Zündkerze - Betriebszeitung der Roten Opel Betriebsgruppe (RBG) der KPD/ML Rüsselsheim, Jg. 1, Nr. 3, o. J. (1971)

05.07.1971:
Vermutlich heute gibt die Rote Opelbetriebsgruppe der KPD/ML-ZK erstmals bei Opel Rüsselsheim ihre 'Zündkerze' (vgl. 7.7.1971) heraus, die die Nr. 3 trägt, da die Nummerierung vom bisherigen 'Roten Metaller' (vgl. 11.5.1971) fortgeführt wird. Der Umfang beträgt 8 Seiten DIN A 4, die Verantwortung trägt Lothar Wolfstetter in Frankfurt.

Im Leitartikel heißt es: "
LOHNKAMPF 1971

Forderungen:

1. 15% gleich 1 DM ab 1.10.1971
2. Tarifliche Absicherung des Effektivlohns
3. 13. Monatslohn (tariflich abgesichert)
4. Volle Bezahlung des 24.12. und Sylvester
5. Wegfall der Lohngruppen 1 und 2
6. Voller Lohnausgleich bei 6 Std. Samstagsschicht
7. Weg mit dem Punktebewertungssystem: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit

KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN

DAS SIND DIE RICHTIGEN FORDERUNGEN!

Sie stützen sich auf genaue Untersuchungen. Am eigenen Geldbeutel spüren wir jeden Tag, wie alles teurer wird, wie die Preise in die Höhe schießen.

UM WIEVIEL % SIND DIE LEBENSHALTUNGSKOSTEN WIRKLICH GESTIEGEN?
CA. 11% - 13%

Aber damit nicht genug. Die paar Groschen, die uns jetzt noch bleiben, werden uns durch Steuererhöhungen aus der Tasche gezogen.
Allein im vergangenen Jahr haben es die Kapitalvertreter fertig gebracht, die Lohnsteuer um 22% zu erhöhen. Dazu kommen als krönender Abschluß die indirekten Steuererhöhungen (Benzin, Kfz., Versicherungen, Tabak usw.). Die Einkommensteuer der Unternehmer dagegen ist gesunken.

Von diesem Staat und seinem Parlament hat der Arbeiter nichts zu erwarten.
Für die gibts nur eine Politik:
Laßt die Arbeiter schaffen, wir Bosse raffen.

BEDEUTEN 15% EINE VERBESSERUNG?

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als hätten wir dann viel erreicht, wenn wir diese Forderung durchgeboxt haben. In Wirklichkeit ist die Durchsetzung dieser richtigen und notwendigen Forderungen ein Verteidigungskampf. Wir müssen uns das zurückerkämpfen, was uns die Kapitalisten durch Preistreiberei und Steuererhöhungen im letzten Jahr geraubt haben. Bis zum nächsten Lohnkampf 1972 wird sich unsere Lage noch mehr verschlechtern. Die Kapitalisten der ganzen Welt befinden sich in einer immer stärker werdenden Wirtschaftskrise. Der Konkurrenzkampf um Absatzmärkte verschärft sich täglich. Besonders die Japaner machen den Opelbossen stark zu schaffen. Verstärkte Konkurrenz heißt verstärkte Ausbeutung, mehr Antreiberei, alles noch schneller für weniger Geld. Das läßt sich die Arbeiterklasse nicht länger gefallen. Die Lohnkämpfe 1969, 1970 zeigen: 'Der Kampfgeist erwacht!'

Die derzeitigen Handlanger des Kapitals, die SPD/FDP Regierung bereiten sich auf die kommenden Kämpfe vor. Staats-, Militär- und Polizeiapparat werden verstärkt. Der Bundesgrenzschutz (BGS, d.Vf.) probt in der Lüneburger Heide die Besetzung von Roten Fabriken. Unsere streikenden Chemiekollegen haben als erste die reformierten Polizeiknüppel gespürt. Die IGM-Bonzen haben sogar einen Antrag auf Verbot der KPD/ML gestellt. Wer ihre Sprüche: Arbeiter, nehmt Rücksicht auf die Volkswirtschaft, oder das Märchen von der Lohn-Preisspirale als Lügen entlarvt, der soll weg vom Fenster.

15% gleich 1 DM ist keine Verbesserung. Kollegen, keine Illusionen, die Bonzen werden unsere Lage weiter verschlechtern, weiter Preise erhöhen, weiter die Inflation beschleunigen. Doch wqir müssen jeden Angriff durch Lohnkampf und Streik zurückschlagen! Erst wenn die Arbeiterklasse sich einig wird, und geführt von der Partei des Proletariats, der KPD/ML, dieses verfaulte und verlogene System stürzt, erst wenn wir den deutschen Arbeiterstaat aufbauen, dann verbessert sich unsere Lage grundsätzlich.

PREISSTOP? PROFITSTOP?

