Salzgitter:
"Wildes Huhn - Nachrichten von und für Unzufriedene" (1976-1977)
"Antirepressionsinfo" (1977)

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Dietmar Kesten, Gelsenkirchen, 11.8.2021

Das Magazin "Wildes Huhn - Nachrichten von und für Unzufriedene" erschien, soweit es mir vorliegt, von Oktober 1976 bis September 1977 mit fünf Ausgaben. Es sollte ein "Spiegelbild der Aktivitäten" sein, die sich rund um das Kommunikationszentrum "Wildes Huhn" in Salzgitter abspielten. Der "Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e. V.", der teilweise auch als Herausgeber angegeben wurde, hatte die Mittel für das Magazin bereitgestellt. Die erste Ausgabe erschien vermutlich Ende September oder Anfang Oktober 1976.

Die Debatte um ein "Kommunikationszentrum" in Salzgitter begann bereits im Sommer 1975; im Sommer 1976 wurde es unter dem Namen "Wildes Huhn" eröffnet. Ziel sollte sein: "Teilnahme am politischen Geschehen und an der Selbstverwaltung für jeden". Das "Kommunikationszentrum" bestand u. a. aus einem "Beirat", der die Geschicke des Zentrums lenken sollte und sich im November 1976 konstituierte. Offenbar kam es schon im Mai 1977 zu internen Auseinandersetzungen über den Stellenwert des Magazins, woraufhin einige Mitglieder den "Beirat" verließen und sich öffentlich (in der SZ) vom Magazin und von der "deutlich gewordenen Zielsetzung des Vereins" distanzierten. Der gesamte Verein werde "mit der RAF in einen Topf geworden", beschwerten sich die Aktivisten. Im Juni 1977 wurde die Nummer 3 des "Wilden Huhns" staatlicherseits beschlagnahmt. Es sollte Anzeige wegen angeblicher Nähe zur RAF gestellt werden.

Im September und Oktober 1977 kam es zu Hausdurchsuchungen in verschiedenen Wohngemeinschaften in Salzgitter und Umgebung, in Springer-Zeitungen wurde das "Wilde Huhn" als "ein Stützpunkt im Kommunikationsgeflecht der terroristischen Sympathisantenszene" bezeichnet. Im Oktober wurde dann das "Kommunikationszentrum" durchsucht. Einige Mitglieder wurden in der Schule oder auf "offener Straße verhaftet" und erkennungsdienstlich behandelt.

Nach der Entführung und Ermordung des westdeutschen Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer, den darauf folgenden Reaktionen des Staates und der Verhaftung von Mitgliedern des "Wilden Huhns" erschien im November 1977 die Nummer 1 des "Anti-Repressions-Infos" unter dem Titel: "Polizei- und Presseterror in Salzgitter". Es wurde, wie das "Wilde Huhn", vom "Verein zur Förderung von Kultur- und Kommunikation e.V." herausgegeben. Außerdem vom "Arbeitskreis gegen Atomenergie" im "Jugend-, Kultur - und Kommunikationszentrum" in Salzgitter.

Im Folgenden sollen die mir vorliegenden Ausgaben kurz vorgestellt und dokumentiert werden. Wer weitere Informationen zu den Ausgaben oder gar weitere Ausgaben besitzt, der möge sich bitte bei mir oder dem MAO-Projekt melden.

Wir danken dem Archiv Schwarzer Stern in Dortmund für die freundliche Unterstützung.

Liste der als Scans vorhandenen Zeitungen

Auszug aus der Datenbank "Materialien zur Analyse von Opposition" (MAO)

Oktober 1976:
Vermutlich Anfang Oktober 1976 erscheint die erste Ausgabe des "Wilden Huhns" als "Info Nr.1 - Nachrichten von und für Unzufriedene". Inhalt der Ausgabe ist:
- Veranstaltungsplan
- Wildes Huhn - wie es dazu kam
- Gegenöffentlichkeit
- Blubber, Galerie, Theater-Gruppe
- Drogenkreis
- Knastgruppe
- Langeweile
- Der schlaf
- Zum Kinderproblem
- Arbeitskreis Sexualität
- Der K(r)ampf geht weiter
- Frauen, gemeinsam sind wir stark
- Gedicht, Comic, Wandzeitung von Frauen
- Filmgruppe
- das selbstverwaltete Elend oder das Elend der Selbstverwaltung.

