Pädagogische Hochschule Dortmund: DOS - Dortmunder Studentenzeitung, Nr. 14, o. J. (Okt. 1972)

23.10.1972:
Vermutlich heute gibt der AStA der PH Dortmund seine 'DOS' – Dortmunder Studentenzeitung Nr. 14 (vgl. 16.10.1972, 13.11.1972) mit 14 Seiten DIN A 4 und folgendem Inhalt heraus:
1. Das Gesamthochschulentwicklungsgesetz
2. Gesamthochschulbereich Dortmund
3. Umzug der PH an den Vogelpothsweg
4. Verkehrsverbindungen zur Hauptbaufläche
5. Raumaufteilung im PH - Neubau.

Bekanntgegeben werden Termine von Studentenkonferenz (SV - vgl. 8.11.1972) und Studentenvollversammlung (SV - vgl. 25.10.1972) sowie die regelmäßigen Treffs, wenn nicht anders angegeben im ESG-Heim, Lindemannstr.68:
Montags 18 Uhr Diskussionstreff der GEW-AG Soz. Forsch. Raum 24
Dienstags 18 Uhr (ESG-) Arbeitskreis Kirche und Sozialismus
Dienstags 20 Uhr (ESG-) 'Treff'
Mittwochs 18 Uhr Einführung des PGH in die politische Ökonomie
Mittwochs 20 Uhr Einführung des PGH in die Bildungsökonomie
Donnerstags 19 Uhr Arbeitskreis Heilpädagogen Stockumerstr.325

Im ersten Artikel heißt es zum GHEG (vgl. S3f**.1972):"
DAS GESAMTHOCHSCHULENTWICKLUNGSGESETZ

Das GHEG ist die Krönung der Bildungsreform an den Hochschulen. Es reiht sich nahtlos ein in die Gesamttendenz der Hochschulgesetzgebung. Eine isolierte Betrachtung des Gesetzestextes ist wenig sinnvoll. Wichtiger ist die Untersuchung der Inhalte dieser Politik und die Offenlegung ihres Charakters. Wesentlich sind die Mechanismen (Numerus Clausus, Studienberatung, Verfahren bei Neugründungen), die die Verwirklichung der staatlichen Bildungsreform gewährleisten sollen.

Bei der Betrachtung des GHEG ist es wichtig, die Erfahrungen anderer Bundesländer heranzuziehen.

In Berlin und Baden-Württemberg wurden solche Vorschaltgesetze dazu benützt, die verfaßte Studentenschaft (VS,d.Vf.) zu zerschlagen. Begründung: Die Studenten sind in allen Gremien vertreten, ergo erübrigt sich die Studentenvertretung in der bisherigen Form. Auch in NRW muß ständig mit der Zerschlagung der verfaßten Studentenschaft gerechnet werden, ist der Minister befugt, solche Fragen per Erlaß zu regeln (Paragraph 18 GHEG).

Wie solche Gesetze zustande kommen, zeigt das GHEG mustergültig. Nach einem Hearing aller Beteiligten (Professoren, Studenten, Assistenten etc. (vgl. S3.*.1972,d.Vf.)) über die Gesetzesvorlage holte Herr Rau aus der Schublade einen neuen Entwurf und ließ ihn vom Landtag verabschieden. Das alles innerhalb von wenigen Wochen. Soetwas nennt man dann 'demokratische Willensbildung' oder 'praktizierte Mitbestimmung'. Das sei allen Verfechtern der Mitbestimmungsideologie ins Stammbuch geschrieben.

Kommen wir zum Begriff 'Gesamthochschule' (GHS,d.Vf.).

Die formale Klassifizierung von FH (FHS,d.Vf.), PH und Uni wird abgeschafft. Was kommt??

Abgestufte Studienabschlüsse, Trennung von praxis- und forschungsorientierten Studiengängen, Kurzstudium von sechs Semestern für die Masse der Studenten.

