Pädagogische Hochschule Dortmund: DOS - Dortmunder Studentenzeitung, Sondernummer Einführung in das PH-Studium Ergänzung SS 1973, 1973

09.04.1973:
Der AStA der PH Dortmund gibt spätestens heute ein Extra bzw. eine Sondernummer seiner 'DOS' - Dortmunder Studentenzeitung (vgl. 12.2.1973, Mai 1973) mit dreizehn Seiten DIN A 4 unter dem Titel "Sondernummer Einführung in das PH-Studium Ergänzung SS 1973" heraus.

Zunächst erscheint ein:"
VORWORT

Die zu Beginn des WS 1972/1973 (vgl. 16.10.1972,d.Vf.) erschienene Sondernummer der Dortmunder Studentenzeitung (DOS) 'Einführung in das PH-Studium' entspricht in einigen Punkten nicht mehr dem aktuellen Stand. Aus diesem rund erschien es uns sinnvoll diese Ergänzungszeitschrift herauszugeben. Sie ist als Informationsgrundlage über die aktuellen politischen Tendenzen im Hochschulbereich (Verschärfung der Prüfungsordnung, drohender NC, Zerschlagung der verfaßten Studentenschaft (VS,d.Vf.)) zu betrachten und enthält einige politische Überlegungen zum Berufsverbot (BV,d.Vf.) von Demokraten und Sozialisten.

Darüberhinaus werden weitere Informationen zum Studiengang des Sonderschullehrers gegeben.

Eine Informationsschrift, die sich mit den SOZIALEN FRAGEN DER STUDENTEN auseinandersetzt, wird in den nächsten Tagen erscheinen (vgl. S2*4.1973,d.Vf.).

Weitere Fragen zum Studium werden in der STUDIENINTENSIVBERATUNG, die der AStA am Mo. (9.4.) und Di. (10.) von 10 - 15 Uhr, Mi. (11.) und Do. (12.) von 10 - 14 Uhr durchführt, beantwortet werden (Hinweisschilder beachten).

Während des Semesters ist der AStA (R. 2.239, 2.Stockwerk, Teil B) täglich von 10 - 13 Uhr besetzt.

Außerdem verweisen wir auf die Einführungsfreizeiten des AStA am 19./20.4.1973 in Oberweries und 30.4./1.5. in Bochum-Querenburg (Anmeldung im AStA)."

Zum NC heißt es:"
NUMERUS CLAUSUS

'NRW habe als erstes Bundesland die gesetzlichen Voraussetzungen für die Steuerung des Studentenstromes geschaffen und überlasse dies den Hochschulen nicht allein.' (Minister Rau, Düsseldorfer Nachrichten, 29.7.1972)

Vor wenigen Tagen (vgl. 29.3.1973,d.Vf.) hat nun der Landtag dem umstrittenen Staatsvertrag der Bundesländer über die Vergabe von Studienplätzen zugestimmt. Der Staatsvertrag stellt eine vorläufige Lösung dar, die bis zur Verabschiedung eines Bundesgesetzes zur Regelung der Studienplatzvergabe verhindern soll, daß 'ein Vakuum (entsteht), das angesichts der drohenden Studentenlawine mangels ausreichender Regelung zum Chaos führen müßte.' (Landtag intern, 30.3.1973)

Die Einschreibungsordnung der PH Ruhr (die übrigens gemäß Paragraph 48 des HSG NRW grundsätzlich der Zustimmung des Ministers bedarf) regelt die Durchführung des NC im Paragraphen 3, der damit auch im WS 1973/1974 an der PH eingeführt werden könnte: 'Die Einschreibung kann versagt werden, wenn für die gewählte Studienrichtung eine Zulassungsbeschränkung oder eine Anordnung über Studienplatzregelungen besteht und der Bewerber keine schriftliche Nachricht über die Zuteilung eines Studienplatzes für die PH Ruhr besitzt.'

Am Beispiel dieser rechtlichen Voraussetzungen für die Beibehaltung des NC und die Einführung der obligatorischen Studienberatung (OSB,d.Vf.) zeigt sich deutlich der Widerspruch zwischen den Bedürfnissen von Individuen nach einer bestimmten Ausbildung und dem gesellschaftlichen Bedarf an bestimmter Qualifikation.

