützen würde, aus Angst vor einem erneuten Großdeutschen Reich. Dieser Situation könnte nur die Revolution zuvorkommen, sonst wäre Deutschland erneut in Schutt und Asche. Daher ist es schematisch vom KJVD und seit neuestem auch vom Roten Morgen (!) heute noch vom westdeutschen Revanchismus in dem Sinne zu sprechen, daß er die militärische Eroberung der DDR anstrebe! Im Gegenteil, wenn, dann erobert er sie friedlich. Das Verwischen der Unterschiede zwischen den 50gern Jahren, wo es gegen den Kommunismus ging und den 70gern, trägt kein sozialistisches Bewußtsein in die Arbeiterklasse, sondern Verwirrung!

An dieser Stelle muß auch kritisiert werden, daß in der Frage des Aufbaus des Sozialismus in der DDR einige Illusionen bestehen. 1947 nahm keineswegs die Arbeiterklasse die Großbetriebe in ihre Hand und leitete sie, wie das der KJVD behauptet (vgl. Bolschewik Nr. 6, S. 45f). Die 200 größten Industriebetriebe wurden vielmehr bis 1953 sowjetische Aktiengesellschaften (SAG), standen unter direkter sowjetischen Leitung - und das aus vollem Grunde: das waren wie Leuna die Kriegsindustrien, durch die die SU verwüstet wurde! Der Sozialismus konnte daher erst seit 1952/1953 aufgebaut werden, weil erst dann diese Betriebe VEBs wurden. Es ist auch falsch, zu meinen, es hätte keine materiellen Ursachen für die Entartung gegeben, wie es der KJVD behauptet (Bolschewik Nr. 6, S. 75). Noch 1955 (vgl. 1955, d.Vf.) waren in der DDR 70% aller Industriebetriebe privat, was einem Produktionsanteil von 14% entsprach! Auch in Bezug auf die SED als antifaschistischer Massenorganisation vertritt der KJVD einen rechten Standpunkt. Niemals ist es korrekt, die organisatorische und politische Selbständigkeit der KP aufzugeben!

Zur Frage des Rauswurfs der US-Besatzer argumentiert die Kommunistische Initiative Köln so, daß notwendigerweise die westdeutsche Monopolbourgeoisie in absehbarer Zeit die US-Imperialisten verjagen werden wird. Daher müßten die Kommunisten dem dabei entstehenden Chauvinismus zuvorkommen, indem sie den Kampf gegen die Besatzer schon jetzt aufnehmen und leiten. Doch dabei ist noch wirklich unklar, ob die US-Imperialisten überhaupt in Europa weiter Truppen stationieren werden. Im Zuge einer Aufteilung der Welt könnte auch das friedlich geregelt werden. Und wir würden dann bei solchen Anti-US-Truppen-Kampagnen nur der westdeutschen Bourgeoisie den Rücken stärken!! So einfach jetzt schon Kampagnen zu beginnen, wie es der Rote Morgen macht (vgl. 18/72) ist verantwortungslos!

DIE BEWEGUNG DER WELTWIDERSPRÜCHE UND DIE REVOLUTION

In den meisten programmatischen Erklärungen vieler Zirkel wird gleich zu Anfang erst einmal auf die Weltwidersprüche eingegangen (NRF, KB/ML, RM-interne GE). Wobei außer der (letzte beide Worte unleserlich und von uns ergänzt, d.Vf.) Wiederholung von LIN BIAO nicht viel Neues drinsteht. Aber eigentlich wichtig ist die Weltlage doch deshalb für uns, weil die westdeutsche Revolution nur vermittels der äußeren Bedingungen in der Welt wird siegen können. Über diese Dialektik müssen wir konkrete Aussagen machen. Doch da passen die meisten Internationalismus-Theoretiker. Wie sollte es auch anders sein. Denn zunächst muß man die inneren Widersprüche einer Sache erkannt haben, dann kann man ihre Entwicklung vermittels der äußeren Bedingungen erkennen. Da aber keine fundierte Analyse der inneren Widersprüche Deutschlands vorliegt, kann man über die Weltlage nur spekulieren oder Phrasen dreschen. Das lassen wir lieber. Was es da zu sagen gibt, sagen ausreichend genug die chinesischen Genossen und albanischen Genossen."

Nachgedruckt wird dieser Artikel u.a. in der 'Klassenkampf und Programm' (Klapro - vgl. Dez. 1972) der ML Dortmund, ML Hagen und der PL Hamm.

Enthalten sind der Bericht 1/2, Jan. 1956: "Struktur und Entwicklung der Wirtschaft in Westdeutschland" des Deutschen Wirtschaftsinstituts (DWI) Ost-Berlin, und der Bericht 3, Feb. 1956: "Die Mehrwert- und Profitraten in der westdeutschen Industrie".
Q: Bausteine - Beiträge zur Klassenanalyse' Nr. 1, Frankfurt 1972; Klassenkampf und Programm Nr. 1, Dortmund Dez. 1972, S. 48ff

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