Viele Kollegen wollen sich für Preis- und Profitstop einsetzen. Der Staat soll dafür die Gesetze verabschieden. Glaubt Ihr, Kollegen, daß z.B. SPD-MdB Rosenthal, selbst Fabrikbesitzer und die anderen Konzernvertreter im Parlament sich solche Eigentore schießen?

Kollegen, die von Profit- und Preisstop träumen, träumen vom Sozialismus und Wirtschaft nach Plan und Bedarf, ohne Krisen und Ausbeutung. Doch das ist nicht drin, solange es den kapitalistischen Konkurrenzkampf gibt und Produktion nach Profit. Wer da überleben will, muß seine Arbeiter immer stärker ausbeuten und Preise treiben. Diese Gegensätze sind von keinem Staat unter einen Hut zu bringen. 'Linke' Gewerkschaftsbürokraten, Jungsozialisten (Jusos der SPD, d.Vf.) und DKP-FDunktionäre unterstützen diese Illusionen.

Dadurch werden viele fortschrittliche Kollegen vom konsequenten Kampf gegen den Staat abgehalten. Wenn die Arbeiterklasse sich endgültig befreien will, muß sie den Staatsapparat zerschlagen. Aber das geht nur mit einer disziplinierten Partei, nach Plan und System. Wer das bestreitet oder verschweigt handelt gegen das Interesse der Arbeiterklasse. Als Studentengenossen der KPD/ML im Chemiekampf (CPK-Bereich, d.Vf.) mit den Arbeitern gemeinsam Streikposten aufstellten, haben diese Leute gebrüllt: Lohnkampf hat nichts mit Politik zu tun, keine Einmischung von außen!

Damit wollen sie bezwecken, daß wir uns nicht selbst für unsere Interessen einsetzen, sondern den Gewerkschaftsführern hinterherlaufen, die uns verraten werden wie im letzten Herbst und jetzt die Chemiekollegen.

WAS TUN?

Die Forderungen sind richtig, doch wie können wir sie durchsetzen? NUR DURCH STREIK, unserer einzigen und wirksamsten Waffe. Denn am Verhandlungstisch der Konzertierten Aktion verraten uns die IGM-Bürokraten wie im letzten Herbst an das Kapital.

Ja, selbst eine IGM-Forderung von 10% auf den Ecklohn ist angesichts der Preistreiberei ein glattes Almosen.

Nein! Am Vorstandstisch fallen nur Brocken ab. Wir müssen uns auf die eigene Kraft verlassen und nicht auf Hahn, Lorenz, Mokrus, Flach und Kumpanen.

Manche Kollegen haben verständliche Einwände gegen Streikmaßnahmen. Lohnverlust, Schwierigkeiten zu Hause, Angst vor Rausschmiß, die Streikgelder sind kümmerlich, wenn sie der Gewerkschaftsapparat überhaupt herausrückt. Für die nichtorganisierten Kollegen siehts noch schlechter aus, denn rote Hilfsorganisationen haben wir erst in winzigen Ansätzen aufgebaut, wie ihr am Fall Hernandez seht.

Unser wirksamstes Mittel ist die Einheit und Solidarität der Kollegen untereinander. In den Abteilungen müssen sich die zuverlässigsten und standhaftesten Kollegen zu STREIKRÄTEN zusammenschließen und sich schützend vor die Kollegen stellen. Alle anderen Kollegen müssen hinter dem Streikrat stehen und ihm den Rücken stärken. Wenn dann wie im letzten Herbst die Abteilungsleiter mit Notizblock und Drohungen (in einigen Abteilungen Arm in Arm mit dem Betriebsrat) durch die Hallen rennen, dann können sie uns nicht einschüchtern. Sie können sich die Schuhsohlen ablaufen, wenn wir uns einig sind. Alle Abteilungen wie ein Mann hinter dem Streikrat! Schon jetzt müssen wir uns durch Gespräche miteinander auf den Lohnkampf vorbereiten. Wir müssen mit unseren V-Leuten die Forderungen durchsprechen und sie kontrollieren, ob sie sie auch wirklich vertreten. Auch mit der Frau zu Hause über die Forderungen sprechen, denn die haben einen besseren Überblick über Preissteigerungen. So bereiten wir uns richtig auf den Lohnkampf vor. Der Kampf muß ein weiterer Schritt zur Einheit der Opelarbeiter sein. Die Parole heißt:

MANN DER ARBEIT AUFGEWACHT UND ERKENNE DEINE MACHT, ALLE RÄDER STEHEN STILL, WENN DEIN STARKER ARM ES WILL!"

Auch man selbst sucht die Einheit, vor allem mit den Opel-Betriebsgruppen des RK Frankfurt und der KPD/ML-ZB (vgl. 4.7.1971).
Berichtet wird vom Fall Hernandez (vgl. 23.4.1971, 28.6.1971), wozu in Kürze eine Dokumentation erscheinen soll.

