Groß-Gerau

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder

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Einzelne Darstellungen liegen aus Groß-Gerau derzeit vor für das Prälat-Diehl-Gymnasium Groß-Gerau sowie den dortigen 'Schülerkurier' der MLSG.

Aktiv ist in Groß Gerau einleitend ein Arbeitskreis Kriegsdienstverweigerung (AK KDV vgl. 12.6.1969, Sept. 1969, 1.10.1969) der auch aus Frankfurt beeinflusst wird. Auf dem Kreisjugendtag (vgl. 20.9.1969) tritt die SAG Darmstadt auf, was vermutlich zur Bildung des Arbeitskreis Betrieb Groß Gerau (vgl. Nov. 1969) und später zur SAG Groß Gerau führt.

Von der SAG Groß Gerau konnten wir nur wenig in Erfahrung bringen, außer dass diese vermutlich aus Darmstadt beeinflusst wurde und vermutlich aus der Lehrlingsgruppe Groß Gerau hervorging (vgl. 22.11.1970).

Aus dem ML-Flügel der Roten Zelle Gross Gerau wiederum entsteht die örtliche KPD/ML-ZB, bzw. zunächst deren KJVD (vgl. 7.7.1970).

Nicht nur aus Darmstadt (vgl. Feb. 1972), sondern vermutlich vor allem auch aus Mörfelden-Walldorf kommt auch die RJ/ML des KAB/ML nach Groß Gerau, vermutlich zunächst an die Berufsschule (vgl. 24.10.1970, 14.11.1970, 22.11.1970), später ans PDG und auch in den Metallbetrieb Faulstroh (vgl. 16.2.1971, 29.3.1971). Die Sympathisanten der RJ/ML allerdings arbeiten in Darmstadt und auch die RJ/ML wird von dort angeleitet (vgl. März 1972).

Die Politik der DKP wird lediglich indirekt dargestellt (vgl. 15.6.1970), wobei die Zusammenarbeit mit der SDAJ Mörfelden (vgl. März 1972) interessant ist, da diese normalerweise von DKP und SDAJ verweigert wurde, es sei denn die örtliche Vertretung war nicht linientreu oder sog. ‚linksradikalen’ Gruppen waren wirklich dominant, zumindest im betrieblichen Bereich, wenn auch zumindest zunächst eher borniert bodenständig auf Mittelbetriebe ausgerichtet, statt bolschewischisch beeinflusst auf den bundesweit bedeutenden Betrieb Opel Rüsselsheim wie der Revolutionäre Kampf Frankfurt und der Lotta Continua (LC). Trotzdem kommt es zur Zusammenarbeit der RJ/ML mit einer Gruppe von italienischen Genossen (vgl. Feb. 1972, März 1972, 1.5.972).

Die inhaltliche Weiterbildung der örtlichen Aktivisten geschieht auf verschiedenen Seminaren (vgl. 1.10.1969, 17.10.1969), wobei die Integration des Marxismus-Seminar in die Volkshochschule vermutlich nicht nur mehr Aufmerksamkeit, sondern auch die Räume sichert.

Die Jusos der SPD, die DKP und ihre SDAJ wenden sich gemeinsam in einer der frühen Umweltschutzaktionen, die bundeweit zu dieser Zeit überwiegend allein von ihnen getragen werden gegen ein Petro-Chemiewerk der Shell (vgl. 15.6.1970), gegen das später auch in Worms protestiert wird (vgl. Worms - 27.9.1971, 25.10.1071).

Gegen den Vietnamkrieg protestiert der Arbeitskreis Anti-Imperialismus Groß Gerau (vgl. 22.2.1971). Auch eine örtliche Demonstration findet am 1. Mai 1971 (vermutlich) statt, wobei uns die Teilnehmerzahl bisher unbekannt blieb.

An der RJ/ML des KAB/ML ist besonders interessant die Erstellung von örtlichen Broschüren für den Verkauf eines jeden Zentralorgans der RJ/ML (vgl. März 1972).

Den damals vermutlich maximalen, durchaus beachtlichen, Mobilisierungsrahmen der örtlichen KAB/ML-Vertretung nebst halbwegs befreundeter örtlicher Revolutionäre, gibt der Auftritt von deren Theatergruppe an (vgl. 30.6.1972).

Die Darstellung endet mit der Beschreibung der örtlichen Ortsgruppe des RJ/ML des KABD (vgl. Nov. 1972) sowie deren Aktivitäten zum 1. Mai 1973.

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

20.09.1969:
In Groß Gerau soll heute erstmals ein Arbeitskreis tagen, der die auf dem Kreisjugendtag (KJT) aufgeworfenen Fragen, die leider nicht genannt werden, weiterbehandeln soll:"
Alle politisch interessierten Schüler und Lehrlinge (Jungarbeiter) sind, auch wenn sie am KJT nicht teilgenommen haben, recht herzlich eingeladen. Die fachliche Beratung wird Horst Keimig übernehmen."
Keimig wurde vor allem durch seine Mitarbeit in der Sozialistischen Arbeitergruppe (SAG) Darmstadt und als Vertrauensleutesprecher bei Merck bekannt. Vermutlich aus diesem Arbeitskreis geht die SAG Groß Gerau hervor. Aufgerufen wird u.a. in der 'Vesper' (vgl. Sept. 1969) durch einen Artikel "Ausbeutung statt Ausbildung!", in dem es u.a. heißt:"
Was wird aus unserer Zukunft, wenn neben den Schülern und Studenten unsere Lehrlinge weiterhin eine solch erbärmliche Ausbildung erhalten. … Der Lehrling lernt bei seiner Ausbildung in der Hauptsache den blinden Gehorsam gegenüber jedem arbeitsmäßig höhergestellten; dabei bildet sich unwillkürlich ein Denkverzicht, der sich dann auch im privaten und gesellschaftlichen Bereich fortsetzt. Der Lehrling wird zum Arbeitstier! Eine weitere Förderung des Denkverzichts erfährt der Lehrling in seiner schulischen Ausbildung. … Da vorerst von den zuständigen Organ (Kultusministerium) keine wesentliche Änderung zu erwarten ist, liegt es an den Lehrlingen selbst, Möglichkeiten auszuarbeiten, um diese zu verwirklichen. Als Beispiel hierfür könnte die Gründung einer Lehrlingsgewerkschaft, die außerhalb des Deutschen Gewerkschaftsbundes steht und in Essen bereits verwirklicht wurde, dienen.