Das heißt bei Rau (man möge ihn nicht verteufeln, wärs er nicht, wärs ein anderer Handlanger der Industrieinteressen) 'die Kapazitäten wirtschaftlich verwenden'.

Was verändert sich also?

Das Firmenschild! Und die Möglichkeit der zentralen Steuerung für die Interessen der Kapitaleigner. Die wird besser!

Die Berufung auf gesamtgesellschaftliche Interessen ist in diesem Zusammenhang ein Hohn. Die Ware Arbeitskraft - in diesem Fall die der technischen und geistigen Intelligenz - optimal einzusetzen, ist erst dann im Interesse der Gesamtgesellschaft, wenn die Profite der Gesamtgesellschaft zu gute kommen und nicht einigen wenigen Kapitaleigentümern.

Kommen wir nun zum Stichwort: ZENTRAL.

Zentrale Studienberatung und zentrales Studienplatzverteilungsverfahren.

Genau wie der NC werden diese Maßnahmen zur Reglementierung und Bedarfsregelung eingesetzt. In diesem Zusammenhang weisen wir auch auf das Ordnungsrecht hin, das in Bayern (vgl. S4.**.197*,d.Vf.) bereits existiert.

Die Studienberatung ist verpflichtend für alle Studenten. Bei dieser Studienberatung wird den Studenten der Studiengang empfohlen, für den sie 'qualifiziert' sind. Das wird dann auch eingeschlagen.

Das zentrale Studienplatzverteilungsverfahren ist für die Fachhochschüler bereits Realität. Der umfassende Überblick über alle Hochschulen verschafft der Industrie besten Überblick und die Möglichkeit der Steuerung.

Die Aussicht für Neugründungen von Gesamthochschulen - wie es in Dortmund der Fall sein wird - ist erfreulich: Die Hochschule braucht sich keine Studienordnung zu erarbeiten. Die wird nämlich vom Minister zentral verordnet und dann zwei Jahre lang nicht geändert werden. Welche Aufgaben hat der Gründungssenat?

Die Verordnungen auszuführen! Denn neben der Studienordnung erläßt der Minister unter den gleichen Bedingungen die Verfassung der Hochschule.

Über Paritäten braucht hier kein Wort verloren zu werden. Stellen die Studenten 25% im Gründungssenat, so liegt das an den günstigen örtlichen Verhältnissen. Im Normalfall sind es weniger.

Wir wollen nicht den Eindruck erwecken, das Modell der INTEGRIERTEN Gesamthochschulen sei abzulehnen. Unter integrierter Gesamthochschule ist nämlich nicht nur die formale und verwaltungsmäßige Kooperation zwischen den einzelnen Hochschulen, wie Fachhochschulen, PH's und Unis zu verstehen.

Wir wollen aber klarmachen, daß dieses Modell in unserer Gesellschaft nicht zu verwirklichen ist, da es nicht den Interessen der herrschenden Klasse entspricht. Die jetzt konzipierte Gesamthochschule befriedigt das Interesse der Industrie, nicht das der Bevölkerung.

Was müssen wir aus solchen Hochschulgesetzen lernen?

Diese Hochschulreform im Dienste unserer kapitalistischen Gesellschaftsordnung ist nicht durch Arbeit in Gremien oder Kommissionen zu unterlaufen.

Das haben die Erfahrungen gerade mit diesem Gesetz gezeigt. Die Arbeit, die im Moment zu leisten ist, liegt in der Aufklärung über den Charakter der Bildungsreform, die uns zur Zeit geboten wird. Sie ist auch nicht zu trennen von anderen Vorgängen in der Gesamtgesellschaft.

Ein Ordnungsrecht an der Hochschule, der Friedensparagraph im Betriebsverfassungsgesetz (BVG,d.Vf.) und der Aufbau des Grenzschutzes (BGS,d.Vf.) zur Innenarmee, die Errichtung von bundeswehreigenen Hochschulen (BWHS,d.Vf.) - das alles ist nicht voneinander zu trennen. Das geschieht nicht nur zufällig gleich.

