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Zur Geschichte der KPD/ML-Zentralbüro

Kapitel 15 bis 17

Von Dietmar Kesten, Gelsenkirchen


Kapitel

  1. Die antifaschistische Demonstration in Bonn am 12.12.1970
  2. Brüder seid bereit, Brüder, es ist Zeit.
  3. Die antifaschistische Demonstration in Dortmund am 17.1.1971

15. Die antifaschistische Demonstration in Bonn

Mit der Schaffung der zentralen Agitations- und Propagandaabteilung des Zentralbüros, gab es jetzt eine Leitstelle für zentrale Kampagnen. Waren bisher alle Aktionen mehr oder weniger von den einzelnen Landessekretariaten in Absprache mit den Ortsgruppen durchgeführt worden, so war durch die Schaffung des Organisationsbüros die anleitende Praxis nun in einer Hand vereinigt. (1) Plakat: Heraus zum roten 1. Mai Die Praxis sollte nun gemäß den Anweisungen zentral gesteuert sein, und „den Kampf an der ideologischen Front“ führen. Nachdem dieser Entschluss feststand, ging es nun nach der Metalltarifrunde 1970 primär darum, auf einem weiteren gesellschaftlichen Feld aktiv zu werden. Das waren die Aktionen gegen NPD und vor allem gegen die ‘Aktion Widerstand’; jene antifaschistischen Reflexe, die dem Zentralbüro das Flair einer übergreifenden und überall aktiven Organisation, die ständig in Bewegung ist, und die an ‘Brennpunkten’ wirkt, einbringen sollte; eine Position, die der bereits von der Komintern (2) empfohlenen glich: „Angesichts des Vormarsches des Faschismus müssen die Kommunisten gegen die Faschisten“ rüsten, „die Arbeiterklasse müsse nun eine ‘Gegenoffensive’ in der BRD organisieren.“ (3)

Diese Behauptung nährte sich daraus, dass sie kein Vertrauen mehr in die Wahlversprechen und der Untätigkeit der Regierungsmannschaft auf dem Gebiet des Kampfes gegen die Faschisten habe. Durch die errungenen „politischen Siege“, die eine „sehr positive Wirkung auf die Arbeiterklasse hatten“, (4) meinte das ZB, dass die „politische Situation“ nun günstig sei, um einen Schlag gegen die Faschisten durchzuführen, die sich am 31. 10. 1970 u. a. bundesweit in der ‘Aktion Widerstand’ in Würzburg organisiert hatten, und an diesem Tag in einem „Fackelzug durch die Straßen unter Parolen wie: „Fegt ihn weg den roten Dreck, morgen ist die Mauer weg“, „Deutsches Land wird nicht verschenkt, eher wird der Brandt gehenkt“ und „Brandt an die Wand“ (5) ziehen wollten.

In einer Reaktion darauf verlautete vom Zentralbüro: „Die bürgerlichen Parteien verhielten sich zu dieser Veranstaltung der Faschisten entsprechend ihrer sonstigen Rolle als Steigbügelhalter bzw. Vorläufer des Faschismus: Die Repräsentanten der faschistischen Sammlungsbewegung in der BRD distanzierten sich von der Veranstaltung, soweit sie ihnen zur Zeit noch nicht in die politische Taktik passt. Sogar NPD-Chef von Thadden, unter dessen Führung die Aktion Widerstand gegründet worden war, distanzierte sich von der Parole 'Brandt an die Wand' und meinte, sie müsse 'spontan' entstanden sein. Zoglmann und Strauß waren zur Gründungsveranstaltung nicht erschienen. Für diese faschistische Sammlungsbewegung um Strauß ist jedoch die Veranstaltung ein willkommener Anlass gewesen, um die SPD-Regierung zu einem verschärften Ausbau des faschistischen Machtapparates unter dem Vorwand des 'Kampfes gegen Radikalismus von rechts und links' zu zwingen: Die bayerische CSU-Regierung, die sich in heftigen Auseinandersetzungen ... immer mehr zu einem Machtinstrument der faschistischen Sammlungsbewegung um Strauß entwickelt, benutzte die Würzburger Ereignisse zu heftigen Angriffen gegen die SPD-Regierung: Die Liberalisierung des Demonstrationsstrafrechts durch die SPD sei Schuld daran, dass die Polizei nicht einschreiten konnte, die CSU werde nunmehr alle Mittel, die noch blieben, ausnutzen, um 'Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten'; das Ziel ist klar: Die CSU-Reaktionäre greifen mit keinem Wort die faschistische 'Aktion Widerstand' an, sondern benutzen im Gegenteil die Angst des Kleinbürgertums vor Demonstrationen und die Empörung der Arbeiterklasse über die faschistischen Umtriebe, um den Boden für neue faschistische Gesetze und Verordnungen vorzubereiten, die sie dann gegen die Kämpfe der Arbeiterklasse einsetzen wird.

Die SPD hat sich in Würzburg als Steigbügelhalter des Faschismus betätigt: Der SPD-Bürgermeister hatte zwar die Faschistendemonstration verboten, aber nichts zu ihrer Verhinderung getan; dafür hatte er gleichzeitig eine Gegendemonstration gegen die Faschisten verboten. Als die Faschisten dann begannen, die Gegendemonstranten zu verprügeln, schaute die Polizei zu: 'Um es nicht zu einer Straßenschlacht kommen zu lassen, da zwei große Baustellen in der Nähe waren', sagte der Polizeidirektor und entlarvte so recht gut die Stellung der Polizei auf der Seite der Faschisten. 'Linke' Sozialdemokraten und Gewerkschaftsführer erfüllen auch hier ihre Funktion, die Arbeiterklasse über den sozialfaschistischen Charakter der SPD hinwegzutäuschen: Sowohl der Vorsitzende des SPD-Bezirks Franken, Bruno Friedrich wie auch der DGB-Landesbezirk Bayern, durch seine Kontakte zur CSU bekannt, haben anlässlich der Würzburger Aktionen ein Verbot der NPD als verfassungswidriger Partei gefordert. Der DGB will außerdem 'prüfen', mit welchen Maßnahmen dem rechtsradikalen Terror im 'Wiederholungsfall' begegnet werden könne. Von der Rolle der Würzburger SPD-Stadtverwaltung sagten sie wohlweislich nichts.“ (6)

Hatte das ZB mit denen im Dezember verkündeten „Arbeiten am Programm“, der „Verbesserung der Linie der SPD“ und der „Analyse der Entwicklung des westdeutschen Imperialismus und Militarismus seit 1933“ (7) alle möglichen Programmpunkte angeführt, so hatten speziell diese Ausführungen Seltenheitswert. Es gab aus dieser Zeit eigentlich kein Dokument von der Zentralstelle, dass sich speziell mit einer analytischen Bewertung neuer faschistischer Gruppen und deren organisatorischer Zusammenfassung beschäftigte. Insofern musste der Slogan „mit den Kommunisten gegen die Faschisten“ eine scharfe Wendung einnehmen; denn praktisch hatte man es nun mit Fragen zu tun; die noch nicht aufgetaucht waren, und die auch insgesamt eine andere Strategie (etwa Fragen einer situationsbedingten ‘Einheitsfront’, einer ‘Gewerkschaftseinheit’ oder einer ‘antifaschistische Einheitsfront’) einforderten. Die Diskussion über die Frage, wie man denn der NPD und der ‘Aktion Widerstand’ am besten begegnet, setzte erst kurz vor der eigentlichen Aktion ein, und sie war wie die meisten inhaltlosen Diskurse offenkundig zusammengeschustert, und zwang das ZB dazu, die Schemata der ‘SPD-Linie’ auf alles und jeden anzuwenden, und sie als allgemeine (moralisierende) Anklage mit der Gültigkeit für alle Zeiten zu formulieren.

In Würzburg haben sich die SPD als „Steigbügelhalter des Faschismus betätigt“, „Linke Sozialdemokraten und Gewerkschaftsführer“ würden auch hier „ihre Funktion erfüllen die Arbeiterklasse über den sozialfaschistischen Charakter der SPD hinwegzutäuschen“. (8) Das lief immer deutlicher auf die Durchsetzung eines sterilen Automatismus hinaus, bei dem bereits Meinungsverschiedenheiten oder organisatorische Maßnahmen für oder gegen eine Aktion zu den Irrwegen führten, die zeigten, mit welcher (fanatischen) Gradlinigkeit die Parole vom Kampftag gegen die ‚Sozialfaschisten’ Einzug in den Apparat hielten. Zynischer konnte eine Politik nicht mehr sein: sie musste dazu führen, dass die praktische Politik des Zentralbüros stagnierte und das theoretische Niveau sich von der nationalen Realität löste.

Einer der Hauptgründe für diese Anhäufung von Irrtümern, dürfte in der Parole vom Bruch mit den reformistischen und sozialdemokratischen Gewerkschaften gelegen haben. Die Schaffung gewerkschaftlicher Parallelorganisation, wie sie etwa die KPD/ML-ZK später mit ihrer Forderung nach einer ‘Revolutionären Gewerkschaftsopposition’ (RGO) vertrat (9) propagierte das Zentralbüro nicht. Überhaupt gab es 1970 keine direkte Linie zur Gewerkschaftsfrage; eigentlich nur Andeutungen. (10) Weder in Würzburg, in Bonn noch anderswo, gelange es, eine Taktik in der Gewerkschaftspolitik zu entwickeln, die Erfolge aufweisen konnte.

Das Zentralbüro gestand selbst zu: „Auch sonst ist die Gewerkschaftsarbeit der Partei nicht sehr fortgeschritten. Um dort Abhilfe zu schaffen, wird das Polit-Büro demnächst Instrukteure für die Gewerkschaftsarbeit einsetzen ... Die zweite Unterabteilung der Gewerkschaftsabteilung ist die Unterabteilung Gewerkschaftstheorie und Ökonomie. Sie hat vor allem die Aufgabe, die Gewerkschaftsbewegung und die ökonomische Entwicklung des deutschen Imperialismus zu machen.“ (11) Da die rechten SPD- Gewerkschaftsführer nach Auffassung des Zentralbüros als „Speerspitze“ in den Betrieben über die sozialreformistischen Betriebsräte die Aufgabe hatte, die „sozialfaschistische Verwaltung der Arbeiterklasse“ vor Ort zu praktizieren, so musste sie sich zwangsläufig von diesen lossagen. Jeder Parteiarbeiter war in dieser Frage auf sich alleine gestellt; alles war möglich und alles praktizierbar.

Es gab neben dem öfter aufgetauchten Begriff der Fraktionierung, auch die These vom Aufbau „Revolutionärer Gewerkschaftsorganisationen“, oder der „Gewinnung der gewerkschaftlichen Massen“. Die Irrtümer waren hier der Reflex eines tieferen Übels: des Schwunds theoretischer Fähigkeiten, der Bürokratisierung der organisatorischen Strukturen, der bedingungslosen Unterordnung unter die Thesen der verspäteten Politik der Kommunistischen Internationale. Und als Resultat dieser Faktoren die zunehmenden Kluft zwischen Illusion und Realität. Das Schwindelgeschäft mit dem Kampf gegen die Faschisten, gleichzeitig Nazis und Sozialdemokratie in einem Stoß anzugreifen, war der berühmte politische Anachronismus, jene historische Kuriosität der Moderne, die gepaart mit dogmatischen Absurditäten eine lineare Abfolge der Geschehnisse suggerieren sollte.

Der KJVD hatte diese Thesen-Einheit, der Verkettung von politischen Ereignissen im „Kampf der Arbeiterjugend“ so erklärt: „Diese Leute wollen wieder eine Diktatur errichten wie unter Hitler. Eine Diktatur, in der die Arbeiter gar keine Rechte mehr haben, in der die Gewerkschaften aufgelöst werden, in der jeder ins Gefängnis geworfen wird, der für die Rechte der Arbeiter eintritt. Jetzt schon haben sie ein Gewerkschaftshaus in Krefeld demoliert (12) und ein großes W an die Wand geschmiert ... Wenn wir darum wirklich konsequent gegen die Faschisten kämpfen wollen, dann müssen wir auch den Kampf führen gegen die verlogene SPD-Regierung." (13)

Die in KPD/ML und KJVD herrschende These, die den Kapitalismus in eine sog. ‘Endkrise’ verstrickt wähnte, und die durch den ‘Sozialfaschismus’ beschleunigt werde, lief exakt darauf hinaus, eine modernisierende Regenerationskraft des kapitalistischen Systems zu bestreiten; wenn nicht sogar zu leugnen. In diesem Resümee erwies sich dieser gerade zu Beginn der 70er Jahre äußerst stabil; die Transformation des Staates zur ersten ökonomischen Macht beschleunigte sich und die Dynamik der ökonomischen und politischen Konzentration wurde intensiviert. Mit der Legende vom ‘Doppelschlag’ musste die Fiktion von einer Vergangenheit aufrechterhalten werden, die stets auf neue dazu verlockte, seine eigenen tragischen Irrtümer zu wiederholen. Es war erstaunlich: die schmerzliche Lektion der dreißiger Jahre war in den tiefsten Schubladen des Unterbewusstseins verdrängt. Selbst die Schlagworte, in denen sich die Verwandtschaft extrem bestätigte, brachte keinen Positionswechsel hervor.

KAB/ML/RJ/ML, eigentlich weit weg von den Sektierern, betrachteten sie politisch aber doch irgendwo als eine Art Familie. Im „Rebell“ Nr. 1/1970 schrieben sie: „Ein Punkt, gegen den sich die Aktion Widerstand richtet, ist die von der SPD/FDP-Regierung betriebene Ostpolitik. Die SPD/FDP-Regierung wird gestützt von dem Kreis der Kapitalisten, für die die imperialistische Ostpolitik der SPD/FDP-Regierung eine Erweiterung ihres Marktes, zusätzliche Profite und damit auf sog. friedlichem Wege eine Expansion des westdeutschen Kapitals in die betroffenen Länder des Ostblocks bedeutet. Wendet sich die Aktion Widerstand gegen diese Politik, so wendet sie sich nicht gegen die Kapitalisten, die die Ostpolitik der SPD/FDP-Regierung stützen, sondern gegen die Art und Weise der Expansion. Hinter der Aktion Widerstand stehen die reaktionärsten Kreise der Kapitalisten, fast die gesamte Rüstungsindustrie, die auf militärischem Wege den Osten erst erobern wollen, um hernach ihn wirtschaftlich auszubeuten.“ (14)

Ein klassisches Beispiel dafür, dass deren verlogene Polemik gegen die ‘Spalter’ durch nacktes politisches Überleben diktiert, eine politische Gewohnheit schaffte, die das genaue Abbild von dem war, was man zu bekämpfen gedachte. In diesen Äußerungen von RJ/ML/KAB/ML ist alles wohlweislich dosiert und bemessen. Man belebte hier die Dialektik des „Revolutionären Weges“ einfach neu, Besonders die üblichen Spitzfindigkeiten unterschieden ihn nicht vom Zentralbüro oder vom Zentralkomitee, sondern nur gewisse Gewohnheiten im Schreibstil, in der Methodik. Seine dogmatische Leseart als authentischer anzunehmen, als eine andere, wäre dann auch fatal: sie kennzeichneten sich alle durch eine metaphysische Sehnsucht hinsichtlich der revolutionären Veränderung der politischen Ära in der BRD.

