Fahrpreiserhöhungen in Hannover: Die Proteste des Jahres 1971

Januar 1971:
In der ersten Nummer von 'Betrieb und Gewerkschaft' - Organ des Zentralen Betriebs- und Gewerkschaftskomitees der KPD/ML-ZK (vgl. März 1971), wird auch auf die Fahrpreiskämpfe des SDS Hannover eingegangen.
Q: Betrieb und Gewerkschaft Nr. 1, Köln Jan. 1971

04.01.1971:
Vermutlich in dieser Woche erscheint ein Flugblatt der DKP Dortmund mit zwei Seiten DIN A 4:"
SCHON WIEDER FAHRPREISERHÖHUNGEN DER DORTMUNDER STADTWERKE? DORTMUNDER BÜRGER WEHRT EUCH!"
In einem großen Roten Punkt heißt es:"
In Hannover, Saarbrücken, Minden, Herford und anderen Städten wurden durch Selbsthilfeaktionen der Bevölkerung Fahrpreiserhöhungen abgewehrt. Dabei war der Rote Punkt das Symbol des einheitlichen Handelns der Bürger gegen soziale Ungerechtigkeit."
Q: DKP-Kreisvorstand Dortmund: Schon wieder Fahrpreiserhöhungen der Dortmunder Stadtwerke? Dortmunder Bürger wehrt euch!, Dortmund o.J. (Jan. 1971)

30.01.1971:
Die DKP gibt ihre 'Unsere Zeit' (UZ) Nr. 5 (vgl. 23.1.1970, 6.2.1971) heraus.
Auf Seite 13 heißt es:"
WIEDER DER ROTE PUNKT
DEMONSTRATIONEN IN VIELEN STÄDTEN

Die in vielen Städten geplanten Fahrpreiserhöhungen der Nahverkehrsbetriebe stoßen auf großen Widerstand in der Bevölkerung. Die DKP und die SDAJ, in einigen Städten auch der DGB und Industriegewerkschaften, Jungsozialisten (Jusos der SPD, d.Vf.), Falken (SJD der SPD, d.Vf.), Naturfreudne (NFJ, d.Vf.), Jungdemokraten (Judos der FDP, d.Vf.), Schüler und Studenten sowie Bürgerinitiativen, protestieren in Resolutionen und Flugblättern sowie in Stellungnahmen ihrer eigenen Publikationsorgane gegen die Fahrpreiserhöhungen. Aktionen sind angekündigt und zum Teil schon gelaufen, u.a. in Dortmund, Bochum, Gelsenkirchen, Recklinghausen, Mannheim, Bottrop, Gladbeck.

In einigen Städten fanden Koordinierungsbesprechungen statt, um kraftvolle Aktionen gegen die unsozialen Fahrpreise, ähnlich wie die erfolgreichen 'Rote-Punkt'-Aktionen in Hannover, Bielefeld, Minden, Herford oder auch Saarbrücken durchzuführen. Der DGB-Kreisjugendausschuß (DGB-KJA, d.Vf.) Gelsenkirchen führt eigens zu dem Thema Anfang Februar eine außerordentliche Kreisjugendkonferenz durch."
Q: Unsere Zeit Nr. 5, Düsseldorf 30.1.1971

06.02.1971:
Die DKP gibt ihre 'Unsere Zeit' (UZ) Nr. 6 (vgl. 30.1.1971, 13.2.1971) heraus.

Im Leitartikel heißt es:
DIE PREISE FRESSEN UNS IMMER MEHR AUF
STAATLICHE TARIFE TREIBEN DIE TEUERUNG - BEVÖLKERUNG WEHRT SICH MIT ROTE-PUNKT-AKTIONEN

Eine neue Preiswelle rollt auf uns zu. Die Bundesbahn erhöht drastisch ihre Tarife. Die Bundespost plant enorme Gebührenerhöhungen. Und zahlreiche öffentliche Nahverkehrsunternehmen beschlossen erheblche Fahrpreissteigerungen. Der Staat heizt also das Preisklima weiter an. Dabei könnte er mit gutem Beispiel vorangehen. Rund 40 Prozent aller Verbraucherpreise sind heute staatlich beeinflußt. Aber die Bundesregierung denkt nur daran, die Löhne per Leitlinien an die Kette zu legen. Kein Wunder, daß sich in der Bevölkerung organisierter Widerstand regt.