In diesem Zusammenhang wird auf die heutige Veranstaltung in Schloß Dornberg hingewiesen:"
Hier treffen sich zum ersten Mal Leute, die sich mit Fragen der Lehrlingsausbildung befassen."
Quelle: Vesper Nr. 4, Groß Gerau Sept. 1969

15.06.1970:
Für die DKP berichtet M. T. vermutlich aus dieser Woche:"
EIN GO-IN BEIM LANDRAT

'UNS STINKT ES!' - GEMEINSAME AKTION VON DGB, DKP UND JUSOS

'Uns stinkt es', sagten der DGB, die Jungsozialisten (der SPD,d.Vf.) und die DKP in der südhessischen Kreisstadt Groß Gerau und riefen zu einer Protestkundgebung gegen die Pläne des Shell-Konzerns und der hessischen Landesregierung auf, sechs Millionen Quadratmeter Erholungsgebiet für ein Petro-Chemiewerk (CPK-Bereich,d.Vf.) in Beschlag zu legen. Der Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft Mensch-Umwelt, Pfarrer Oesner, betonte auf der Kundgebung, daß diese Kundgebung sich nicht gegen den Fortschritt richte. Die DKP verteilte Flugblätter, in denen sie darauf hinwies, daß die Konzernbosse in feudalen Villen in der freien Natur lebten. Deshalb dürfe der Wald als Erholungsgebiet für die Arbeiter nicht den Profitinteressen geopfert werden."
Q: Unsere Zeit Nr. 26, Essen 27.6.1970, S. 1

07.07.1970:
Die RJ/ML Ortsgruppe Walldorf/Mörfelden (vgl. Juni 1970, 24.7.1970) des KAB/ML wird von einem Teil der Mitglieder der bisherigen RJ/ML Walldorf/Mörfelden gegründet. In einem Bericht darüber an das ZK der RJ/ML (vgl. Juni 1970, 12.8.1970) heißt es über den ehemaligen ML-Flügel innerhalb der Roten Zelle Groß Gerau (ROTZEGG) und die neue örtliche Vertretung der KPD/ML-ZB, "nach vertraulichen Informationen sollen sich diese Leute dem KJVD angeschlossen haben."
Q: RJ/ML-X.X.: An Y.Y., Walldorf o.J. (Juli 1970)

12.08.1970:
Die RJ/ML Ortsgruppe Walldorf/Mörfelden (vgl. 11.8.1970, 13.8.1970) berichtet heute ihrem ZK (vgl. 7.7.1970, 23.8.1970). Bezüglich des Gerüchtes über den Austritt von Jürgen Ossenberg aus dem KJVD der KPD/ML-ZB (vgl. 28.7.1970) heißt es:"
Ein Genosse der RJ(ML) hat daraufhin einen Genossen vom KJVD Aufbaukollektiv Groß Gerau um Stellungnahme gebeten. Dieser behauptete, daß Ossenberg aus dem KJVD ausgetreten sei, um Diskussionen über 'Fragen' in Gang zu bringen, später wolle er aber wieder eintreten. Aus Frankfurt erhielten wir die Nachricht, daß uns das KJVD Aufbaukollektiv einen Bären aufgebunden hatte. Ossenberg soll immer noch Mitglied des KJVD sein." Trotzdem will man sich am 2.9.1970 mit dem KJVD Groß Gerau treffen.
Q: RJ/ML-Ortsgruppe Walldorf/Mörfelden: An ZK der RJ/ML, Walldorf 12.8.1970

24.10.1970:
In Frankfurt und Groß Gerau wird in dieser oder der nächsten Woche ein Flugblatt "Arbeiterjugend fordert: 60% vom Ecklohn einheitlich für alle Lehrlinge! Für Arbeit in der Produktion - Arbeiter- oder Gesellenlohn! Einheitlicher Tarifvertrag für Arbeiter und Lehrlinge! Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!" verteilt. Herausgegeben wird es von den Revolutionären Jugend (ML) - RJ/ML Berufsschulgruppen (BSG) Heinrich von Kleyer Schule, Bethmannschule, Phillip Holzmann Schule und Gutenberg Schule. Nicht erwähnt wird in dem Flugblatt, daß es sich um die BSG der RJ/ML Ortsgruppe Walldorf/Mörfelden (vgl. 8.10.1970, 29.10.1970) handelt. Ausgeführt wird:"
Während die Profite der Kapitalisten (Unternehmer) ins unermeßliche gestiegen sind, hat sich die Lage der Arbeiterklasse nicht verbessert. Besonders die Arbeiterjugend wird im verstärkten Maße ausgebeutet. Die 'Ausbildungsbeihilfe', dieses Almosen, das wir für unsere Arbeit erhalten ist ein reiner Hohn. Viele glauben dem Spruch: 'Lehrjahre sind keine Herrenjahre', und lassen sich damit vertrösten, daß sie ja später einmal mehr verdienen werden, wenn sie ausgelernt haben und älter sind. Diese Haltung ist falsch. Wir müssen anders diese Frage herangehen. Wir müssen fragen:

WEM NÜTZT DIESE AUSBILDUNG?

Im Kapitalismus nützt unsere Ausbildung einzig und allein dem Unternehmer! Warum? Im Kapitalismus muß jeder, der keinen Besitz an Produktionsmitteln hat, seine Arbeitskraft verkaufen, um leben zu können. Weil der Wert der Produkte, die jeder von uns in seiner Arbeitszeit herstellt, unseren Lohn um ein Mehrfaches übersteigt, erzielt der Unternehmer Profite. Wenn wir also eine anständige Bezahlung während der Ausbildungszeit fordern, ist das also nur recht und billig. Unsere Lage ist zur Zeit völlig untragbar!