Die Gründung der Sammlungsbewegung ‘Aktion Widerstand’ und die Würzburger Aktionen veranlasste das Zentralbüro, sie propagandistisch auszuschlachten. Der „Kommunistische Nachrichtendienst“ und die „Rote Fahne“ berichteten davon, dass KPD/ML und KJVD am 7. 12. ein zentrales Flugblatt verteilten (als Auflage des Flugblatts wurde 30.000 Stück angegeben) um für die antifaschistische Demonstration am 12. 12. 1970 in Bonn zu werben, und gleichzeitig die „Ziele der Faschisten“ aufzuzeigen, „die Doppelzüngigkeit der SPD-Kühn-Regierung zu entlarven“, die mit Worten gegen die Faschisten und in „Taten gegen die Arbeiterklasse“ vorgeht. (15) Das Flugblatt verwies auch auf die Provokationen der NPD, die am 5. 12. mit einem Autokorso durch Essener Stadtteile für ihre Ziele demonstrierte, und darauf, dass KPD/ML/KJVD und ein Aktionsbündnis der ‘Demokratischen Aktion’, hinter der sich die DKP verbarg, Flugblätter verteilten, und versuchten den Autokorso zu stoppen. (16)

In seiner Nr. 6/1970 des „Kampf der Arbeiterjugend“, der vermutlich zwischen dem 7. 12. und dem 12. 12. 1970 erschien, ging dieser ebenfalls auf die bundesweite Gründung der ‘Aktion Widerstand’ ein, und bemühte sich eine Allianz für den 12. 12. zu schmieden. Der KDAJ gab dazu die Parole von der „Einheitsfront“ aus, (17) an anderer Stelle wurde von „Arbeitereinheitsfront“ gesprochen, oder von „antifaschistischer Einheitsfront“. (18) Viele Begrifflichkeiten, die zeigten, dass diese Theorien, die zudem noch in einer speziellen geschichtlichen Situation ausgegeben waren, pragmatische Antworten waren. Alle drei Begriffe suggerierten, dass ein Bündnis mit Schichten des Volkes möglich sei, um Präventivmaßnahmen gegen den aufkeimenden Faschismus zu ergreifen.

Die Unterschiede zwischen den drei Begriffen sind frappant. Die „Arbeitereinheitsfront“ (auch ‘proletarische Einheitsfront’ galt als Losung, um einen radikalen ‘revolutionären’ Wechsel herbeizuführen, die in eine politische ‘Arbeiterregierung’ einmünden könnte; die „Antifaschistische Einheitsfront“ war ein einfaches (angedachtes) Mittel zur Agitation und Mobilisierung der Massen, und sie reduzierte sich darauf. (19) Offenbar unterschied man nicht zwischen diesen Attributen. Die Folge davon: die aufkeimende faschistische Gefahr, die sich in NPD und ‚Aktion Widerstand’ nach dem Zentralbüro bereits zeige, sei die die letzte „politische Form des Imperialismus“.

In der „Roten Fahne“ Nr. 6/1970 (20) formulierte das ZB: „MIT DER KPD/ML GEGEN DIE FASCHISTEN! AKTION WIDERSTAND IN BONN. Am 12.Dezember will die Aktion Widerstand in Bonn unter Führung der NPD für ihre faschistischen Ziele demonstrieren. Die Demonstration wurde zwar, wie in Essen, (21) erst einmal 'verboten', aber das Gericht hat sich seine Entscheidung bis Freitag Abend (11.12.1970, d.Vf.) aufgespart - spät genug, damit kein Einspruch mehr möglich ist gegen die gerichtliche Genehmigung. Die SPD-Regierung zieht schon vorsorglich Polizei zusammen, um am Samstag die Demonstration der Faschisten schützen zu können und die CDU in Bonn hat die Bevölkerung aufgerufen, sich weder an den Demonstrationen der Aktion Widerstand zu beteiligen noch sich in Gegendemonstrationen mit 'Kommunisten zu verbrüdern' ... Gegen diese Faschisten hat die SPD große Töne gemacht: Kühn sagte 'wenn die Polizei mit solchen Aktionen nicht fertig werde, würden die Sozialdemokraten auf die Straße gehen und damit Schluss machen, indem sie die Meinung der Mehrheit deutlich machten.' Die KPD/ML hat diese Doppelzüngigkeit der SPD-Herren entlarvt. Die KPD/ML hat die richtige Losung ausgegeben: Die Arbeiterklasse - einzig konsequenter Feind der Faschisten. Mit der KPD/ML gegen die Faschisten ... . Mit dem Beginn der Krise verstärkt sich auch die faschistische Gefahr. Die Faschisten organisieren sich immer stärker in der Aktion Widerstand und versuchen, in öffentlichen Aktion Einfluss auf die kleinbürgerlichen und Arbeitermassen zu gewinnen - wie in Würzburg und Essen, so auch am 12.12. in Bonn. Dennoch ist nach wie vor die sozialfaschistische SPD die beste Stütze der Monopolbourgeoisie, es besteht noch nicht die Gefahr der direkten faschistischen Machtübernahme: Deshalb müssen wir der aufkommenden faschistischen Gefahr entschlossen entgegentreten und uns an breiten antifaschistischen Aktionen beteiligen, dürfen uns aber auch nicht durch das Anwachsen der Faschisten verwirren und vom Kampf gegen die sozialfaschistischen Spalter ablenken lassen.“ (22)

Wie das Zentralbüro gedachte, ihre ‘Aktionseinheit’ am 12. 12., die zudem noch mit dem erschwerenden Untersatz „Einheit in der Aktion - Freiheit der Losungen“ versehen war, die die Bonner Verrenkungen noch zusätzlich erschwerten, zu praktizieren war dem „Kommunistischer Nachrichtendienst“ zu entnehmen: „Laut der KPD/ML-ZB tritt die faschistische Organisation Aktion Widerstand (AW) im Bonner Vorort Pützchen mit ihrer ersten nationalen Kundgebung auf: Die ärgsten und übelsten Feinde der Arbeiterklasse haben sich in der ganzen Bundesrepublik organisiert. Dieser Sternmarsch durfte nicht ohne Antwort bleiben. Am Vormittag sammelten sich im Bonner Hofgarten 3 000 antifaschistische Demokraten, die gegen den Sternmarsch protestieren wollten. Unter ihnen waren ehemalige KZ-Häftlinge, Gewerkschaftler, SPD- und DKP- Mitglieder, Jungsozialisten, Studenten, Schüler. Von der KPD/ML und dem Kommunistischen Jugendverband Deutschlands kamen Genossen aus Nordrhein-Westfalen nach Bonn ... Bevor die Faschisten kamen, sammelten sich die Gegendemonstranten. Sie waren mit Bussen transportiert worden. Lautsprecherwagen fuhren auf. Der Wagen der KPD/ML spielte Arbeiterlieder. In kurzen Reden wiesen Genossen der KPD/ML darauf hin, dass die 'Aktion Widerstand' die Geschäfte Hitlers fortsetzt. Sie will mit diesem Sternmarsch die Arbeiter einschüchtern ... Der Lautsprecherwagen der KPD/ML war während der ganzen Zeit die Zentrale der Kundgebung. Von ihm gingen die Parolen aus, unter Führung der KPD/ML stand auch die Demonstration in die Stadt. Während der gesamten Kundgebung verkauften die Genossen der KPD/ML ihre Zentralorgane, die ROTE FAHNE und den KAMPF DER ARBEITERJUGEND." (23)

Der „Kommunistische Nachrichtendienst““ führte weiter aus: „In Bonn bildet sich für diese Aktion ein Aktionskomitee auf regionaler Ebene, das sich jedoch hauptsächlich aus Jusos und DKP/SDAJ zusammensetzte. Der KPD/ML-ZB gelingt es, im Anschluss an die Aktion gegen die Faschisten, wobei die Reden der Faschisten kräftig gestört werden können (Hauptparole: 'Mit den Kommunisten gegen die Faschisten'), sich an die Spitze eines Demonstrationszuges zu setzen. Nach Beendigung der Faschistenkundgebung beschlossen wir, eine Demonstration in die Bonner Innenstadt zu machen. Mit den anderen Organisationen konnten wir dabei Übereinstimmung erzielen ... Unser Lautsprecherwagen und unsere Transparente bildeten die Spitze: dem Demonstrationszug reihten sich wohl alle anwesenden Antifaschisten ein. Die KPD/ML und der KJVD bildeten bald einen sehr großen Block, denn viele Teilnehmer der Aktion, auch viele ältere sozialdemokratischen Arbeiter marschierten in unserem Block mit. Wir begannen jede Ansage mit: 'Hier spricht die KPD/ML, die Kommunistische Partei Deutschlands-Marxisten-Leninisten', dann wurden unsere Agitreden gehalten, die Lieder gespielt, die Parolen durchgegeben, die anderen beteiligten Gruppen aufgezählt. Die Demonstration war relativ groß (ca. 3 000) und sehr diszipliniert. Die Polizeiketten und quergestellten Polizeifahrzeuge, die die Kennedy-Brücke blockieren wollten, räumten nach unserer kurzen Aufforderung die Brücke. Am Hofgarten lösten wir die Demonstration auf.

Die Demonstration der Faschisten in Bonn vollzog sich mit dem Segen der Justiz und unter dem Schutz von Polizei und Bundesgrenzschutz. Wie in Essen so hat auch für Bonn das Verwaltungsgericht (Köln) das Demonstrationsverbot des Polizeipräsidenten in letzter Minute aufgehoben - wie es die Polizei und der oberste Polizeiherr von NRW, Weyer, auch nicht anders erwartet hatten. So konnten sich die Faschisten in Bonn unter ausreichendem Polizeischutz versammeln - fast 3 000 Mann waren zusammengezogen worden und warteten auf ihren Einsatz, zum Schutz der Faschisten. Die SPD-Führer, die große Worte gemacht hatten vorher, waren still in Bonn: Kühn und Weyer (FDP, d. Vf.) von NRW sagten nichts, für die Bundes-SPD sprach nur der Bundestagsabgeordnete Wienand, während Genscher als oberster Polizeiherr die Demonstration vom Hubschrauber aus beobachtete. Aber gegen die 1 000 Faschisten der Aktion Widerstand hatten sich über 3 000 Antifaschisten zur Gegendemonstration versammelt, darunter SPD-Mitglieder, Jusos, DKP, SDAJ, Spartakus (AMS, d. Vf.), Falken (SJD, d.Vf.), DGB VVN, Spartacus und die Genossen der KPD/ML und des KJVD. Die Gegendemonstranten versammelten sich an dem Platz, wo die Kundgebung der Faschisten stattfand. Die SPD-Redner, vor allem Wienand, versuchten die Ostpolitik der SPD-Regierung als antifaschistische Friedenspolitik darzustellen und wollten zuerst die KPD/ML-Genossen am Reden hindern, die SPD-Verantwortlichen drohten sogar, den Lautsprecherwagen der KPD/ML umzuwerfen; darüber waren die meisten der anwesenden SPD-Mitglieder sehr empört, und der KPD/ML-Lautsprecherwagen wurde dann zur Zentrale der gesamten Kundgebung: Die Genossen hielten kurze Reden, gaben Parolen durch, die von allen aufgenommen wurden und spielten Arbeiterlieder, die auch von den SPD-Mitgliedern mitgesungen wurden; die Parolen der KPD/ML waren: 'Mit den Kommunisten gegen die Faschisten', 'Sozialdemokraten und Kommunisten, gemeinsam gegen Faschisten', Thadden, Zoglmann und Strauß, jagt diese braunen Schweine raus', 'Das ist eine gute Tat - Faschisten hinter Stacheldraht' (der Platz, wo die Kundgebung der Faschisten stattfand, war ganz mit Stacheldraht abgesichert worden).

Viele Arbeiter, auch viele Fordarbeiter, die aus Köln gekommen waren und auch die SPD-Mitglieder schlossen sich der KPD/ML an. Die KPD/ML führte auch die anschließende spontane Demonstration an, an der sich alle Gruppen beteiligten: Voran ein Wagen mit einem KPD/ML-Plakat, danach der Lautsprecherwagen, dann ein großer Block von KPD/ML und KJVD, mit vielen roten Fahnen und Transparenten. Jede Ansage während der Demonstration begann mit: 'Hier spricht die KPD/ML, Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten' und die Hauptparole war: 'Mit den Kommunisten gegen die Faschisten'. Auch die SPDler riefen alle die Parole mit. Damit hat die KPD/ML bewiesen, dass sie die richtige Bündnispolitik macht - mit den antifaschistischen SPD-Mitgliedern, aber gegen die SPD-Führung. Und sie hat der DKP-Führung, die immer von Aktionseinheit schwätzt, eine klare Lektion erteilt: Das Aktionskomitee unter Beteiligung von Jusos, DGB und DKP, das die Vorbereitung der Gegendemonstration machen sollte, hatte die Vertreter der KPD/ML nicht einmal zu ihrer Vorbereitungsbesprechung zugelassen und sogar angedroht, die Genossen zu verprügeln, wenn sie als KPD/ML und mit eigenen Parolen auftreten würden - das ist die 'antifaschistische Einheitsfront' der Sozialfaschisten, Reformisten und Revisionisten. Die KPD/ML hat dagegen entsprechend dem Prinzip 'Einheit der Aktion, Freiheit der Losungen' gehandelt: Sie hat den Aufruf des Aktionskomitees, der den Moskauer Vertrag, das Bündnis mit dem Sozialimperialismus, als Mittel gegen den Faschismus anpries, nicht mit unterschrieben, aber sie hat auf der Kundgebung und der Demonstration bewiesen, dass sie tatsächlich die antifaschistische Aktionseinheit anführen kann und hat so viele Antifaschisten für sich gewonnen." (24)

Die Demonstration im Bonner Hofgarten nahm im Resultat die unwiderstehliche Dynamik in der Geschichte der KPD/ML-ZB an: „Der Lautsprecherwagen der KPD/ML war während der ganzen Zeit die Zentrale der Kundgebung. Von ihm gingen die Parolen aus, unter Führung der KPD/ML stand auch die Demonstration in die Stadt“, so las es sich im „Kommunistischen Nachrichtendienst“. Der besagte Lautsprecherwagen dürfte hinsichtlich der Funktion einer Optik kaum übersehbar gewesen sein, und dass sich Menschen um einen solchen Wagen herumgruppierten, war nichts seltenes, was auch gut an einem Marktschreier, der seine Waren anpreist, verfolgt werden kann. Dass hier eine politische Form der schlichten Überrumperlung neu geboren wurde, war spätestens mit dem Satz „unter Führung der KPD/ML stand auch die Demonstration in die Stadt“, ausgedrückt.

