Die Rote Westfalenwalze - Zeitung der Betriebszelle Westfalenhütte der KPD/ML, Jg. 3, Kollegen, Genossen! Weg mit dem Vorbeugehaftgesetz, o. J. (1972)

20.06.1972:
Bei Hoesch Dortmund erscheinen vermutlich heute eine Ausgabe des 'Roten Schwungrades' (vgl. 12.6.1972, 22.6.1972) der KPD/ML-ZB bei Phoenix und der 'Roten Westfalenwalze' (vgl. 12.6.1972, 22.6.1972) bei der Westfalenhütte mit jeweils 4 Seiten DIN A 4 und identischem Text. Einziger Unterschied ist die dem 'Schwungrad' beigeheftete 'Rutsche' von Minister Stein/Hardenberg (IGBE-Bereich - vgl. 19.6.1972). Ausgeführt wird:"
Kollegen, Genossen!

WEG MIT DEM VORBEUGEHAFTGESETZ!

In dieser Woche (vgl. 22.6.1972, d.Vf.) will der Bonner Bundestag EINE REIHE VON GESETZEN über die Bühne bringen, die den Widerstand gegen die volksfeindlichen Maßnahmen der Regierung noch mehr einschränken sollen. Vorgesehen ist ein VORBEUGEHAFTGESETZ, so ähnlich wie es die Nazis hatten, wonach sog. SERIENTÄTER INS GEFÄNGNIS gesteckt werden können, auch wenn man ihnen nichts nachweisen kann. VOR 3 JAHREN wurde schon mal der VERSUCH unternommen, scheiterte aber damals am Widerstand breiter Volksschichten. Jetzt meinen die Bonner Kapitalistenvertreter, der Zeitpunkt sei besonders günstig, einmal weil einige besonders Befürworter wie Benda und Hirsch jetzt VERFASSUNGSRICHTER sind, zweitens wegen der BOMBENATTENTATE der letzten Zeit. Genscher machte extra darauf aufmerksam, daß es darum geht, alle die zu fassen, die Gewalt predigen. Gemeint sind damit wir Kommunisten, weil wir Euch genau sagen, daß man eine bis an die Zähne bewaffnete Kapitalistenklasse nicht auf friedlichem Wege wegbekommt. Gemeint sind aber auch sog. RÄDELSFÜHRER, die z.B. in einer Streikleitung sind oder bei einer Rote-Punkt-Demonstration durchs Megaphon den Leuten sagen, was zu tun ist, wie es der Genosse K. Dillmann getan hat. Denn Streiks und Rote-Punkt-Demonstrationen sind für die westdeutschen Gerichte NÖTIGUNG, d.h. GEWALT. Mit dem Vorbeugehaftgesetz will man also solche Leute auf Nummer sicher hinter Schloß und Riegel bringen.

WEG MIT DEM BUNDESGRENZSCHUTZGESETZ!

Ein weiteres wichtiges Gesetz, das in dieser Woche verabschiedet werden soll, ist das BUNDESGRENZSCHUTZGESETZ. Danach soll der Bundesgrenzschutz (BGS, d.Vf.) künftig auch eingesetzt werden, wie es so schön heißt, 'in Fällen besonderer Bedeutung, soweit das Landesrecht es vorsieht und die Polizei…ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht… erfüllen kann.'

SOLIDARISIEREN WIR UNS MIT DEN KUMPELS IM BERGBAU!

Ein Streik im Bergbau (IGBE-Bereich, d.Vf.) steht jetzt vor der Tür. Dagegen kann der Bundesgrenzschutz eingesetzt werden. Nach PARAGRAPH 88 STGB wird bestraft, wer 'Unternehmen, die der öffentlichen Versorgung mit… Wärme dienen' lahmlegt. DIE POLIZEI muß also STREIKBRECHER UNTERSTÜTZEN. Wenn sie das nicht schafft, kann also der Bundesgrenzschutz in Aktion treten.