Dazu wird im Juli (vgl. 2.7.1973,d.Vf.) ein Referentenentwurf zum Hochschulrahmengesetz - das 1974 in Kraft treten soll - vorgelegt werden und aus der Pressemitteilung aus Anlaß der 158.Plenarsitzung der ständigen Konferenz der Kultusminister vom 220.3.1973 läßt sich entnehmen, daß die Beratungen für 'Rechtsverordnungen der Länder über Verteilungs- und Auswahlkriterien zum Staatsvertrag' weitgehend abgeschlossen sind. Mit dem baldigen Inkrafttreten dieser Rechtsverordnungen ist somit zu rechnen.

Sieht man diese Gesetze und Rechtsverordnungen im Zusammenhang mit der verschärften Anwendung der Bestimmungen der alten und der Verabschiedung neuer Prüfungsordnungen, mit den Maßnahmen zur Einstellung fortschrittlicher Schulversuche, zur Zerschlagung der verfaßten Studentenschaft und zum Berufsverbot, so bleibt festzustellen, daß sich der Staat ein lückenloses Instrumentarium zur Reglementierung des 'autonomen' Hochschulbereichs geschaffen hat.

Das bedeutet nichts anderes als eine weitere Festschreibung der Bildungsmisere und eine Verschärfung des Gegensatzes zwischen den Bedürfnissen des Einzelnen nach bestimmter Bildung und dem gesellschaftlichen Bedarf an bestimmter Qualifikation.

Die von der kapitalistischen Produktionsweise bestimmten Widersprüche, die unter anderem aufgrund mangelnder Kapazitäten im Ausbildungssektor zu Tage treten, müssen aus dem Zwang des Staates erklärt werden, die unproduktiven Kosten (Verbesserung der Ausbildung und Erweiterung der Kapazitäten werfen keinen unmittelbaren Profit ab) möglichst gering zu halten. Zum anderen haben sie ihren Grund in der Nichtplanbarkeit des Ausbildungssektors.

Aufgrund des derzeitigen Systems, das sich nicht nach den Bildungsbedürfnissen einzelner Individuen richtet, sondern die Konkurrenz der Einzelkapitale um möglichst hohen Profit begünstigt, kann der Staat nur versuchen, die ständig auftretenden gröbsten Mängel zu beseitigen. Dabei kann er sich bei der Planung nur auf Daten beziehen, die vergangene Zustände beschreiben und in Trendextrapolationen sein künftiges Vorgehen ableiten.

Numerus Clausus-Regelungen werden daher stets zu unerträglichen Härten für den Einzelnen führen und darüber hinaus eine ständige Verschlechterung der Ausbildungssituationen bedeuten.

Unter dem Eindruck der neuen Gesetze und Rechtsverordnungen kann der NC nicht mehr nur als Ergebnis zufälliger Fehlplanung in der Hochschulpolitik, sondern muß als gesellschaftspolitisch gewolltes Instrument zur Steuerung des Bedarfs an Hochschulabsolventen gesehen werden.

Die notwendigen Reformen im Bereich des Bildungswesens im Sinne einer Verbesserung der Chancengleichheit und der Durchlässigkeit der Ausbildungs- und Studiengänge werden nicht durchgeführt - die Misere an den Grund- und Hauptschulen wird größer: eine weitere Verschlechterung der Schulausbildung ist die Folge dieser reaktionären Maßnahmen."

