Hessen: Bauindustrie und Industriegewerkschaft Bau-Steine-Erden (BSE)

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, 10.04.2010

Nach unserer wie immer äußerst unvollständigen Quellenauswertung waren in Hessen in den hier betrachteten Jahren linksradikale Gruppen in der Bauindustrie nur wenig rührig. Zwar gab es einige Enthüllungsberichte über die Zustände, unter denen die Bauarbeiter, oftmals sog. 'Gastarbeiter' arbeiten und leben mussten (vgl. 18.4.1970, 7.12.1970), oder auch Berichte von Protestaktionen (vgl. 29.6.1971), allein die Revolutionäre Jugend / Marxisten-Leninisten (RJ/ML) Ortsgruppe Walldorf/Mörfelden des KAB/ML bzw. später des KABD aber scheint im Rahmen ihrer Berufsschularbeit in Frankfurt, die später durch die RJ/ML-Ortsgruppe Frankfurt übernommen wird, auch an der Phillip Holzmannschule (PHS), der Berufsschule für Bauberufe sowie bei Holzmann selbst (vgl. 29.3.1971) und auch in anderen Baubetrieben (vgl. Sept. 1971) längerfristig aktiv (vgl. 11.12.1971, 17.1.1972, 27.2.1972, März 1972).

Die hier ansonsten bisher erschlossenen Berichte anderer Gruppen scheinen eher sporadisch bzw. zufällig erfolgt zu sein.

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

18.04.1970:
Die DKP bringt die Nr.16 ihrer 'Unsere Zeit' (UZ) heraus (vgl. 11.4.1970, 25.4.1970) und berichtet u.a. von dem für Holzmann zuständigen BSE OV Frankfurt.
Quelle: Unsere Zeit Nr.16,Essen 18.4.1970

07.12.1970:
Die KPD/ML-ZB berichtet vermutlich aus dieser Woche:"
LAGE DER AUSLÄNDISCHEN ARBEITER

Die ausländischen Arbeiter in der BRD erfüllen die Funktion der industriellen Reservearmee, d.h. im Aufschwung werden sie von den Kapitalisten ins Land geholt und als Lohndrücker benutzt, in der Krise werden sie wieder in ihre Heimatländer abgeschoben. Dadurch wird die Arbeitslosigkeit im eigenen Land verringert. Aber auch solange ihre Arbeitskraft gefragt ist, leben die ausländischen Arbeiter in extremer wirtschaftlicher Not, da sie von Kapitalisten und Hauseigentümern bis zum letzten ausgepreßt und betrogen werden. Ein Fall aus Frankfurt, von der bürgerlichen Presse als empörender Einzelfall hochgespielt, zeigt durchaus 'normale' Zustände, unter denen die Mehrzahl der ausländischen Arbeiter in der BRD lebt:

Am 'Tag des ausländischen Mitbürgers' in Frankfurt wollte eine Delegation von Geistlichen der evangelischen und katholischen Kirche Hessen zusammen mit Priestern, Politikern und Sozialreformern aus Italien das Rödelheimer Wohnlager für ausländische Arbeiter der Großbaufirma Philipp Holzmann AG (BSE-Bereich,d.Vf.) besichtigen. Der Lagerverwalter erklärte ihnen jedoch: 'Ich kann sie nicht einlassen, weil sie über keine schriftliche Genehmigung der Direktion verfügen.' Die Delegation wollte das Lager besichtigen, weil sie von den unmenschlichen Zuständen dort gehört hatten: für 800 Menschen gibt es nur 8 Duschen und 6 Wasserhähne; in den engen Räumen hausen immer mindestens vier Menschen zusammen. Für diese katastrophalen Unterkünfte aber preßt die Holzmann AG eine Wuchermiete aus den Arbeitern heraus: ein Bett mit Spind in einem 12 qm großen Raum, in dem 6 Menschen wohnen, kostet 66 DM. Für den 12 qm Raum kassiert die Holzmann AG also 396 DM; insgesamt bringt ihr das Lager 52 000 DM monatlich ein.