Der Veranstaltungsplan vom 9.10. bis 7.11. enthält u. a. Filme über den spanischen Bürgerkrieg und Irland. Zu Irland findet auch eine "Solidaritätswoche" statt.

Im Beitrag "Wie es zum Wilden Huhn kam" heißt es u. a.: "Im Sommer 1975 kamen wir endlich auf den glorreichen Einfall, die Schaffung einer Alternative zu den Scheißkneipen Blubber, Galerie usw. … Wir hatten das Bedürfnis, unsere Freizeit selbst zu organisieren … Unsere politische Arbeit war nämlich immer wieder durch fehlende Räumlichkeiten erschwert worden. Außerdem war es für uns sehr wichtig, dass der Laden für jeden offen, und die Teilnahme am politischen Geschehen und an der Selbstverwaltung für jeden möglich sein müsste. Die Selbstverwaltung sollte durch regelmäßige VVs organisiert, und AGs nach den jeweiligen Interessen und Bedürfnissen der Leute gebildet werden … Nach Abwägung sämtlicher Möglichkeiten kamen wir dazu, einen Verein, den Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation, zu gründen … So wurde aus dem alten Thüringer Hof das neue Kommunikationszentrum 'Wildes Huhn' … Seit dem 27. Juni 1976 ist das Huhn nun offen."
Quelle: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e. V.: Wildes Huhn, Nr. 1, o. O., o. J. (1976).

November 1976:
Vermutlich Mitte November 1976 erscheint das "Wilde Huhn" Nr. 2 als "Magazin - Nachrichten von und für "Unzufriedene". Inhalt der Ausgabe ist:
- Leserbriefe zum letzten Info
- Neues von der Frauengruppe
- Der Irrtum über den vaginalen Orgasmus
- Knastgruppe, Selbstdarstellung
- Schwule Knastarbeit
- Wir drehen einen Film übers Huhn
- Abschied vom Frust
- Ton-Steine-Scherben und die SPD
- Operation Menschenfresser (Buchbesprechung)
- Ein Teil unseres Bewusstseins
- Der Fortschritt in Kambodscha
- Erlebnisbericht aus Brokdorf
- Viele Bürger sind gegen das KKW in Brokdorf
- Im Rahmen der üblichen Sicherheit im Atom-Kraftwerk
- Atommüll im Schacht, dann krachts
- Gedichte und Gerüchte
- Die phantastischen Vier.

Veröffentlicht wird auch ein Veranstaltungsplan mit Diavorträgen, Filmen und Informationsveranstaltungen. Eine "Infowoche zur Sexualität" soll vom 6.12. bis 11.12. stattfinden.
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e. V.: Wildes Huhn, Nr. 2, o. O., o. J. (1976)

April 1977:
Vermutlich erscheint noch im April ein Extra vom "Wilden Huhn". Das Info bezieht sich auf die Nr. 3 vom 24.4.1977. Dieses sei nun ohne Wissen der Herausgeber kopiert worden sein, woran Kritik geübt wird. Vordergründig sei es der Artikel: "Counterinsurgency oder wie der Staat aus Revolutionären Verbrecher machen will", der für Aufsehen gesorgt hat. Daher habe der Oberbürgermeister von Salzgitter nun Strafanzeige "wegen des Aufrufs zur Gewalt" gestellt. In der Nr. 3 sei zudem der Beirat des Infos namentlich aufgeführt gewesen, was wohl im Zusammenhang mit der Strafanzeige steht. Daraufhin habe nun "Terror" gegen die Mitglieder des Beirats
eingesetzt. Gegen diese wurden u. a. "öffentliche Drohungen" ausgesprochen, wenn diese sich nicht distanzieren würden. Einige Mitglieder hielten dem Druck nicht stand und distanzierten sich. Man wolle aber weiterhin den "Aufbau des 'Wilden Huhns' unterstützten". Im Info soll auch weiterhin "keine Zensur ausgeübt werden, sondern der Versuch unternommen (werden), ein Sprachrohr für alle Salzgitteraner zu werden".
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e.V., o. O., o. J. (April 1977).

