Zur Hauptübersicht der Datenbank MAO

Frankfurt am Main
Staffelbergaktion des SDS und Kampfgruppe ehemaliger Fürsorgezöglinge

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin

Für diese wie immer unvollständige Darstellung über die Frankfurter Staffelbergaktion des SDS und die Kampfgruppe ehemaliger Fürsorgezöglinge wurden nur wenige Quellen ausgewertet.

Die Staffelbergaktion des SDS Frankfurt (vgl. 28.6.1969, 30.6.1969), sowie weitere solche Aktionen u.a. im Schwalm-Eder Kreis (vgl. 13.9.1969) sind sicherlich, nicht zuletzt wegen der Beteiligung von u.a. Astrid Proll, in vielen Artikeln und Geschichtsbüchern bereits genauer als hier beschrieben.

Sie erscheinen zunächst als spontane Antwort auf ein Hilfeersuchen, wie die spartacistischen Trotzkisten der IKD bemäkeln (vgl. 7.11.1969), ohne dass ein politisches Konzept wie etwa die Randgruppentheorie dabei schon Pate gestanden hätte.

Durch die Aktionen der Kampfgruppe ehemaliger Fürsorgezöglinge und des SDS (vgl. 5.7.1969) wurden aber offenbar, trotz Repressionen (vgl. 11.7.1969, 12.7.1969), aber mit akademischer Unterstützung (vgl. 23.7.1969) und unverhohlenen Drohungen (vgl. 6.9.1969) sowie mit offenbar rigidem Dogmatismus (vgl. 6.9.1969) und Bezugnahme auf die in den Septemberstreiks 1969 sich erhebende Arbeiterklasse nebst einer Ausweitung der Heimflüchtlings-Bewegung (vgl. 12.9.1969, 13.9.1969) Jugendwohnkollektive durchgesetzt (vgl. Jan. 1970).

Während sich die IKD immer noch äußerst kritisch geben (vgl. 3.2.1970) können die Frankfurter auf der Randgruppenkonferenz, vorläufig abschließend für diese Darstellung, vermutlich stolz ihren Arbeitsbericht vorlegen (vgl. 7.2.1970).

Vermutlich nicht zuletzt aus der Kampfgruppe ehemaliger Fürsorgezöglinge bildet sich wenig später die Frankfurter, bald hessenweite, Jugendorganisation Rote Panther.


Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

28.06.1969:
Genossen aus Frankfurter Stadtteilbasisgruppen fahren, nach eigenen Angaben, nach Biedenkopf in die Landeserziehungsanstalt Staffelberg (vgl. Nov. 1968, 30.6.1969), "um die Verantwortlichen ... (Heimdirektor Carl Böcker, Vertreter des Landeswohlfahrtsverbandes (LWV) und Landrat Dr. Deutsch) zur Rede zu stellen. Die Diskussion fand überflüssigerweise unter der Bedrohung von 80 Polizisten statt, die die Heimleitung 'zum Schutz' angefordert hatte, ... . Geflüchtete 'Fürsorgezöglinge' hatten den SDS auf die Unterdrückung in Staffelberg und anderen Erziehungsanstalten des hessischen LWV aufmerksam gemacht und um politische Unterstützung ... gebeten."
=SC:Info Nr.7,Frankfurt 5.7.1969

30.06.1969:
In Biedenkopf steht, laut SDS Frankfurt, als Erfolg der Aktion (vgl. 28.6.1969) in der Landeserziehungsanstalt Staffelberg folgendes fest:"
1. Der Karzer wird aufgelöst
2. Vier Erzieher kündigen
3. Die Haare dürfen wachsen
4. Innerhalb des Heims bildet sich eine Basisgruppe
Als die Frankfurter Genossen nach diesen Zusagen abfuhren, schlossen sich spontan 26 Heiminsassen an. Sie stimmten 'mit den Füßen' über die Heimverfassung ab - sie türmten einfach" (vgl. 5.7.1969).
=SC:Info Nr.7,Frankfurt 5.7.1969

05.07.1969:
In Frankfurt erscheint das 'SC-Info' Nr.7 (vgl. 21.6.1969, 12.7.1969).
Berichtet wird dafür von der Staffelbergaktion (vgl. 28.6.1969). Die Geflüchteten haben nun die Kampfgruppe ehemaliger Fürsorgezöglinge gegründet, die das System der autoritären Heimstruktur zerschlagen will und ein Flugblatt mit ihren Forderungen verfaßte, u.a. nach einem geheim gewählten Heimrat, der alle Entscheidungen im Heim fällt, nach Öffentlichkeit der Erzieherkonferenz, sofortigem Abbruch des Karzers und Umorganisierung der übrigen geschlossenen Abteilung, nach tarifgerechten Löhnen und freier Verfügung über diese (kein Geldentzug!). Aus den Schilderungen von ihren Lebensläufen wurde bereits eine AStA- und Basisgruppenbroschüre erstellt, an der die Jugendlichen mitarbeiteten. Sie ist im Libresso zu haben. AStA, Basisgruppen, Kampfgruppe, Basisgruppe Staffelberg und Sozialistische Hilfe erlassen gemeinsam einen Appell zur aktiven Unterstützung (Geld, Unterbringung, Kleidung, Literatur). Kontakt ist im Studentenhaus.
=SC:Info Nr.7,Frankfurt 5.7.1969