Für diesen Fall haben die Kapitalisten schon längst Vorsorge getroffen, indem sie auf zahlreichen Fabrikgeländen LANDEPLÄTZE für Großhubschrauber gebaut haben, so bei Gneisenau, wo 5 Kampfhubschrauber mit je 100 Mann auf einmal landen können. Ihr wißt auch, daß der Bundesgrenzschutz SCHON LÄNGER ÜBUNGEN zur Zerschlagung von Streiks abhält und daß er z.B. bei der ROTE-PUNKT-DEMONSTRATION IN HANNOVER (in Niedersachsen - vgl. S1*2.1972, d.Vf.) einsatzbereit war.

WEG MIT DEM VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ UND DEM WAFFENGESETZ!

Ein weiteres Gesetz, das die Bonner Brandt-Regierung und die CDU/CSU miteinander ausgeknobelt haben, sieht vor, daß der VERFASSUNGSSCHUTZ mehr Rechte bekommt. Er soll künftig völlig legal mit nachrichtendienstlichen Mitteln gegen, wie es so schön heißt, 'politische Bestrebungen links- oder rechtsextremer… Gruppen' und dabei besonders gegen AUSLÄNDER vorgehen können. Wer die BILD-Zeitung zur Festnahme von Baader (vgl. Frankfurt - 1.6.1972, d.Vf.) gelesen hat, der weiß, daß im Führungsstab dieser Gruppe (RAF, d.Vf.) ein Verfassungsschützer saß, denn das gab sie offen zu. Was für eine Rolle der bei der Bombenlegerei gespielt hat wissen wir nicht, aber wir können es uns lebhaft denken. Denn wir wissen, daß gerade beim Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst (BND, d.Vf.) sehr viele alte Nazis untergekommen sind. Z.B. Reinhard Gehlen, der den Bundesnachrichtendienst aufgebaut hat, war so ein Nachrichtenspezialist der Faschisten. In derselben Bildzeitung konnte man auch lesen, daß der Verfassungsschutz erklärt hat, eine Gefahr von rechts sei kaum vorhanden. Wo er da eingesetzt ist, dürfte also klar sein. Das Gesetz gestattet ihm ausdrücklich, Leute zu bespitzeln, die im Verdacht stehen, 'Vorbereitung von Gewalttaten in fremden Staaten vom Bundesgebiet aus' zu betreiben. Jeder griechische Kollege, der gegen die Faschisten eingestellt ist, darf also damit offiziell beschattet werden.

Verfolgt werden sollen nämlich auch 'Bestrebungen von Ausländern, die geeignet sind, …auswärtige Belange der BRD zu beeinträchtigen.' Wenn z.B. der Schah von Persien (Iran, d.Vf.) der BRD droht, kein Erdöl mehr zu liefern, solange Bonn nichts gegen oppositionelle Perser in Westdeutschland unternimmt, so will sich die Bundesregierung hier das gesetzliche Mittel dazu schaffen. Sie bekämpft damit die INTERNATIONALE SOLIDARITÄT der Arbeiter und aller fortschrittlichen Menschen.

Das neue WAFFENGESETZ will den Privatbesitz an Waffen erheblich einschränken. Künftig sollen nur noch Barone und andere hohe Herrschaften Waffen besitzen. Der Frau Harders wird wohl keiner zu Leibe rücken, weil sie eine Pistole hat. Die braucht sie ja, um sich gegen 'wildgewordene' Arbeiter zu verteidigen (vgl. 8.9.1969, d.Vf.).

Anders dagegen wenn ein Sozialrentner wie Girod in Oberhausen Waffen hat. Da muß man dann eine Hundertschaft Polizei bis an die Zähne bewaffnet und mit Tränengas und Gasmasken ausgerüstet losschicken, um ihn und seine und 5 Kinder auszuräuchern (vgl. S.2**.197*, d.Vf.). Und dann, als der sich auf seine Weise wehrt und dabei 3 Polizisten über den Haufen schießt, hat man die willkommene Propagandamöglichkeit, so ein Gesetz zu verabschieden. Das sind die Methoden, wie dieser Staat arbeitet.