Es war vermutlich jedoch eher Bruder Zufall, der hier bei dem ‘Führungsschwindel, den das ZB als großen Erfolg feierte, die entscheidende Rolle gespielt hatte. Der Lautsprecherwagen des Landessekretariats der KPD/ML war vermutlich der einzige, der über eine Anlage verfügte, und einzig aus diesem Grunde wurde er wohl zur Mitte der Demonstranten. Dem Etikettenschwindel unterlagen sämtliche Landesverbände beider Organisationen. Das ZB unterstrich ihre prophetische Deutung des Ereignisses in der „Roten Fahne“ mit den Worten: „Die KPD/ML und der KJVD bildeten bald einen sehr großen Block, denn viele Teilnehmer der Aktion, auch viele ältere sozialdemokratischen Arbeiter marschierten in unserem Block mit. Wir begannen jede Ansage mit 'Hier spricht die KPD/ML, die Kommunistische Partei Deutschlands-Marxisten-Leninisten', dann wurden unsere Agitreden gehalten, die Lieder gespielt, die Parolen durchgegeben, die anderen beteiligten Gruppen aufgezählt. Die Demonstration war relativ groß (ca. 3 000) und sehr diszipliniert. Damit hat die KPD/ML bewiesen, dass sie die richtige Bündnispolitik macht - mit den antifaschistischen SPD-Mitgliedern, aber gegen die SPD-Führung. Und sie hat der DKP-Führung, die immer von Aktionseinheit schwätzt, eine klare Lektion erteilt.“ (25)

Wie man nun eine „richtige Bündnispolitik“ gemacht hatte, davon hatte niemand etwas erfahren. Es gab sie auch nicht. Allerdings sehr viele Widersprüche, denen man nur wenig Bedeutung zumaß. Sie gehörten im Prinzip zu den Schlüsselproblemen des Zentralbüros. Am obigen Zitat wird deutlich, dass es von einer metaphysischen Konzeption einer revolutionären Verfügbarkeit des Proletariats ausging, auch wenn dessen tatsächliches Verhalten es zu widerlegen schien. Der Mythos, dass hier das Wesen des Proletariats zum Ausdruck käme, und sie gemeinsam mit den „antifaschistischen SPD-Mitgliedern“ demonstriert habe, machte die Kraft und Tiefe dieser vagen Bilder deutlich. Zunächst beteiligte sich das Zentralbüro nicht an einer ‚Aktionseinheit auf regionaler Ebene’. Später führte sie eine spontane Demonstration an, an der sich viele Gruppen beteiligten. Mit einem Wort: das Zentralbüro erstreckte sich nicht nur auf die revolutionäre Führung, sondern war auch im rein strategisch-taktischen Sinne ‘führend’.

Und deshalb stellte dieser Mythos ein wirksames Instrument dar, um Illusionen zu wecken, den Glauben zu entfachen, die Mobilisierung der Massen, wie in der MTR 1970 und später mit immer neuen Varianten erzählt, und die (politische) Vernichtung der ‘Sozialfaschisten’ erleichtern den Gang durch die Etappen, die noch zu bewältigen sind. Um den Mythos des ‘Vorwärts der Arbeiterklasse’ den die ganze Mao Bewegung seit den ‘Septemberstreiks’ 1969 gnadenlos verehrte, aufrechtzuerhalten, mussten die zirkulierenden Ideen genügend Ausstrahlung besitzen, um zu wirken. In der Hitze des Gefechts wurden sie jeden Tag ärmer, und ihre quantitativen Dimensionen immer niedriger. Ein Sprung nach vorne war nicht abzusehen.

In der gleichen Ausgabe der „Roten Fahne“ las man die patriotischen Zeilen: die KPD/ML habe bewiesen „dass sie tatsächlich die antifaschistische Aktionseinheit anführen kann und hat so viele Antifaschisten für sich gewonnen“. (26) Der Mythos Bonn hatte hier seinen Gipfel erreicht. Die ‘antifaschistische Aktionseinheit’ war nichts anderes als eine Verlegenheit. Sie folgte dem eingeschlagenen Zick-Zack-Kurs aller Eventualitäten. Sie war nicht spektakulär, vollzog sich ohne eine kritische Analyse der Vergangenheit und verzichtete auf jede explizite theoretische Hinterfragung. Die Dringlichkeit ihrer Bildung, die nur als Fiktion vorhanden war, resultierte einfach aus den angebliche objektiven Bedingungen des Kapitalismus der Moderne, die herangereift genug erschienen, um das ‘revolutionäre Niveau des Proletariats’ (durch die These von der ‘Linksentwicklung’ zum Ausdruck gebracht) den unaufhaltsamen ‘revolutionären’ Prozessen zuzuführen.

In der Nachbetrachtung über die Demonstration stellte die „Rote Fahne“ fest: „Die Faschisten kriechen aus ihren Löchern und sammeln sich. Sie wissen, ihre Zeit kommt. Denn der westdeutsche Kapitalismus verfault von Tag zu Tag mehr. Wirtschaftskrise reiht sich an Wirtschaftskrise, die die Arbeiter ausbaden müssen ... Auch die politische Krise beginnt. Die Parteien im Bundestag werben sich gegenseitig mit Bestechungsgeldern die Mitglieder ab ... Die westdeutsche Arbeiterklasse, bisher durch das Verbot der KPD zersplittert und führungslos, beginnt wieder zu kämpfen. Das zeigten die spontanen Streiks im September 1969 und 1970 bei den Tarifverhandlungen. Die Stärke der westdeutschen Arbeiterklasse wächst. Ihre fortschrittlichen Teile beginnen, sich wieder in einer Kommunistischen Partei zu organisieren. Sie nehmen in der KPD/ML den Kampf nicht nur für die Tagesinteressen der Arbeiterklasse auf, sondern auch für den Sturz der Diktatur des Proletariats und die Errichtung der Macht der Arbeiterklasse.“(27)

Jede politische Gruppierung braucht ihre Mythen zur Selbstlegitimation und Identifikation. Für die Mao Bewegung gehörten die ‘Septemberstreiks’ ohne wenn und aber dazu. Es gab auch noch andere Mythen, auf die man zurückgriff, um die Leitbilder für alle Zeiten präsent zu haben: für das Zentralbüro war der Mythos Bonn deshalb wichtig, weil er schnell Eingang in den Kanon seiner politischen Linie fand, und er war in der Frühphase neben der MTR sicher gleichberechtigt; er stand für „sozialfaschistischen Verrat“, für „die Stärke der westdeutschen Arbeiterklasse“, wie es die „Rote Fahne“ ausdrückte, für die „fortschrittlichen Teile“, die „beginnen, sich wieder in einer Kommunistischen Partei zu organisieren“. Die Legende von der Führung in Bonn und die Glorifizierung der Taten der KPD/ML bildeten in dieser Verpackung einen bedeutenden Baustein für die gesamte Organisation und wurde weitgehend angenommen.

Das Zentralbüro erteilte auf seine Art allen anderen Mao Gruppen eine wichtige Lektion: die Arbeiterklasse nehme in der KPD/ML den Kampf nicht nur für die „Tagesinteressen der Arbeiterklasse“ auf, sondern auch für die „Errichtung der Macht der Arbeiterklasse“. Das reichte, um der Anhängerschaft damit eine ausreichende Grundlage für praktische Politik zu geben. Wichtig erschien nur die radikale Haltung zur Sozialdemokratie und der Hinweis, das die KPD/ML den Kampf „aufgenommen“ hat. Später, noch bis in den Sommer 1971 hinein, wurden diese Elemente immer wieder wiederholt; selbst noch beim ‚Roten Antikriegstag’ 1972 in München wurden sie mit der neuen Situation Verbindung gebracht. Es ist nicht uninteressant darauf zu verweisen, dass das 10. Plenum des EKKI von 1929 die damalige politische Situation in die These fasste, dass die „Eroberung der Arbeiterklasse durch die KP nur über Klassenkämpfe und der Diktatur des Proletariats“ gelingen könne, und „dass sie eine Kontrolle aller Gruppen und Strömungen der Partei durch deren Erprobung in der Tat vornehmen und den breitesten Massen helfen, die echten Revolutionäre klar zu erkennen.“ (28)

Im Zuge dieser Ausführungen vermittelte auch das ZB ein Kraftgefühl, dass vom Proletariat ausgehen und seine Aktivitäten erhöhen müsste. Das war der prominente Platz im ideologischen Begriffssystem des Zentralbüros. Demnach sollte eine neue revolutionäre Phase heraufziehen, die in Anlehnung an die Thesen des EKKI vom „verschärften Klassenkampf“ geprägt sein würde. Demnach war die Strategie von der Vorstellung bestimmt, dass die ‘Verräter’ in den eigenen Reihen und außerhalb der Kommunistischen Partei schonungslos bekämpft werden müssten. Es wurde jetzt deutlich, dass der Kurs zur Sozialdemokratie als ausreichende Grundlage gelten würde, alle Verbindungslinien zu ziehen. Von den Septemberstreiks bis Bonn; von Bonn bis zur ‚Bundeskontrolle’ 1971, der MTR und der ‚Bergbautarifrunde’ 1971; von den ‚Neuwahlen’; dem ‘Roten Antikriegstag 1972’ und den Verbotsdrohungen und der Auflösung 1973 sollte sich das ZB mit der Sozialdemokratie profilierten. Sie war notwendiges Resultat seiner Politik und stellte keinen Wendepunkt in seiner Gesamtentwicklung dar.

Im Gegenteil: die Sozialdemokratie habe immer nur den letzten Beweis für ihre ‘Faschisierung’ geliefert und sei dabei als der aktivste Vorkämpfer des deutschen Imperialismus und Faschismus aufgetreten. Die Unterdrückungspolitik gegenüber der Arbeiterklasse bestätige, dass die Partei jetzt eine „große politische Verantwortung habe“ Der „Kommunistische Nachrichtendienst“ lieferte die Verteidigung dieser Ergebnisse: „In einer Phase der allgemeinen Verschärfung der Widersprüche sind solche offenen faschistischen Terroraktionen noch kein Zeichen für die unmittelbar bevorstehende oder bereits faktisch bestehende offene Diktatur des Faschismus (wie die D'K'P und die SED in ihren Volksfrontaufrufen gegen das Rechtskartell weiszumachen versuchen); wichtigere Anzeichen dafür sind dagegen der rasche Aufbau faschistischer Sammlungsorganisationen - NLA-NPD-CSU - und faschistischer Jugendorganisationen (Westberlin). Solche offenen Terroraktionen sind zur Zeit aber ein geeignetes Mittel sowohl für die Faschisten um Strauß wie auch für die sozialfaschistischen Kräfte in der SPD, um zum Angriff auf die revolutionären Organisationen des Proletariats zu blasen und diesen Angriff vor dem Kleinbürgertum mit dem 'Kampf nach rechts' zu legitimieren. Die Duldung der faschistischen Umtriebe durch die SPD-Regierungen in Westberlin und Bonn und ihre offene Unterstützung durch die CDU/CSU werden daher der Arbeiterklasse weiter die Augen öffnen über den tatsächlichen Charakter der bürgerlichen Parteien, insbesondere der Sozialdemokratie." (29)

Damit war das ZB nun auch endgültig in die offene Konfrontation gestartet. In der Art und Weise, wie es an dem Zwiespalt litt, das proletarische Erbe zu kultivieren und gleichzeitig eine eigene Politik zu betreiben, die sich gleichzeitig abgrenzen musste um wirksam zu sein, zeigt es, dass es mit einer Oppositionsrolle nichts anfangen konnte. Der partielle Identitätsverlust wurde dann immer offenkundiger, wenn es sich gegenüber der eigenen Zerrissenheit zur Wehr setzten musste, den Zangengriff von ‘links’ und ‘rechts’ abzuwehen hatte und sich in die allergische Reaktion gegenüber der Sozialdemokratie flüchtete. Dieses äußerst provozierende Auftreten war das Schicksal der KPD/ML-ZB, vor allem unter den Vorzeichen seiner späteren Krise. Doch genau das nahmen anderen Mao Gruppen zum Vorbild, oder versuchten, sich mit der KPD/ML-ZB zu messen.

Die KPD/ML-ZK veröffentlichte im Januar 1971 in ihrem „Roten Morgen“ folgenden Leitartikel „SPD/FDP-Regierung - Wegbereiter des Faschismus“. (30) Nicht, dass er dort haargenau Positionen der KPD/ML-ZB vertrat, war hier wichtig, sondern dass er die politischen Widersprüche zu ihr einfach ignorierte, und seine Auffassung einfach aus den vorgegebenen (politischen) Blickwinkeln der Mao Bewegung ableitete. So bestand in dieser Frage nicht nur eine gewisse Tarn-Funktion unter den Gruppen, die außer dem ZB alle widerwillig zugaben, dass sie nicht dieser Linie folgen können, aber das nur vermutlich deshalb, um sich im nicht anzubiedern. Erstaunlich dürfte gewesen sein, dass die Resonanz, die das Zentralbüro mit der SPD-Linie erzielte, zumindest so groß gewesen sein dürfte, dass es mehr zahlenmäßigen ‘Erfolg’ als andere Gruppen, aufweisen konnte. 1971, dem eigentlichen starken Jahr des Zentralbüros, gelang es ihm sogar, seine Linie zur Sozialdemokratie in ein gewisses Gesamtgebäude hineinzustellen, das die weitere ‘Faschisierung’ der Gesellschaft in die Formel „Notstand, Aufrüstung und Revanchepolitik“ packte, mit der das ZB im Frühjahr 1972 zu einem weiteren Marsch starten sollte.

  

16. Brüder seid bereit, Brüder, es ist Zeit.

Die MTR 1970 und die Bonner Aktion, die wichtigsten praktischen Neuentdeckungen, konnten als weiteres Bild benutzt werden, um zum Jahresende in einer Rückschau alle politischen Sedimente noch einmal Revue passieren zu lassen.

Die schon zitierte "Rote Fahne" Nr. 6/1970 veröffentlichte im Dezember den Artikel "2 Jahre KPD/ML - Über 40 Betriebszeitungen". Damals schrieben die Verfasser:

"In den Tarifkämpfen der Metaller im Herbst musste die Partei das erste Mal beweisen, dass sie nicht nur die richtigen Ansichten hat, sondern dass sie auch tatkräftig für die Tagesinteressen kämpft ... Zu Beginn der Tarifkämpfe erschien die erste Sondernummer der Roten Fahne, des Zentralorgans der KPD/ML, im September mit dem Aufruf des Zentralbüros der KPD/ML, in dem das Kampfprogramm der Arbeiterklasse für die Metallarbeiter propagiert wurde. Im ersten Extrablatt hieß es unter der zentralen Losung: Kampf dem Lohnraub! Gegen die Verrätereien der SPD-Regierung - Die Geschlossene Kampffront der Arbeiterklasse! Weg mit dem Lohnraubprogramm der SPD-Regierung! Sofortige Zurückzahlung der 10%-Lohnraubsteuer! 15% effektive Lohnerhöhung! Arbeiter! Kämpft gegen die Versuche der Kapitalisten, die Arbeiterklasse durch Entlassungen und Lohnkürzungen für die herannahende Krise zahlen zu lassen.

Deshalb: Absicherung des Effektivlohnes durch 6 DM Mindestlohnes! Und hohe Wachsamkeit gegen die Entlassungen und Willkürakte der Kapitalisten. Kämpft gegen Lohnkürzungen und Entlassungen. Arbeiter! Nur die Einheit der Arbeiterklasse führt zum Sieg. Es gibt zahlreiche Spalter der Arbeiterklasse.

