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Ruhr-Universität Bochum

Aktivitäten politischer Gruppen an der RUB

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Dietmar Kesten, Gelsenkirchen



Teil 1 (1970)

Teil 2 (1971)

Teil 3 (1972)

Teil 4 (1973)

Teil 5 (1974)

Teil 6 (1975)

Teil 7 (1976)

Teil 8 (1977)

Teil 9 (1978-1984)

Anmerkungen zu allen Teilen

Überblick über Gruppen an der RUB 1968-1975 (außer Basis-Gruppen und Rote Zellen)


Mit zu den ereignisreichsten Jahren an der RUB gehörten die Jahre 1970 bis 1973. In dieser Zeit dürfte sich der politische Standort der meisten Gruppen in gewisser Weise herauskristallisiert haben. In der Regel standen die sich herausbildenden linken und maoistischen Gruppen in der Tradition des Protestes der Jugend- und Studentenbewegung, was sich vor allem in deren übernommenen Methoden und Aktionen niederschlug. Der SDS in Bochum, der sich aus dem kollektiven Massenprotest herausgelöst hatte, mit seiner Umbenennung zum SDS/ML den bekennenden Schritt zum Marxismus-Leninismus gewagt hatte, und der den Studenten als KSB/ML die Politik der KPD/ML-ZK näher bringen wollte, versuchte, wie alle anderen Gruppen auch, aus dem stattfindenden Niedergang der Studentenbewegung Profit zu schlagen. In der Debatte über die „kulturrevolutionäre 2.-Juni-Bewegung“, die vornämlich mit dem Unikollektiv des KJVD geführt wurde, ging es um eine neue Standortbestimmung, die das revolutionäre Subjekt in den Vordergrund stellen sollte.

Die Hinwendung zur Arbeiterklasse, die in Bochum ein besonderen Stellenwert hatte, die sich zunächst in der politischen Arbeit bei Opel Bochum (vgl. Jürgen Schröder: Opel Bochum 1970-1972) niederschlagen sollte, und an der mehr oder weniger alle aktiven Uni-Gruppen beteiligt waren, sollte dem beginnenden Führungsanspruch Rechnung tragen. Als erste ml-Gruppe überhaupt zog es die APO mit der „Bochumer Arbeiterzeitung“ vor die Tore, die wohl schnell in Personalunion von der „Roten Opel Betriebsgruppe“ (der KPD/ML-ZK) mit der ersten „Zündkerze“, die wahrscheinlich erstmalig am 13.4.1970 erschien, abgelöst wurde. „Die Presse“, Betriebszeitung der der KPD/ML-ZB, deren Mitglieder ebenfalls zu einem erheblichen Teil aus der Studentenbewegung an der RUB stammten und von denen später einige an der Bildung der „Gruppe Oppositioneller Gewerkschafter“ (GOG) beteiligt waren, war ebenfalls exemplarisches Beispiel dafür, dem Protest auf dem Campus den Rücken zu kehren und sich von ihm abzunabeln.

Natürlich blieb die RUB immer politisches Agitationsfeld, das mit allen möglichen linken Ideologien verknüpft werden sollte. Die Studentenbewegung an der Uni, sofern man über sie nach dem Prozess der Spaltung in die bekannten Lager Revisionismus/Marxismus-Leninismus Ende 1969/Anfang 1970 überhaupt noch sprechen konnte, sollte jedoch nicht nur reine Unterstützungsfunktionen für den Kampf der Arbeiterklasse haben, wie sie in den kommenden Unterstützungsgruppen (UG) zum Ausdruck kommen sollte, sie vertrat auch das Anliegen der Studenten mit moralischen, ideologischen und sozialen Betrachtungen. Die „Wohnungsnot“, das „Clearing“ (zur Studienplatzverteilung), aber auch der „Numerus Clausus“ (NC) an der RUB waren einige Konflikte von vielen, die mit der Unibürokratie ausgefochten wurden; denn der Protest gegen den „handfesten Skandal“, der, einmal aufgedeckt, die materielle Interessenverschiebung im Kapitalismus zeigte, war von der Überzeugung getragen, dass ökonomische Konflikte schnell zu politischen werden können.

Die Organisationsfrage, die im engsten Zusammenhang mit der Auflösung des SDS (formal am 21. März 1970 in Frankfurt/M.) stand, wurde zugunsten des Leninismus an den Universitäten entschieden. An der RUB wollten der SDS/ML bzw. KSB/ML die Zerrissenheit überwinden und Einbrüche in den traditionellen Studentenvertretungen erzielen. Die „Revolutionierung“ der Studenten sollte mit dem Agitationsfeld Universität auf den nächsten qualitativen Level gehoben werden. Diese Position wurde vom Unikollektiv des KJVD kritisiert; denn es würde nun um die Arbeit im „proletarischen Bereich“ gehen. Die Gewinnung der studierenden Jugend als „Bündnispartner“ sei nur im Zusammenhang mit dem „revolutionären Kampf des Proletariats“ zu sehen. An der Uni sei es notwendig, „die Ideologie der bürgerlichen Wissenschaft (zu) bekämpfen“ und bis in „ihre letzten Schlupfwinkel“ zu verfolgen.