Besonders die bereits beschlossenen oder angekündigten Fahrpreiserhöhungen im Nahverkehr zwischen 15 und 40 Prozent lassen den Ruf nach neuen Rote-Punkt-Aktionen a la Hannover 1969 (…) lauter werden."
Q: Unsere Zeit Nr. 6, Düsseldorf 6.2.1971

13.02.1971:
In der 'UZ' der DKP erscheint heute folgender Beitrag:"
UNSER SCHRITT ZUM NULLTARIF

Von Hans-Joachim Schönstedt, Sprecher der Jugendvertretung bei den Opel-Werken Bochum (IGM-Bereich, d.Vf.)

Die Aktionen in anderen Städten haben gezeigt, daß gemeinsame Aktionen zum Erfolg führten. In Hannover wurde ein Einheitstarif von 50 Pfennig erreicht. Das ist zwar kein Nulltarif, aber ein erster Schritt, um dahin zu kommen. Unser erster Schritt zum Nulltarif in Bochum wird ein Stop der Fahrpreise sein."
Q: Unsere Zeit Nr. 7, Düsseldorf 13.2.1971, S.3

01.03.1971:
Laut 'Westfälischer Rundschau' werden in der Dortmunder City "Straßenbahnen von Demonstranten lahmgelegt". Die nicht näher bestimmten Veranstalter wollen dabei "mit ihrer Aktion 'N', die sich an die Rotepunkt-Aktion in Hannover anlehnt … die Stadtwerke zu einer Zurücknahme der Fahrpreiserhöhungen zwingen". Mit Aktion 'N' dürfte hierbei die Aktion Nahverkehr gemeint sein.
Q: Westfälische Rundschau-Lokalteil Dortmund, Dortmund 2.3.1971

01.03.1971:
Die KPD/ML-ZK bei BASF Ludwigshafen (CPK-Bereich - vgl. 8.3.1971) berichtet vermutlich aus dieser Woche:"
ERSTER ERFOLG IM KAMPF GEGEN FAHRPREISERHÖHUNGEN IN LUDWIGSHAFEN UND MANNHEIM

Die SPD hat große Angst, daß die Arbeiter und die anderen Werktätigen den Kampf gegen diese unverschämten Preissteigerungen aufnehmen. Wie vor zwei Jahren in Hannover. Da blockierten Tausende von Arbeitern, Lehrlingen und Schülern die Straßenbahn und zwangen den hannoverschen SPD-Stadtrat, die Tariferhöhungen zurückzunehmen. Deswegen wagen es die SPD-Bonzen nicht mehr, die Fahrpreise mit einem Schlag am 1. April zu erhöhen. Das ist ein Erfolg der entschlossenen Haltung der Marxisten-Leninisten.

Die Fahrpreise in Hannover sind heute die niedrigsten in der Bundesrepublik, weil damals die Arbeiter entschlossen gegen die Fahrpreiserhöhungen gekämpft haben."
Q: Der Rote Funken Nr. 1, Ludwigshafen März 1971, S.8f

03.03.1971:
In einem Flugblatt des DKP Kreisvorstand Dortmund mit zwei Seiten DIN A 4 wird ausgeführt:"
DKP FORDERT: FAHRPREISERHÖHUNGEN ZURÜCKNEHMEN!

In Hannover und zahlreichen anderen Städten wurden die Verantwortlichen durch einheitliche Protestaktionen der Bevölkerung gezwungen, durchgeführte bzw. angekündigte Fahrpreiserhöhungen zurückzunehmen."
Q: DKP KV Dortmund: DKP fordert: Fahrpreiserhöhungen zurücknehmen, Dortmund o.J. (3.3.1971)

10.03.1971:
Laut dem Dortmunder 14. Kommissariat wird in Dortmund weiter gegen die Fahrpreiserhöhungen (vgl. 9.3.1971, 11.3.1971) protestiert. So wird "gegen 16 Uhr 35 an der Dortmunder Reinoldikirche ein Straßenbahnzug blockiert. In der Folgezeit bis gegen 19 Uhr 45 wurden an mehreren Punkten der Dortmunder Innenstadt Straßenbahnzüge von Demonstranten angehalten. Durch Einsatz von Polizeikräften wurde den Straßenbahnzügen die Weiterfahrt ermöglicht. 9 Personen wurden vorläufig festgenommen, weil sie trotz Aufforderung, den Schienenraum zu verlassen, der Polizei Widerstand entgegensetzten. Wie bekannt wurde, war an diesem Tag in mehreren Dortmunder weiterführenden Schulen zur Beteiligung an der 'Roten-Punkt-Aktion' aufgerufen worden. Es konnte dann auch festgestellt werden, daß an den Behinderungen des Straßenbahnverkehrs überwiegend Schüler beteiligt waren … Ab 20 Uhr fand wiederum eine Abschlußkundgebung der 'Rote-Punkt-Aktion' auf dem Alten Markt statt. Während dieser Veranstaltung, an der ca. 200 Personen teilnahmen, unterhielt der Protestsänger Dietrich Kittner aus Hannover (in Niedersachsen, d.Vf.) die Teilnehmer mit seinen Liedern und forderte dabei zur Weiterführung der Aktion 'Roter Punkt' auf, die in Hannover zum Erfolg geführt hätte.".
Q: Polizei Dortmund-14. Kommissariat:Demonstrationen gegen die Fahrpreiserhöhungen der Dortmunder Stadtwerke AG und Durchführung von Rote Punkt-Aktionen in Dortmund, Dortmund 19.3.1971, S.3