Gegen sie müssen wir kämpfen und die Einheit der Arbeiterklasse herstellen. Deshalb gegen die Spalter der Arbeiterklasse: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit! Streichung der sogenannten Leichtlohngruppen! Weg mit den Alterszuschlägen und Altersklassen! Für die Einheit der Arbeiterklasse! ... In über vierzig Betriebszeitungen in der BRD propagierten die Mitglieder und Sympathisanten der KPD/ML diese zentralen Forderungen. Durch die Tarifkämpfe kamen noch neue Betriebszeitungen hinzu. Zu allen Abschnitten der Tarifkämpfe informierten die Betriebszeitungen die Arbeiter in den Betrieben ... Die KPD/ML ist noch zu schwach. Sie konnte nur an einigen Orten, in wenigen Betrieben die Führung der Kämpfe der Arbeiter übernehmen und die SPD-Spalter zeitweise ausschalten ... Zum Kampf gegen die Angriffe der Kapitalistenklasse und ihre Regierung, zum Kampf gegen die Herrschaft der Kapitalisten im Staat und in den Betrieben muss die KPD/ML gestärkt werden. Der Sturz der Diktatur des Kapitals ist nur unter der Führung der starken Kommunistischen Partei möglich. Deshalb organisiert Euch in den Betriebsgruppen der KPD/ML." (1)

So subjektiv und vage diese Betrachtungsweise auch war, sie genügte zumindest, um den Glauben an die persönliche Unsterblichkeit zu manifestieren. Und weil der "Sturz der Diktatur des Kapitals nur unter der Führung der starken Kommunistischen Partei möglich" war, und man sich deshalb in den "Betriebsgruppen der KPD/ML" zu organisieren habe, kam das alles sehr in die Nähe einer religiösen Deutung. Gerade der Satz "Organisiert Euch in den Betriebsgruppen der KPD/ML" wurde in der KPD/ML-ZB vielleicht zur wichtigsten Form einer kulturellen Selbstverständigung. Deshalb, und das dürfte der entscheidende Punkt gewesen sein, wurde die Art und Weise, wie diese plakativen Sätze in Szene gesetzt wurden, zum Modell dafür, wie die reale Welt eigentlich mit der KPD/ML auszusehen habe.

Es ging nicht bloß darum, dass man sich mit zurückliegenden Ereignissen beschäftigte; denn diese hatte man zur Genüge interpretiert. Es ging auch darum, sie für die Zukunft festzuhalten. Das sollte die Betriebsgruppen als Modell für die öffentlichen Informationen bewerkstelligen. Sie sollten eine Macht sein, alle damaligen Nachrichten zusammenfassen, übermitteln und in den Betriebszeitungen transparent machen. Die sprachlichen Ungenauigkeiten, die Kommentare, die unterbelichteten Darstellungen von Zusammenhängen und Ereignissen, lieferten im erheblichen Umfang ein Sammelsurium von Prognosen, Desinformationen und Reportagen aus der Unterhaltungsbranche. Nur selten waren sie dazu in der Lage, überaus gut zu informieren und agitierend zu wirken.

Anders ausgedrückt: die Bildung von Betriebsgruppen war ein moderner Anachronismus, da sie nur die Wiederbelebung der politischen Praxis von Komintern/KPD reflektierten und sich in ihrem Wesen nach von ihnen nicht unterschieden.

Sie waren immer heftiger Gegenstand der Diskussion, zeitweilig sogar im Zentralbüro selbst. Vor allem der Unterschied von Betriebsgruppe und Betriebszelle sorgte teilweise für erhebliche Verwirrung. Die Nr. 1/1970 der "Roten Westfalenwalze" (2), die am 1.9.1970 in Dortmund bei Hoesch (Westfalenhütte) mit dem Untertitel "Zeitung der Betriebszelle Hoesch-Westfalenhütte" erschien, gab dem ständigen Unruheherd in dieser Frage neuen Auftrieb.

Bis zur Auflösung der KPD/ML-ZB konnte hier nie eine Einigung erzielt werden. Der Streit entzündete sich daran, ob eine Massenorganisation, die das ZB vom Anspruch werden wollte, Betriebszellen oder Gruppen benötigte. Die Betriebszelle, so das Organisationsbüro, wäre ein harter Kern aus vielleicht 5 bis 8 Genossen, die die Betriebsgruppe, die übergeordnete Organisation der Kommunisten im Betrieb, anleiten sollte.

Allerdings setzte das die Verankerung im Betrieb voraus, um so ein System der Verbreitung kommunistischer Ideen mit der Betriebszeitung im Rücken zu haben. Das konnte das Zentralbüro niemals einlösen. Und insofern blieb dieser Widerspruch erhalten.

Erst mit der Auflösung des Zentralbüros und der schematischen Einteilung des Zentralbüros in "Organisation der Arbeiter" (ODA) und "Organisation der Revolutionäre" (ODR) mit dem Roten Antikriegstag 1972 (2. September) kam dieser Widerspruch in veränderter Form wieder ans Tageslicht.

Die Zentrale bestand darauf, dass die Grundorganisation der Partei im Betrieb aufgefüllt werden müsse. Diese Auffüllung bestand in der Regel aus abgezogenen Kadern, die zunächst in für die Partei weniger effektiven Betrieben arbeiteten. Der Betriebswechsel war bei den damaligen ökonomischen Verhältnissen kein Problem. Die Zentrale ordnete diesen an und beorderte meist studentische Kräfte ins neue Aufgabengebiet. Hier war es ihr Ziel, Betriebszeitungen herauszugeben, besagte Betriebsgruppen aufzubauen, in Versammlungen zu reden und Arbeiter für die KPD/ML zu gewinnen.

Im Hinterkopf hatte man, dass sie zur revolutionären Solidarisierung beitragen könnten, die zwangsläufig in eine "korrekte Linie" des Zentralbüros einmünden sollte. (3) Sie sollten auch dazu beitragen, das "grobmaschige Netz, ein Gerippe von Kadern", wie es in der Broschüre "Die Etappen des Parteiaufbaus und die Aufgaben der KPD/ML" vom Mai 1971 (4) hieß, zu vervollständigen. In dem genannten Sinne waren sie die tragende proletarisch-bolschewistische Komponente. Der "Verrat der Sozialdemokratie" sollte besonders über die Betriebsgruppen auf betrieblicher Ebene angeprangert werden.

Am 20.12.1970 fand daher eine zentrale Funktionärskonferenz der KPD/ML in Bochum statt, auf der auch über Fehler in der Metalltarifrunde 1970 diskutiert wurde. Bei der Anwesenheit der Leitungen des Zentralbüros, der Gewerkschaftsleiter, Abteilungsmitglieder der Landeskomitees, Landesaufbaukomitees sowie Gewerkschaftsverantwortlichen der Landesverbände wurde über das Referat des Politbüros "Der bisherige Verlauf der SPD-Kampagne und deren Fortführung" diskutiert. (5)

Zur "Strategie der Partei (Hauptlosung) der KPD/ML-ZB in den Tarifkämpfen der letzten Monate" wurde dort ausgeführt:

"Die Hauptlosung der Partei: Gegen die Verrätereien der SPD-Regierung die geschlossene Front der Arbeiterklasse war und ist richtig. Aus dieser Losung ergibt sich, dass eine allgemeine Kampagne gegen die Verrätereien der SPD-Regierung geführt werden muss. Dies ist bei uns nicht immer der Fall gewesen. Der Genosse Stalin beschreibt als einen der Hauptfehler in der strategischen Führung die Gefahr, den Kurs zu verlieren, wenn die Avantgarde das Hauptziel aus den Augen verliert und damit die Gefahr besteht, dass die Massen vom richtigen Weg abirren. Auf dem Höhepunkt der Tarifkämpfe, nach dem 25. September, als die Streiks sich blitzartig auf nationaler Ebene entfaltet hatten, wurde an den meisten Orten der politische Kampf gegen die Sozialdemokratie schwer vernachlässigt, ja selbst der ökonomische Kampf wurde eingeengt auf die volle Durchsetzung der 15%.

Dieser Fehler zeigte sich in vielen Landesverbänden: das erste und zweite Flugblatt brachte die Linie noch ziemlich korrekt, und als dann die Streiks richtig begannen, verloren einige Betriebsgruppen die klare Perspektive, den genauen Kurs aus den Augen ... Wie konnte dieser Fehler passieren?

In erster Linie liegt es daran, dass die Partei noch jung und unerfahren ist, dass sie nicht genügend gefestigt ist, wenn die Kämpfe sich plötzlich verschärfen. Das am 29. September erschienene Extrablatt gab im Leitartikel z. B. noch eine sehr gute Anleitung, obwohl in einigen Artikeln Tendenzen zur ökonomistischen Einengung auf 15% vorhanden waren.

Weiter fehlte es in dieser entscheidenden Situation an der konkreten Anleitung. Im weiteren Verlauf der Kämpfe wurde die Partei dadurch geschwächt, dass durch Fehler des alten Org.-Büros die Rote Fahne sieben Wochen lang nicht erscheinen konnte. Alle Fehler sind inzwischen korrigiert und werden weiter korrigiert: die ideologische Festigung der Partei wird durch ein regelmäßig erscheinendes TO erzielt, die praktische Festigung durch die inzwischen überall vollzogene Umstellung auf Betriebsgruppen; für die konkrete Anleitung ist inzwischen das ZB verstärkt worden und sind durch die Schulung proletarischer Genossen noch weitere Schritte unternommen worden: das ZO erscheint inzwischen regelmäßig. Aus der Rolle der Sozialdemokratie ergibt sich, dass der Kampf gegen die Sozialdemokratie ein Kampf um die Massen ist. Im Arbeitsplan war dabei besonders die Notwendigkeit betont worden, um die fortgeschrittensten Teile der Arbeiterklasse zu werben.

Diese Aufgabe ist zeitweise auch von der obersten Ebene vernachlässigt worden: die KPD/ML ist nicht genügend als die revolutionäre Partei des Proletariats dargestellt worden, die Aufforderung an die fortgeschrittensten Teile der Arbeiterklasse, die die Warnstreiks und Protestaktionen getragen hatten, sich in der KPD/ML zu organisieren, ist gerade nach dem Abwürgen der Kämpfe zu wenig beachtet worden. Trotzdem sind gute Erfolge auf diesem Gebiet erzielt worden. Eine Ursache für diesen Fehler ist die Tatsache, dass Betriebsgruppen, Betriebszellen und Betriebszeitungen nicht umfassend aufgebaut waren. Da der Kampf um die Massen nicht genügend durchgeführt worden ist, entstand zeitweise ein Fehler, den der Genosse Stalin 'Tempoverlust' nennt, dass nämlich die Partei hinter dem Gang der Bewegung zurückblieb, oder ihm weit voraus eilte und dadurch die Gefahr der Niederlage heraufbeschwor ... Die Kunst der strategischen Führung besteht darin, die Hauptkräfte im entscheidenden Moment an dem verwundbarsten Punkt des Gegners zu konzentrieren.

Dazu hatte das ZB als Ziel, die Zurücknahme der 10%-Lohnraubsteuer angegeben. War dieses Ziel richtig und realistisch? ... Die Losung 'Rücknahme der Lohnraubsteuer' ist eine Agitationslosung. Sie wurde aber vom ZB fälschlicherweise wie eine Aktionslosung behandelt. Wie konnte dieser Fehler passieren? Die Stärke der Partei wurde überschätzt, denn sie war natürlich noch zu schwach, um die Millionenmassen zum Sturmangriff gegen die SPD-Regierung zu führen. Die Kraft des Gegners wurde unterschätzt und die IGM und DKP-Führer falsch eingeschätzt: ihre soziale Demagogie wurde nicht richtig erkannt und daher ihr taktischer Boykott aller Kämpfe gegen die Lohnraubsteuer nicht vorhergesehen."

Und zur "Taktik der Partei" hieß es:

"Zur Taktik der Partei hat das ZB die Notwendigkeit erläutert, den sozialdemokratischen Arbeitermassen den Verrat der Sozialdemokratie besonders anschaulich und auf Betriebsebene darzustellen. Dies entspricht genau dem Prinzip des Genossen Stalin über die taktische Führung, dass die breiten Massen durch eigene Erfahrung die Richtigkeit der revolutionären Losungen erkennen. Diese richtige Linie wurde nicht überall durchgesetzt ... Dem Beginn der Flut entspricht die taktische Notwendigkeit, allmählich - entsprechend den Kräften - offene und offensive Kampfformen zu entwickeln.

Sehr richtig hat daher das ZB die Notwendigkeit von Kurzdemonstrationen propagiert. Diese taktische Linie ist kaum durchgeführt worden: das liegt zu einem großen Teil daran, dass die geplante zentrale Demonstration aus Mangel an geeigneten Kräften nicht durchgeführt werden konnte. Es ist versäumt worden, stattdessen unter zentraler Anleitung (z. B. auf Landesebene) überall Kurzdemonstrationen und Werbeveranstaltungen durchzuführen. Eine weitere wichtige Kampfform ist die proletarische Einheitsfront, die zutreffend vom ZB als Taktik der Partei ausgegeben und erläutert worden ist. Doch wurde diese Kampfform im allgemeinen stark vernachlässigt ... Die Strategie war und ist richtig. Der Hauptstoß muss gegen die Sozialdemokratie als wichtigste soziale Stütze der Monopolbourgeoisie geführt werden ... Wir werden den Winter dazu nutzen, die jetzige Lage und die Kämpfe sorgfältig analysieren, ein neues einheitliches Kampfprogramm zu erstellen und dann daran gehen, dies geschlossen und offensiv zu propagieren und durchzusetzen.

Welche Aufgaben hat daher die Partei in der momentanen Situation?

1. Den ideologischen Kampf aufnehmen: d.h.

a.) gegen linke und vor allem rechte Abweichungen in der Parteikämpfen (linke Abweichungen: der Faschismus steht vor der Tür - aber Hauptfeind ist die Sozialdemokratie! 'Nur Zentralismus'!; rechte Abweichungen: der Hauptfeind Rechtskartell, faktischer Boykott des Zentralismus, Tendenzen zur Unabhängigkeit).

b.) die ideologische Arbeit in der Partei verbessern (die Schulung der Organe der Partei; die Theorie stärker mit der Praxis verbinden; Schulungssystem).

c.) den Kampf gegen die DKP und die SDAJ verbessern (in Veranstaltungen gehen, sorgfältig auch in den Grundeinheiten die Organe der Revisionisten studieren, Leitfäden für Betriebsarbeiter für den Kampf gegen die Revisionisten erstellen).

d.) den Kampf gegen die Agenturen der Sozialdemokratie in der kommunistischen Bewegung führen (dabei konzentrieren auf den Block: KAB, KPD/AO und Trotzkisten - den Parteikampf gegen die Ezristen, die Dickhut- und die Weinfurthgruppe in diesen Zusammenhang stellen).

e.) die sozialdemokratische Ideologie studieren. Im ideologischen Kampf kommt es vor allem darauf an, die ideologische Verrottung unserer Gegner zu zeigen, die mit Beginn der Krise immer deutlichere Formen annehmen wird.

2. Wir müssen uns verstärkt im Proletariat verankern ...

3. Wir müssen den Kampf gegen die Sozialdemokratie verschärfen, d.h. gegenwärtig:

a.) Wir müssen alle Verrätereien der Sozialdemokratie in der beginnenden Krise entlarven.

b.) Wir müssen schonungslos die Kollaboration von Sozialdemokraten und Reaktion bzw. Faschisten aufzeigen.

c.) Wir müssen unsere bisherige Arbeit sorgfältig überprüfen.

