Pädagogische Hochschule Dortmund: AStA-Information, Jg. 2, Gegen die Bonner Notstandsgesetze, o. J. (Juni 1972)

21.06.1972:
Der AStA der PH Dortmund (vgl. 22.6.1972) berichtet in seiner morgigen 'AStA-Information' über deren Text bzw. die heutige Studentenkonferenz (SK):"
Der Text dieses Flugblattes wurde in der SK diskutiert und fand Zustimmung bei allen Gruppen außer dem RCDS (der CDU,d.Vf.), der die Abstimmung über dieses Flugblatt als Resolution durch vorzeitigen Auszug aus der SK boykottierte!"

Später (vgl. 26.6.1972) berichtet der AStA auch:"
Zur Frage der Verkehrsverbindungen legte der AStA auf der Studentenkonferenz vom 21.6. eine Resolution vor, die dort verabschiedet wurde:
'Der SK sind die skandalösen Zustände in Planung und Durchführung einer Verkehrsverbindung der PH in Dortmund-Dorstfeld

a) an das Verkehrsnetz der Innenstadt über Dorstfeld und
b) an die Verkehrsverbindungen vom Altbau der Hochschule über Palmweide (Barop) bekannt.

Sie fordert im Interesse der gesamten Studentenschaft der PH Ruhr, Abt. Dortmund:
- Einrichtung und Ausbau von durchgängigen Linien öffentlicher Nahverkehrsmittel über die Innenstadt sowie vom alten PH-Gebäude aus
- ausreichende Beförderungsmöglichkeiten über beide Strecken, d.h. mindestens viertelstündiger Einsatz von Verkehrsmitteln!
DENN, Einrichtung und Unterhaltung ausreichender Verkehrsverbindungen hat sich nicht nach Profitinteressen der Dortmunder Stadtwerke zu richten, mißt sich nicht an Gesichtspunkten der Rentabilität, sondern nach dem Kriterium der Notwendigkeit der Verkehrsverbindungen für die betroffene Bevölkerung.

Dieses Kriterium der Notwendigkeit heißt in diesem Fall, die Isolation der Bildungseinrichtung teilweise aufzuheben.

Dekan der Abteilung und Rektor der PH Ruhr werden aufgefordert, die Forderungen der Studenten mit allem Nachdruck bei der Dortmunder Stadtverwaltung und beim Staatshochbauamt der Stadt Dortmund zu vertreten.

Sollten diese Forderungen nicht erfüllt werden, so wird die Studentenschaft Kampfmaßnahmen ergreifen.'"

Die KPD (vgl. 5.7.1972) berichtet vermutlich von der heutigen VV über die Vietnam-Solidarität, "daß die Studentenvollversammlung der PH nahezu geschlossen eine Solidaritätsresolution an die FNL verabschiedete. Bezeichnenderweise hatten sich die Studenten des MSB-Spartakus, der Studentenorganisation der DKP, vorher aus dem Saal verdrückt, sie wollten keiner Resolution zustimmen, in der die schändliche Rolle des Sozialimperialismus (SU,d.Vf.) angeprangert wurde."
Q: Rote Fahne Nr.50,Dortmund 5.7.1972,S.3; AStA PH Dortmund:AStA-Information Gegen die Bonner Notstandsgesetze und Nr. 13,Dortmund o.J. (Juni 1972) bzw. o.J. (Juni 1972),S.3 bzw. S.4f

22.06.1972:
Der AStA der PH Dortmund gibt vermutlich heute seine 'AStA-Information', diesmal nicht als 'DOS - Dortmunder Studentenzeitung' (vgl. 12.6.1972, 26.6.1972) sondern als Flugblatt mit drei Seiten DIN A 4 zum Roter-Punkt-Prozeß gegen Klaus Dillmann (vgl. 21.6.1972) bzw. den neuen Gesetzen zur 'Inneren Sicherheit' (vgl. 22.6.1972) und der Bochumer Demonstration dagegen (vgl. 24.6.1972) heraus:"
GEGEN DIE BONNER NOTSTANDSGESETZE (NSG,d.Vf.)

Der Genosse Klaus Dillmann sollte am 21. des Monats vor dem Dortmunder Gericht verurteilt werden. Ihm wird Rädelsführerschaft, Nötigung, Widerstand gegen die Polizei in Tateinheit mit Körperverletzung und Aufforderung zur strafbaren Handlung vorgeworfen. Es handelt sich dabei um eine der vielen Anklagen im Zusammenhang mit dem Kampf der Dortmunder Bevölkerung gegen die unverschämte Fahrpreiserhöhung der Dortmunder Stadtwerke vor einem Jahr (vgl. 1.3.1971,d.Vf.).

Durch den Prozeß gegen Dillmann und andere soll der berechtigte Kampf der Bevölkerung zur kriminellen Handlung abgestempelt werden. Als Widersprüche in der Anklageschrift auftauchten, vertagte man kurzfristig den Prozeß auf September ((vgl. 13.9.1972,d.Vf.) Semesterferien) mit der offiziellen Begründung, die zwei Hauptbelastungszeugen - zwei Polizisten – seien unerreichbar im Urlaub.

Die Prozesse gegen die Demonstranten sind im Zusammenhang zu sehen mit den verschärften Bonner Notstandsgesetzen, die einen Eingriff in die demokratischen Rechte des Volkes bedeuten. Diese Gesetze sollen im Bonner Parlament bis zum 23.6. verabschiedet werden. Daß man damit rechnet, in dieser knappen Zeit alle fünf Gesetze durchzubringen, zeigt, daß in diesen Punkten zwischen den im Parlament vertretenen Parteien kein Unterschied festzustellen ist.