WIE IST UNSERE WIRTSCHAFTLICHE LAGE?

Als Lehrlinge bekommen wir zwischen 130 DM und 250 DM monatlich. Das steht in keinem Verhältnis zu dem, was wir brauchen. Die gestiegenen Preise, die von den Kapitalisten in die Höhe getrieben werden, betreffen uns Lehrlinge genauso wie die erwachsenen Arbeiter. Unsere 'Vergütung' hat sich seit Jahren kaum verbessert, aber die Preise sind stark angestiegen. Wir fordern deshalb:

60% VOM ECKLOHN EINHEITLICH FÜR ALLE LEHRLINGE!

Das heißt, daß die Unterschiede zwischen den Lehrjahren aufgehoben werden. Warum bekommt einer im ersten Lehrjahr weniger als im zweiten und dritten? Darauf gibt es nur eine Antwort: Es ist das Interesse der Kapitalisten, die Arbeiterjugend aufzuspalten. Die Kapitalisten versuchen, unsere Einheit dadurch zu schwächen, daß sie uns je nach Alter bezahlen. Dasselbe versuchen sie auch bei den jungen Arbeitern, indem sie gleiche Arbeit je nach Alter bezahlen. Das muß abgeschafft werden! Deshalb:
WEGFALL DER LOHNSTAFFELUNG NACH ALTERSGRUPPEN!
GLEICHER LOHN FÜR GLEICHE ARBEIT!

Diese Forderung ist ein wichtiger Schritt zur Verbesserung unserer wirtschaftlichen Lage. Es soll davon ausgegangen werden, daß als Grundlage für die Berechnung der Lehrlingsvergütung für alle 60% des Ecklohns zugrunde gelegt werden. Darüber hinaus muß jede Stunde, die der Kapitalist uns in der Produktion arbeiten läßt, voll mit 100% Effektivlohn bezahlt werden, das heißt mit dem vollen Arbeiter- oder Gesellenlohn. Denn durch unsere Arbeit in der Produktion schaffen wir oft die gleichen Werte, wie unsere älteren Kollegen, bekommen aber einen viel geringeren Lohn als sie. Das heißt: Die Kapitalisten beuten in einer noch viel brutaleren Weise aus, als unsere älteren Kollegen.

Deshalb: FÜR ARBEIT IN DER PRODUKTION - ARBEITER- ODER GESELLENLOHN!"

Die Anschrift ist ein Frankfurter Postfach von H. Schmidt, hingewiesen wird, darauf, daß Jungarbeiter und Lehrlinge den 'Rebell' der RJ/ML lesen.
Q: RJ/ML-OG Walldorf/Mörfelden: Arbeiterjugend fordert, Frankfurt o.J. (1970)

14.11.1970:
In Frankfurt und Groß Gerau wird vermutlich in dieser Woche (eine Woche vor den Weihnachtsferien) an 5 Berufsschulen ein Flugblatt der RJ/ML mit dem Titel "Wie sieht die wirtschaftliche Lage der Arbeiterjugend aus?" verteilt. Nicht bekanntgegeben wird, daß es von der OG Walldorf/Mörfelden der RJ/ML (vgl. 22.11.1970, 9.2.1971) stammt. Ganz oben in einem Kasten wird mitgeteilt:"
Die Tarifverhandlungen in der Metallindustrie sind beendet. Die Kapitalisten und die rechte Gewerkschaftsführung haben sich gegen den Willen der Kollegen auf Abschlüsse von 10 bis 13% geeinigt. Diese Abschlüsse sind faule Kompromisse, mit denen die rechte Gewerkschaftsführung dem Kampf der Metaller in den Rücken gefallen ist."

Dann wird noch einmal auf die Forderung nach 60% vom Ecklohn für Lehrlinge eingegangen und im zweiten Teil gefragt:"
WIE IST UNSERE POLITISCHE LAGE?

Unsere politische Lage ist zur Zeit durch das reaktionäre Betriebsverfassungsgesetz (BVG) bestimmt. Das BVG ist das juristische Mittel, mit dem die Kapitalistenklasse uns politisch unterdrückt. Daß wir kein Streikrecht haben und daß unsere Jugendvertreter keinen Kündigungsschutz genießen, sind Dinge, die im BVG verankert sind. Jeder, der im Betrieb den Mund aufmacht, kann mit diesem Maulkorbgesetz fertig gemacht werden. Deshalb: DAS BVG MUSS WEG!

Wir Lehrlinge haben kein Streikrecht. Was heißt das?

Die Kapitalisten wollen uns gegen unsere erwachsenen Kollegen ausspielen. In Essen haben wir vor kurzem ein Beispiel für diese hinterhältige und widerliche Taktik der Kapitalisten erlebt. Während eines Streiks wurden die Lehrlinge gezwungen, in der Produktion zu arbeiten und zusammen mit den Meistern den Laden zu schmeißen. Dadurch gelang es den Kapitalisten die einheitliche Kampffront der Arbeiter zu schwächen. Wir können also mit Hilfe des BVG als Streikbrecher gegen unsere älteren Kollegen eingesetzt werden. Schluß mit dieser schmutzigen Spaltertaktik: STREIKRECHT FÜR LEHRLINGE!

Genauso entschieden müssen wir dafür eintreten, daß unsere gewählten Jugendvertreter nicht länger hilflos den durch das BVG legalisierten Unterdrückungsmaßnahmen der Kapitalisten ausgeliefert sind. Wir müssen dafür sorgen, daß unsere Jugendvertreter im Betriebsrat Sitz und Stimme bekommen. Dazu ist selbstverständlich notwendig, daß unsere Vertreter für die anfallenden Arbeiten (Sitzungen usw.) freigestellt werden. Solange aber unsere Jugendvertreter keinen Schutz vor den Übergriffen der Kapitalisten haben, solange es den Kapitalisten möglich ist, ihnen unangenehme Jugendvertreter, die unsere Interessen aktiv vertreten, jederzeit zu kündigen, solange wird die Jugendvertretung keine Stütze unseres wirtschaftlichen und politischen Kampfes im Betrieb werden können. Deshalb: KÜNDIGUNGSSCHUTZ FÜR JUGENDVERTRETER!