Berichtet wird auch über die:"
VERSCHÄRFUNG DER PRÜFUNGSORDNUNG AN DEN PÄDAGOGISCHEN HOCHSCHULEN

Im Rahmen der von der SPD/FDP-Koalition angekündigten 'inneren Reformen im Bildungswesen' werden erneute Versuche unternommen, den Ausbildungssektor noch mehr den Interessen der Kapitaleigner zu unterwerfen. An der Hochschule sind Studienreform, Regelstudium und Prüfungsordnung die wichtigsten aktuellen Maßnahmen zur Durchsetzung der kapitalistischen Hochschulreform (siehe auch den Artikel in DOS Nr.19 (vgl. 29.1.1973,d.Vf.) 'Kritik der kapitalistischen Hochschulreform' - im AStA erhältlich). Die Studienreform beinhaltet eine systematische Verschulung und Kompression der Studieninhalt und wird auf mehreren Ebenen vorangetrieben:
- Die Institute der Hochschulen sollten nach dem HRG Studienordnungen in allen Fächern ausarbeiten. Es sollte bereits von den Regelstudienzeiten ausgegangen werden. Die meisten Institute haben jedoch zunächst in paritätischen Gremien Studienordnungen ausgearbeitet, die den Forderungen des Ministeriums nicht entsprachen.
- Auf bundeszentraler Ebene wird von Bund/Länderkommission und dem Wissenschaftsrat (WR,d.Vf.) an allgemeinen Fragen gearbeitet (Curricula-Forschung, Didaktik, Bildungstechnologie). In NRW arbeitet der Rau-Beirat an konkreten Plänen für eine Studienreform. Die Studenten haben sich geweigert, in diesem reaktionären Gremium Alibifunktion zu übernehmen. Ausgehend von den Arbeitsergebnissen dieses Beirates drohen die SPD-Länder, die Studienreform auch ohne die CDU-Länder in Angriff zu nehmen.
- Die Reform der Studiengänge ist eng verbunden mit der Einführung von Regelstudienzeiten und Prüfungsordnungen. Im PH-Bereich wurde eine Strukturkommission einberufen, die eine neue Rahmenprüfungsordnung (RPO) für die PHs in ganz NRW erstellen soll.

Darüberhinaus ordnete WiMi Rau eine Reihe neuer Regelungen für die erste Staatsprüfung an, die eine Verschärfung der bestehenden Prüfungsordnungen darstellen. Diese gelangen zwar erst an der PH Rheinland zur praktischen Anwendung, jedoch ist mit Sicherheit zu erwarten, daß sie auch uns ins Haus stehen. Die Kultusbürokratie wendet dabei einmal mehr eine 'Nadelstichtaktik' an, um ein gemeinsames Vorgehen aller Betroffenen - wie beim Streik von ca. 40 000 Fachhochschülern (vgl. 28.11.1972,d.Vf.) gegen die reaktionäre Rahmenprüfungsordnung - zu verhindern. Die wichtigsten Punkte der Neuregelung beinhalten:

1. DIE EINSCHRÄNKUNG DER ZAHL DER PRÜFLINGE PRO PRÜFER.
- Beschränkung auf 70 Kandidaten pro Prüfer z.B. an unserer PH wurden einige Prüfungskandidaten von Frau Honig abgelehnt, 53 Prüflingen wurde an der PH Köln die Zulassung zur Prüfung aus 'formalrechtlichen Gründen' verweigert.

2. DIE EINSCHRÄNKUNG DER FREIEN PRÜFER- UND THEMENWAHL.

- Mehr als drei Themenvorschläge sind zur Prüfung anzugeben (in der Regel sechs)
- Inhalt und Form der schriftlichen Hausarbeit werden nach Maßgabe des SELBSTVERSTÄNDNISSES des jeweiligen Prüfers festgelegt, wobei dem Wissenschaftsverständnis dieses Prüfers eine zentrale Bedeutung beizumessen ist.
- Versuche werden verstärkt unternommen, fortschrittlichen Prüfern das Prüfungsrecht zu entziehen oder es ihnen erst gar nicht zu gewähren. Z.B. Prof. Domdey in Berlin (an der FUB - vgl. S6.**.197*,d.Vf.).

Darüberhinaus wird durch eine Ansammlung von 'kann-Bestimmungen' der Prüfungswillkür Tür und Tor geöffnet.