4. Die Org.-Arbeit auf das Niveau der politischen Arbeit heben.

5. Das Berichtswesen muss radikal verbessert werden." (6)

Diese Fülle von Aufgaben ließ erkennen, dass die Sammlungsversuche der KPD/ML wohl noch in den Kinderschuhen steckten, und die genannte Selbstkritik offenbarte die organisatorische Schwäche, die durch den Aufgabenkatalog eine Konsolidierung der Führungsverhältnisse auf allen Ebenen bringen sollte.

Trotz all des Optimismus, der verbreitet wurde, war das Credo in keiner Phase dazu geeignet, die in Konfusion verfallene Politik wiederzubeleben. In diesen Passagen war so ziemlich alles beisammen, was das ZB unter seiner politischen Linie fasste. Hinzuzufügen wäre, dass es sich sogar bemühte, aufgetauchte Unstimmigkeiten beim Namen zu nennen, und für Abhilfe zu sorgen. Um es möglichst konsequent auszudrücken: das Medium war die Botschaft, und diese vermittelte sich in einer absonderlichen Form: "Die Strategie war und ist richtig ... Der Hauptstoß muss gegen die Sozialdemokratie als wichtigste soziale Stütze der Monopolbourgeoisie geführt werden ... Wir werden den Winter dazu nutzen, die jetzige Lage und die Kämpfe sorgfältig analysieren, ein neues einheitliches Kampfprogramm zu erstellen und dann daran gehen, dies geschlossen und offensiv zu propagieren und durchzusetzen." Selbst die Behauptung, ein "neues einheitliches Kampfprogramm zu erstellen", konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass das ZB hier eine ganze Serie von Trivialitäten von sich gab; denn auch später konnte es derlei Prophezeiungen kaum einlösen.

Das ZB lebte in der Tat in einem Haus der Sprache; und dies geschah mehr oder weniger von festgesetzten Positionen aus, mit denen die Kategorien der Realität zu untersuchen waren. Selbst die Behauptung, "wir müssen alle Verrätereien der Sozialdemokratie in der beginnenden Krise entlarven" war voller Irrtümer; denn entweder hatte das ZB sie bereits "entlarvt", oder es begann erst damit?

Überspitzt könnte formuliert werden: was das Polit-Büro von sich gab, war Unfug von vorn bis hinten. Ihm war offenbar nicht aufgefallen, oder falls doch, dann hatten es etwas anderes gemeint, dass es die größten Schwierigkeiten damit hatte, seine Ansichten überprüfbar zu gestalten; sie waren wenig verbindlich. Die Unterscheidungen von richtig und falsch waren hier eine Fußangel und eine Illusion, und dass sie nur der Verfälschung und Verdunkelung dienten, ergab sich aus dem Stichwort Informationswert.

Man gab kein wirkliches Wissen weiter, um die Parteimassen zu informieren. Man tat in Selbstkritik um sie zu beruhigen. Die Informationen, mit denen das ZB in seinem Referat aufwartete, waren ein rhetorisches Instrument, und mit diesem Verständnis von Information gab es bis zur Auflösung keine tief greifenden Veränderungen.

Besonders der Abschnitt "Zur Taktik der Partei" war eine kontextlose Information über seine Legitimation, der Vorstellung also, dass der Wert von Informationen, etwa über den "Beginn einer (revolutionären) Flut", notwendigerweise mit seiner Politik zusammenhängen müsste. Es sammelte nur Bruchstücke von Informationen zu einem Konglomerat und gab sie einfach weiter, ohne sie zu erklären oder zu analysieren. Aus dem Kontext des "Kampfes gegen die Sozialdemokratie" herausgerissen, konnte die neue Taktik nur beinhalten, dass die "wichtigste Kampfform (jetzt) die proletarische Einheitsfront" sei, die zutreffend vom ZB als Taktik der Partei ausgegeben und erläutert worden war.

Macht man sich bewusst, was das im täglichen politischen Geschäft zu bedeuten hatte, dann waren diese Informationen nicht anderes als erfundene und angewendete. Mit erstaunenswertem Einfallsreichtum wurden Behauptungen aufgestellt, die doch nur eine bloße grammatikalische Hülle waren. Mal war der "Kampf gegen die Sozialdemokratie" wichtigste Taktik der Partei; dann der Kampf gegen "linke und rechte Abweichungen", und ein anderes mal war der "Beginn der Flut" (vermutlich war hier eine revolutionären Flut gemeint, d. Vf.) die "taktische Notwendigkeit", bei der "offene und offensive Kampfformen zu entwickeln" seien.

Wenn Statements keine Bedeutung haben, bleibt wenig, was sie attraktiv machen könnte; wenn seine Inhalte nicht mit einem Faktum konform gehen, ist er Unsinn. Die guten Nachrichten lauteten daher immer: das ZB habe das Problem in der Zwischenzeit gelöst: die schlechten hießen in diesem Zusammenhang, dass wir mit dieser Lösung ein anderes, bisher noch nicht da gewesenes Problem geschaffen haben.

Hinzu gefügt werden müsste, dass die variantenreiche Informationsübermittlung, etwa über die Betriebszeitungen oder der zentralen Flugblätter, eine Überfülle an Informationen bedeuteten, mit der eigentlich niemand klar kam.

Sie als Informationsmüll zu bezeichnen, wäre nicht falsch; aber sie waren mehr Mythos-Informationen, von der Überzeugung getragen, dass die "Arbeitermassen" Land auf, Land ab mit genügenden Informationen aus dem Reich der Kämpfe versorgt werden, und nun ihrerseits in die Einsicht vorstoßen, dass der Stellenwert dieser Informationen die Funktion des Auslösens von "Warnstreiks und Protestaktionen", wie das ZB meinte, habe.

Womöglich als Folge der größer gewordenen Diskrepanzen zwischen internen Kämpfen und der öffentlichen Selbstdarstellung, taumelte es bis zum Jahresende 1970 von einer Verlegenheit in die andere, weiter mit hohem Tempo durch die Form der Selbstdisziplinierung, der Gängelung der Basis, mit sich selbst im Widerspruch. Mit jener schizoiden Mischung aus Untergangsphantasie des Kapitalismus und Machbarkeitsdenken einer deutschen Revolution drängte es in die abrufbaren Mechanismen bürgerlicher Kampagnenpolitik.

Die Partei müsse nun den "ideologischen Kampf" aufnehmen; die "ideologische Arbeit in der Partei verbessern"; den "Kampf gegen die DKP und die SDAJ verbessern", den "Kampf gegen die Agenturen der Sozialdemokratie in der kommunistischen Bewegung führen". Der Hauptkampf galt jedoch der"sozialdemokratischen Ideologie". Sie und ihre "Verrätereien" in der "beginnenden Krise" zu entlarven und ihre Kollaboration mit "Reaktion und Faschismus" aufzuzeigen, sei das Gebot der Stunde.

Zurück konnte nichts anderes als Ratlosigkeit und gänzlich unreflektierte Ideen und Programme der alten arbeiterbewegten sozialistischen Idee bleiben. Dieses Dilemma, das allen MAO-Gruppen gleich war, und das sich tausendfach in Splitter- und Sektenbewegungen, in Erklärungen und Resolutionen, in zentralen Aufrufen, in Betriebszeitungen, auf Demonstrationen und anderen Aktionen reproduzierte, waberte doch nur am Rand der bürgerlichen Gesellschaft.

Wir müssen "die ideologische Verrottung unserer Gegner zeigen, die mit Beginn der Krise immer deutlichere Formen annehmen wird". Die ganze Heuchelei der Aufarbeitung der Fehler der MTR, war doch nur das Einschwenken in eine rein bejahende und beibehaltenen Haltung zur Zielsetzung der eigenen Politik, die auch einen gefühlsmäßigen Touch, wie unschwer an diesen Zitaten zu erkennen, bekam.

Das ZB tat praktisch das Gleiche, was man theoretisch angeblich für falsch hielt. Das war der Grund, warum diese gesamte Informations- und Kommunikationswelt sich letztlich in Plagiate erschöpfte. Und als abschließende Überlegung formuliert: die kurzatmigen Erfolge und Geschwätzigkeit enthülltem die billigen Erklärungsversuche über den modernen Kapitalismus und seiner Gegeninstanz, die die KPD/ML sein sollte.

  

17. Die antifaschistische Demonstration in Dortmund am 17.1.1971

Die Kampagne der KPD/ML-Zentralbüro gegen Faschismus und Reaktion, mit der sie seit Dezember 1970 eine  Vorreiterrolle einzunehmen gedachte, setzte sich zu Beginn  des Jahres 1971 konsequent fort. Es gelte, den  Hauptstoß gegen die SPD als „wichtigste Stütze des Sozialfaschismus“ zu richten. Die SPD, die „Wegbereiter des Faschismus“ sei, müsse, wie es noch in der nationalen  FuKo hieß, vor den „Massen entlarvt werden“.

Doch es war zunächst die KPD/ML-ZK, die sich an dieser Front behaupten wollte. In der Nr. 1/1971 ihres „Roten Morgen“ formulierte sie in  Anlehnung an die Sozialfaschismustheorie ihrer Gegnerorganisation in dem Leitartikel „SPD/FDP Regierung - Wegbereiter des Faschismus“:

„Es sind ausgerechnet die sozialdemokratisch regierten Länder,  in denen unter massivem Polizeischutz mit Wasserwerfern, Tränengas  und Sperrgittern gegen Gegendemonstranten, die reaktionären,  revanchistischen Gruppen der Aktion Widerstand (AW, d. Vf.) ihre Demonstrationen abhalten können; dass es ausgerechnet die  sozialdemokratisch regierten Länder waren, in denen antifaschistische Demonstrationen von Studenten und Arbeitern gegen den  reaktionären Springer-Konzern, gegen den Besuch ausländischer  Faschisten blutig von der Polizei zusammengeknüppelt wurden, in  denen die meisten politischen Urteile gegen linke Demonstranten gefällt wurden; dass es ausgerechnet die Brandt/Scheel-Regierung ist, die wärmste, freundlichste Beziehungen zu faschistischen Staaten wie Portugal, Spanien, Indonesien und anderen und Staatsoberhäuptern wie den  Massenmördern Hussein (Jordanien, d. Vf.), Suharto oder auch  Nixon (USA, d. Vf.) unterhält; dass es ausgerechnet die Brandt/Scheel-Regierung ist, die denen, die zu bekämpfen sie vorgibt, höhere finanzielle Zuschüsse gewährt als ihre  Vorgängerin, die CDU/CSU-Regierung unter Kiesinger ... Dies alles  zeigt die abgrundtiefe Heuchelei der SPD/FDP-Regierung, die eine  Fraktion des westdeutschen Monopolkapitals vertritt, in ihrem  angeblichen Kampf gegen den Rechtsradikalismus.“ (1)

Tatsächlich waren zu Beginn der 70er Jahren eine Reihe von  neuen Naziorganisationen gegründet worden, die nicht nur den  Unmut bürgerlicher Parteien und Organisationen hervorriefen, sondern vor allem auch den der Marxisten-Leninisten, die in ihnen  die Vorstufe einer neuen Hitler-Partei sahen.

Es war u. a. die faschistische Organisation Aktion Widerstand, die mit ihrer Blut- und Bodentheorie im Dunstkreis der Demokratie  ihr Unwesen trieb und die zunächst unbehelligt agieren konnte. Die Sozialdemokratie schien sie zu tolerieren, zumindest nicht  konsequent zu bekämpfen. Die KPD/ML bezeichnete sie deshalb in Anlehnung an die Theorien der KPD/Komintern von 1928/29  als „Steigbügelhalter des Faschismus“ und „Wegbereiter des Faschismus“.

Im Antifaschismus, in der Einheitsfront aller Antifaschisten und  im konsequenten Kampf gegen Faschismus, Reaktion, Notstand, Aufrüstung und Revanchepolitik, müsse sich erweisen, dass die Kommunisten die einzige konsequente Kraft seien, die gegen den „anstürmenden Faschismus“ Stellung beziehen.

Der „Rote Morgen“, der in diesem Artikel die Sozialfaschismus- Theorie der „Roten Fahne“ einfach übernahm, der sie aber auch  später konsequent bekämpfen sollte, sah in der Aktion Widerstand eine „reaktionäre revanchistische Gruppe“, die von der SPD als „Fraktion des westdeutschen Monopolkapitals“ hoffähig gemacht  werden sollte. Der KJVD erweiterte Anfang Januar 1971 in einer Analyse  diese Sichtweise und führte im „Kampf der Arbeiterjugend“ aus:

„Das 7.Bonner Verwaltungsgericht hat in einer einstweiligen  Verfügung den Jusos (der SPD, d. Vf.) verboten, die 'Deutsche  Jugend des Ostens' weiter 'Mordhetzer' zu nennen und zu  behaupten, sie habe sich der 'Aktion Widerstand' angeschlossen.

So das Gericht. Und was sind die Tatsachen?

Die 'Deutsche Jugend des Ostens' ist der Dachverband von 21 Landsmannschaftsgruppen. In der Festschrift der Pommerschen  Landsmannschaft '20 Jahre Pommersche Landsmannschaft' konnte  man lesen, wie diese Organisationen sich selbst verstehen: 'als  politischer Kampfverband'.

Über die Richtung dieses politischen Kampfes kann es keinen Zweifel geben.

Dietrich Murswick, Mitglied des Bundesvorstandes der DJO und  Referent für politische Bildung, war früher NPD-Mitglied. Und er hat  auch im 'Pfeil', der Zeitung der Organisation, im Sommer  1969 alle Leser aufgerufen, NPD zu wählen.

Und so kommt auch Dietrich Murswick in Bedrängnis, als er  gefragt wird, ob in der DJO auch NPD-Mitglieder seien.  'Sie stellen mir Fragen!' meinte er. Und dann: 'Die Mitwirkung  der NPD an der 'Aktion Widerstand' macht eine Mitgliedschaft in  der DJO fast unmöglich.' Fast? Wenn er hätte nein sagen können, hätte er das wohl getan? ... Die Antwort gibt der Präsident der  Sudentendeutschen Landsmannschaft auf dem zweiten Kongress  der Sudetendeutschen Jugend:

'Die NPD ist die einzige Partei, die unsere Interessen als  Sudetendeutsche vertritt.'

Da liegt es nahe, dass die Mitglieder dieser Landsmannschaften sich  auch In dieser Partei organisieren.

Und dass die Teilnahme der NPD an der 'Aktion Widerstand' die  DJO-Mitglieder von einem Eintritt in die NPD abhalten soll, erscheint  auch mehr als merkwürdig. Denn auf der Gründungsversammlung war  auch eine Anzahl von 'Jungen deutschen Jugendlichen' vertreten.  Und das ist auch bis heute noch von niemandem abgestritten worden.  Die DJO hat bisher nur Wert darauf gelegt, dass sie sich  da 'nicht hervorgetan' habe.

Lassen wir dahingestellt sein, ob sie auf dieser Gründungsversammlung  den Mund gehalten haben. Was sie sonst auf ihren eigenen Kongressen  sagen, unterscheidet sich keinen Deut von dem, was die Redner in  Würzburg gesagt haben.

In Würzburg ertönten die Rufe nach dem 'Recht auf Lebensraum', von  der 'Zurückeroberung der deutschen Ostgebiete'.

Und die DJO?

KRIEGSHETZE UND VÖLKERVERSTÄNDIGUNG.

Becker, CSU-Abgeordneter in Bayern, sagt auf dem zweiten Kongress der Sudetendeutschen Jugend: Ihr jungen Deutschen und  Sudetendeutschen seid im Besitztitel des Rechts auf Deutschland  und auf die Heimat der Väter, ganz unabhängig davon, ob ihr  in dieser Heimat geboren seid oder nicht.'