16.03.1971:
Innerhalb der GIM verfaßt ein Mitglied des ZK aus Stuttgart den Text "Betriebsarbeit von außen", in dem es u.a. heißt:"
Die Rote-Punkt-Aktion in Hannover hat gezeigt, daß man mobilisierte Massen aus der Jugendrevolte als 'Force de Frappe' in Aktionen einsetzen kann, um die Arbeiter mitzureißen."
Q: GIM-X.X.: Betriebsarbeit von außen, Stuttgart 16.3.1971

16.03.1971:
Vermutlich erscheint ein zweiseitiges Flugblatt des Aktionskomitee Roter Punkt Dortmund unter Verantwortung von Hans Kluthe:"
KUNDGEBUNG
AM MITTWOCH DEM 17. MÄRZ 1971 16 UHR ALTER MARKT (BLÄSERBRUNNEN)

Durch massenhaften Protest müssen die Verantwortlichen gezwungen werden, den Nahverkehr wie eine soziale Gemeinschaftsaufgabe zu behandeln. Der Protest geht solange weiter, bis die Fahrpreiserhöhungen zurückgenommen werden.

Hannover beweist, daß das möglich ist. Dort hat die Bevölkerung durch die 'Rote-Punkt'-Aktion erreicht, daß die Fahrpreiserhöhungen zurückgenommen und ein Einheitstarif eingeführt wurde".
Q: Aktionskomitee Roter Punkt: Kundgebung am Mittwoch, Dortmund o.J. (März 1971)

18.03.1971:
Es erscheint der 'Marburger Betriebsbote' (MBB) Nr. 5 (vgl. 25.2.1971, 1.4.1971). Berichtet wird über Fahrpreiserhöhungen aus Hannover, Heidelberg, Dortmund und Limburg sowie aus Marburg selbst.
Q: Marburger Betriebsbote Nr. 5, Marburg 18.3.1971

April 1971:
Vermutlich zwischen April und Juli werden in Marburg folgende Flugblätter von KPD/ML-ZK, RG und KSB/ML verteilt unter dem Titel "Kampf den Fahrpreiserhöhungen", in denen berichtet wird von den einschlägigen Kämpfen in Dortmund, Wanne-Eickel, Ludwigsburg, Düsseldorf und Hannover.
Q: KPD/ML-ZK, RG, KSB/ML: Kampf den Fahrpreiserhöhungen, Marburg o.J.

01.04.1971:
Die KPD/ML-ZK Bochum gibt ein Flugblatt heraus, das vermutlich u.a. bei Krupp Bochumer Verein (BV) im IGM-Bereich sowie an einem Infostand auf dem Springerplatz verteilt wird:"
KOLLEGE, GREIF EIN!

Der Funke von Dortmund hat gezündet! Seit zwei Wochen werden in der Bochumer Innenstadt aus Protest gegen die unverschämten Fahrpreiserhöhungen der BOGESTRA die Schienen blockiert. Vor einigen Tagen ging es auch in Gelsenkirchen und Witten los. In Mannheim, Heidelberg und vielen anderen Städten beginnen ebenfalls Protestaktionen. Vor zwei Jahren hat in Hannover der Kampf zum Sieg geführt: die Fahrpreise mußten sogar gesenkt werden! Bis jetzt hat unser Kampf in Bochum jedoch noch nicht zum Erfolg geführt."
Q: KPD/ML-ZK-OG Bochum: Kollege, greif ein!, Bochum o.J. (1.4.1971)