Neben dem SDS in Bochum war der AStA in Bochum der organisatorische Ausgangspunkt der kommenden Entwicklung. Die Besetzung des AStA mit ML-Vertretern war nicht nur eine Informationsplattform (über die „BSZ“), sondern auch Rekrutierungsfeld. Es zeigte sich, dass es schwer fiel, an eine Reorganisierung der Studentenbewegung zu glauben, zumal die Perspektive des Klassenkampfes nun die Organisationsform (der Betrieb, d. Vf.) des Proletariats war.

Dem Unikollektiv des KJVD fehlte an der RUB vor allem der „Kampf gegen die Sozialdemokratie“. Und schon sehr früh ging es ihm darum, die Sozialdemokraten zu „entlarven“. Die Gründung bzw. Neugründung des SHB wurde als systemkritische „Bindung“ an die Sozialdemokratie bezeichnet. Sie würde keineswegs eine Abkehr von dieser bedeuten. Als Beispiel wurden die „Verrätereien der Sozialdemokratie“ in der Metalltarifrunde 1970 genannt. Das Unikollektiv Bochum würde praktische Solidarität üben, indem es Unterstützungsarbeit leiste (was sich damals primär in Flugblattverteilungsaktionen niederschlug, d. Vf.). Aufgabe des Unikollektivs sei es jedoch, „die fortschrittlichen Studenten an der RUB als Bündnispartner der Arbeiterklasse zur Unterstützung ihres Kampfes zu organisieren“.

Der KSB/ML beharrte auf dem Standpunkt, dass die „2.-Juni-Bewegung“ eine „vorbereitende kulturrevolutionäre Bewegung“ gewesen sei, die das Ziel verfolgte, „die öffentliche Meinung auf die sozialistische Revolution vorzubereiten“. Diejenigen, die diesen Kampf führten, waren die Studenten. Die Weiterführung dieser Bewegung würde in ein Bündnis „der Bewegung mit dem revolutionären Kampf der Arbeiterklasse unter Führung der Arbeiterklasse“ einmünden. Aus diesem Grunde sei die Umbenennung in KSB/ML erfolgt. Die Aufgabe der Studentenmassenorganisation der KPD/ML sei es, „die Analyse der gegenwärtigen Etappe der Revolution (zu) bestimmen“ (Westeuropäischer und Osteuropäischer Weg des Kapitalismus, d. Vf.). Und: „Die Hauptaufgabe der gegenwärtigen Etappe ist die Heranbildung der Avantgarde des Proletariats“.

Eine Reihe von Aktivitäten an der RUB rufen in Erinnerung, dass die „Organisierung des Klassenkampfes“ vielfältig war. Ging es zunächst noch um den Streit, ob die Basisgruppen und Roten Zellen am ehesten dazu fähig waren, diesen Kampf über den Campus hinaus zu führen (1), oder ob der Aufbau der Kommunistischen Partei das zentrale Kettenglied dafür sei, so entschieden die Marxisten-Leninisten an der RUB diesen Streit sehr schnell durch die Tatsache, dass ein Teil von ihnen „Arbeit im Proletariat“ leistete, um damit nahe am „Klassenkampf“ zu sein. In der Frage, wie der „Klassenkampf“ zu organisieren sei, setzte sich die Einsicht durch, dass dies nur durch eine straffe (zentralistische) Kaderpartei möglich sei, die überregional nach dem Prinzipien des Demokratischen Zentralismus aufgebaut sei, die mit der Theorie der berühmten „fünf Köpfe“ gewappnet sei und so am besten Arbeit im Proletariat leisten und es zur Revolution führen könne. Zu diesem Zwecke, und um die marxistisch-leninistische Theorie des „Parteiaufbaus“ zu vermitteln, fanden an der RUB eigentlich regelmäßig pro Semester Schulungen und Kongresse statt, die von den verschiedenen Gruppen zu den verschiedensten Themen durchgeführt wurden.

Außerhalb der Universität fielen verschiedene Gruppen (u. a. der KSB/ML) durch die Organisierung von Demonstrationen zur Unterstützung der weltweiten revolutionären Bewegung auf. Aber auch die direkte Anteilnahme der von der Willkür und diktatorisch-politischen Machthabern bedrohten Genossen in der Welt war Anlass, die Stimme zu erheben („Burgos-Prozess“, „Black-Panther“, gegen Franco). Die Berichte des KSB/ML (etwa über Kanada, Jugoslawien oder Spanien) verdeutlichen, dass die politische Entwicklung in diesen Ländern mehr als kritisch hinterfragt wurde. Hinsichtlich des KSB/ML und der Zeitung „Rote Zelle“ verdichtet sich die Annahme, dass sie insgesamt zur Analyse des „westeuropäischen bzw. osteuropäischen Wegs“ beitragen sollten.

Interessant war für 1970, dass sich der AStA gegen die Fahrpreiserhöhungen der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahn (Bogestra) aussprach und zu Kampaktionen aufrief (vgl. Dietmar Kesten: Gelsenkirchen. Der Rote Punkt 1971; ders.: Dortmund. Der Rote Punkt 1971) und damit an die Fahrpreisaktionen aus dem März 1968 in Bochum anknüpfte.



Letzte Änderungen: 29.1.2011

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