Pädagogische Hochschule Dortmund: DOS - Dortmunder Studentenzeitung, Jg. 3, Extra Nr. 7, 22. Okt. 1973

22.10.1973:
Der AStA der PH Dortmund gibt ein Extra Nr. 7 seiner 'DOS' – Dortmunder Studentenzeitung (vgl. 17.10.1973, 31.10.1973) mit drei Seiten DIN A 4 heraus, dessen Text - in dieser Reihenfolge - gemeinsam unterschrieben ist von der KHG des KBW, die den Text vermutlich formulierte, dem AStA Uni Dortmund, dem AStA PH Dortmund, dem AStA HPH (Heilpädagogische Abteilung der PH Ruhr), der GEW-AG und der GIM:"
FÜR EIN KOSTENDECKENDES BAFÖG

Das BAFöG wurde am 26.8.1971 verabschiedet, gegen den erklärten Widerstand der Studenten. Schon damals lag der Förderungshöchstsatz von 420 DM unter dem kostendeckenden Betrag. Das Deutsche Studentenwerk (DSW (StW,d.Vf.)) errechnete damals (vgl. S1.**.197*,d.Vf.) einen kostendeckenden Betrag von 550 DM. Seit 1971 haben wir nun eine Teuerungsrate von jährlich 7 - 9% zu verzeichnen. Dabei haben sich besonders die Grundnahrungsmittel enorm verteuert, z.B. Kartoffeln um 45%, Obst um 36%. Da gerade die Gebrauchsgüter, die jeder braucht, sich enorm verteuerten, wirkt sich die Teuerungsrate besonders auf die unteren sozialen Schichten aus. Das geht aus der folgenden Statistik hervor:". Bei uns ist vom Titel der ersten Statistik das erste Wort unlesbar, das zweite lautet "Preisanstieg", die zweite Statistik lautet, "Die Inflation speist mit" und stellt die Lebensmittelpreise in der BRD zwischen Mai 1972 und Mai 1973 dar. Fortgefahren wird:"
Auch Schüler und Studenten sind von dieser Preissteigerungsrate besonders betroffen, sowohl die BAFöG-Empfänger als auch diejenigen, die auf Grund der zu niedrigen Freibeträge keine Unterstützung erhalten, deren Eltern ihnen aber keine 400 DM monatlich zahlen können. Dabei sieht der Paragraph 35 eine Anpassung der Bedarfssätze und Freibeträge an die gestiegenen Lebenshaltungskosten sowie die veränderten Vermögens- und Ausbildungsverhältnisse vor. Obwohl das DSW im Oktober 1972 (vgl. Okt. 1972,d.Vf.) in den 'Formulierungsvorschlägen zur Novellierung des BAFöG' einen Bedarfssatz von 600 DM errechnete, obwohl der Präsident des DSW, Professor Ellwein, am 17.9. in Bonn 'Wenigstens eine 20%ige Anhebung der Stipendien von 420 DM auf mindestens 500 DM monatlich und eine Erhöhung der Elternfreibeträge von 800 auf 1 200 DM monatlich' forderte, obwohl verschiedene ASten, der VDS und die GEW bereits mehrmals eine Erhöhung gefordert haben und obwohl sogar die Kultusminister der Länder an die Bundesregierung appelliert hatten (vgl. S1.**.197*,d.Vf.), die Ausbildungsförderung bis zum Frühjahr 1974 zu erhöhen und auch den Kreis der Berechtigten zu erweitern, erklärte Bundesminister von Dohnanyi (vgl. S1f**.1973,d.Vf.), es sei weder an eine Erhöhung der Bedarfssätze noch an eine Erhöhung der Freibeträge vor dem Wintersemester 1974/1975 zu denken. Angeblich sei kein Geld da, erklärte Dohnanyi trotz einer Steigerung des Staatsetats um 10%. Da gegenwärtig ca. 36% der Vollzeitschüler (1972 27%) und 47% der Studenten (1972 41%) BAFöG-Empfänger sind, die wenigsten aber den BAFöG-Höchstsatz erhalten, bleibt vielen kein anderer Ausweg als in den Ferien zu arbeiten.