Warum macht er das? Er macht es, weil er genau weiß, daß er KÜNFTIG NICHT IN DER LAGE sein wird, den arbeitenden Massen ARBEIT UND BROT ZU GARANTIEREN. Was wird z.B. aus Euch Hoescharbeitern, wenn demnächst die PRODUKTION NACH HOLLAND (in die Niederlande, d.Vf.) verlegt wird? Das 800-Millionen-Projekt neues Stahlwerk, womit sie euch damals beruhigt hatten, ist ja schon auf Eis gelegt worden. Ja, der VIETNAMKRIEG der USA hat dazu beigetragen, daß der DOLLAR in die Brüche ging. Damit wurde zugleich der WELTMARKT eingeschränkt. Die KONKURRENZ unter den Imperialisten nimmt damit zu. Auch die OSTVERTRÄGE sind da KEIN AUSWEG. Sie garantieren auch keine Arbeitsplätze.

Mannesmann (MM, d.Vf.) hat für die Röhrenlieferungen eigens ein Stahlwerk rationalisiert. Rund 2 000 Arbeiter haben damit ihren Arbeitsplatz verloren. Im Endeffekt hilft den Kapitalisten da NUR KRIEG. Und dafür muß sich der Bonner Staat AUFRÜSTEN. Der Wehretat dieses Jahr hat die Rekordhöhe von über 33 Milliarden DM erreicht. Im Herbst soll eine große Mobilmachung (vgl. S.2**.1972, d.Vf.) sein. Die Ostverträge bedeuten, wie Bonn eifrig betont, KEINE ANERKENNUNG DER DDR. Man wartet darauf, daß die SU China überfällt, um dann die DDR einzuheimsen. Für diese Politik erhielt Brandt den Friedensnobelpreis (vgl. 20.10.1971, d.Vf.). Nach innen muß sie abgesichert werden, indem man Ruhe an der Heimatfront schafft.

Darum die Einführung solcher Gesetze, die wir von Hitler her ja schon gut kennen. Nur macht das diesmal vor allem die SPD, weil sie BEI VIELEN KOLLEGEN noch ALS FORTSCHRITTLICH oder zumindest als KLEINERES ÜBEL angesehen ist. Sie war schon vor 1933 kräftig daran beteiligt. So bereitet sie auch den neuen Faschismus wieder vor, einträchtig Hand in Hand mit Strauß und Barzel. Euch dagegen wird im Bundestag eine Show vorgezaubert, als wäre die CDU grundsätzlich gegen die ach so friedlichen Ostverträge. Ihr dürft dann sogar mal streiken, was Euch bei Tarifverhandlungen sehr übel genommen wird. Zugleich aber haben diese Herrschaften Angst vor Eurem Streik, denn da könntet Ihr ja erkennen, wie sie Euch bescheißen. Darum diese Gesetze.

NOCH EIN WEITERES GESETZ

Sie wollen DEMONSTRATIONEN zu den OLYMPISCHEN SPIELEN verbieten. Damit wird das DEMONSTRATIONSRECHT BESCHNITTEN. Genauso wie es Weyer voriges Jahr bei den RP-AKTIONEN (Roter Punkt Aktionen gegen die Fahrpreiserhöhungen, d.Vf.) machte. Er erließ einfach ein Demonstrationsverbot und erlaubte damit der Polizei, brutal gegen die Demonstranten vorzugehen. Jetzt soll in einem Prozeß gegen Klaus Dillmann (vgl. 21.6.1972, d.Vf.) das für rechtens erklärt werden. Den Genossen wollen sie als RÄDELSFÜHRER heranziehen, weil er durchs Megaphon den Widerstand ermutigt hat, weil er den Leuten erzählt hat, warum wir kämpfen und in welchem Rahmen die volksfeindlichen Tariferhöhungen zu sehen sind, nämlich in dem Rahmen, daß der Staat das Volk schröpfen muß, um die Kriegskassen zu füllen. Das erleben wir ja auch jetzt wieder mit der Post, die ab 1. Juli ihre Tarife erhöht. Der Staat wälzt diese Gemeinschaftsaufgaben auf das Volk ab, weil er die Steuern, die er vom Volk kassiert, für die Rüstung nach innen und außen braucht. Darum auch letztes Jahr die Tariferhöhungen und das Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten. Dem Gen. Klaus Dillmann wollen sie jetzt als Rädelsführer der KPD/ML Nötigung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, absichtliche Körperverletzung von Polizeibeamten und Aufforderung zu strafbaren Handlungen anhängen.