Heinz Patock, der 'Bundesführer' der DJO sagt 1967: 'Ich meine, dass die BRD nicht nur ein Provisorium ist, sondern der  freie Kernstaat des 'Deutschen Reiches'. Denn ob manche es  wahrhaben wollen oder nicht, wir sind so lange Flüchtlinge und  Vertriebene, bis wir wieder schlesischen Boden unter den Füßen haben.'

Dass die DJO für diese Ziele schon heute kämpft, haben drei ihrer Mitglieder in Kassel bewiesen: Sie zerrissen die Fahnen  der DDR.

Und sie taten es mit Zustimmung der Organisation. So wurden sie kurz darauf von anderen Mitgliedern für den  Theodor-Heuss-Preis vorgeschlagen. Begründung: Sie  hätten ein 'nachahmenswertes Beispiel bemerkenswerter Zivilcourage  gegeben, außerdem zeigen sie beispielhaften Einsatz für   das Allgemeinwohl.

Das also sind die Tatsachen!

Das Verwaltungsgericht in Bonn muss sie gekannt haben.  Wenn es trotzdem den Jusos verbietet, die DJO bei ihrem  richtigen Namen zu nennen, zeigt es, dass es sich auf die Seite  der DJO stellt - auf die Seite der Mordhetzer - gegen die demokratischen Kräfte in der BRD.

Genau wie die SPD-Regierung.

Sie zahlt der DJO in jedem Jahr Tausende von Mark.

EMPFANG FÜR FASCHISTEN.

Bundespräsident Heinemann (SPD, d. Vf.) gab im Sommer  einen feierlichen Empfang für die Führer der DJO. Dass einer dieser Führer, Dietrich Murswick, zu denen gehörte,  die in Kassel die Fahne der DDR zerfetzten, stört Heinemann nicht. Das große Geschrei von der Gefährdung der Demokratie, das  sie damals erhoben, hindert sie nicht daran, sich mit solchen  Leuten an einen Tisch zu setzen und ihnen mit unseren  Steuergeldern die Taschen voll zustopfen. Die Worte der SPD- Führer haben eben mit diesen Taten überhaupt nichts zu tun. Ihre Taten aber sind es, die die Lage der Arbeiterklasse und der Arbeiterjugend bestimmen.

Und ihre Taten erfordern, dass wir gegen die SPD-Regierung genauso entschlossen den Kampf führen wie gegen die Faschisten.“ (2)

Die Komplizenschaft zwischen Sozialdemokratie und Faschisten  schien hier relativ deutlich zu sein. Ihre Taten (siehe Artikel) würden erfordern, dass gegen die SPD „genauso entschlossen der Kampf“ geführt werden müsse, „wie gegen die Faschisten“.

In diesen beiden Artikeln wurden, wenn auch unterschiedlich gewichtet, die Weichen für die nationale antifaschistische  Demonstration in Dortmund am 17.1. gestellt. Die KPD/ML-ZK berichtete dann auch relativ früh davon, dass die KPD/ML-ZB „im Zuge der „Vorbereitungen für eine antifaschistische Demonstration in Bonn am 17.1.1971 auch ein  Bündnisangebot an die DKP“ gemacht hätte. (3)

Im Funktionärsorgan „Der Parteiarbeiter“ Nr. 1/1971, der  wahrscheinlich bis zum 5.1.1971 erschien, wurde der Kampf gegen die Faschisten vom Zentralbüro noch einmal  theoretisch begründet. Die Zentrale müsse nun an der ideologischen Front für die  Festigung sorgen und ,neben einer Reihe von anderen Aufgaben, auch die „Verankerung in den Großbetrieben“ vorantreiben:

„Diese Aufgaben müssen wir jetzt intensiv angehen. Wir werden  den ideologischen Kampf aufnehmen, indem wir vor allem gegen  die rechten Abweichungen in der Partei kämpfen, gegen die Agenturen der Sozialdemokratie in der kommunistischen Bewegung  (KAB, AO, KPD/AO, Trotzkisten) vorgehen und den  Kampf gegen den Revisionismus verbessern. Wir werden den  Weg zur Verankerung im Proletariat vorangehen, indem wir uns  auf die proletarischen Zellen konzentrieren, unsere Tätigkeit auf die proletarischen Genossen zuschneiden und Betriebsgruppen  in den wichtigsten und kampfstärksten Großbetrieben aufbauen. In  unserer Massenarbeit werden wir in den Kampf gegen die  Sozialdemokratie verschärfen. Wir werden

1. alle Verrätereien der Sozialdemokratie in der beginnenden Krise  entlarven - von der 'krisenverhindernden' 10% Steuer bis zur  Zustimmung zu Kurzarbeit und Entlassungen

2. schonungslos jede Kollaboration der Sozialdemokratie mit der Reaktion enthüllen und ihre Rolle als Steigbügelhalter des Faschismus aufzeigen

3. ihre imperialistische Politik und ihre Kriegspolitik immer neu  entlarven.“ (4)

Es war nicht nur die Rolle der SPD als „Steigbügelhalter des Faschismus“, die im „schonungslosen“ Kampf aufgedeckt werden  müsse, sondern es ging auch um die Aufarbeitung der  antifaschistischen Aktion in Bonn vom 12.12.1970, die Lehren  für den kommenden antifaschistischen Kampf zeigen sollte. Im „Parteiarbeiter“ las sich das so:

Es war ein wichtiger Fehler, dass „die KPD/ML nicht richtig als  Partei des Proletariats propagiert worden ist. Der politische Kampf  der Partei gegen Sozialdemokratismus und Revisionismus ist  nicht gründlich geführt worden. Dabei ist vor allem nicht die  im 'Parteiarbeiter' propagierte Agitmethode verwandt worden ...   Gegen die DKP-Führer ist keine ausreichende Agitprop  durchgeführt worden, die ihre Bindung an den Sozialimperialismus  und ihr Anbiedern an die SPD-Regierung und die rechten  Gewerkschaftsführer wirklich erläutert hätte. Daher ist die Werbung  um proletarische DKP-Mitglieder nicht ausreichend durchgeführt worden.

Das Wesen der Krise und unsere Taktik gegenüber der damals  drohenden Krise ist nicht immer klar begriffen worden ... , weil die  Krise noch zu stark mit bürgerlichen Maßstäben gemessen  worden und nicht vom Standpunkt der Partei der Arbeiterklasse  betrachtet worden ist“. (5)

Natürlich betrafen diese Äußerungen auch die zurückliegende Metalltarifrunde. Sie hatten aber im Zusammenhang mit der Dortmunder Aktion eine weitaus wichtigere Bedeutung, denn die  SPD wurde nun mehr zum Zwillingsbruder des Faschismus. Sie betrieb nun eine „Kriegspolitik“, eine „imperialistische  Politik“. Sie mache es notwendig, dass die KPD/ML sich als „eigenständige Kraft „ erweisen müsse.

Dem schloss sich die Leitung des KJVD, das KJ-Inform, an. In der Broschüre „Entschlossen den Kampf aufnehmen! Hinein in den Kommunistischen Jugendverband“ von Anfang  Januar 1971, die als Agitationsbroschüre konzipiert war, setzte der KJVD auf die „Einigung aller antifaschistischen  Kräfte“ im Kampf gegen die „Kriegspolitik der SPD“. (6)

Es würde nun darauf ankommen, „geeint im KJVD den  Kampf aufzunehmen ... mit denen, die die Arbeiterklasse  spalten, die mit den Kapitalisten zusammenarbeiten - mit denen  gibt es kein Zusammengehen. Ihnen muss unser Kampf gelten.  Nur wenn wir uns zusammenschließen zur Durchsetzung der richtigen Forderungen der Arbeiterjugend und der gesamten  Arbeiterklasse, werden wir die Lage der Arbeiterjugend verbessern  können, werden wir unter den Angriffen der Kapitalisten und  der SPD-Regierung nicht zurückweichen, sondern gestärkt  aus dem Kampf um unsere Interessen hervorgehen.“ (7)

Um die Position des antifaschistischen Kampfes zu stärken, um für die Demonstration am 17.1. ein breites Bündnis auf  die Beine zu stellen und um sie theoretisch zu untermauern, erschien vermutlich aus diesen Gründen heraus noch vor der  eigentlichen Aktion die Nr. 9 des „Theoretischen Organs der KPD/ML - Bolschewik (früher: Revolutionärer Weg - RW)“.

Der Inhalt der Ausgabe entsprach der bisher vom ZB vorgelegten Theorien zur Sozialdemokratie. Die Artikel lauteten:

Vor allem im Artikel „Die Entwicklung der Sozialdemokratie zum  Sozialfaschismus und die Klassenkämpfe im Herbst 1970“ wurde die eigentliche Programmatik des Zentralbüros noch einmal begründet. Danach entwickle sich die SPD immer mehr „zu einer sozialfaschistischen Partei“, zur „Kriegspartei“. Die Sozialdemokratie ist „die Hauptstütze der Bourgeoisie“, die auch als solche „bekämpft werden“ müsse. Die Sozialdemokratie sei „der Steigbügelhalter des Faschismus“. Die Zusammenarbeit „zwischen Sozialdemokratie und Faschismus“ müsse angeprangert werden. Sie sei auch deshalb die  Hauptstütze, weil sie „der Monopolbourgeoisie eine soziale Massenbasis“ verschaffen würde. (9)

Ob die Bundeskontrolle (BuKo) des Organisationsbüros der  KPD/ML-ZB, die in diesen Tagen begann, helfen sollte, das Verhältnis  von Theorie und Praxis zu verbessern, den Parteiaufbau mit der  Entwicklung des Klassenkampfes in der BRD, wie das Zentralbüro  meinte, in Einklang zu bringen, war fraglich.  Denn bei dem Durcheinander von Hauptaufgaben, Nebenaufgaben, Hauptkampfschauplätzen und Nebenkampfschauplätzen, politische und organisatorische Aufgaben, Agitation und Propaganda wusste niemand mehr so genau, welches zentrale Kettenglied er denn  nun sprengen sollte.

Für die antifaschistische Demonstration schien das noch keinen  entscheidenden Einbruch zu bedeuten. Jedoch war bemerkenswert, was das Organisationsbüro dort herausstellte:

„Aufgabe dieser 'Bundeskontrolle' soll es sein, eine umfassende Untersuchung der Parteikräfte einzuleiten und die gesamte Parteiarbeit, von der obersten bis zur untersten Ebene, auf eine wissenschaftlichere  und systematischere Grundlage als bisher zu stellen.

Die Bundeskontrolle findet in einer Situation statt, wo ungeklärte Fragen  prinzipiellen Charakters auftauchen.

Die Genossen in der Partei beschwerten sich zunehmend über ein  gewisses Durcheinander von Plänen, Hauptaufgaben, Nebenaufgaben,  politischen und organisatorischen Aufgaben.

So gab es Fragen über das Verhältnis von Theorie und Praxis,  über den Stand der Parteientwicklung, das Verhältnis des  Parteiaufbaus zur Entwicklung des Klassenkampfes, den  Unterschied zwischen Agitation und Propaganda und vieles  mehr. Desgleichen gab es verschiedene Auffassungen in der  Frage der Bewertung des bisherigen Parteiaufbaus, in der  Frage der Erfolge und Misserfolge unserer bisherigen Arbeit.  Die Ursachen für dieses Durcheinander lagen weniger in  der politischen Linie der Partei, als vielmehr in der Unklarheit darüber,  mit welchen Kräften die Partei selbst ausgestattet war, in welchem  Stadium ihrer Entwicklung sie war, denn außer der Entwicklung der  Klassenkämpfe ist auch die Entwicklung der Partei für die  Form des Eingreifens der Partei in die Klassenkämpfe von  entscheidender Bedeutung ... Im Mittelpunkt dieser operativen  Kontrolle stand die praktische Korrektur der Planlosigkeit des  Parteiaufbaus in allen LV; eine Überwindung der Zufälligkeiten  der Kräfteverteilung. Überall wurden Schwerpunkte gesetzt, Kader verlegt usw. Darüber hinaus enthüllte die BuKo zahlreiche  Unklarheiten in der Partei über politische und organisatorische  Einzelfragen, ein allgemein relativ niedriges Niveau, einen  gewissen Mangel an innerparteilicher Diskussion. Insbesondere  wurde klar, dass die Genossen noch nicht genügend darauf  vorbereitet waren, sich in ihrer Arbeit auf den bewussten  Übergang zur Gewinnung der fortgeschrittenen Arbeiter für  die Partei auszurichten ... Das ZB zog daraus den Schluss,  dass eine grundsätzliche Bestimmung des Entwicklungsstandes  und der weiteren Perspektive des Parteiaufbaus auf  wissenschaftlicher Grundlage nötig war.“ (10)

Die „Untersuchung der Parteikräfte“, die alles umfassend  (er-)klären sollte, war so etwas wie ein audiovisueller Marktführer; denn hier manifestierte sich die Ideologie eines  Wirrwarrs von allen möglichen Kampfschauplätzen, die stets mit Bildern der Zukunft verbunden waren, die getestet und  abgeschmeckt im totalen Verdauungsapparat des  Parteiarbeiters zu bestehen hatten. Die BuKo hatte zum Vorschein gebracht, dass Anspruch und Wirklichkeit auseinander klafften, dass die gestellten  Aufgaben an die Organisation im wesentlichen nicht  erfüllt wurden, was das Organisationsbüro noch untertrieben  mit „relativ niedriges Niveau“ bezeichnete. Und das „Eingreifen der Partei in die Klassenkämpfe“ hatte nicht stattgefunden. Es sei denn, man nahm das massenweise Verteilen von Flugblättern und Betriebszeitungen  zum Maßstab. Auch wenn das konzediert werden sollte, blieb immer noch der Versuch der „praktischen Korrektur der Planlosigkeit“.

Hier sollte nun eine erneute antifaschistische Demonstration  den Umbruch bringen.

Die erste offizielle Verlautbarung zur Organisierung einer  solchen Demonstration kam aus (West) Berlin. In der Nr. 6/1971 der Zeitschrift „Schwartzkopff-Hammer“ (Zeitung der Betriebsgruppe Schwartzkopff der KPD/ML-ZB) aus dem Januar wurde dazu aufgerufen, an einer „zentralen  Demonstration der KPD/ML-ZB und des KJVD gegen die  Nazis am 17.1.1971 in Dortmund“ teilzunehmen. (11) Diese Meldung verbreitete auch die Nr. 1/1971 des internen  Organs des Landesverbandes Hessen der KPD/ML-ZB „Parteiarbeit in Hessen“. Dort berichteten auch die  Ortsgruppen Wetzlar der KPD/ML-ZB und des KJVD sowie der Stützpunkt Marburg über ein Bündnisangebot zur  Dortmunder Demonstration an die KPD/ML-ZK. (12)  Auch in Bensheim versuchten KPD/ML-ZB und KJVD die Einheitsfront zu schmieden.  In der Nr. 1/1971 ihres „Roten Siemens Arbeiters“ agitierten sie gegen die Nazis in Würzburg und Bonn. (13)  Das tat auch die KPD/ML-ZK, die sich noch zusätzlich mit einem bundesweiten Flugblatt Anfang Januar bemerkbar machte. In einem Flugblatt ihrer Ortsgruppe Dortmund rief sie zu einer einheitlichen“ bundesweiten Antifaschistischen Demonstration  der KPD/ML-ZB am 17.1. in Dortmund“ auf. (14)

Eine antifaschistische Demonstration fand in Nordrhein-Westfalen vor der eigentlichen Aktion in Dortmund zwischen dem  2. und 7. Januar bereits in Münster statt. Laut KPD/ML-ZB und KJVD veranstalteten deren Ortsgruppen zusammen „mit dem CETE (Komitee spanischer Arbeiter und  Studenten), DKP, SDAJ und AMS Spartakus eine antifaschistische  Demonstration“. (15) Jusos, Falken und andere marxistisch-leninistische Organisationen beteiligten sich nach diesen Angaben nicht an der Demonstration. Der antifaschistische Kampf konnte nicht von vornherein auf  eine gewaltige Unterstützung im antifaschistischen Lager hoffen. Die Gräben waren trotz der Tatsache, dass es sich beim  Faschismus um einen Wesenszug des Kapitalismus handelte, dem die Stirn geboten werden musste, tief.