3. DIE BETEILIGUNG EINES 'STAATSPRÜFERS' AN DEN PRÜFUNGEN.

- Vom Prüfungsamt eingesetzte Prüfer dürfen neben dem wissenschaftlichen Hochschulprüfer GLEICHBERECHTIGT prüfen und zensieren. Dieser Zweitprüfer, der in zunehmendem Maße nicht mehr aus dem Schuldienst kommt und deshalb kaum über fachliche Grundlagen verfügt, soll in Zukunft, nicht wie bisher nur Protokollantenfunktion ausüben, sondern an der Vorbereitung und Durchführung der Prüfung beteiligt werden.

Dadurch wird eine zusätzliche Möglichkeit zur 'Gesinnungsschnüffelei' geschaffen, um auf die politisch mißliebigen Prüfungskandidaten den VERFASSUNGSFEINDLICHEN Hamburger Beschluß der KMK (Kultusministerkonferenz) - 'Radikalen-Erlaß' - anzuwenden (bis hierhin wird der Artikel später (vgl. 8.10.1973) noch einmal veröffentlicht,d.Vf.).

ZUR WEITEREN INFORMATION VERWEISEN WIR AUF DIE IM ASTA ERHÄLTLICHE DOKUMENTATION (vgl. S7.*.1973,d.Vf.).

Im vergangenen Semester (WS 1972/1973) traten an vielen Hochschulen (z.B. in Berlin (vgl. 20.11.1972,d.Vf.) und Bonn (vgl. S7.**.197*,d.Vf.)) die Studenten in den Streik, um gegen diese Übergriffe zu protesieren.

Auch an unserer PH fand eine Informations- und Aktionswoche (Teach-in, Diskussion in Seminaren und Vorlesungen, Arbeit in Arbeitsgruppen) statt, die ihren Höhepunkt in einem eintägigen Warnstreik (vgl. 1.2.1973,d.Vf.) fand.

Im kommenden Semester werden dieser Aktion weitere überregional koordinierte Maßnahmen folgen, um der bereits erwähnten 'Nadelstichtaktik' entgegenzuwirken."

Stellung genommen wird auch zur:"
VERFASSTEN STUDENTENSCHAFT

Die neuerlichen Versuche des bürgerlichen Staates, die Arbeit der legitimen Interessenvertretung der Studenten an der Hochschule - der VERFASSTEN STUDENTEN (VS) - zu sabotieren (Mieterhebung für die AStA-Räume an der Fachhochschule Münster (FHS - vgl. S7.**.197*,d.Vf.); drohender Entzug der Beitragshoheit in NRW - im neuen Haushaltsplan (vgl. S7.**.197*,d.Vf.) sind pro Student 2,50 DM (!!!) für die Aufgaben der studentischen Selbstverwaltung vorgesehen), reihen sich nahtlos in den Reigen von Disziplinierungsmaßnahmen ein, die in allen Bereichen der Gesellschaft - vornehmlich aber in Betrieb, Schule und Hochschule - durchgeführt werden z.B. Berufsverbote, die vier Gesetze zur 'inneren Sicherheit' (vgl. 22.6.1972,d.Vf.) etc.).

Um auf die Ursachen für dieses Vorgehen gegen die Rechte der VS zu stoßen, ist es notwendig, die Entwicklung der Organe der VS kurz zu skizzieren ( - siehe auch den Artikel in der DOS-Sondernummer 'Einführung in das PH-Studium' - Zur Geschichte der VS).

Die Studentenparlamente wurden nach dem 2.Weltkrieg von den Allierten EINGESETZT. Sie sollten ein Übungsfeld für 'demokratische Verhaltensweisen' sein, um dem Faschismus NATIONALSOZIALISTISCHER PRÄGUNG entgegenzuwirken. So wurden die ASten quasi zu einer 'demokratischen Spielwiese' und einem Absprungbrett für Karrieristen (z.B. war Rainer C. Barzel (CDU - vgl. 8.**.19**,d.Vf.) im Kölner AStA).