SOLIDARISIEREN WIR UNS MIT DEM GENOSSEN K. DILLMANN!
TRAGEN WIR UNS IN DIE UNTERSCHRIFTENLISTEN EIN!

K. Dillmann wollen sie also stellvertretend für die Bevölkerung und für alle, die auf den Schienen standen, verknacken. Und dann hätte die Stadt, die ja diese unverschämte Fahrpreiserhöhung verursacht hat, sogar das Recht, von ihm Schadensersatz zu fordern. So stellen sich die Herren Samtlebe und Co. das vor, die den Knüppeleinsatz angeordnet haben. Samtlebe ist ja auch bei Hoesch ein hohes Tier und hat seinen Einfluß geltend gemacht, daß die Stadt die Fusion mit Hoogovens unterstützte. Samtlebe hat seine schmutzigen Finger mit drin bei dem Versuch, die Meinberg-Siedlung weg zu 'sanieren', damit Hoesch bessere Profite machen kann. Denn: Wenn Hoesch hustet, niest der Stadtrat.

Diese Herren sollen also Recht haben, die Demonstranten dagegen Gewalttäter sein! Zugleich hat man dann einen billigen Vorwand, um K. Dillmann künftig in Vorbeugehaft zu nehmen, denn als Kommunist ist er für den Kapitalistenstaat BESONDERS GEFÄHRLICH. Er fürchtet ja nichts so sehr wie eine klare FÜHRUNG der Aktionen des Volkes, und das ist ja gerade unsere Pflicht. dafür dient auch das KPD-Verbot, wonach wir Kommunisten als 'kriminelle Vereinigung' (Paragraph 129 StGB) behandelt werden können. Die Justiz ist schon kräftig dabei, es gegen uns zusammenzubasteln.

Mit all diesen Maßnahmen zeigt sich deutlich, wem die Gerichte dienen. Sie dienen nicht dem sondern den Kapitalisten.

Im Prozeß gegen K. Dillmann z.B. treten nur Polizeizeugen gegen ihn auf, das Volk hat nichts zu sagen. Im Sozialismus ist das anders. Da werden die Gerichte vom Volk gewählt und die Zuschauer helfen bei der Rechtsfindung aktiv mit, während sie hier die Schnauze halten müssen.

Wer der Ansicht ist, daß K. Dillmann freigesprochen werden muß, der trage sich in die UNTERSCHRIFTENLISTE ein. Freispruch wegen erwiesener Unschuld heißt: das Demonstrationsrecht wird verteidigt, und sinngemäß damit auch das Streikrecht, da ja beides unter 'Gewalt' eingereiht werden soll. Freispruch wegen erwiesener Unschuld heißt auch: alle übrigen Rote-Punkt-Prozesse müssen abgebrochen werden, Verurteilungen von Demonstranten müssen aufgehoben werden. Darum geht es. Darum ist der Prozeß wichtig. Kollegen, kommt zum Prozeß oder schreibt Eure Meinung an die Adresse: Klaus Dillmann 46 Dortmund Münsterstr. 154"

Bekanntgegeben wird, daß der Prozeßtermin gegen Klaus Dillmann kurzfristig abgesetzt worden sei. Aufgerufen wird zur Demonstration in Dortmund am 24.6.1972 in Dortmund-Eving, die aber nicht stattfindet.

Einem der uns vorliegenden Exemplare des 'Roten Schwungrades ist auch noch das gestrige 'Extrablatt der RAG-Betriebsgruppen der KPD/ML' mit dem Kopf der 'Rutsche' von der Schachtanlage Minister Stein/Hardenberg Dortmund angeheftet.
Q: Das Rote Schwungrad Kollegen, Genossen! Weg mit dem Vorbeugehaftgesetz, Dortmund o.J. (Juni 1972); Die Rote Westfalenwalze Kollegen, Genossen! Weg mit dem Vorbeugehaftgesetz, Dortmund o.J. (Juni 1972)

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