Ähnliche Zustände herrschen in den Lagern bei VDO (IGM-Bereich,d.Vf.), Ambrosius (***-Bereich,d.Vf.), Hochtief (BSE-Bereich,d.Vf.), VDO (IGM-Bereich,d.Vf.), bei der Firma Meuser (IGM-Bereich,d.Vf.) und bei den Stadtwerken (ÖTV-Bereich,d.Vf.) in Frankfurt!"
Q: Kommunistischer Nachrichtendienst Nr.58,Bochum 12.12.1970,S.8f

29.03.1971:
An Frankfurter und Groß Gerauer Berufsschulen gibt die RJ/ML OG Walldorf/Mörfelden vermutlich in dieser Woche die auf März datierte Nr.2 der 'Jungarbeiter- und Lehrlingspresse' (JLP - vgl. 15.2.1971, 12.4.1971) heraus. Der Leitartikel behandelt die Verbesserungen durch das BBiG, wie die Freistellung zum Schreiben des Berichtsheftes, die in Frankfurt bei T+N verspätet eingeführt (vgl. 1.1.1971) wurde, während es ebenfalls in Frankfurt noch schlimmer ist:"
Bei Messer Griesheim, Lurgi, Holzmann usw. denken die Kapitalisten bis heute noch nicht daran unseren im BBiG verankerten Rechten nachzukommen."
Q: Jungarbeiter und Lehrlingspresse Nr.2,Frankfurt/Groß Gerau März 1971

29.06.1971:
Die KPD/ML-ZB berichtet vermutlich aus dem späteren Lahn-Dill Kreis:"
BAUARBEITER DEMONSTRIEREN GEGEN LEBER

Je schärfer die wirtschaftlichen und politischen Angriffe der SPD-Regierung werden, desto mehr beginnen sich die Arbeiter von den SPD-Führern zu lösen. Dies zeigt die Bauarbeiterdemonstration gegen Bundesverkehrsminister Leber bei der Eröffnung des hessischen Teilstücks der Sauerlandlinie. Die Bauarbeiter zeigten ihrem ehemaligen Gewerkschaftsfunktionär ein Transparent mit der Aufschrift: 'Herr Minister Leber! Als sie noch waren Kollege bei Bau-Steine-Erden sollte alles besser werden. Jetzt, als Minister für Verkehr gibt es keinen Straßenbau mehr!!' und protestierten damit gegen die Stabilitätspolitik Lebers, durch die sie Entlassungen zu befürchten haben."
Q: Kommunistischer Nachrichtendienst Nr.52,Bochum 10.7.1971,S.7f; Der NCR Arbeiter Nr.9,Berlin 22.7.1971,S.5

Berlin_NCR097


September 1971:
Die Ortsgruppen Frankfurt und Groß Gerau der RJ/ML des KAB/ML geben die Nr.6 ihrer Berufsschulzeitung 'Jungarbeiter und Lehrlingspresse' (vgl. 24.5.1971, 4.10.1971) heraus. Lehrlings- und Jungarbeiterberichte kommen u.a. aus Frankfurt von einer Bauzeichnerlehre bei der Firma Kögel.
Q: Jungarbeiter und Lehrlingspresse Nr.6,Frankfurt/Groß Gerau Sept. 1971

11.12.1971:
Die OG Frankfurt der RJ/ML berichtet über ihre Tätigkeit im November und Dezember 1971 u.a.:"
Ein Genosse arbeitet seit einer Woche in der Bau-Steine-Erden. Er baut dort eine Branchengruppe Bau auf."
Q: RJ/ML:Bericht der OG Frankfurt (Nov. u. Dez.),o.O. (Frankfurt) o.J. (1971)