Im Verlauf der Studentenbewegung entwickelten sich die Organe der VS (AStA, Studentenvollversammlung (SVV), Studentenparlament (SP bzw. SK) in vielen Fällen zu einem Instrument für die Masse der Studenten im gemeinsamen Kampf von Demokraten, Sozialisten und Kommunisten gegen
- den Imperialismus, so gegen die US-Aggression in Indochina;
- die politische Disziplinierung der fortschrittlichen und im Besonderen der sozialistischen und kommunistischen Kräfte (Ausschluß vom Studium, Berufs- und Lehrverbote seitens der herrschenden Klasse);
- die kapitalistische Hochschulreform (Hochschulrahmengesetzt (HRG), Länderhochschulgesetze); die bürgerliche Klassenerziehung, die z.B. durch Verschärfung der Prüfungen ( - siehe entsprechende Artikel hierzu in dieser Ausgabe), Steigerung des Ausbildungsdrills, strengere Reglementierung der Studiengänge und Numerus Clausus (NC) (vor allem in den Fächern Medizin und Lehrerausbildung), der zu Lasten der medizinischen Versorgung und der Schulausbildung der Kinder der Werktätigen geht;
- die Verschlechterung der Lebenbedingungen der Studenten; wobei der wirtschaftliche Kampf so geführt werden muß, daß die Studenten keine weiteren STÄNDISCHEN PRIVILEGIEN 'erfechten', sondern sich nur für solche Forderungen einsetzen, die den gemeinsamen Kampf mit den Werktätigen stärken und hervorheben (z.B. Mietwucher, Preistreiberei, Bodenspekulation).

Diese Ausweitung politischer Aktivitäten seitens der fortschrittlichen Studenten über den ihnen zugebilligten Freiraum der Hochschule hinaus (gleich Wahrnehmung des ALLGEMEINPOLITISCHEN MANDATS) führten in West-Berlin (vgl. S9.**.19**,d.Vf.) und Baden-Württemberg (vgl. S9.**.1971,d.Vf.) zur Liquidierung der VS. Aufgrund des folgenden massiven Protests der Studenten verfährt die Ministerialbürokratie in NRW nach der sogenannten 'Salami-Taktik', das bedeutet, die Rechte der VS werden drastisch eingeschränkt und der AStA somit zu einem bloßen Dienstleistungsbetrieb degradiert. Demagogisch wird dabei auf das 'Mitwirkungsrecht' der Studentenvertreter in den Gremien der Hochschule hingewiesen. Konkret bedeutet das: die Arbeit der Studentenvertreter beschränkt sich auf die fachspezifische Seite in den einzelnen Fächergruppen. Die politische Funktion des AStA, der SVV und der SK wäre ausgeschaltet. Durch SCHWEIGEPFLICHT und KOOPERATIONSZWANG sollen diese studentischen Vertreter als Funktionäre von der gesamten Studentenschaft ISOLIERT und damit auch besser DISZIPLINIERT werden. Die Studentenschaft weigert sich, ihre Vertreter in solchen SCHEINDEMOKRATISCHEN Gremien zu 'verheizen' (BEISPIEL: 'Paritäten' in der Abteilungskonferenz (AK) - ALLE hauptamtlich Lehrenden (ca. 70) - jeweils sieben Assistenten und Studenten).

Ebenso wie in allen Teilbereichen der Gesellschaft de fortschrittlichen Kräfte den Kampf aufnehmen gegen Disziplinierungs- und Reglementierungsmaßnahmen (z.B. Initiativen gegen die Berufsverbote; Solidaritätsaktion breiter Teile der Bevölkerung gegen die Entlassung von acht aktiven Gewerkschaftlern nach der spontanen Arbeitsniederlegung bei HOESCH (IGM-Bereich in Dortmund - vgl. 8.2.1973, 18.2.1973,d.Vf.)), so setzt sich die Studentenschaft gegen die drohende Zerschlagung ihrer Organe un die Einschränkung ihrer Rechte zur Wehr.

Zu diesem Zweck hat sich im vergangenen Semester (vgl. S9.**.197*,d.Vf.) WS 1972/1973) eine Aktionseinheit aller ASten in NRW gebildet, die Mitte November (vgl. 15.11.1972,d.Vf.) eine Aktionswoche durchführte, deren Höhepunkt in machtvollen Demonstration - an mehreren Hochschulorten - bestand.