Das mussten KPD/ML-ZB und KJVD öfter als ihnen lieb war, erfahren. Die Mannheimer Ortsgruppe der RJ/ML formulierte am  4.1.1971 eine Kritik deren Haltung zum antifaschistischen Kampf:

„Antifaschistischer Kampf und Auseinandersetzung mit anderen  Gruppen DKP-Veranstaltung: Im Rahmen des antifaschistischen  Kampfes des KAB/ML und der RJ(ML) besuchte ein Mitglied  unserer Gruppe eine Veranstaltung der DKP mit dem Thema:  'Darf Mannheim ein zweites Würzburg werden'.

Hier wurde die Gefahr des sich formierenden ultrarechten Blocks um  Strauß, Thadden, Zoglmann und deren SA Aktion Widerstand usw. weitgehend richtig dargelegt. Nur in der  Einschätzung der SPD betrieb der DKP-Sprecher ... wieder einmal  eine halbherzige Politik.

In der Folge wies der Genosse unserer Gruppe nochmals auf  die Gefahr des ultrarechten Blocks hin. Er erklärte dann die  Bereitschaft des KAB(ML) und dessen Jugendorganisation,  der RJ(ML), die antifaschistische Einheitsfront zu schaffen, in  der alle um Frieden, Demokratie und Sozialismus ringenden Kräfte vereinigt sein müssen. Danach wies der Genosse aber auch auf  die Gefahr einer Fehleinschätzung der SPD-Regierung hin und  entlarvte die SPD als eine durch und durch imperialistische und  sozialreaktionäre Partei, die vor allen Dingen mit den Mitteln  des Betrugs versucht die Arbeiterklasse zu hintergehen und zu spalten. Auf diese Erklärung hin spendeten die ca. 60 Anwesenden,  meist alte antifaschistische Kämpfer ... In der Auseinandersetzung  mit der trotzkistischen RKJ und der ultralinken Politik des KJVD  festigte sich die Gruppe und konnte ihre Positionen als die  richtigen erkennen ... Kurz vor Weihnachten wurden wir über  einen Genossen, der in der BASF arbeitet, zu einem Kontaktgespräch  mit einer Wormser Gruppe eingeladen.

Die Gruppe, die aus ca. 20 Schülern und Jungarbeitern besteht  (darunter zwei ehemalige KJVD-Mitglieder (Jugendorganisation der  KPD/ML-ZB, d. Vf.), die jedoch aus dem KJVD wegen dessen  ultralinker Politik ausgetreten sind, will mit uns weiterhin Kontakte  aufrechterhalten. Hierbei wurden wir auch zu einem  Faschismus-Seminar eingeladen. Nach dem Gespräch haben  wir einige REBELL und ROTE FAHNE verkauft.“ (16)

Die so bezeichnete „ultralinke Politik“ im antifaschistischen  Kampf konnte und musste das ZB zurückweisen. Am 6.1. erschien deshalb das lange erwartete „Rundschreiben des ZB der KPD/ML an alle Leitungen, Gruppen und Zellen“ im „Parteiarbeiter“ und im „KND“. Es trug den Titel: „Das Anwachsen der Reaktion und unser Kampf gegen die Sozialdemokratie.“  U. a. wurde ausgeführt:

„Am 17. Januar wird die Partei und der KJVD anlässlich der  Reichsgründung 1871 eine antifaschistische Demonstration in  Bonn durchführen. Die Faschisten planen am selben Tag eine  freche Provokation der werktätigen Massen.

Im Geiste des reaktionären Preußentums und des Hitlerfaschismus  wollen sie für ihre chauvinistische Politik, für ihre Eroberungspläne  und gegen die Arbeiterklasse demonstrieren ... Das Anwachsen  der faschistischen Bewegung stellt uns natürlich vor neue Aufgaben.  Die Sozialdemokratie, die nach wie vor die soziale Hauptstütze der Bourgeoisie ist, muss nun von einer neuen Seite her bekämpft  werden: Nun muss immer mehr der Charakter der Sozialdemokratie als Steigbügelhalter des Faschismus enthüllt werden und die objektive  und subjektive Zusammenarbeit zwischen Sozialdemokratie und  Faschismus muss angeprangert werden.

Trotzdem bleibt die Sozialdemokratie solange die soziale  Hauptstütze der Bourgeoisie, wie sie der Monopolbourgeoisie eine  soziale Massenbasis verschaffen kann. D. h. solange die Massen  noch nicht revolutioniert worden sind; solange die Monopolbourgeoisie in  sich nicht äußerst zerstritten ist und die Arbeiterklasse noch mit  parlamentarischen Mitteln niederhalten kann; solange wie die Krise  sich nicht aufs äußerste verschärft - solange wird die Sozialdemokratie  die soziale Hauptstütze der Bourgeoisie bleiben. Für unseren Kampf bedeutet das: Weiterhin den Hauptschlag gegen die  Sozialdemokratie richten, aber große Wachsamkeit gegenüber der  wachsenden Reaktion walten lassen.

Warum haben die Faschisten den 100. Jahrestag der Gründung  des Deutschen Reiches zum Anlass genommen, ihre Revanchepolitik  und ihr Kriegsgeschrei zu propagieren?

Die deutsche Reichsgründung war eine nationale Einigung von  oben. Nachdem die 48ger Revolution gescheitert war und deshalb kein demokratisches, einheitliches Deutschland entstand, sondern ein  zersplittertes, unter der Vorherrschaft des reaktionären Preußentums  stehendes Kaiserreich, wurde 1871 das deutsche Reich unter  Ausschluss, ja gegen Österreich geschaffen. Die Reichsgründung  hatte zur Folge, dass sich eine Verpreußung Deutschlands vollzog.  Nicht etwa der fortschrittliche Geist des revolutionären Bürgertums, sondern der Geist der reaktionären Junker beherrschte das  Deutsche Reich.

Durch das sogenannte Bauernlegen, das Freikaufen der Bauern  von den Fron- und Spanndiensten, hatten sich die Junker  ungeheuer bereichert. Sie wurden immer mehr zu industriellen  Kapitalisten.

Die Verschmelzung des feudalen Junkertums mit dem  Industriekapital und schließlich dem Monopolkapital macht den  besonders reaktionären und chauvinistischen Charakter der  deutschen Monopolbourgeoisie aus. Der Einfluss des reaktionären  Preußentums war die Grundlage für die Entstehung des  Hitlerfaschismus. Der Hitlerfaschismus vollendete die  reaktionäre Junkerherrschaft.

Heute sind diese Kräfte durch die Durchführung der antifaschistisch- demokratischen Revolution in der DDR stark geschwächt.  Auch der breite antifaschistische Kampf der Massen in der heutigen  Bundesrepublik trug dazu bei, zumindest teilweise dieses  reaktionäre Preußentum zu schwächen und stärkere Elemente  der bürgerlichen Demokratie zu erzwingen. Trotzdem bleibt der  Einfluss des Junkertums äußerst groß. Das rheinisch-westfälische Finanzkapital war seit jeher Förderer der Reaktion und hat auch  heute noch den herrschenden Einfluss auf den Staatsapparat. Es  beschleunigt die faschistische Entwicklung. Das rheinisch-westfälische  Finanzkapital hat den rheinischen Katholizismus, die  Adenauer-Regierung seit Kriegsende mit der Durchführung einer  reaktionären Politik beauftragt. Die Sozialdemokratie bildete und  bildet heute noch einen Block mit der Reaktion. Die Sozialdemokratie  ist Vorbereiter der faschistischen Bewegung und bereitet nach  innen und nach außen die Politik des Faschismus vor. Das ist natürlich auch ein Zeichen der Schwäche der Bourgeoisie, weil sie mit solchen komplizierten Mitteln, einem Zickzackkurs  zwischen sozialer Demagogie und Vorbereitung des Terrors gegen die Arbeiterklasse, ihre Herrschaft ausüben muss.

Für uns ist von Bedeutung festzuhalten, dass die relative  Schwäche der faschistischen Bewegung noch einmal die  Notwendigkeit des verschärften Kampfes gegen die Wegbereiter des Faschismus, die rechten  Führer der Sozialdemokratie, klar macht. Dabei sind zwei Fragen  besonders wichtig: Zum einen ist das der Beginn einer zyklischen  Krise und der Versuch der Bourgeoisie, die Folgen der Krise auf die  Arbeiterklasse abzuwälzen. Zum anderen ist es der politische Angriff  auf die Arbeiterklasse, die zunehmende faschistische Verwaltung  der Arbeiterklasse und die imperialistische Politik nach außen. Beides führt die Sozialdemokratie durch. Für die Demonstration  am 17. Januar müssen wir vor allem die 'neue' Ostpolitik scharf  angreifen als Versuch, die DDR einzukreisen und sich 'Lebensraum'  im Osten zu verschaffen. Solch eine Politik MUSS zum Krieg führen. Die Faschisten stehen bereit, um diesen Krieg zu führen. Nicht  umsonst feiern sie das chauvinistische Preußentum. Dass die rechten sozialdemokratischen Führer diese Eroberungspolitik vorbereiten,  darf uns nicht davon abhalten, den antifaschistischen Kampf  konsequent zu führen. Der Kampf gegen die Reaktion ist der  Prüfstein für die fortschrittlichen oder reaktionären Teile der Sozialdemokratie. Dort stellt sich die Frage, ob sie bereit  sind, den ärgsten Feind der Arbeiterklasse, den Faschismus zu  bekämpfen oder nicht.

Am 17.1. müssen wir deshalb zeigen, dass nur die Kommunisten  wirklich den Faschismus bekämpfen können.

Die Sozialdemokratie ist heute die soziale Hauptstütze der Monopolbourgeoisie. Sie ermöglicht es dem Finanzkapital, trotz  seiner ökonomischen, sozialen und politischen Schwächung die  Vorbereitungen für eine 'vorbeugende' Konterrevolution, für den  faschistischen Ausweg aus der Krise zu treffen.

Die Sozialdemokratie führt die Faschisierung des imperialistischen Staatsapparates durch und betätigt sich als aktiver Vorbereiter des Faschismus, als Steigbügelhalter und Wegbereiter der faschistischen Herrschaft, als gemäßigter Flügel des Faschismus.

Das zeigt ganz deutlich, dass unser heutiger Kampf gegen die  SPD aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen und politischen Lage  auch einen antifaschistischen Charakter hat; nämlich aus dem  Grunde, weil die SPD an der Regierung den Faschismus vorbereitet, der faschistischen Massenbewegung Tür und Tor öffnet, der  Kampforganisation der Bourgeoisie nicht entgegensetzt (im Gegenteil) und die Angriffe auf die Lage und die revolutionären Organisationen der Arbeiterklasse verstärkt.

Aus diesem Grund ist der antifaschistische Kampf ein fester  und untrennbarer Bestandteil des Kampfes gegen die  Sozialdemokratie. GERADE antifaschistische Aktionen, in denen  die Partei sich mit den breitesten Massen der Arbeiterklasse und  den werktätigen Schichten gegen den Faschismus zusammenschließt, geben uns die Möglichkeit, auf die Rolle und die Bedeutung der sozialdemokratischen Regierung in ihren eigentlichen Sinn  hinzuweisen.

Gerade antifaschistische Aktionen geben uns die Möglichkeit, den SOZIALFASCHISTISCHEN Charakter der Sozialdemokratie den Massen klarmachen.

Gerade in diesem Kampf muss die Sozialdemokratie sich als das  entlarven, was sie in Wirklichkeit ist: 'Der Steigbügelhalter des  Faschismus ... Deshalb habe die Demonstration ausschließlich  propagandistische Aufgaben.

Sie soll allgemein die faschistische Gefahr aufzeigen und zeigen,  dass die Sozialdemokratie sich als Steigbügelhalter des Faschismus  betätigt. Der Schwerpunkt unserer Agitprop wird auf dem Kampf  gegen die imperialistische Politik der Reaktion und der Sozialdemokratie  liegen. Natürlich werden wir auch die gemeinsamen Bestrebungen von Sozialdemokratie und Reaktion anprangern, die Arbeiterklasse zu  knebeln. Unser organisatorisches Ziel besteht darin, unseren  Einfluss auf die sozialdemokratischen und revisionistischen Arbeiter  auszudehnen. Dazu ist die unermüdliche Agitation während der  Demonstration nötig.“ (17)

Man musste nach dieser Erklärung des ZB eher den  Eindruck bekommen, dass es ihm um einen Schlag gegen  die Sozialdemokratie ging, und dass die Speerspitze  nicht gegen die anstürmenden Neonazismus gerichtet ist. Denn was hieß „wirklich den Faschismus“ bekämpfen, wenn  in einem Atemzug die „Sozialdemokratie heute als die soziale  Hauptstütze der Monopolbourgeoisie“ genannt wurde? Nur sie, schrieb das ZB, ermöglicht „es dem Finanzkapital, trotz  seiner ökonomischen, sozialen und politischen Schwächung die  Vorbereitungen für eine 'vorbeugende' Konterrevolution, für den  faschistischen Ausweg aus der Krise zu treffen“.

Und noch einmal deutlicher: „Die Sozialdemokratie führt die Faschisierung des imperialistischen Staatsapparates durch und betätigt sich als aktiver Vorbereiter des Faschismus, als Steigbügelhalter und Wegbereiter der faschistischen Herrschaft, als gemäßigter Flügel des Faschismus.“

Bei diesem Wirrwarr war nun nicht mehr klar, was die besonderen Merkmale des Faschismus sind; denn auch er bediente sich ja einer  Massenbewegung, die eine soziale Komponente hatte.

Dass der antifaschistische Kampf ein Kampf gegen die  Sozialdemokratie sein musste, gehörte mit zu jener kruden  marxistisch-leninistischen Politik, für die das ZB zu Beginn der  70er Jahre stand. „Aus diesem Grund ist der antifaschistische Kampf ein fester  und untrennbarer Bestandteil des Kampfes gegen die  Sozialdemokratie“.