Das ist eine Tendenz und eine Intention.

Eine Herrschaft, die sich bedroht fühlt, und ihren Anspruch nicht mehr rechtfertigen kann, wehrt sich - und zwar mit allen Mitteln."

Berichtet wird auch über den:"
UMZUG DER PH AN DEN VOGELPOTHSWEG

Nachdem die Hochschulen in Essen, Paderborn, Siegen, Wuppertal und Duisburg zu GHS ernannt wurden, bekamen andere Hochschulorte den Namen GHS-Bereich. Das heißt für Dortmund: die Fachhochschule mit ihren neun Bereichen, die Uni, die PH Dortmund, die PH Hagen und die Abt. Heilpädagogik werden in den nächsten fünf Jahren GHS.

Am 2.11.1972 soll es soweit sein. Der Umzug der PH vom Rheinlanddamm auf die Äcker und Wiesen zwischen Dorstfeld und Barop (landwirtschaftlich reizvolle Gegend) soll an diesem Tag beginnen. Es ist der erste Schritt zur Verwirklichung der GHS in Dortmund, der künftigen Akdademikerkolonie am Vogelpothsweg.

Mehr Räume, alle Fächergruppen in einem Gebäude, ein Grund zum Jubeln?

Ganz bestimmt nicht!

Von Anfang an wehrten sich die Studenten dagegen, auf einem Acker konzentriert und isoliert zu werden. Mehrere Gutachten wurden eingeholt und Vorschläge gemacht, wie z.B. der Plan, die zukünftige Gesamthochschule auf dem alten Schlachthofgebäude in der Stadt zu errichten. Sie alle wurden abgelehnt bzw. überhaupt nicht beachtet.

Die Isolation der Studenten von der Bevölkerung durch die Errichtung der Bauten auf der jetzigen Hauptbaufläche wäre mit Sicherheit zu vermeiden gewesen. Wer hat ein Interesse an der Isolation, welche Kräfte haben sich stark gemacht und durchgesetzt? Vertreter der Studenten nicht, Vertreter der Bevölkerung nicht, warum sollten sie? Die Entscheidenden sind die Herrschenden, die durch gemeinsame Aktionen der Studenten und der Bevölkerung ihre Macht gefährdet sehen. Als ein Beispiel soll hier die 'Rote-Punkt-Aktion' (vgl. 1.3.1971,d.Vf.) gesehen werden, in der sich die Bevölkerung und die Studenten gemeinsame gegen die unverschämten Fahrpreiserhöhungen der Stadtwerke wehrten."

Es folgen Hinweise über die "Verkehrsverbindungen zur Hauptbaufläche", in denen es u.a. heißt:"
Die Busse aus Dorstfeld pendeln zwischen Dorstfeld Straßenbahnhaltestelle Wittener Straße (Linie 2 und 9) und Vogelpothsweg (PH-Neubau).
Die Busse, die aus Barop kommen, pendeln zwischen Barop, Haltestelle Palmweide (Linie 4) und dem PH-Neubau am Vogelpothsweg.
Gegenwärtig ist geplant, die Busse im Rhythmus von VORMITTAGS: alle 20 Minuten, MITTAGS: jede Stunde, NACHMITTAGS: alle 30 Minuten zwischen den genannten Haltepunkten verkehren zu lassen. Der letzte Bus wird vermutlich um 20 Uhr von der PH am Vogelpothsweg abfahren."

Bekanntgegeben wird auch die "Raumaufteilung im PH-Neubau", aus der u.a. hervorgeht, daß sich die Ostdeutsche Forschungsstelle im PH-Neubau befindet.
Q: DOS Nr. 14, Dortmund o. J. (Okt. 1972)


[ Zum Seitenanfang ]   [ vorige Ausgabe ]   [ nächste Ausgabe ]   [ Übersicht ]   [ MAO-Hauptseite ]