17.01.1972:
Vermutlich in dieser Woche geben die Ortsgruppen Frankfurt und Groß Gerau der RJ/ML des KAB/ML die Nr.10 ihrer Berufsschulzeitung 'Jungarbeiter und Lehrlingspresse' (vgl. Dez. 1971, März 1972) heraus. Im Leitartikel "Unsere Interessen verkauft" äußert man sich zu den Lehrlingsmetalltarifverhandlungen (LMTR der IGM):"
Mit Unterschriftensammlungen und Demonstrationen zeigt die Arbeiterjugend an vielen Orten ihre Bereitschaft, für diese Forderungen zu kämpfen, bis sie durchgesetzt sind. Besonders die Lehrlinge und Jungarbeiter an der Philipp Holzmann Schule müssen aufpassen, wenn Ende März - Anfang April die Gewerkschaft Bau Steine Erden die Tarife kündigt und müssen dann ihre Forderungen klar auf den Tisch legen" (vgl. 27.2.1972).
Q: Jungarbeiter und Lehrlingspresse Nr.10,Frankfurt/Groß Gerau Jan. 1972

27.02.1972:
Die RJ/ML des KAB/ML berichtet aus der Frankfurter IG BSE-Jugend:"
LEHRLINGE VERSCHAUKELT!

Heimlich, still und leise haben die Führer unserer Gewerkschaft Bau Steine Erden eine Erhöhung der Lehrlingsvergütung um 6,4% ausgehandelt. Die Kapitalisten wollten uns noch weniger geben. Wir hätten aber mehr bekommen können, wenn uns die rechten Führer der BSE besser informiert hätten. Das stellten auch viele Lehrlinge am 27. Feb. auf der Bezirksdelegiertenkonferenz der BSE-Jugend fest. Sehr schlecht ist zusätzlich noch, daß die 6,4% nicht linear sind, d.h., daß nicht alle gleich viel mehr bekommen. Im Gegenteil: 6,4% von 200 DM sind halt weniger als 6,4% von 400 DM. So werden die Differenzen hier immer größer. Überhaupt, die gestaffelte Lehrlingsbezahlung nützt nur den Bossen, weil sie uns spaltet."
Q: Jungarbeiter und Lehrlingspresse Nr.11/12,Frankfurt/Groß Gerau Feb./März 1972,S.5

März 1972:
Im März geben die Ortsgruppen Frankfurt und Groß Gerau der RJ/ML des KAB/ML die Nr.11/12 ihrer Berufsschulzeitung 'Jungarbeiter und Lehrlingspresse' (vgl. 18.1.1972, 17.4.1972) heraus.
Von der Philipp Holzmann Schule wird berichtet über Bundeswehr-Propaganda, von den Gebäudereinigern, der Fliesenlegeroberstufe, den Kunststoff-Lehrlingen und den Berufsfachschülern. Ebenfalls eingegangen wird auf die Bau-Lehrlingstarifrunde in Frankfurt (vgl. 27.2.1972).
Q: Jungarbeiter und Lehrlingspresse Nr.11/12,Frankfurt/Groß Gerau Feb./März 1972

März 1972:
In der Ortsgruppe Frankfurt der RJ/ML des KAB/ML wird vom Ortskomitee eine Vorlage "Organisierung der Ortsarbeit" verfaßt:"
5 Genossen (4m,1w,d.Vf.), 1 Berufsschulzeitung. … Unsere Mitglieder teilen sich aber wie folgt auf: 2x HBV, 1x BSE, 1x DruPa, 1x Schüler. Wie sollen wir uns da auf Industriegewerkschaften stützen? … Unsere Adressaten sind die Schüler der Siemens, Gutenberg, Holzmann und Kleyerschule. … Aus dieser Aufgabenverteilung geht hervor, daß M1 in der BSE arbeitet und zwar mit dem Ziel Kontakte in der Baubranche zu knüpfen. Diese Arbeit muß sorgfältig gemacht werden, darf aber nicht zuviel Zeit in Anspruch nehmen."
Q: RJ/ML-OG Frankfurt-OK:Organisierung der Ortsarbeit,o.O. März 1972