Dieser Aktion werden im kommenden Semester weitere folgen.

Da wir in diesem Kampf auf die Unterstützung einer möglichst großen Zahl von Studenten angewiesen sind, möchten wir es an dieser Stelle nicht versäumen, JEDEN VON EUCH ZUR AKTIVEN MITARBEIT AUFZUFORDERN."

Vorgestellt wird das:"
STUDIENZIEL HEILPÄDAGOGE

Im Wintersemester 1972/1973 (vgl. 18.12.1972,d.Vf.) ist die Abteilung für Heilpädagogik von dem Universitätsgelände an der Baroperstraße in die ehemaligen PH-Gebäude an der Kreuzstraße umgezogen. Die räumlichen Verhältnisse sind jedoch nach wie vor sehr unzureichend. Ungefähr 1 200 Studenten müssen sich mit einem Gebäude begnügen, das nur für ca. 500 Personen gebaut worden ist. Da keine Hörsäle vorhanden sind müssen größere Veranstaltungen in dem alten PH-Gebäude am Rheinlanddamm stattfinden, wo unserer Abteilung ein Hörsaal zur Verfügung steht. Zu Fuß braucht man 15 Minuten von einem Gebäude zum anderen.

Zum Essen muß man ebenfalls zum Rheinlanddamm, da im Gebäude an der Kreuzstraße weder eine Cafeteria noch eine Mensa vorhanden ist.

Die Allgemeine Abteilung ist im letzten Semester (vgl. 13.11.1972,d.Vf.) nach Barop auf das Gelände der Uni-Hauptbaufläche gezogen, folglich müssen grundständig Studierende auch noch ständig zwischen den beiden Abteilungen hin- und herpendeln (Linie 4 ab Lindemannstraße bis Palmweide, von da ab mit dem Bus bis zur PH).

An unserer Abteilung studieren etwa 60% Aufbaustudenten und 40% Grundständige. Daraus ergeben sich für das Studium einige Probleme. Zum Beispiel scheinen einige Dozenten (bis vor drei Jahren nur Arbeit mit ehemaligen Lehrern gewohnt) den anderen Studienanforderungen der achtsemestrig Studierenden nicht gewachsen zu sein.

Die studentische Selbstverwaltung an der HPH ist genauso organisiert wie an der Allgemeinen Abteilung. Studentische Gremien sind die Vollversammlung (SV), das Studentenparlament (SP, entspricht der SK an der PH), Ältestenrat und der AStA (Funktion und Aufgaben der Gremien siehe Allgemeine Abteilung).

Das Interesse der Studentenschaft an der Arbeit in ihrer eigenen Organisation ist bisher aber sehr gering. Dies zeigte sich z.B. an schwach besuchten Vollversammlungen, in denen wichtige Probleme der Studenten diskutiert werden sollten oder an der niedrigen Beteiligung an der Urabstimmung über die Erhaltung der verfaßten Studentenschaft (vgl. S10f**197*,d.Vf.). Dies politische Desinteresse der Studenten ist angesichts der drohenden Zerschlagung der Verfaßten Studentenschaft und einer ausstehenden reaktionären neuen Prüfungsordnung untragbar. Informiert Euch daher über Eure Einflußmöglichkeiten und beteiligt Euch an SV's und an den öffentlichen Sitzungen des SP.

Der AStA wird getragen von einer Gruppe, die sich vor zwei Semestern zu einer politischen Arbeitsgemeinschaft zusammenschloß. Der größte Teil dieser Gruppe gehört dem PGH (der ESG,d.Vf.) an, einige andere Mitglieder der GEW-AG. Der AStA befindet sich in der Baracke hinter dem Gebäude an der Kreuzstraße, Raum 403 und 404. Zur Information und Beratung sind täglich von 10 Uhr bis 12 Uhr 30 Sprechstunden eingerichtet. Die Referenten des AStA sind:
Michale Schaup (1. Vorsitzender PGH)
Marie-L. Sundermeier (2. Vorsitzende PGH)
Matthias Esser (Finanzreferat GEW-AG)
Marianne Hinken (Studienreferat PGH)
Frank Schmidt (Studienreferat PGH)
Rolf Hausberg (Sozialreferat PGH)
Wilma Kuhl (Sozialreferat PGH)

Der Studiengang an der HPH gliedert sich folgendermaßen:
1) Grundständiges Studium
2) Aufbaustudium
Näheres hierzu siehe Informationsblatt."