24.04.1977:
Im April erscheint das "Wilde Huhn", Nr. 3, Magazin - Nachrichten von und für Unzufriedene". Laut "Antirepressionsinfo, Nr. 1" erscheint es am 27.4. Inhalt der Ausgabe ist:
- Filmprogramm
- Unser Beirat
- Kein Atommüll mehr in Asse 2 und anderswo
- Legende 1977: eine menschliche Katastrophe
- Counterinsurgency
- Erklärung vom Aussatz
- Strafvollzug - Ein Vollzug zuviel
- Lieder von den Outlaws
- Macht eure eigene Musik
- Leserbrief
- Tunesien
- Amerikanischer Freundschaftsbesuch in Kambodscha
- Großfahndung in der BRD am 7.4.77
- Leserbrief eines Necrophilicers.

Zur Herausgabe der Ausgabe heißt es: "Der Verein zur Förderung von Kultur- und Kommunikation e. V. hat die Mittel bereitgestellt, die nötig waren, damit das Magazin zustande kommt. Die einzelnen Artikel wurden vom Verein weder festgelegt noch zensiert."

Filme werden gezeigt vom 26.4.-7.7.1977. Auf den Seiten 6-7 erscheint eine kleine Chronik der RAF. Ein Artikel beschäftigt sich mit der Nekrophilie. Der Artikel zu Tunesien richtet sich gegen die Ausbeutung des Landes durch den Tourismus und berichtet über seine Geschichte. Im Artikel "Macht eure eigene Musik" heißt es einleitend: "Dieser Artikel ist für alle, die Musik lieben und auf die, die Volks- und Popmusik eine starke Anziehungskraft ausübt. Er soll mithelfen zu verhindern, dass die Musik des eigenen Landes vergessen wird und soll versuchen, sie dazu zu bewegen, sich Musik aus allen Ländern der Welt anzuhören."
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e.V. und Arbeitskreis gegen Atomenergie: Antirepressionsinfo, Nr. 1, o. O., o. J. (1977), S. 5.; Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e. V.: Wildes Huhn, Nr. 3, o. O., o. J. (1977).

01.05.1977:
Laut "Antirepressionsinfo", Nr. 1 kommt es auf einer Gewerkschaftsfete am 1. Mai zu Auseinandersetzungen zwischen dem "Arbeitskreis gegen Kernenergie", der ein Flugblatt verteilt hatte ("Zum Thema Kernenergie - Was sagen die Gewerkschaften - Was sagen wir dazu?") und "einigen Jugendlichen, die sich als Ordner der Gewerkschaft ausgaben". Aufgefordert werden sie dazu, "das Verteilen der Flugblätter im Saal und im Vorraum einzustellen". Kritisiert wird, dass "Gewerkschaftsfunktionäre die Aufgabe von Bullen" übernehmen würden.
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e.V. und Arbeitskreis gegen Atomenergie: Antirepressionsinfo, Nr. 1, o. O., o. J. (1977), S. 23.

16.05.1977:
Laut "Wildes Huhn", Nr. 4 hat "ein ehemaliges Beiratsmitglied einige Fragen an die Mitglieder des Vereins und des Beirats formuliert, um eine Diskussion in Gang zu bringen".
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e. V.: Wildes Huhn, Nr. 4, o. O., o. J. (1977), S. 4.

22.05.1977:
Laut "Wildes Huhn", Nr. 4 werden "auf der Diskussion der Vereinsmitglieder die Fragen von dem ehemaligen Beiratsmitglied besprochen. Ferner wird festgelegt, dass zu den strittigen Artikeln im Info 3 bis zur nächsten Beiratssitzung eine klärende Stellungnahme vorliegen soll".
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e. V.: Wildes Huhn, Nr. 4, o. O., o. J. (1977), S. 1.

23.05.1977:
Laut "Antirepressionsinfo", Nr. 1 wird vom 23.-27.5. das "Wilde Huhn", Nr. 3 "von Mitgliedern des Lions-Club 150 Mal fotokopiert, kommentiert, an Personen und bestimmte Stellen verteilt".
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e.V. und Arbeitskreis gegen Atomenergie: Antirepressionsinfo, Nr. 1, o. O., o. J. (1977), S. 5.

27.05.1977:
Laut "Wildes Huhn", Nr. 4 "kommen uns die ersten Repressalien gegen einige Beiratsmitglieder zu Ohren".
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e. V.: Wildes Huhn, Nr. 4, o. O., o. J. (1977), S. 1.

31.05.1977:
Laut "Wildes Huhn", Nr. 4 findet eine "interne Beiratssitzung statt. Ergebnis: 4 Beiratsmitglieder verlassen den Beirat und wollen das in der 'Salzgitter Zeitung' (SZZ) kundtun".
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e. V.: Wildes Huhn, Nr. 4, o. O., o. J. (1977), S. 2.