12.05.1973:
Die KPD/ML gibt ihren 'Roten Morgen' (RM) Nr.18 (vgl. 5.5.1973, 19.5.1973) heraus und berichtet auch aus Gießen von der örtlichen IG BSE.
Q: Roter Morgen Nr.18,Dortmund 12.5.1973

13.07.1973:
Von der 'KVZ' Nr.1 des KBW (vgl. 11.7.1973) verkauft die KG Eschwege heute bei Präwema (200 Besch.) mit einem Verkäufer von 15 Uhr 30 bis 17 Uhr 9 Exemplare, davon eines an Bauarbeiter.
Q: KG Eschwege:Verkaufsergebnis der 'Kommunistischen Volkszeitung' in Eschwege - Erste Verteilung der 'KVZ'-Nr.1 (am 13./14.7.),o.O. (Eschwege) o.J. (1973)

04.01.1975:
Die KPD/ML gibt ihren 'Roten Morgen' (RM) Nr.1 (vgl. 28.12.1974, 11.1.1975) heraus. Aus Hessen wird berichtet aus Marburg von den Beschäftigten im Kaufhaus Ahrens und auf den Baustellen drumherum, wo u.a. Ausländer arbeiten.
Q: Roter Morgen Nr.1,Dortmund 4.1.1975

25.01.1975:
Die KPD/ML gibt ihren 'Roten Morgen' (RM) Nr.4 (vgl. 18.1.1975, 1.2.1975) heraus. Aus Hessen wird aus Marburg erneut von den Baustellen um das Kaufhaus Ahrens berichtet, die von der Kasseler Zweigniederlassung eines großen Baukonzerns geführt werden. Eingegangen wird u.a. auf die Wohnbaracken und die ausländischen, u.a. italienischen Arbeiter.
Q: Roter Morgen Nr.4,Dortmund 25.1.1975

20.02.1975:
Der KBW gibt seine 'KVZ' Nr.7 (vgl. 13.2.1975, 27.2.1975) heraus und berichtet aus Frankfurt auch aus dem BSE-Bereich von Hochtief.
Q: Kommunistische Volkszeitung Nr.7,Mannheim 20.2.1975

24.02.1975:
Die Nr. 36 der 'Sozialistischen Arbeiterpolitik' (SAP – vgl. 27.1.1975, Apr. 1975) – Organ für Arbeiterpolitik in der SPD. Für SPD-Alleinregierung für Feb./März 1975 erscheint vermutlich in dieser Woche. Aus dem Juso UB Dieburg wird auch berichtet über die IG BSE.
Q: Sozialistische Arbeiterpolitik Nr.36,Bochum Feb./März 1975

März 1975:
Bei der Westbau Wiesbaden kommt es, laut Spartacusbund (SpB), vermutlich im März zu 350 Entlassungen.
Q: Spartacus Nr.15,Essen 14.4.1975

13.03.1975:
Der KBW gibt seine 'KVZ' Nr.10 (vgl. 6.3.1975, 20.3.1975) heraus und berichtet aus Darmstadt auch aus der IG BSE.
Q: Kommunistische Volkszeitung Nr.1O,Mannheim 13.3.1975

31.08.1975:
Die SAG gibt ihren 'Klassenkampf' Nr.49 (vgl. 17.6.1975, 15.10.1975) heraus. Aus Baden-Württemberg wird auch berichtet über die Schließung der Baufirma Jana KG in Tauberbischofsheim (680 Besch.). Aus Hessen wird berichtet im Zusammenhang mit der Schließung der Jana KG Tauberbischofsheim über Arbeitslose und Bauindustrie im Odenwaldkreis (ODW).
Q: Klassenkampf Nr.49,Frankfurt 31.8.1975

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