Um unsere gerechten Forderungen durchsetzen zu können, müssen wir geschlossen gegen die Kapitalistenklasse vorgehen.

Jungarbeiter und Lehrlinge, die dies erkannt haben, organisieren sich in der REVOLUTIONÄRE JUGEND (ML) - RJ (ML)", die über das Frankfurter Postfach von H. Schmidt erreichbar ist.
Q: RJ/ML-OG Walldorf/Mörfelden: Wie sieht die wirtschaftliche Lage der Arbeiterjugend aus?, Frankfurt o.J. (1970)

22.11.1970:
Die RJ/ML-Ortsgruppe Walldorf/Mörfelden (vgl. 29.10.1970, 14.10.1970) verfaßt einen Bericht an ihr ZK (vgl. 8.10.1970, 9.2.1971) für die Zeit vom 9.10.1970 bis heute:" …
2. Groß Gerau

Nach dem offensichtlich wurde, daß der Groß Gerauer KJVD immer mehr zum treuen Vasallen der Weinfurth-Genger-Gruppe (d.h. der KPD/ML-ZB,d.Vf.) wurde, betrieben wir eine Arbeit an der Kreisberufsschule Groß Gerau, die sich im wesentlichen auf das Verteilen der ALP ('Aktuelle Lehrlings Presse' der RJ/ML Darmstadt,d.Vf.) und von Flugblättern beschränkte. Innerhalb der Roten Zelle Groß Gerau kam es nach Abspaltung des KJVD zu einer Neubestimmung der Schülerarbeit auf Grundlage des Artikels in Nr. 8 des Roten Pfeils. Ob diese Neubestimmung in der praktischen Arbeit konsequent verwirklicht wurde, kann von uns nicht überprüft werden. Auf jeden Fall kam es an der Groß Gerauer Oberschule zu einem Streik gegen den Lehrermangel, dem sich nach Agitation der ROTZGG auch die Berufsschüler anschlossen. Aus diesen Lehrlingen entstand eine Berufsschulgruppe in der auf Aufforderung durch die ROTZGG auch zwei Genossen der RJ/ML mitarbeiten. Es ist vereinbart, daß die Schüler der ROTZGG so bald wie möglich aus der Mitarbeit in der Lehrlingsgruppe ausscheiden. Wir benötigen für die Weitergabe an die ROTZGG ausgewähltes Material über die korrekte Arbeit einer Schülermassenorganisation. Bitte schickt uns dieses umgehend zu."

Anlagen sind u.a. die Flugblätter:
- "Arbeiterjugend fordert" Frankfurt/Groß Gerau (vgl. 24.10.1970);
- Flugblätter des KJVD Groß Gerau und der Lehrlingsgruppe Groß Gerau, die zur gleichen Zeit vor der KBS verteilt worden seien, uns aber leider nicht vorliegen.

Der KJVD habe der ROTZGG vorgeworfen eine Gleichmacherei zwischen Oberschülern und Lehrlingen zu betreiben.
Q: RJ/ML-OG Walldorf/Mörfelden: Bericht der Ortsgruppe für die Zeit vom 9.10.1970 bis 22.11.1970, o.O. o.J. (1970)

16.02.1971:
In Groß Gerau verfaßt Jakob Faulstroh, Presse- und Stanzwerk, einen Brief an die 'Jungarbeiter und Lehrlings Presse' (JLP) (vgl. 15.2.1971, 29.3.1971):"
Den Artikel über die Berufsausbildung in unserem Hause haben wir mit Interesse zur Kenntnis genommen. Leider mußten wir jedoch feststellen, daß Ihr Bericht einige krasse Fehlinformationen, Halbwahrheiten und Unwahrheiten enthält. Damit sie sich von den tatsächlichen betrieblichen Gegebenheiten und der von uns praktizierten Berufsausbildung ein objektives Bild machen können, laden wir Sie zu einem Informationsbesuch ein. Sie erhalten dabei die Gelegenheit, unser Berufsausbildungssystem kennenzulernen und die Herren des Betriebsrates, der Lehrlingsmeister und die Lehrgesellen stehen Ihnen zur Beantwortung von Fragen zur Verfügung.

Bitte nennen Sie uns einen Termin für Ihren Besuch."

Das Redaktionskollektiv der JLP antwortet:"
Sehr geehrte Damen und Herren!
Wir haben uns über Ihren Brief sehr gefreut, fanden jedoch keine Auseinandersetzung mit unserem Artikel über Lehrlingsausbildung in Ihrem Betrieb. Sie werfen uns vor, daß unser Artikel 'einige krasse Fehlinformationen, Halbwahrheiten und Unwahrheiten enthält, weisen uns dies jedoch nicht nach. Wir können hierzu nur sagen, daß der Artikel von einem Lehrling bei Faulstroh an die Redaktion der JLP geschickt wurde, der doch wohl über die Zustände in diesem Betrieb Bescheid weiß. Außerdem wurde uns die Glaubhaftigkeit dieses Berichtes von weiteren Lehrlingen bei Faulstroh bestätigt. In Ihrer Einladung zu einer Betriebsbesichtigung können wir aus diesem Grunde nur den Versuch einer Täuschung erkennen. Sollten sie immer noch an einer Gegendarstellung interessiert sein, senden sie uns diese bitte bis zum Redaktionsschluß der JLP am 25.März zu."
Q: Der Faulstroh-Arbeiter Nr.1, Groß Gerau o.J. (1971), S. 8