01.06.1977:
Laut "Wildes Huhn", Nr. 4 formulieren "die 4 ehemaligen Beiratsmitglieder ihre deutliche Distanzierung. Anwesend sind zeitweise 3 Leute von uns, die besonders darauf hinweisen, dass die SZ-Zeitung wohl nicht der richtige Ort wäre, da wir vom Wilden Huhn kaum eine Möglichkeit haben, uns ebenso schlagkräftig zu Wort zu melden".
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e. V.: Wildes Huhn, Nr. 4, o. O., o. J. (1977), S. 2.

02.06.1977:
Laut "Wildes Huhn", Nr. 4 besteht das "Wilde Huhn seit einem Jahr". Offenbar ist das "Kommunikationszentrum" gemeint.
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e. V.: Wildes Huhn, Nr. 4, o. O., o. J. (1977), S. 4.

02.06.1977:
Laut "Antirepressionsinfo", Nr. 1 erscheint in der "Salzgitter-Zeitung" (SZZ) die deutliche Distanzierung von 4 Beiratsmitgliedern. Der ganze Verein wird mit der RAF in einen Topf geworfen. Die öffentliche Hetze ist damit eröffnet". Als Reaktion darauf werden in Salzgitter "20.000 Flugblätter verteilt", wo "wir den Austritt aus unserer Sicht beurteilen".
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e.V. und Arbeitskreis gegen Atomenergie: Antirepressionsinfo, Nr. 1, o. O., o. J. (1977), S. 5.; Wildes Huhn Nr. 4, S. 1.

03.06.1977:
Laut "Antirepressionsinfo", Nr. 1 gibt es im "Wilden Huhn" "Drohanrufe". Der "Laden soll zerbombt werden".
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e.V. und Arbeitskreis gegen Atomenergie: Antirepressionsinfo, Nr. 1, o. O., o. J. (1977), S. 5.

04.06.1977:
Laut "Wildes Huhn", Nr. 4 sollen die "kommentierten Abzüge des Info 3 "auch in Wolfenbüttel verteilt werden".
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e. V.: Wildes Huhn, Nr. 4, o. O., o. J. (1977), S. 2.

05.06.1977:
Laut "Antirepressionsinfo", Nr. 1 sendet das "Komitee zur Rettung Deutschlands" dem "Wilden Huhn" das "Todesurteil".
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e.V. und Arbeitskreis gegen Atomenergie: Antirepressionsinfo, Nr. 1, o. O., o. J. (1977), S. 5.

07.06.1977:
Laut "Wildes Huhn", Nr. 4 gibt ein "ehemaliges Beiratsmitglied einen Brief zwecks Diskussion in die Vollversammlung herein".
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e. V.: Wildes Huhn, Nr. 4, o. O., o. J. (1977), S. 2.

16.06.1977:
Laut "Antirepressionsinfo", Nr. 1 beschlagnahmt der Bundesgerichtshof das "Info Nr. 3" auf dem Weg in den Knast und wolle Anzeige erstatten. In einem Artikel der "SZZ" wird erklärt, dass "Anhänger der Herren Baader & Co. als Verein nicht gern gesehen sind".
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e.V. und Arbeitskreis gegen Atomenergie: Antirepressionsinfo, Nr. 1, o. O., o. J. (1977), S. 5.

21.06.1977:
Vermutlich am 21.6.1977 erscheint die Nr. 4 der Zeitung "Wildes Huhn". Sie erscheint ohne den bisherigen Untertitel. Herausgeber der Ausgabe ist der "Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e. V." (Salzgitter). Inhalt der Ausgabe ist:
- Die Reaktion marschiert auf.
- Täglicher Terror
- Distanzierungen
- Weiter geht's mit Necros
- Warum fürchtet dieser Staat das politische Mandat?
- Kritik daran
- Kritik an der Kritik
- Brief an die VV und Antwort darauf
- II Teil: Atommüll im Schacht? Dann krachts.
- Achtung aufgepasst: Ein Sommer in Gorleben
- Dem Tod ins Auge blicken
- Comix
- Das System macht keinen Fehler, es ist der Fehler
- Wildes Huhn theatre on the Road
- Psychiatrisierung von Günther Sonnenberg beabsichtigt
- Die Revolte braucht Geld
- Über Onanie und was man dagegen machen kann
- An die Steuerzahler
- Asse Manöver
- Gedicht
- Rund alle drei Monate passiert ein Unfall mit Atomwaffen
- Solidaritätserklärung mit dem Hungerstreik der iranischen Studenten in Clausthal.