11.07.1969:
In Frankfurt erscheinen, laut SC, zwischen 6 und 7 Uhr morgens "jeweils zehn bis zwanzig Polizeibeamte in den Wohnungen von vier Frankfurter Genossen, bei Michael Bärmann, Im Sachsenlager, in der Bergerstr.87 und bei dem Genossen Stöckel. Eine exakt geplante Aktion wurde durchgeführt: die Beamten wiesen Hausdurchsuchungsbefehle vor, begründet mit dem Paragraph 120 ('Gefangenenbefreiung'). Man suchte die aus dem Erziehungsheim geflohenen Lehrlinge. Mitgenommen wurden lediglich Flugblätter, Farbtöpfe und bei Michael Bärmann ein Spritzenschießer und - ein alter Gummiknüppel. Die Durchsuchungen dauerten jeweils ein- bis anderthalb Stunden!"
=SC:Info Nr.8,Frankfurt 12.7.1969

12.07.1969:
Der SC Frankfurt gibt sein 'Info' Nr.8 (vgl. 5.7.1969, 26.7.1969) heraus. Berichtet wird in "Panitz - jetzt reicht's" von der letzten Razzia wegen Staffelberg (vgl. 11.7.1969):"
Panitz Hand in Hand mit der Frankfurter Justiz üben Staffelberger Heimterror in Frankfurt."
=SC:Info Nr.8,Frankfurt 12.7.1969

23.07.1969:
In Frankfurt verfaßt der Direktor des Pädagogischen Seminars der Universität, Prof. Dr. Klaus Mollenhauer, eine Stellungnahme zur Unterbringung der Jugendlichen aus dem Erziehungsheim Staffelberg, in der er sich für die Schaffung der von den Jugendlichen geforderten Wohngemeinschaften ausspricht.
=SC-Info Nr.12,Frankfurt 13.9.1969

06.09.1969:
In Frankfurt findet ein Plenum der Kampfgruppe ehemaliger Fürsorgezöglinge und des Lehrlingskomitee der ex-Staffelberger statt, auf dem u.a. ein Brief an die Konferenz der Liga der Wohlfahrtsverbände im Sozialministerium Wiesbaden am 8.9.1969 verfaßt wird. Hierin werden für den Fall der Verweigerung der Jugendwohnkollektive militante Aktionen von ehemaligen Heimzöglingen, Frankfurter Stadtteilbasisgruppen und Teilen des SDS Frankfurt angedroht.
=SC-Info Nr.12,Frankfurt 13.9.1969,S.*

06.09.1969:
Der SC Frankfurt gibt vermutlich heute sein 'Info' Nr.11 (vgl. 9.8.1969, 13.9.1969) heraus. Von r.b. (Rudolph Bauer) erscheint "Nicht wählen - Streiken wie die Hoesch-Arbeiter: Hoesch-Arbeiter kommen weiter", u.a. heißt es:"
Die unterschiedlichen Fronten der aktuellen Auseinandersetzungen erfordern unterschiedliche Taktiken des Kampfes. Einige Genossen lassen sich durch diese unterschiedlichen Kampfformen, die teilweise noch in der Vorbereitungsphase liegen, irritieren. Einige Genossen wiederum irritieren die anderen, indem sie eine Kampfform (z.B. die Arbeit mit den Staffelberger Genossen) als die ausschließliche Form und zugleich den einzigen Inhalt des antikapitalistischen Kampfes ausgeben. Was sich deshalb für das formale Verständnis als eine Fraktionsauseinandersetzung in und zwischen den sozialistischen Gruppen darstellt, ist der Versuch - teilweise vielleicht auch die Unfähigkeit -, die verschiedenen Taktiken des Kampfes mit und über eine einheitliche Strategie des revolutionären antikapitalistischen Kampfes in Westdeutschland zu vermitteln."
=SC-Info Nr.11,Frankfurt o.J. (1969)

12.09.1969:
In Frankfurt soll eine Solidaritätskundgebung mit der Streikbewegung um 18 Uhr 30 auf dem Opernplatz durchgeführt werden, zu der der SDS mit einem Flugblatt (vgl. 10.9.1969) aufruft. Auch die Kampfgruppe ehemaliger Fürsorgezöglinge ruft mit einem Flugblatt zur Teilnahme auf, in dem sie über sich selbst u.a. bekanntgibt, daß mittlerweile 45 Jugendliche aus Erziehungsheimen geflohen sind und sich illegal in Frankfurt aufhalten. Gefordert werden erneut Jugendwohnkollektive. Zum Schluß heißt es: "Es lebe die Einheit der Lehrlinge! Es lebe die Einheit der Arbeiterklasse!" Auf der Kundgebung werden Reden von Helmut Schauer und Daniel Cohn-Bendit gehalten, die im 'SC-Info' veröffentlicht werden (vgl. 20.9.1969).
=SC-Info Nr.12 und 13,Frankfurt 13.9.1969 bzw. 20.9.1969,S.*