22.02.1971:
Frühestens heute gibt in Groß Gerau ein vermutlich am Prälat Diehl Gymnasium (PDG) angesiedelter Arbeitskreis Imperialismus eine "Information über Laos" heraus, für die Bernd Heyl verantwortlich zeichnet. Neben dem Deckblatt, auf dem ein US-Flugzeug abschmiert, während unten ein(e) Befreiungskämpfer(in) stolz das Gewehr hochhält, finden sich für 10 Pf. auf 5 Seiten Informationen und zum Schluß die Parole: "Für den Sieg im Volkskrieg Indochinas!".
Q: Arbeitskreis Imperialismus Groß Gerau: Information über Laos, o.O. (Groß Gerau) o.J. (1971)

29.03.1971:
In Groß Gerau gibt die Ortsgruppe der RJ/ML vermutlich in dieser Woche die bisher einzige Ausgabe ihres 'Faulstroh-Arbeiters' bei einem Preß- und Stanzwerk heraus. Kontakt ist möglich über ein Postfach von H. Schmidt in Walldorf. Die 8 Seiten teilen sich in 4 Seiten für Erwachsene, die mit denen des 'T+N - Arbeiters' in Frankfurt (vgl. 29.3.1971) identisch sind, und 4 Seiten unter dem Titel 'Der Faulstroh-Lehrling'. Dort wird gefordert die Freistellung zum Berichtsheftschreiben und in einer Dokumentation die Reaktion der Firma auf die erste Beschäftigung der 'JLP' der RJ/ML mit Faulstroh dargestellt (vgl. 16.2.1971). Auch einen Leserbrief eines Faulstroh-Lehrlings, der den JLP-Artikel kritisiert, hofft man zu widerlegen.
Q: Der Faulstroh-Arbeiter Nr. 1, Groß Gerau o.J. (1971)

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19.04.1971:
Vermutlich in dieser Woche gibt in Groß Gerau der Ausschuß für Information der Schülervertretung (SV) des Gymnasiums Prälat Diehl Schule (PDG bzw. PDS) eine Sondernummer der 'SV-Information' zum 1. Mai heraus. In "Zur Situation in Groß Gerau" wird ein Artikel der RJ/ML Darmstadt aus dem 'Info' des AStA der TH Darmstadt zum 1.Mai 1970 (vgl. Apr. 1970) nachgedruckt:"
Lehrlinge fordern: Ausbildung statt Ausbeutung

In letzter Zeit häufen sich die Berichte über Lehrlingsaktionen, die sich gegen Ausbeutung und Unterdrückung richten. Bild schrieb: 'Jetzt fangen unsere Lehrlinge auch noch an!' Die Proteste richten sich hauptsächlich gegen folgende Punkte:
1) Ausbeutung:
Die Lehrlinge müssen im Betrieb produktive Arbeit verrichten, bekommen aber nur eine sog. Erziehungsbeihilfe zwischen 120 und 200 DM. Dadurch macht der Unternehmer beträchtliche Extra-Profite (der Kaufhof in Darmstadt spart durch seine Lehrlinge pro Monat über 50 000 DM!).

2) Ausbildung:
Im Handwerk beschränkt sich die Ausbildung auf einige spezielle Bereiche, z.B. müssen manche 2 1/2 Jahre an der Stanzmaschine stehen oder 1 Jahr lang Schweizer Käse verkaufen. In der Industrie machen sie eine einjährige Grundausbildung durch, die aus Feilen oder Bohren besteht; dadurch werden sie so abgestumpft, daß sie es direkt als Erleichterung empfinden, die restliche Zeit in der Produktion arbeiten zu dürfen. Nach dem 'neuen' Berufsbildungsgesetz ist es auch in die Hand der Unternehmer gelegt, ob die Ausbildung 1, 2 oder 3 Jahre dauert (Paragraph 26, Stufenplan, der von Krupp übernommen wurde). Durch dieses reaktionäre Gesetz wird festgelegt, daß 70% aller Lehrlinge Hilfsarbeiten zu Hilfsarbeiterlohn verrichten müssen.

3) Unterdrückung:
Die Lehrlinge müssen meist die letzten Drecksarbeiten verrichten, werden geschlagen und schikaniert, wo es nur geht.

Um sich dagegen zu wehren haben sich im Raum Darmstadt Lehrlinge und Arbeiter in Gruppen zusammengeschlossen und begonnen eine Organisation aufzubauen, die Revolutionäre Jugend (Marxisten-Leninisten). Wir haben unsere Kameraden und Kollegen in einer Flugblattserie über das 'neue' Berufsbildungsgesetz informiert. Wir werden gegen die Auswüchse der Unternehmer und Ausbilderwillkür den Kampf aufnehmen! Die grundsätzliche Änderung unserer Lage, die Beseitigung der Macht der Unternehmer, wird die Arbeiterklasse, deren Teil die Arbeiterjugend ist, erreichen, wenn sie ihre Macht erkennt und anwendet!
KAMPF DEM REAKTIONÄREN BERUFSBILDUNGSGESETZ!"