Der Ausgabe wird ein Zitat von Brecht vorangestellt: "Unsere Gegner sind die Gegner der Menschheit. Sie haben nicht Recht von ihrem Standpunkt aus: Das Unrecht besteht in ihrem Standpunkt."

In der "Hausmitteilung" heißt es: "Dieses Info ist all jenen gewidmet, die auch dann noch Solidarität üben und den aufrechten Gang erproben, wenn Solidarität zunehmend kriminalisiert und das das Erlernen des aufrechten Gangs lebensgefährlich wird. Der Inhalt bzw. die Aussagen der einzelnen Artikel wurden vom Verein nicht zensiert. Wir hätten natürlich die Namen der einzelnen Verfasser darunter setzen können, doch wie jeder weiß, gibt es in der BRD seit einiger Zeit wieder einmal Zensur-Paragraphen(§88, §130). Sie sollen das Volk angeblich vor 'gewalttätigen Schriften und Aufrufen' schützen. Schriften wie 'Bild', 'Nationalzeltung'. 'Quick, Filme wie 'Die Geschichte der O' usw., Reden und Sprüche von Strauß, Dregger und Co. fallen natürlich nicht darunter. Dafür aber fast alle linke Literatur. Darum nennen wir auch nicht die Namen der Verfasser. Gerade bei der Erstellung dieses Info's hat es Auseinandersetzungen gegeben, die bis zum offenen Bruch gingen. Eins war aber wohl Jedem klar, dass wir alles veröffentlichen, was wir für diskussionswürdig und informativ halten. Trotz der Zensurparagraphen! Das Titelbild z. b. war vielen zu provokativ. andere meinten, wir sollten es drucken, weil die Tötung Buback's zum Anlass genommen wurde, Zensurmaßnahmen im weitesten Umfang durchzuziehen. Auch der Terz um unser Info 3 fiel gerade in diese Zeit.

Und dieses Info wird es sicherlich auch viel Wirbel geben, doch hoffen wir, dass nicht nur wir darüber diskutieren und ansonsten die Gerüchte kochen."
Ein Filmprogramm findet statt vom 21.6.-30.8., darunter "Händler der vier Jahreszeiten" (21.6.), "Hauptlehrer Hofer" (5.7.), "Der junge Törless" (19.7.), "Alexis Sorbas" (2.8.), "Salz der Erde" (16.8.), "Blut des Kondors" (30.8.).

Zu den "Distanzierungen" heißt es: "Ein Teil des Beirates hat sich vom Wilden Huhn distanziert, Frau D… vom Beirat des Frankfurter Informationsdienst zur Verbreitung unterdrückter Nachrichten hat sich von demselben distanziert, beide Male lag der Anlass in Äußerungen zur Auseinandersetzung zwischen Stadtguerilla und Staat/Kapital. Die DKP-Studenten distanzieren sich vom Göttinger AStA, weil er sich von seinem Buback-Nachruf nicht distanziert. Dafür distanziert er sich vom Buback-Attentat als solchem. Von denen, die die Parole rufen: "Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht , zucken viele zurück, wenn andere tatsächlich ernst machen mit ihrer Pflicht, sei es, dass sie es als Atomgegner auf sich nehmen, sich mit Sachbeschädigung zu kriminalisieren; sei es, dass sie als Guerillakämpfer denjenigen, welche sie auf den Tod verfolgen, mit gleicher Münze heimzahlen. Der Widerstand ist im deutschen Normalfall strafbar, und das Unrecht ist mächtig und skrupellos. Wenn einer sich erstmal von seinen radikalen Jugendträumen, etwa: eigentumslos in einer Kommune zu wohnen, als sinniger Utopie distanziert und siech für einen anständigen Beruf entscheidet, der ist dann auch für Berufsverbote empfindlich und muss auch bereit sein, sich von noch mehr zu distanzieren.