Berichtet wird vom Berufsverbot gegen Rainer Birenheide in Dortmund (vgl. 1.2.1973) und aus unbekannter Quelle wird der folgende Artikel übernommen:"
POLITISCHE ÜBERLEGUNGEN ZU DISZIPLINIERUNG UND BERUFSVERBOT IM KAPITALISTISCHEN STAAT

Man weiß nicht genau, ob man die verstärkte politische Unterdrückung der sozialistischen Opposition in der Bundesrepublik mehr als Stärke oder eher als Schwäche des Systems charakterisieren will. Nun hängt das sicherlich auch von der jeweiligen Betrachtungsweise ab, die man einnimmt, ob man beispielsweise Verfolgender oder Verfolgter ist. Aber eines scheint allen recht deutlich zu sein, mit der 'freiheitlichen demokratischen Grundordnung' (FdGO) ist es nicht weit her: die Verfolger wähnen sie ständig in Gefahr, oder zumindest das, was sie darunter verstehen, und die Verfolgten püren am eigenen Leibe, daß die FdGO niht einmal Freiheit und Recht garantieren kann, sondern leere Worte bleibt. Der Vorgang der Sozialistenverfolgung hat Tradition in Deutschland: über die kaiserlichen Erlasse des 19.Jahrhunderts und die Zerschlagung der rätedemokratischen Versuche nach 1918, die 'Rechts'- Justiz in der Weimarer Republik, die nationalsozialistischen Konzentrationslager (KZ,d.Vf.), das KPD-Verbot von 1956 (vgl. 17.8.1956,d.Vf.) bis zum neuesten Beschluß unserer Ministerpräsidenten vom 28.Januar des vergangenen Jahres über 'Grundsätze zur Frage der verfassungsfeindlichen Kräfte in öffentlichen Dienst' (ÖD,d.Vf.). Darin heißt es:
'Nach den Beamtengesetzen in Bund und Ländern
- darf in das Beamtenverhältnis nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes (GG,d.Vf.) eintritt,
- sind Beamte verpflichtet, sich aktiv innerhalb und außerhalb des Dienstes für die Erhaltung dieser Grundordnung einzusetzen…

Ein Bewerber, der verfassungsfeindliche Aktivitäten entwickelt, wird nicht in den öffentlichen Dienst eingestellt. Gehört ein Bewerber einer Organisation an, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, so begründet diese Mitgliedschaft Zweifel daran, ob er jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten wird. Diese Zweifel rechtfertigen in der Regel eine Ablehnung des Anstellungsantrages…'

Diesem Beschluß assistieren eine Reihe von administrativen und politischen Maßnahmen, um ihn effektiv zu machen: die Verdoppelung des Bundeskriminalamtes (BKA,d.Vf.) in den letzten zwei Jahren, die Ausrüstung der Polizei mit Explosivwaffen und ihr Training gegen Demonstranten und streikende Arbeiter, die neuen Gesetze über den Bundesgrenzschutz (BGS - S12* 22.6.1972,d.Vf.) und die Möglichkeit seines innerstaatlichen Einsatzes 'zur Unterstützung der Länderpolizei', die verschärfte Anwendung des Ausländergesetzes, das Verbot angeblicher 'Terror'-Organisationen, neuerliche Versuche, die Vorbeugehaft einzuführen (S12.*22.6.1972,d.Vf.) und manches mehr.