So wird fortgefahren:"
Er zeigt deutlich, wie die Lage der Lehrlinge heute ist. Angesichts dieser Mißstände, die im Raum Groß Gerau oft noch verstärkt auftreten (18% der Lehrlinge haben keine Ausbilder, in 50% der Firmen gibt es keinen Ausbildungsplan, 41,4% der Lehrlinge müssen Nebenarbeiten verrichten, in 62,3% der Betriebe gibt es keine Jugendvertreter, 24% der Lehrlinge werden mit Akkord-, Fließband- oder Prämienarbeit beschäftigt; Zahlen nach DGB Untersuchung für den Raum Groß Gerau - Darmstadt) haben sich im Herbst 1970 Lehrlinge aus Groß Gerau zu einer Lehrlingsgruppe zusammengeschlossen. Diese Gruppe der RJ/ML hat bereits eine Reihe von Flugblättern verteilt und gibt regelmäßig eine Zeitung, die 'Jungarbeiter und Lehrlingspresse' heraus. In dieser Zeitung werden die Mißstände, die in den Ausbildungsbetrieben und an der Berufsschule herrschen aufgegriffen und kritisiert. Das Ziel der RJ/ML ist es in allen Betrieben des Kreises Betriebsgruppen aufzubauen, da der Kampf der Arbeiter hauptsächlich am Arbeitsplatz, nämlich im Betrieb geführt werden muß. Der erste Erfolg war schon zu verzeichnen. Anfang April (vgl. 29.3.1971,d.Vf.) wurde die erste Nummer des 'Faulstroharbeiters' vor der Firma Faulstroh verteilt. Viele Schüler der PDS unterstützen durch technische Hilfe (Verteilen von Flugblättern und Zeitungen vor der Berufsschule und vor Betrieben) aktiv den Kampf der Lehrlinge und Jungarbeiter. Die RJ/ML fordert alle Lehrlinge und Arbeiter zur Teilnahme an der diesjährigen Mai-Kundgebung auf; auch wir Schüler sollten uns an den Demonstrationen und Kundgebungen beteiligen, denn wir können unsere Interessen nur als Bündnispartner der lohnabhängigen Arbeiter und Angestellten wahrnehmen, wir müssen sie aktiv unterstützen."
Q: SV-PDG: Information Sdr.Nr. 1. Mai, Groß Gerau 1971

01.05.1971:
In Groß Gerau beginnt eine Mai-Demonstration um 9 Uhr Am Sandböhl und endet mit einer Kundgebung um 10 Uhr an der Kreisberufsschule. Aufgerufen wird auch von der SV des PDG.
Q: SV-PDG: Information Sdr.Nr. 1. Mai, Groß Gerau 1971, S. 14

03.07.1971:
Zwischen heute und dem 5.7.1971 zeigt die RJ/ML des KAB/ML in Groß Gerau
den Film 'Kuhle Wampe'.
Q: RJ/ML-OG Frankfurt: Gruppenbericht für die Zeit vom 7.4.1971-17.7.1971, S. 4

04.11.1971:
Die OG Groß Gerau der RJ/ML des KAB/ML will im Anne Frank Heim einen Film "Lohnkampf ist Klassenkampf" zeigen.
Q: Jungarbeiter und Lehrlingspresse Nr. 8, Frankfurt/Groß Gerau Dez. 1971, S. 8

Februar 1972:
Die OG Groß Gerau der RJ/ML des KAB/ML, die aus der OG Walldorf/Mörfelden hervorging, berichtet ihrem ZK (vgl. 7.4.1971, März 1972) über den Februar:"
Seit dem letzten Gruppenbericht hat sich in unserer Ortsgruppe zwar einiges geändert (die Sympathisantengruppe funktioniert besser, die politische und ideologische Diskussion ist stärker angegangen worden), wir sind jedoch immer noch ohne konkrete Ansätze zur Verankerung in Groß Gerauer Betrieben. Unter unseren Sympathisanten sind zwar fähige Leute, diese arbeiten jedoch meist in Darmstadt. Die Leute mit denen wir Kontakt haben, und die in Groß Gerau sind, sind teilweise Fachschüler, teilweise in Kleinbetrieben. Wir hatten zwar schon Kontakt mit Leuten aus Mittelbetrieben, uns gelang es jedoch nicht richtig sie vom gemeinsamen Kampf gegen den Kapitalismus zu überzeugen. Bei uns wirkt sich auch beschwerlich aus, daß wir in den Betrieben von Groß Gerau nicht verankert sind. Um in besseren Kontakt mit Kollegen aus Groß Gerauer Betrieben zu kommen, arbeiten wir nun verstärkt in der Gewerkschaftsjugend in Groß Gerau mit. Unsere Ziele für das nächste halbe Jahr haben wir nun grob umrissen. Wir sind jedoch nicht in der Lage einen genaueren Arbeitsplan aufzustellen, da uns genauere Vorstellungen fehlen. Es zeigt sich bei uns immer wieder, daß die Einsetzung von Bezirksinstrukteuren dringend notwendig ist, um eine konkrete Anleitung in für uns schwierigen Fragen zu bekommen. Die Kontakte mit der Ortsgruppe Frankfurt und der Ortsgruppe Darmstadt lassen ebenfalls zu wünschen übrig. Schon allein die Tatsache, daß wir immer wieder mit Leuten zu tun bekommen, die in Darmstadt arbeiten, bei uns aber mitarbeiten wollen, zeigt die Notwendigkeit auf, eine engere Zusammenarbeit der Ortsgruppen zu schaffen, die auch für uns dringend notwendig ist, um eine Hebung des ideologischen Niveaus vorantreiben zu können. Wir bitten Euch deshalb so bald wie möglich einen Bezirksinstrukteur einzusetzen. Ein weiteres Problem zeigt sich darin, daß sich eine Gruppe von Italienern mit uns in Verbindung gesetzt hat, wir jedoch nicht genau wissen, wie wir uns ihnen gegenüber verhalten sollen. Sie bezeichnen sich als Marxisten-Leninisten, das tun jedoch auch die Unione-Trotzkisten. Wir bitten Euch deshalb uns über die korrekte Kommunistische Partei Italiens zu informieren und uns die Kontaktpflege mit ausländischen Kollegen zu beschreiben."
Q: RJ/ML OG Groß Gerau: Betrifft: Gruppenbericht der Ortsgruppe Groß Gerau, Groß Gerau o.J. (1972)