Dass man dem Druck von oben, bzw. von rechts durch Zurückweichen entgehen könnte, das spricht gegen alle geschichtliche Erfahrung. Der Feind, das Kapital, die Bullen, die Faschisten -hat Wohlverhalten und Bravheit noch nie belohnt; denn der Streit ist keiner, der quasi bei einem Bierchen mit 'Schwamm drüber' vergessen werden könnte, der 'Streit' ist Klassenkampf. Wenn das Wilde Huhn dichtgemacht wird, ist es Klassenkampf, auch wenn der Vorwurf 'Pornografie' hieße, dass es darum nicht geht, dürfte klar sein. Was macht das Wilde Huhn für seine Feinde interessant, wenn es nicht eine Zusammenrottung von Unangepassten, Haufen von Querulanten, eine Art Organisation derer wäre, die auf den staatlich verordneten 'Sozialen Frieden' pfeifen? Diesen sozialen Frieden, der auf den Nenner gebracht wird vom Einheitsbrei Unternehmerstaat-Gewerkschaften; der nicht bedeutet Abwesenheit von Klassenkampf, sondern eine Form davon, eine Form unserer Unterdrückung! Die einfachste und doch entscheidende Frage bleibt: wem nützt das, konkret: wem nützen unsere ehemaligen Beiräte, wenn sie uns mit ihrer öffentlichen Distanzierung zum Abschuss freigeben? Denn genau das tun sie, auch wenn sie es vielleicht gar nicht wollen. Wir können ihnen nur nachrufen: 'Ihr werdet euch damit nicht froh machen'; denn eine Distanzierung beendet den Konflikt nicht, sondern stärkt nur die andere Partei darin. Wer sich distanziert, verrät weniger uns als sich selbst."
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e. V.: Wildes Huhn, Nr. 4, o. O., o. J. (1977)

01.08.1977:
Laut "Antirepressionsinfo", Nr. 1 werden in der Nr. 32 des "Spiegel" dem "Wilden Huhn" "illegale Kontakte zu Inhaftieren der RAF unterstellt".
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e.V. und Arbeitskreis gegen Atomenergie: Antirepressionsinfo, Nr. 1, o. O., o. J. (1977), S. 5.

26.08.1977:
Laut "Antirepressionsinfo", Nr. 1 begrüßen die "obersten Kirchenfürsten" der Region "in der SZZ den Austritt der 4 ehemaligen Beiratsmitglieder und distanzieren sich von der 'deutlich gewordenen Zielsetzung' des Vereins".
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e.V. und Arbeitskreis gegen Atomenergie: Antirepressionsinfo, Nr. 1, o. O., o. J. (1977), S. 5.

03.09.1977:
Vermutlich nach dem 3.9.1977 erscheint die Nr. 5 der Zeitung "Wildes Huhn" mit dem Untertitel: "Nachrichten von und für Unzufriedene". Inhalt der Ausgabe ist:
- Hausmitteilung
- Das Huhn in der Presse
- Battelle-Institut
- Uranabbau in Indianerreservate/Ohne Zwischenfälle
- Atom im Schacht, dann krachts
- Abtreibung
- Russel-Tribunal
- Folter 77
- Haschisch
- Preisliste
- Kurzgeschichten
- Pontos Konto
- Drogenkreis
- Gorleben
- Iran-Report
- Buchbesprechung
- Wie ich zur Guerilla kam
- Solidarität
- Bastelbogen.

In der "Hausmitteilung" wird u. a. erklärt: "Wir haben versucht in diesem Info auf das leidige Problem Praxis/Theorie ein klein wenig mehr einzugehen, oder zumindest versucht, folgendes zu beherzigen: 'In der Theorie ist es möglich, sich über den Staat Illusionen zu machen, in unserer Praxis müssen wir dahin kommen, dass man sich über jeden Staat keine Illusionen mehr macht".
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e.V.: Wildes Huhn, Nr. 5, o. O., o. J. (1977)

07.09.1977:
Laut "Antirepressionsinfo", Nr. 1 finden am 7. Und 8.9. "Hausdurchsuchungen der Wohngemeinschaften … in Hallendorf, Bleckenstedt, Broistedt, Wartjenstedt und Barbecke" statt. Am 8.9. wird eine WG in "Lebenstedt" durchsucht. "4 Leute werden vorübergehend festgenommen und ed-misshandelt".
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e.V. und Arbeitskreis gegen Atomenergie: Antirepressionsinfo, Nr. 1, o. O., o. J. (1977), S. 5.