13.09.1969:
Der SC Frankfurt gibt sein 'Info' Nr.12 (vgl. 6.9.1969, 20.9.1969) heraus. Eingegangen wird auch auf den Kampf der Jugendlichen aus den Erziehungsheimen, die mittlerweile nicht mehr nur aus Staffelberg, sondern auch aus den Heimen Wabern, Rengshausen und Steinmühle geflohen sind (vgl. 23.7.1969, 6.9.1969, 12.9.1969).
=SC-Info Nr.12,Frankfurt 13.9.1969

17.11.1969:
Die Gruppe Frankfurt der IKD (vgl. 10.11.1969) verfaßt ihren Bericht für die Nationale Konferenz der IKD (vgl. 30.11.1969):"
I. Situation der Linken in Frankfurt

1969 war ein Jahr permanenter Selbstauflösung der Frankfurter APO, die eine Zeit lang die führende Kraft der studentischen Jugendrebellion im Bundesgebiet war. Weder der SDS noch die Stadtteilbasisgruppen vermochten aus der Krise der APO die einzig mögliche Schlußfolgerung zu ziehen, nämlich die Organisierung der rebellierenden Jugend in einer revolutionären Jugendorganisation. Stattdessen wurden die Gruppen demobilisiert, die Werktätigen auf dem flachen Lande werden über Konsumterror und Sexualunterdrückung aufgeklärt (FNL) (Föderation Neue Linke,d.Vf.) und eine hemdsärmelige Jugendfürsorge wird in Erziehungsheimen betrieben (Staffelberg-Aktion) (vgl. 28.6.1969,d.Vf.). Einige Grüppchen, die nach größerer Aktivität drängten ('Lederjacken'), sammelten sich um die KPD/ML. Diese blieb die einzige linke Gruppierung, die von dem Auflösungsprozeß der APO profitierte."
=IKD-Gruppe Frankfurt:Bericht der Frankfurter Gruppe,Frankfurt 17.11.1969

Januar 1970:
In Köln erscheint die Nr.1/70 der 'apo press' Informationsdienst für die Außerparlamentarische Opposition in Köln (vgl. Feb. 1970). Aus Frankfurt wird über die Heimkampagne berichtet, daß durch den Druck des SDS 4 Lehrlingskollektive mit zusammen 48 ehemaligen Heiminsassen vom Landschaftsverband Hessen eingerichtet worden seien. Eventuell würden noch zwei weitere Kollektive entstehen. Dafür werde der SDS keine Heimaktionen mehr durchführen. In den Kollektiven arbeite die Kampfgruppe ehemaliger Fürsorgezöglinge.
=Apo press Nr.1,Köln Jan. 1970

03.02.1970:
Ein Mitglied der IKD berichtet einem Mitglied der GIM heute:"
Die 'Frankfurter Maoisten': Dort gibt es zwei 'ML'-Tendenzen. Die größere entspricht politisch etwa der Berliner 'ML'; sie ist zum Teil aus der früheren 'Lederjacken-Fraktion' des SDS hervorgegangen, jenen Anarcho-Terroristen also, die zeitweilig die APO-Politik in Frankfurt auf reine Schlägerei zu reduzieren verstanden haben. Sie sind ganz 'orthodox' auf 'Klassenlinie' und arbeiten nur am 'Hauptwiderspruch', bzw. an dem, was sie dafür halten. Für sie ist es nämlich schon eine PROLETARISCHE Praxis, wenn man einen entwichenen Fürsorgezögling ein paar Maotsetungideen auswendig lernen läßt. Sobald irgendwo bei ihrer Schulung einer dabei ist, der einen Lohnstreifen am Monatsende nach Haus bringt (statt eines Stipendiums), dann ist diese 'Praxis' prompt 'proletarisch'."
=IKD-1 Mitglied:An ...(1 GIM-Mitglied),o.O. 3.2.1970

07.02.1970:
Es beginnt die zweitägige Randgruppenkonferenz in Berlin. Es treffen sich ca. 230 Teilnehmer in der TU, die 40 Gruppen aus 20 Städten der 'BRD' und Berlin vertreten. Die Konferenz wurde im November 1969 durch eine zentrale Arbeitskonferenz vorbereitet. Arbeitsberichte wurden vorgelegt von: Vorbereitungskomitee der Randgruppenkonferenz - Berlin, Rote Hilfe, Südfront München, Kampfgruppe ehemaliger Fürsorgezöglinge (Frankfurt).
=Rote Presse Korrespondenz Nr.54,Berlin 1970;
Erziehung und Klassenkampf Nr.4,Frankfurt 1971,S.7


Beitrag ertsellt am 20.3.2008; zuletzt geändert am 15.9.2008.

Valid HTML 4.01!   Valid CSS!


Zum Seitenanfang ]  [ Zur Hauptübersicht der Datenbank MAO ]