DIE SITUATION IN DER BUNDESREPUBLIK

Der Grund dafür ist kaum in bloßer Willkür der Herrschenden zu suchen, sondern in ihrer zunehmenden Unfähigkeit, ihre Herrschaft rational zu begründen und zu legitimieren. Die Studentenbewegung der 60er Jahre und die zunehmende Streik- und Kampfbereitschaft von Teilen der Gewerkschaften und der Arbeiterklasse führten zu einer Stärkung der sozialistischen und radikaldemokratischen Opposition. Gleichzeitig wurde durch das selbstverständliche öffentliche Agieren der Linken, die reale Kenntnis und auch Anerkennung der sozialistischen Staaten und durch die Akzeptierung des bewaffneten Befreiungskampfes in der dritten Welt in Kreisen des liberalen Bürgertums der bestehende Kommunistenschreck abgebaut. Das alte, wohlbekannte Feindbild kann nur noch schlecht aufrechterhalten werden.

Eng verknüpft damit ist die Tatsache, daß die innergesellschaftlichen Verhältnisse vor allem die des Produktionsbereichs immer komplizierter werden. Ein fortgeschrittenes kapitalistisches System mit seinem Trend zur ständigen Monopolisierung der wirtschaftlichen und politischen Entscheidungs- und Machtzentren, mit dem Zwang einer möglichst optimalen Organisation der Produktionsverhältnisse und Ausnützung der Produktivkräfte bedarf gleichzeitig einer immer stärkeren Qualifizierung seiner Arbeitskräfte. Unter diesen Bedingungen muß auch Teilen der Lohnabhängigen, vor allem eben den Qualifizierten, partielle Autonomie, relative Selbständig- und Selbsttätigkeit zugestanden werde. Daß die damit verbundene tendenzielle Rationalität - vermittelt durch die dann verstärkte Fähigkeit, auftretende soziale Konflikte auszutragen und aus dem Kampf wie aus der Lösung Rückschlüsse auf das Ganze zu ziehen - daß dies nicht umschlägt in eine totale Durchleuchtung er Irrationalität und auch Inhumanität unseres Wirtschaftssystems, bedarf es einer stärkeren und neuen Identität mit diesem System. Deshalb sind die gesellschaftlichen Sozialisationsinstitutionen (Schule und Kirche), die Wissenschaftsinstitutionen (Universität), die Administration (Behörden und Verwaltung) und die Sanktionsgewalt (Justiz und Polizei) in ihrer Funktion für die ökonomische Basis von zentraler Bedeutung. Und deshalb muß verhindert werden, daß in diesen Institutionen systemsprengende oder auch nur systemüberwindende Alternativen entwickelt werden können.

Diese Institutionen sind in ihrer Funktion hauptsächlich dazu da, eine wirksame Massenloyalität zu entwickeln oder am Leben zu erhalten. Daß dies im Schul- und Ausbildungssektor allerdings nur mit Mühe gelingt, weil die ungenügenden finanziellen und pädagogischen Verhältnisse kaum die ständig zunehmende und höherwerdende Qualifikation garantieren können, braucht hier nicht zu interessieren, erklärt aber andererseits wiederum, daß Sozialisten gerade in den Schulen am heftigsten diszipliniert und gemaßregelt werden. Gerade hier kann man sich am wenigsten Licht im Dunkel des Systems gestatten.

Gleichzeitig werden im und neben dem Produktionsbereich immer sublimere Mechanismen und Sozialtechniken entwickelt, die die direkten Schäden und Verletzungen auffangen, wenn nicht gar prophylaktisch verhindern sollen. Der Kapitalismus in einem Land wie der Bundesrepublik produziert heute ohnehin Verletzungen, die eher im psychischen als im physischen Bereich feststellbar sind. Damit jedoch wird die Rekreation der Ware Arbeitskraft durch Sozialhygiene (Sozialmedizin, Psychiatrie, Psychologie), Massenveranstaltungen (Sport, Medien, wahlen) oder auch individuelle Beglückungen (Konsum) zu einem Garanten der Aufrechterhaltung der Produktionsverhältnisse."
Q: DOS Extra Nr. 1, Sdr. Nr. Einführung in das PH-Studium Ergänzung SS 73 und Sdr. Nr. Einführung in das PH-Studium (2. Aufl.), Dortmund o. J. (1973), o. J. (Apr. 1973) bzw. o. J. (Okt. 1973), S. 2 und 11, o. S. bzw. S. 43ff


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