Was beinhalten diese Gesetze?

1) DAS BUNDESVERFASSUNGSSCHUTZGESETZ soll die Möglichkeit zur Bespitzelung fortschrittlicher Organisationen erweitern und dem Verfassungsschutz (VS,d.Vf.) größere Vollmachten zur 'Überprüfung' der Beschäftigten im öffentlichen Dienst (ÖD,d.Vf.) geben. Dazu wird sogar das Grundgesetz (GG,d.Vf.) geändert. Außerdem wird das Verbot einer Reihe fortschrittlicher Organisationen vorbereitet.

2) DIE VORBEUGEHAFT, die 1969 (vgl. S2.**.196*,d.Vf.) wegen des großen demokratischen Widerstands im Volk nicht durchgesetzt werden konnte, soll jetzt wieder gesetzlich verankert werden, um neue Möglichkeiten zu haben, Widerstand gegen den Bonner Staat zu unterdrücken. Einzelne können auch ohne Gerichtsverfahren eingesperrt werden.

3) DAS OLYMPIA-GESETZ regelt unter dem Deckmantel des olympischen Friedens ein umfassendes Demonstrationsverbot.

4) WAFFENGESETZ: Zu diesem Gesetz bestehen noch keine genauen Untersuchungen. Nach dem 1968 (vgl. S3.**.1968,d.Vf.) verabschiedeten Waffengesetz dürfen Beamte des Bundes Waffen führen, die Anlagen oder Gegenstände sichern, die hoheitlichen Aufgaben dienen. Damit ist die Möglichkeit des bewaffneten Behördenschutzes gegeben, der z.B. bei Streiks in öffentlichen Betrieben einschreiten kann.

5) DAS BUNDESGRENZSCHUTZGESETZ soll den BGS zu einer 'Sonderpolizei' des Bundes machen, die gegen Streiks und Demonstrationen eingesetzt werden kann. Streiks sind jetzt nach dem Gesetz kriminelle Handlungen in Betrieben, die die sogenannte lebenswichtige Versorgung sichern, z.B. öffentlicher Verkehr, Strom und Wasser.

Diese Sonderpolizei erhält das Recht, Bürger vorzuladen und 'erkennungsdienstlich' (ED,d.Vf.) behandeln zu können. Nach diesem neuen Gesetz soll jeder Wehrpflichtige auch gegen seinen Willen zu dieser Bürgerkriegstruppe eingezogen werden können! Dieses Gesetz versucht, den Arbeitskampf der Bergleute, Stahlarbeiter (IGBE- bzw. IGM-Bereich,d.Vf.) etc. zu verhindern.

Es erhält einen aktuellen Bezug durch die gespannte Lage im Bergbau, die sich durch die unbefriedigenden Tarifverhandlungen (BETR - vgl. 20.6.1972,d.Vf.) ergeben hat. Ein großer Teil der Bergleute fordert Urabstimmung und nicht Schlichtung durch Arbeitsminister Figgen (SPD,d.Vf.) und die Gewerkschaftsführer. Daß man mit einem Streik rechnet, zeigt, daß sich die Hauptabnehmer der Zechen rechtzeitig mit genug Kohle eingedeckt haben. Sobald die Gesetze verabschiedet sind, ist in solcher Streik nicht legales Mittel, sondern krimineller Akt.

Diese neuen Gesetze betreffen in besonderem Maße die Arbeiter, aber auch andere Teile der Bevölkerung.

Für die Studenten wird diese Gesetzgebung Bedeutung erlangen, wenn sie demnächst gezwungen sind, gegen die Zerschlagung der verfaßten Studentenschaft zu demonstrieren, und hat - gerade für Lehrerstudenten - schon Bedeutung erlangt durch den Ministerpräsidentenerlaß (BV vgl. 27.1.1972,d.Vf.) gegen 'Radikale' im öffentlichen Dienst.

Deshalb muß der Kampf gegen die Notstandsmaßnahmen ein solidarischer Kampf aller Teile der Bevölkerung sein.

Kommt zur Demonstration am Samstag, den 24.6.1972 in Bochum-Hordel um 16 Uhr, Platz zwischen Barbarastr., Finefraustr., Sonnenscheinstr.

WEG MIT DEM BUNDESGRENZSCHUTZGESETZ - DEM NEUEN BÜRGERKRIEGSTRUPPENGESETZ
WEG MIT DER WIEDEREINFÜHRUNG DER VORBEUGEHAFT
WEG MIT DEM BUNDESVERFASSUNGSSCHUTZGESETZ - DEM NEUEN SPITZELGESETZ
WEG MIT DEM DEMONSTRATIONSVERBOT ZU DEN OLYMPISCHEN SPIELEN
WEG MIT DEM KPD-VERBOT
FREISPRUCH FÜR KLAUS DILLMANN UND ALLE DEMONSTRANTEN DER ROTE-PUNKT-AKTION"

Berichtet wird von der Behandlung dieses Textes in der gestrigen Studentenkonferenz (SK).
Q: AStA PH Dortmund: AStA-Information Gegen die Bonner Notstandsgesetze, Dortmund o.J. (Juni 1972); DOS Sdr.Nr. Einführung in das PH-Studium, Dortmund o.J. (1972), S. 36


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