15.07.1971:
Die RKJ Esslingen gibt die Nr. 1 ihrer 'Was tun in der Schule' - Esslingen Schülerzeitung heraus mit dem Artikel "Wie es in Hannover war" mit einem Brief des Aktionskomitees Roter Punkt an die IGM Esslingen.
Q: Was tun in der Schule Nr. 1, Esslingen 15.7.1971, S. 3

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25.08.1971:
Das Organisationsbüro der 1. Arbeiterfestspiele Roter Punkt Hannover gibt frühestens Mitte dieser Woche einen "Presse-Spiegel" heraus.
Q: Arbeiterfestspiele Roter Punkt Hannover - Organisationsbüro: Pressespiegel, Hannover o. J. (1971)

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17.09.1971:
Heute beginnen die "1. Arbeiterfestspiele Roter Punkt Hannover" der Aktion Roter Punkt bis zum 19.9.1971 mit dem Hauptprogramm auf dem Lindener Markt sowie Veranstaltungen auch in den Stadtteilen.
Q: Hannoversche Studentenzeitung Nr. 52, Hannover 1.11.1971, S. 5; Arbeiterfestspiele Roter Punkt Hannover - Organisationsbüro: 1. Arbeiterfestspiele 'Roter Punkt', Hannover o. J. (1971)

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08.10.1971:
Die KPD veröffentlicht heute den folgenden Artikel über Berlin von den Fahrpreiserhöhungen bei der BVG (vgl. 7.10.1971, 16.10.1971):"
KAMPFKOMITEES GEGEN BVG-TARIFERHÖHUNG!

Von BVG-Tariferhöhungen sind alle Werktätigen betroffen, deshalb ergreift die KPD die Möglichkeit, eine breite Front gegen diesen Fall von Preistreiberei zu organisieren. Die Fahrpreiserhöhungen in Hannover und der Kampf dagegen zeigten deutlich, daß der Staatsapparat zwar einerseits bemüht ist, die Kosten öffentlicher Einrichtungen allein der arbeitenden Bevölkerung aufzubürden, aber er bewies zugleich, daß Teilerfolge möglich sind: Angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen (LTW, d.Vf.) mußte die Landesregierung dem Widerstand der Bevölkerung nachgeben, um einen letzten Schimmer von 'Volksvertretung' aufrechtzuerhalten. Auch in Westberlin sind die Fahrpreise 'politische' Preise! Um die antikommunistische Propaganda nicht zu beeinträchtigen, wurden die Fahrpreise bisher durch Subventionen in der Nähe der S-Bahn-Tarife gehalten. Das ist jetzt nicht mehr notwendig, denn die SED-Revisionisten (der DDR, d.Vf.) stehen zur Umarmung bereit, von dort 'droht' kein Kommunismus mehr!

Noch etwas haben die verschiedenen Kämpfe gegen Fahrpreiserhöhungen in der BRD gezeigt: Es ist äußerst schwierig, z.B. gegen Steuererhöhungen Formen des Abwehrkampfes zu entwickeln, aber massenhaft und vielfältig waren die Aktionen gegen die Verteuerung der öffentlichen Verkehrsmittel: Das reichte von kollektiver Verweigerung der Erhöhung in einzelnen Verkehrsmitteln bis zur massenhaften Blockade von Straßenbahnen und Bussen gerade durch diejenigen, die damit zu ihrer Arbeitsstelle fahren sollten. Damit aber wurden die Kapitalisten, die letztlich von diesen Erhöhungen profitieren, direkt betroffen. Daß die Teilerfolge in diesen Kämpfen wieder zunichte wurden - in Hannover wurde nach den Wahlen der Fahrpreis stufenweise erhöht - liegt in erster Linie daran, daß sie nur spontaner Empörung folgten und keine politische Führung hatten, die in der Lage gewesen wäre eine Strategie zu entwickeln, die die wirklichen Urheber der Verschlechterung der Lebensbedingungen der arbeitenden Bevölkerung angegriffen hätte."
Q: Rote Fahne Nr. 27, Berlin 8.10.1971, S. 2

November 1971:
Die Nr. 11 der 'Roten Fahne' des KAB/ML (vgl. Okt. 1971, Dez. 1971) berichtet u.a. aus Hannover über die Aktion Roter Punkt. Die DKP trete dort dafür ein, daß die Aktion den antimonopolistischen Kampf führen solle, wenn möglich so wie es die DKP unter Parolen wie 'Stoppt die Preise - wählt DKP' oder 'Mehr Geld für die Gemeinden - Wählt DKP' tue.
Q: Rote Fahne Nr. 11, Tübingen Nov. 1971

Letzte Änderung: 21.11.2017