Was das in Verbindung mit der im HRG festgelegten Regelstudienzeit, Kurzstudium und der Verschärfung der Prüfungsordnungen (PO,d.Vf.) bedeutet, ist nichts anderes als ein weiteres Mittel zur Disziplinierung der gesamten Studentenschaft. Für die BAFöG empfangenden Naturwissenschaftler wird sich die Situation besonders verschlechtern, da sie in der vorlesungsfreien Zeit notwendige Praktika ableisten müssen. Außerdem für die Kinder von Arbeitern und Angestellten, da diese von ihren Eltern keine Unterstützung erwarten können, da sie selber immer weniger im Portemonnaie haben.

Denn die 'stabilitätsbewußten Abschlüsse' der letzten zwei Jahre haben nicht einmal die Preissteigerungen aufgefangen. Zudem sind die Arbeiter und Angestellten durch unsoziale Steuerprogression in eine schlechtere Steuerklasse geraten, sodaß ein Teil der Lohnerhöhungen von vornherein durch die Steuern wieder aufgefressen wird. Der Anteil der Lohnsteuer am gesamten Steueraufkommen ist in diesem Jahr auf 60 Mrd. DM gegenüber 49,7 Mrd. DM 1972 gestiegen, ganz zu schweigen von den indirekten Steuern, die von der Masse der arbeitenden Bevölkerung bezahlt werden. Da zwar die Löhne nominell gestiegen sind - man kann freilich nicht mehr dafür kaufen - die Freibeträge aber festgeschrieben sind, haben wir BAFöG-Empfänger in diesem Jahr mit durchschnittlich 50 bis 100 DM weniger BAFöG zu rechnen. Wir stehen uns heute also noch schlechter als 1971, als das BAFöG verabschiedet wurde.

Gleichzeitig versucht sich aber der Staat doppelt abzusichern:

Mit Hilfe des Paragraphen 20, Abs.2, der streikenden BAFöG-Empfängern androht, gezahlte Beträge für die Zeit des Streiks zurückzahlen zu müssen, wird versucht die Kampfkraft der Studentenschaft zu zerschlagen.

Was ist zu tun? Selbst Minister Dohnanyi erklärte bereits, daß wir von der Regierung nichts zu erwarten haben. Die Geschichte der Auseinandersetzung zwischen Kapital und Staat auf der einen, und dem Volke auf der anderen Seite, hat gezeigt, daß eine geschlossene Kampffront zu bilden ist für unsere gemeinsamen Interessen. Von allein wird sich nichts rühren, bloßes Abwarten und Stillhalten wird nichts nutzen. Wir werden nur etwas erreichen, wenn wir uns alle zusammenschließen und für unsere Forderungen eintreten:

ERHÖHUNG DES BAFÖG AUF 600 DM BEI GLEICHZEITIGER ERHÖHUNG DER FREIBETRÄGE AUF 1 200 DM! WEG MIT DEM ANTI-STREIK-PARAGRAPHEN!

Die ausländischen Kommilitonen sind oftmals noch schlechter dran. Zwar kann jeder ausländische Student nach dem vierten (!) Semester 400 oder 500 DM BAFöG bekommen, dies jedoch nur, wenn er seine guten Leistungen und wenigstens zwei Gutachten von Professoren vorweisen kann. Wohlgemerkt, d.h., daß jeder ausländische Student, außer wenn er von Zuhause finanziert wird, sich die ersten drei bis vier Semester mit dem über Wasser halten muß, was er in den Semesterferien verdient hat. Dabei noch außergewöhnliche Leistungen zu vollbringen, damit er weiter durch BAFöG finanziert wird, erscheint fast unmöglich.

Deshalb: GLEICHE RECHTE FÜR DEUTSCHE UND AUSLÄNDISCHE STUDENTEN1

Der entscheidende Hebel für den Erfolg unseres Protestes kann nur eine wesentliche Erfahrung aus den Kämpfen des gesamten Volkes sein:

Gemeinsam:
ob BAFöG-Empfänger oder nicht
ob Schüler oder Student
ob Ausländer oder Deutscher
den Kampf um die Erhöhung des BAFöG führen!

Ist es dem Staat und der herrschenden Klasse einmal gelungen, die Schüler- und Studentenschaft zu spalten und zu zersplittern, wird es leichtes für sie sein, ihre reaktionäre Politik auch auf anderen Gebieten durchzusetzen.

Daher:

FÜR EINE GESCHLOSSENE KAMPFFRONT ALLER STUDENTEN UND SCHÜLER ALS TEIL DER KÄMPFE DES GESAMTEN VOLKES!"
Q: DOS Extra Nr. 7, Dortmund 22.10.1973

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