20.09.1977:
Laut "Antirepressionsinfo", Nr. 1 wird in "Springers Welt das WH ("Wildes Huhn" - d. Verf.) als 'ein Stützpunkt im Kommunikationsgeflecht der terroristischen-Sympathisantenszene' bezeichnet".
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e.V. und Arbeitskreis gegen Atomenergie: Antirepressionsinfo, Nr. 1, o. O., o. J. (1977), S. 5.

21.09.1977:
Laut "Antirepressionsinfo", Nr. 1 findet an diesem Tag eine "Hausdurchsuchung in Bleckenstedt" statt.
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e.V. und Arbeitskreis gegen Atomenergie: Antirepressionsinfo, Nr. 1, o. O., o. J. (1977), S. 5.

24.09.1977:
Laut "Antirepressionsinfo", Nr. 1 versuchen "ca. 250 Leute aus Salzgitter, Braunschweig, Clausthal und Wolfsburg, zur Demonstration gegen den Schnellen Brüter in Kalkar, zu fahren". Sie werden von der Polizei kontrolliert. "Busse und PKW wurden durchwühlt, teilweise Personalien festgestellt".
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e.V. und Arbeitskreis gegen Atomenergie: Antirepressionsinfo, Nr. 1, o. O., o. J. (1977), S. 23.

06.10.1977:
Laut "Antirepressionsinfo", Nr. 1 werden an diesem Tag "zwei Bewohner" des Vereins "vorübergehend festgenommen" und ED-behandelt. Später werden u. a. Verfahren "wegen Verdachts des unerlaubten Entfernens vom Unfallort" eingeleitet. Im Zuge dieses Verfahrens findet "eine Durchsuchung der Räumlichkeiten der Wohngemeinschaft in Salzgitter" statt. Vermutet wird, dass sich dort "der flüchtige Fahrer, des in einem Unfall verwickelten PKW verborgen" hält". Dabei wird auch wohl einiges an Material "beschlagnahmt", u. a. die Broschüre "Guten Morgen" sowie diverse Flugblätter, der "Mescalero"-Nachruf; das "Info" der "Berliner undogmatischen Gruppen", die "Hefte - Infowoche Sexualität" sowie die Hefte "Spanien Info."
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e.V. und Arbeitskreis gegen Atomenergie: Antirepressionsinfo, Nr. 1, o. O., o. J. (1977), S. 5 u. 17f.

19.10.1977:
Laut "Antirepressionsinfo", Nr. 1 findet in der Nacht vom 19. auf den 20.10. eine "Durchsuchung des Wilden Huhns" im Zuge der Entführung und dem sich anschließenden Mord an Hans Martin Schleyer statt.
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e.V. und Arbeitskreis gegen Atomenergie: Antirepressionsinfo, Nr. 1, o. O., o. J. (1977), S. 5 u. 19.

20.10.1977:
Laut "Antirepressionsinfo", Nr. 1 findet an diesem Tag eine "vorübergehende Festnahme eines Vorstandsmitgliedes auf offener Straße statt" sowie eine "nochmalige Durchsuchung" des "Wilden Huhns".
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e.V. und Arbeitskreis gegen Atomenergie: Antirepressionsinfo, Nr. 1, o. O., o. J. (1977), S. 5.

23.10.1977:
Laut "Antirepressionsinfo", Nr. 1 hetzt die Zeitung "Kehrwider am Sonntag" (kas) gegen "die WG in Bleckenstedt".
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e.V. und Arbeitskreis gegen Atomenergie: Antirepressionsinfo, Nr. 1, o. O., o. J. (1977), S. 5.

24.10.1977:
Laut "Antirepressionsinfo", Nr. 1 distanziert sich ausdrücklich "die evangelisch-lutherische Landeskirche Braunschweig vom Verein zur Förderung von Kultur- und Kommunikation e. V. in der SZZ".
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e.V. und Arbeitskreis gegen Atomenergie: Antirepressionsinfo, Nr. 1, o. O., o. J. (1977), S. 5.

25.10.1977:
Laut "Antirepressionsinfo", Nr. 1 wird "ein Vereinsmitglied aus der Schule geholt und vorübergehend festgenommen".
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e.V. und Arbeitskreis gegen Atomenergie: Antirepressionsinfo, Nr. 1, o. O., o. J. (1977), S. 5.

26.10.1977:
Laut "Antirepressionsinfo", Nr. 1 findet eine "Razzia" im "Wilden Huhn" statt. Die Personalien "aller Anwesenden werde festgestellt und schriftlich festgehalten".
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e.V. und Arbeitskreis gegen Atomenergie: Antirepressionsinfo, Nr. 1, o. O., o. J. (1977), S. 5.