Ein Jugendteil wird von der Roten Garde (RG) Rüsselsheim erstellt: "
FÜR JUNGARBEITER UND LEHRLINGE: GLEICHER LOHN FÜR GLEICHE ARBEIT
FÜR ALLE LEHRLINGE 80% DES FACHARBEITERLOHNES!

JUNGARBEITER UND LEHRLINGE!

Warum kriegt einer, der 18 Jahre ist und am Band schafft, weniger, als sein Kollege daneben, der ein paar Jahre älter ist? Warum gibt es bei der Leistungszulage Abstufungen nach Alter? Bei den Angestellten ist es genauso:

Ein 20jähriger kaufm. oder techn. Angestellter in den Gehaltsgruppen K1 und T1 kriegt 120 DM weniger als sein 21jähriger Schreibtischnachbar.

Das alles soll uns Jugendliche voneinander spalten. Wer mehr kriegt, kämpft nicht mehr so sehr wie sein Kumpel, der weniger hat. Unsere Forderung 'GLEICHER LOHN FÜR GLEICHE ARBEIT' zielt auf die Einheit der Arbeiterklasse ab. Denn wie der Mensch lebt, so denkt er. Deshalb:

Wir Lehrlinge arbeiten in der Produktion oder wir schaffen in der Lehrwerkstatt genau wie ein Dreher oder Werkzeugmacher im Betrieb. Gegen die produktive Arbeit haben wir gar nichts, aus zwei Gründen:

1. Wir wollen praktisch arbeiten. Natürlich muß es entsprechende Ausbildungsplätze in der Produktion geben, wo wir nicht rumgejagt werden, sondern von den älteren Kollegen wirklich was lernen können. Von einem Dreher mit 30jähriger Berufspraxis können wir hundertmal soviel lernen, wie von einem Pauker, der nur Bücher gelesen hat.

2. Die Kapitalisten verbreiten, wo sie es können, in Fernsehen, Radio, Zeitungen: 'Junge Leute haben ganz andere Interessen als ältere.' Meistens meinen sie damit Mode, Beat, lange Haare usw. So wollen sie den gemeinsamen Kampf aller Arbeiter - ob jung oder alt - verhindern. Das ist ihnen lange genug gelungen.

Die Arbeit in der Produktion bringt uns mit älteren Kollegen zusammen. Hier meint jeder, daß das gemeinsame Interesse von jung und alt die Abschaffung der Ausbeutung ist - und nicht sonntags stundenlang in Diskotheken rumhocken, wo man einpennt vor Langeweile.

Aus diesen Gründen sind wir nicht gegen die Arbeit in der Produktion.
WIR WOLLEN ABER AUCH DAFÜR BEZAHLT WERDEN!

Die produktive Tätigkeit eines Lehrlings macht durchschnittlich 3/4 seiner Lehrzeit aus. Bei einem Beruf ist es weniger, beim anderen ist es mehr. Deshalb ist 80% vom Facharbeiterlohn die richtige Forderung.

WARUM FORDERN WIR NICHT 600 DM FÜR ALLE?

Wenn wir Forderungen aufstellen und erkämpfen, müssen wir immer auf die Einheit der Arbeiterklasse abzielen. Ein ganz wichtiger Schritt im Kampf um die Einheit ist der Kampf gegen Lohngruppen und Altersstaffelungen. Wir müssen erreichen, daß die Lehrlinge zusammen mit den älteren Kollegen kämpfen. Bei 80% Lehrlingslohn ist ein Kampf der Arbeiter, z.B. um 15%, auch ein Kampf der Lehrlinge.

LEHRLINGE UND JUNGARBEITER!

Die Lehrwerkstatt beim Opel ist vom Betrieb getrennt. Lehrlinge und Arbeiter haben wenig Kontakt. Im Herbst müssen wir zeigen, wie wir das Geschwätz von den verschiedenen Interessen von jung und alt durchschauen. Wenn die älteren Kollegen um mehr Geld streiken, dürfen wir nicht weiterarbeiten. Dann muß auch in der Lehrwerkstatt der Hammer fallen.

Es gibt immer noch kein gesetzliches Streikrecht für Lehrlinge. Doch wenn wir zusammenstehen wie ein Mann, kann uns niemand was anhaben.

Unsere Forderungen müssen wir in der ganzen Lehrwerkstatt diskutieren. Die Jugendvertreter (JV, d.Vf.) müssen wir fragen, ob sie dahinterstehen und mit uns kämpfen wollen.

DIE PAROLE HEISST:

OB VATER, MUTTER, TOCHTER, SOHN - FÜR GLEICHE ARBEIT - GLEICHER LOHN!"
Q: Zündkerze Nr. 3, Rüsselsheim o.J. (1971); Zündkerze Extra Ein feines Süppchen, Bochum o.J. (1.7.1971), S. 2

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