März 1972:
Die Ortsgruppe Groß Gerau der RJ/ML des KAB/ML berichtet ihrem ZK (vgl. Feb. 1972, Mai 1972) über den März:"
Wir haben in der letzten Zeit damit begonnen unsere Arbeit zu systematisieren und die Aufgaben der einzelnen Genossen genauer festzulegen. Es lassen sich auch schon Erfolge unseres Vorgehens verzeichnen. Unsere Sympathisantenarbeit hat sich hierauf verbessert. In diesem Zusammenhang haben wir beschlossen die Kulturarbeit zu intensivieren, um den Genossen eine Alternative zum bürgerlichen Kulturbetrieb zu bieten. (Wir wollen zusammen mit Genossen aus Frankfurt und Darmstadt eine Freizeit über ein Wochenende durchführen. Für die Durchführung der Freizeit sprechen (natürlich eingeschränkt) die gleichen Gründe wie für die Durchführung des zentralen Zeltlagers.) Mit einigen Schwierigkeiten in Bezug auf die Sympathisantenarbeit haben wir jedoch immer noch zu kämpfen. Kaum ein Sympathisant wohnt direkt in Groß Gerau und einige haben ihren Arbeitsplatz in Darmstadt. Die Agitation ist verstärkt worden, so geben wir jetzt vorläufig vor jedem Rebellverkauf eine Broschüre heraus, die auf den Inhalt des jeweils neuen Rebell hinweist. (…) Die ersten Vorbereitungen für den 1.Mai sind mittlerweile getroffen worden. Wir sind eben dabei mit verschiedenen fortschrittlichen Gruppen aus Groß Gerau und Umgebung in näheren Kontakt zu treten (Jusos, DKP). Demnächst werden wir noch versuchen mit dem Ortskartell des DGB übereinzukommen. In der Gewerkschaftsjugend ist bereits beschlossen worden den 1. Mai möglichst kämpferisch zu gestalten.

Aufgrund einer Aktionseinheit von MLSG Groß Gerau und SDAJ gegen eine Veranstaltung der Jungen Union in Walldorf, haben wir zusammen mit der SDAJ Mörfelden beschlossen eine Aktionseinheit gegen Ultrarechtsblock und Faschismus einzugehen. Diese Aktionseinheit soll unter dem Namen Demokratische Aktion auftreten und auch einen Kampf um mehr demokratische Rechte führen, d.h. die Demokratische Aktion ist auch gegen die Angriffe der SPD ausgerichtet. Die SDAJ-Vertreter billigten dies alles und stimmten zu, die SPD als momentane Hauptstütze des Kapitals anzusehen. Wir haben zu allen Vorstellungen, die von uns kamen, die volle Zustimmung erhalten. Wir haben auch die ideologische Auseinandersetzung in Angriff genommen, indem wir der SDAJ u.a. eine Diskussion über die 'Fünf Grundrechte' angeboten haben, die wir im Mai durchführen werden. Die Diskussion wird selbstverständlich öffentlich stattfinden. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu erwähnen, daß wir nun damit begonnen haben die LSK (Lenin-Studienkampagne,d.Vf.) durchzuführen. Ein Genosse aus Darmstadt hat sich bereit erklärt als Schulungsleiter zu fungieren. Beim ersten Treffen wurde noch einmal festgestellt, daß die Nichtdurchführung der LSK stark zu kritisieren ist, da dies im höchsten Maße organisationsschädigend ist. Uns war die Wichtigkeit der LSK einfach nicht klar. An der LSK nehmen auch Genossen aus der Frankfurter Ortsgruppe teil, von denen die Nichtdurchführung der LSK in ihrer Ortsgruppe ebenfalls stark kritisiert wurde. Wir haben noch weiter Kontakt mit den italienischen Genossen, wissen jedoch immer noch nicht genau, wie wir uns ihnen gegenüber verhalten sollen. Sie wollten ursprünglich einen Sprachunterricht durchführen, bei dem wir Hilfestellung leisten sollten. Dies hat sich jedoch aus ziemlich fadenscheinigen Gründen zerschlagen. Die Italiener, die wie sie behaupten auch Kontakt zu italienischen Kollegen bei der Firma Faulstroh haben, haben zu Leuten von Lotta Continua (LC, d.Vf.) Kontakt, die bei Opel Rüsselsheim zusammen mit dem Revolutionären Kampf (RK, d.Vf.) Betriebsarbeit machen. Es ist die Frage, inwieweit das Einschlafenlassen der Kontakte auf die Aktivitäten der Leute von Lotta Continua zurückzuführen ist. Wir werden auf jeden Fall versuchen mit den Leuten aus Groß Gerau weiter Kontakt zu halten und versuchen mit ihnen eine ideologische Auseinandersetzung zu führen. Wir hoffen, daß Ihr uns bald eine Anleitung zur Arbeit mit ausländischen Kollegen schickt und uns Näheres über Lotta Continua und die korrekte italienische Partei berichten könnt. Über unsere Arbeit in der VHS (Volkshochschule, d.Vf.) Groß Gerau werden wir im nächsten Gruppenbericht Näheres berichten. Vorauszuschicken wäre auf jeden Fall, daß ein Mitglied der KSG/ML Frankfurt eine Volkshochschulgruppe in Ginsheim leitet und an der Schülerpresse, einer Zeitung für Haupt- und Realschulen, mitarbeitet. Die Seminare, die zur Arbeit an der Schülerpresse notwendig sind, werden teilweise von der VHS getragen. Demnächst findet ein Seminar für diese Zeitung statt an dem auch ein Mitglied der RJ/ML Frankfurt teilnehmen wird. Wir wollen versuchen diese Zeitung, an der auch DKP-Sympathisanten mitarbeiten (2 Realschüler), zu einem Organ der RJ/ML für Haupt- und Realschulen im Landkreis Groß Gerau zu gestalten. …
Wir begrüßen die Durchführung des zentralen Zeltlagers, wir können jedoch noch keine Zusage in Punkt auf Teilnehmerzahl machen, da ungefähr zur gleichen Zeit eine Freizeit für Kinder des Kreises Groß Gerau stattfindet, für die sich 4 Genossen unserer Ortsgruppe als Betreuer gemeldet haben.