30.10.1977:
Laut "Antirepressionsinfo", Nr. 1 wird eine "Gegendarstellung der WG Bleckenstedt" in der Zeitung "Kehrwider am Sonntag" (kas) abgedruckt.
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e.V. und Arbeitskreis gegen Atomenergie: Antirepressionsinfo, Nr. 1, o. O., o. J. (1977), S. 5.

November 1977:
Laut "Wildes Huhn", Nr. 3, bildet sich in Salzgitter im November 1976 der "Beirat". Erklärt wird, dass der "Verein zur Förderung von Kultur- und Kommunikation e. V. öffentliche Interessen auf nichtkommerzieller Basis vertritt". Der Verein müsse "öffentlich vertreten werden. Der Verein muss gegen feindliche Öffentlichkeit geschützt werden. Der Verein vertritt Interessen der Jugendlichen und Kinder zur Selbstorganisation, zu eigenen Gesellungsformen, zu eigener Gruppenbildung, zu eigener politischer Willensbildung, zu alternativer Freizeitgestaltung, zu selbstorganisierter Bildung- und Schulungsarbeit, zu Aufklärung und Information, zu Bedürfniserhebung- Artikulation und Gestaltung … Wir begrüßen diese Form der Eigeninitiative und Selbstorganisation Jugendlicher und Kinder. Die Mitgliedschaft im Beirat bedeutet nach Auffassung der Beiratsmitglieder kritische Solidarität in der Begleitung der Arbeit des Vereins. Im Interesse einer effektiven Mitarbeit erwartet der Beirat umfassende Informationen über die Vereinstätigkeit".
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e. V.: Wildes Huhn, Nr. 3, o. O., o. J. (1976), S. 3.

November 1977:
Vermutlich im November 1977 erscheint in Salzgitter die erste Ausgabe eines "Antirepressionsinfos". Das Info wird vom "Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e.V." und dem "Arbeitskreis gegen Atomenergie" im selbstverwalteten "Jugend-, Kultur- und Kommunikationszentrum" in Salzgitter herausgegeben.

Diese erste Ausgabe beschäftigt sich mit dem "Polizei- und Presseterror in Salzgitter", so der Titel des Infos, sowie übergeordnet mit der Schleyer-Entführung. Auf der Titelseite heißt es: "Du lass Dich nicht verschrecken, in dieser Schreckenszeit. Das wollen sie nur bezwecken, dass sie die Waffen strecken, vor dem großen Streit." Inhalt der Ausgabe ist:
- Vorwort
- Chronologie der Ereignisse
- Zeitungsartikel
- Bericht des Vereins zur Förderung von Kultur und Kommunikation
- Berichte von den Hausdurchsuchungen
- Dokument
- Personenüberprüfungen im Huhn
- Von und über Eltern und Polizei
- Wie Eltern durch Polizisten zu Polizisten funktionalisiert werden
- Ermittlungsverfahren gegen 2 Mitglieder des Vereins
- Vom Parkplatz weg verhaftet
- Wohngemeinschaft sucht Haus.
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e.V. und Arbeitskreis gegen Atomenergie: Antirepressionsinfo, Nr. 1, o. O., o. J. (1977).

10.11.1977:
Vermutlich um den 10.11. herum erscheint ein Flugblatt des Kommunikationszentrums "Wildes Huhn": "Demonstration am 12.11.in Salzgitter. Das "Wilde Huhn" darf nicht geschlossen werden!" Danach sei gegen Mitglieder (vermutlich des "Wilden Huhns", d. Vf.) "Ermittlungsverfahren (…) sowie Haftanträge gegen Vorstandsmitglieder eingeleitet worden", u. a. "wegen Verdachts auf Unterstützung einer kriminellen Vereinigung"
Das soll dazu führen, "dass jede weitere Gegenöffentlichkeit in Salzgitter unmöglich gemacht werden soll". Das "Huhn", als "selbstverwaltetes Kommunikationszentrum" darf "nicht geschlossen werden". Daher will man am 12.11. demonstrieren. Zur Demo wird aufgerufen.
Quelle: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e.V., o. O., o. J. (10. November 1977).

Salzgitter_Wildes_Huhn001


Letzte Änderung: 11.08.2021