Wir möchten noch einmal darauf hinweisen, daß wir eine Einsetzung des Bezirksinstrukteurs für dringend notwendig halten."
Q: RJ/ML-Ortsgruppe Groß Gerau: Betrifft: Gruppenbericht der Ortsgruppe Groß Gerau (März 1972), Groß Gerau o.J. (1972)

01.05.1972:
In Groß Gerau führt der DGB, laut RJ/ML, eine Saalveranstaltung durch. Die RJ/ML habe dagegen gemeinsam mit Italienern ein Transparent und einen Infostand auf dem Marktplatz aufgebaut.
Q: Rebell Nr. 5, Tübingen Mai 1972, S. 6

30.06.1972:
Der KABD (ex-KAB/ML - vgl. 7.8.1972) berichtet über seine Theatergruppe 'Roter Zünder' (vgl. 7.8.1972):"
In Groß-Gerau griff der 'Rote Zünder' noch besonders den hessischen Zivilschutz-Unterricht an: 150 Jungarbeiter, Lehrlinge und Schüler wurden begeistert und zum Kampf ermutigt."
Q: Rote Fahne Nr. 8, Tübingen Aug. 1972, S. 6

November 1972:
Die Ortsgruppe Groß Gerau der RJ/ML des KABD verfaßt vermutlich im November einen Bericht:"
Situation der OG Groß Gerau

Industrie in Groß Gerau
Größere Betriebe in GG sind die Zuckerfabrik (Südzucker AG) (NGG-Bereich, d.Vf.), die ungefähr 250 Beschäftigte hat. Während der Zuckerrübenkampagne sind dort allerdings 1 000 Leute beschäftigt. Der nächst größere Betrieb ist das Jakob Faulstroh Press- und Stanzwerk (Metall) mit ungefähr 600 Beschäftigten. Richardson Merell (Wick) (NGG-Bereich, d.Vf.) mit ungefähr 350 Beschäftigten ist der drittgrößte Betrieb. Die restlichen Mittelbetriebe sind hauptsächlich metallverarbeitende Betriebe und haben zwischen 30 und 150 Beschäftigte, wobei die Betriebe mit der geringeren Beschäftigtenzahl bei weitem überwiegen. Die meisten Lehrlinge, die die Berufsschule in Groß Gerau besuchen, sind Lehrlinge aus kleinen Handwerksbetrieben aus Groß Gerau und den umliegenden Ortschaften. Der größte Teil der arbeitenden Bevölkerung Groß Geraus und der umliegenden Ortschaften arbeitet entweder in Darmstadt, Frankfurt oder bei Opel (IGM-Bereich, d.Vf.) in Rüsselsheim (ungefähr 32 000 Beschäftigte). Landwirtschaftliche Betriebe sind hier auch noch relativ stark vertreten; auch die Nebenerwerbstätigkeit von ehemaligen Bauern, die der wirtschaftlichen Konzentration nicht mehr standhalten konnten und als Hilfsarbeiter in die Fabriken mußten ist ebenfalls noch vorhanden.

Unsere Ortsgruppe besteht zur Zeit aus 7 Mitgliedern. Davon ist ein Genosse seit dem 2. Oktober bei der Bundeswehr (…) (Metallfacharbeiter, d.Vf.). Die restlichen Mitglieder sind zwei Schüler (Schülergrundeinheit), ein Schlosserlehrling (Arbeitsplatz in Darmstadt), ein Schreinerlehrling, ein Betriebsschlosser (der gerade Abitur macht) und ein Student. Die Ortsgruppe ist relativ gefestigt, es bestehen keine Differenzen zur politischen Arbeit. Es besteht jedoch ein Mangel an politischen Grundlagen. Wir sind dabei unsere Arbeit nach außen zu intensivieren, wir haben damit begonnen eine Berufsschulgruppe (BSG,d.Vf.) aufzubauen. Auch wurde beschlossen, daß die Genossen in den verschiedenen Jugendclubs, die es in Groß Gerau und Umgebung gibt, mitarbeiten sollen. Für die Berufsschulgruppe ist ein Stamm von Sympathisanten vorhanden, es mangelt jedoch noch an Planmäßigkeit von uns, um die Sympathisanten näher an uns zu binden. Durch geselliges Zusammensein und kulturelle Betätigung (Sport und Liederabende etc.) sollen diese Sympathisanten näheren Kontakt mit uns bekommen. Dies kann jedoch die politische Arbeit mit den Sympathisanten nicht ersetzen, wobei uns die Planmäßigkeit immer noch Schwierigkeiten bereitet. Wir sind nur ansatzweise bei der Herstellung des Arbeitsplans. Konkrete Vorstellungen fehlen immer noch, was eine große Hinderung bedeutet. Im großen und ganzen ist die Situation in unserer Ortsgruppe jedoch recht positiv zu beurteilen, da wir die Isolation, die vor ungefähr einem Jahr noch bestand, größtenteils überwunden haben. Die OG muß jetzt noch hauptsächlich organisatorisch und ideologisch gefestigt werden. Wir wollen in diesem Zusammenhang demnächst die Durchführung einer Schulung diskutieren. Unsere Arbeit in der Gewerkschaft haben wir vorläufig aufgegeben, da diese uns wenig weiter brachte und wir die Arbeit der RJ-Ortsgruppe nach außen für vorrangiger halten, was uns bei der Beibehaltung der Gewerkschaftsarbeit wie bisher nicht möglich gewesen wäre."

Ebenfalls von der OG oder von dem Bezirksinstrukteur (BI) stammt noch eine:"
Ergänzung: Die Arbeit der Ortsgruppe ist in der letzten Zeit lebendiger geworden, schlecht wirken sich die objektiven Bedingungen (wenig Industrie) aus. Der Entwicklung von Führungskräften wurde bisher wenig Aufmerksamkeit gewidmet."
Q: N.N.(RJ/ML-BI Südhessen): ohne Titel (Bericht an ZK der RJ/ML), o.O. o.J. (1972)

01.05.1973:
In Groß Gerau hatte die RJ/ML, nach eigenen Angaben, zu ihrer Maiveranstaltung, deren genauen Termin wir bisher nicht kennen, Jusos und DKP eingeladen. Am 1. Mai selbst beteiligt sich die RJ/ML an der DGB Kundgebung.
Q: Rebell Nr. 5, Tübingen Mai 1973, S. 9; Rote Fahne Nr. 5, Tübingen Mai 1973

Letzte Änderungen: 15.11.2014

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