Deshalb war der Aufruf für die Demonstration eher dazu geeignet, der Sozialdemokratie, um es im ZB-Jargon auszudrücken,  „Schläge zu versetzen“. „Gerade antifaschistische Aktionen geben uns die Möglichkeit,  den SOZIALFASCHISTISCHEN Charakter der Sozialdemokratie  den Massen klarmachen.“

Die antifaschistische Aktion war hier nur noch Vorwand. Das  Feindbild sah klar die Sozialdemokratie vor. Sie trug die Schuld für die Misere der Geschichte, und sie war es, die trotz gegenteiliger Beteuerung die Arbeiterklasse in die  Irre führte. Praktisch im gleichem Atemzug korrigierte sie ihren hier  gemachten Fehler, indem es erklärte:

„Der antifaschistische Kampf ist natürlich in der Hauptsache  ein Kampf gegen die faschistische Gefahr und nicht gegen die  Sozialdemokratie. Aber dieser Kampf ist dem Kampf für  die proletarische Diktatur untergeordnet, der antifaschistische  Kampf ist in der heutigen Situation ein Mittel des Kampfes gegen die Sozialdemokratie und nicht der Einheit mit ihr.“ (18)

Mit diesen Widersprüchen konnte man natürlich auch  keine begründete Politik machen.

Erschwert wurde diese noch, durch eine ungewöhnliche Parteinahme für die DDR, die der „Roter Morgen“ in einem  späteren Artikel mit „Der revisionistische Wurm des Zentralbüros“ geißelte.

„Heute sind diese Kräfte durch die Durchführung der  antifaschistisch-demokratischen Revolution in der DDR stark  geschwächt.. Für die Demonstration am 17. Januar müssen  wir vor allem die 'neue' Ostpolitik scharf angreifen als Versuch,  die DDR einzukreisen und sich 'Lebensraum' im Osten zu  verschaffen.“

Dass das ZB offenbar in völliger Unkenntnis der Geschichte  auf eine „antifaschistisch-demokratische Revolution“ insistierte, die, wie es im „Bolschewik“ hieß „nachgeholt“ werden müsse, zeugte von einem sektiererischen Denken und kann durchaus als national politische motiviert  bezeichnet werden; denn gleichzeitig ging es auch um den  Versuch, „die DDR einzukreisen“. Beides entsprach der „neuen Ostpolitik“ der Sozialdemokratie, und der spätere Kampf gegen NAR hatte den Bezug auch hierzu.  Mit diesen Zeilen verstand es das ZB, einige Kernpunkte  der nationale Frage, die später ausführlicher als  Parteilinie verbreitet werden sollte, anzureißen. (19)

Am 9.1.1971 berichtete die KPD/ML-ZB über die „Förderung faschistischer' Organisationen durch die Bundesregierung“. Zitiert wurde aus einem Aufsatz von Albert Karl SIMON, der in der „Nationalzeitung“ schrieb:

„Trotz Untergang des Bismarckreiches sind aber die  Heimatvertriebenen geblieben. Sie repräsentieren durch ihre  Landsmannschaften jetzt neben Westdeutschland,  Mitteldeutschland und Österreich das vierte Deutschland und stehen zu Beginn des Jahres 1971 vor der Schicksalsfrage,  ob für sie die Verzichts- und Anerkennungspolitik der drei  deutschen Regierungen bindend ist, das heißt, ob dieser  Staatspolitik auch die Verzichts- und Anerkennungspolitik der  Landsmannschaften geschichtslogisch folgen muss.  Diese entscheidende Frage ist für die deutschen  Heimatvertriebenen die Grundlage für ein Programm in den  siebziger Jahren, für die Zeit ab 18. Januar 1971 ... Die  Bundesregierung kann verzichten ... ; dieser Verzicht ist aber  für die Landsmannschaften nicht bindend, er ist dann geradezu  ihr revolutionäres Programm in den siebziger Jahren!“ (20)

Diese Organisationen „unterstützt die SPD-Regierung“ meinte das ZB. Und weiter: „Die rechten SPD-Führer sind Steigbügelhalter des  Faschismus.“ (21)

Der bekannte Ton gegen die SPD-Führer setzte sich  im „KND“ weiter fort. Am selben Tag (9.1.) erschien  die Nr. 2/1971. Der Leitartikel lautete „Arbeitereinheit gegen Faschismus“. Zitiert wurde dort eine längere Passage aus einem  Rundschreiben der Zentrale zur „antifaschistischen  Demonstration“. Danach sei die Politik der SPD von einem  „aggressiven, revanchistischen Charakter“ geprägt. (22) Die schon klassischen Formulierungen gegen die  Sozialdemokratie bestimmten auch die zweite  Landesdelegiertenkonferenz NRW des KJVD, die am  9.1. in Bochum stattfand. (23)

In einem Extrablatt vom 11.1. „Arbeitereinheit gegen  Faschismus“ berichtete das ZB in der „Roten Fahne“  über Nazi-Aktivitäten in NRW, Gummersbach, Berlin, Hamburg, in Bayern, Augsburg, Rheinland-Pfalz, Speyer. Im Leitartikel „Was wollen die Faschisten“ wurde u. a.  ausgeführt:

„Sollen wir tatenlos zusehen, wie die Faschisten sich  organisieren, um uns wieder in den Krieg zu schicken?  Kämpfen wir gegen die Faschisten, wenn ... sie beginnen,  uns wieder in den Krieg zu schicken, wenn sie heute nach mehr Lebensraum schreien. Kämpfen wir gegen die  Aufrüstungspolitik der SPD-Führer, die den Faschisten Waffen  liefern, mit denen die Völker Europas wieder geknebelt werden  sollen. Kämpfen wir gegen die SPD-Führer, die die Faschisten  wüten lassen und nichts gegen sie unternehmen! Zeigen wir den Faschisten, dass wir nicht bereit sind, uns auf ihren Befehl  in den Krieg schicken zu lassen! Kampf der Kriegstreiberei der  Faschisten!“ (24)

Unter den organisierten Faschisten in der BRD verstand die KPD/ML-ZB „all diejenigen Gruppen, die sich innerhalb  und außerhalb der Aktion Widerstand zusammengefunden haben“. (25)

Das waren damals:

In einem weiteren Artikel: „Die Nazi-Gefahr wächst!“ wurde ausgeführt:

„Die aufkommende Gefahr der neuen Nazis darf nicht  unterschätzt werden. Wir müssen verhindern, dass  die neuen Nazis wieder an die Macht kommen. Deshalb müssen wir schon jetzt den Kampf aufnehmen. Wir müssen  uns gegen sie wehren, damit es nicht, wie bei Hitler eines  Tages zu spät sein wird. Die KPD/ML hat schon beim  Sternmarsch der Faschisten am 12. Dezember in Bonn bewiesen, dass sie konsequent gegen die Faschisten kämpft.  In Bonn gelang es auch, eine breite antifaschistische Demonstration  der sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeiter gegen  den Sternmarsch der Aktion Widerstand zu bilden.

Das muss sich vom 16. bis 18. Januar wiederholen. Die Lehren  aus der Geschichte der Arbeiterbewegung zeigen, dass die Faschisten nur konsequent durch eine kommunistische  Partei bekämpft werden.“ (26)

Der Kampf gegen die Nazi-Gefahr war hier eine Frage der Moralität geworden. „Wir müssen verhindern, dass  die neuen Nazis wieder an die Macht kommen“, schrieb das ZB vollmundig. Antikapitalistisch, antiimperialistisch und antifaschistisch sollte die Politik gegen die alten und die neuen Nazis sein. Doch eine antifaschistische Perspektive wurde nicht  entwickelt. Man müsse nur zusehen, „damit es nicht, wie bei  Hitler eines Tages zu spät sein wird“.

Das war eine erstaunliche Formulierung. Sie war äußerst pauschal zugespitzt und verlieh dem Kampf gegen den  Faschismus eine Radikalität, die assoziierte, dass mit der Beseitigung von Naziführern auch automatisch der  Faschismus von der Bildoberfläche verschwinden würde. HITLER und Faschismus, so richtig das war, so falsch  war es auch. Hätte das Zentralbüro aufmerksam „Mein Kampf“ gelesen, dann wäre es auf eine Formulierung gestoßen, die spiegelbildlich den Drang des Nationalsozialismus nach Weltherrschaft zum Ausdruck  brachte: „Wer den Nationalsozialismus nur als politische  Bewegung versteht, weiß fast nichts von  ihm.“ (Adolf HITLER). Mit der Zuspitzung auf die Person  Adolf HITLER, wurde der Begriff des Faschismus eigentlich  banalisiert, geschichtlich nicht hinterfragt und war von leeren  Floskeln begleitet.

Im Zusammenhang mit dem Kampf gegen die Sozialdemokratie war Kampf gegen die neuen und die alten Nazis mit einer Verbalradikalität gleichzusetzen, die bei aller Schärfe in den Formulierungen des ZB, die singulären  Verbrechen des Imperialismus nicht deutlich aufzeigte  und sie mehr als Frustration und bedeutungslose Kampfansage  verstand.

Die praktischen Aktionen überlagerten diese theoretischen Defizite. Man bekam den Eindruck, dass zur eigentlichen Praxis (das ZB war ja primär eine Praxisorganisation) nur  immer ein Teil der marxistischen Theorie hinzugezogen  wurde, die momentan am gebräuchlichsten erschien. Meistens gab es dazu ein Rundschreiben der verschiedenen Abteilungen, einen Artikel in der „Roten Fahne“, im „Kampf der  Arbeiterjugend“, in einer Betriebszeitung, dem „KND“ oder den  zentralen Flugblättern. Im „Parteiarbeiter“ oder im „Bolschewik“ ging es nur noch  um die theoretische Abgleichung der praktischen Parteilinie. Aber auch diejenigen wurden zur Unterstützung herangekarrt, die irgendwie und irgendwo eine weitläufige Position  zu irgendeinem Ereignis, dass mit der Kritik am damaligen Bonner Staat verknüpft erschien, hatten.

So z. B. hier der DGB in Konstanz, von dem das ZB meinte, er würde ihre bundesweite Demonstration am 17.1.  unterstützen. Im „KND“ ließ man am 16.1. verlauten, dass am 11.1. der DGB in Konstanz meinte, dass das GEWERKSCHAFTSKARTELL  KONSTANZ nach dem Gespräch mit der örtlichen Parteileitung unter seinen Mitgliedern „die Teilnahme an der Demonstration mit  der KPD/ML zusagte“ und außerdem, dass man mit „technische Unterstützung“ rechnen könne. Der „KND“ formulierte dazu: „Das beweist wieder einmal, dass wir die Widersprüche zwischen  Führung und Mitgliedschaft gerade auf unterster Ebene erfolgreich  ausnutzen können.“ (27)

Mit der Agitation und Propaganda zum 17.1. ging es nun steil  nach oben. Zum 11.1. erschien in NRW ein zentrales Flugblatt, dass nach  Auskunft des „KND“ vor allen NRW-Betrieben verteilt wurde. Unter der Überschrift: „Die Nazi-Gefahr wächst“, war zu lesen.

„Erst war es Würzburg; Essen und Bonn folgten.

Jetzt wollen die neuen Nazis in vielen Städten der Gründung  des Deutschen Reiches gedenken; in Hannover will ein Teil  von ihnen eine neue Partei, die Deutsche Union (DU, d. Vf.),  gründen.

Noch sind sich die Faschisten nicht einig. Noch streiten sich  von Thadden und Strauß um die Führung der verschiedenen  Gruppen. Noch unterstützen die Monopolherren die neuen Nazis  nicht vorbehaltlos.

Doch in ihren Zielen sind sie sich einig. Sie wollen das  Großdeutsche Reich Hitlers zurückerobern. Sie wollen mit  Waffengewalt den Herren Flick, Abs, Thyssen, Krupp und  Co. neue Absatzmärkte erobern, sie wollen im Sold dieser Herren die Völker Osteuropas ausplündern.

Gegenwärtig dient die SPD den Monopolherren noch besser.  Im Bund mit den neuen Zaren in Moskau (SU, d. Vf.) öffnet sie  die osteuropäischen Märkte für Flick, Thyssen und Co.

Gleichzeitig rüstet sie wild auf und schanzt den Rüstungsbossen  dicke Rüstungsaufträge zu. Die Faschisten wollen ernten, was die SPD-Regierung jetzt sät. Sie wollen die Arbeiterklasse  abschlachten für die Profite einiger Monopolherren.

Sie wollen KRIEG!

Manchmal sagen die Faschisten auch, sie seien für  die Arbeiter. Manchmal reden auch sie von Sozialismus. Doch ihre Taten beweisen, dass sie lügen. Sie hassen die  Arbeiterklasse. Im Dezember übten sie Terroranschläge gegen Gewerkschaftshäuser, marxistische Buchländen und  kommunistische Büros.

Sie wissen, die vereinte Arbeiterklasse unter Führung  einer starken kommunistischen Partei kann ihre Machtübernahme  verhindern.

Sind die Faschisten an der Macht, wollen sie vom Sozialismus  nichts mehr hören. Dann heißt es nur noch: Lohnstopp,  Zwangssparen, Verbot der Gewerkschaften, Zwangsarbeit,  erbarmungsloser Kampf gegen alle Antifaschisten und Demokraten, gegen Gewerkschaftler, Sozialdemokraten  und Kommunisten; Folterungen, KZs und Mord stehen dann auf  der Tagesordnung.

Auch viele Sozialdemokraten werden dann verfolgt. Gegen  Hitler und seine Banden haben sie an der Seite der  Kommunisten gekämpft. Zusammen mit den Kommunisten  wurden sie in die KZs gesteckt und umgebracht. Auch heute sind viele Sozialdemokraten bereit, gegen die neuen Nazis zu  kämpfen. Am 12.12. in Bonn demonstrierten sie zusammen mit  uns Kommunisten gegen die 'Aktion Widerstand' (AW, d. Vf.), die  neue faschistische Sammelbewegung. Doch die SPD-Führer  betrügen sie und die ganze Arbeiterklasse. Sie tun gegen die neuen Nazis nichts. Im Gegenteil, sie arbeiten den Faschisten in die  Hände, sie bereiten ihre Machtübernahme aktiv vor. Im Bund mit der CDU/CSU verboten die SPD-Führer die  KPD, beschlossen sie die Notstandsgesetze (NSG, d. Vf.). Als Regierungspartei bildet die SPD die Bundeswehr und den  Bundesgrenzschutz (BGS, d. Vf.) zum Einsatz gegen streikende  Arbeiter aus, führt sie mit der 10% Lohnraubsteuer das  Zwangssparen wieder ein, setzt sie Lohnleitlinien fest, die dem faschistischen Lohnstop nahe kommen, legt sie  die Gewerkschaften an die Leine der Kapitalisten, so in der  konzertierten Aktion und im neuen BVG!

Arbeiter!

Die Faschisten sind noch schwach, doch sie sammeln sich, sie schließen sich fester zusammen und die SPD-Führung  arbeitet ihnen jetzt in die Hände!

Jetzt schon müssen wir die neuen Nazis bekämpfen!

Die deutsche Geschichte lehrt, dass nur die geeinte  Arbeiterklasse die Faschisten schlagen kann, dass nur eine  starke kommunistische Partei den Kampf konsequent führen kann. Die KPD/ML veranstaltet diesen Sonntag, den 17.1. in Dortmund eine antifaschistische Demonstration und Kundgebung.

HERAUS ZUR ANTIFASCHISTISCHEN DEMONSTRATION!

BEGINN DER DEMONSTRATION, DORTMUND, WESTPARK, 13 UHR! BEGINN DER KUNDGEBUNG:  DORTMUND, OSTERMÄRSCH ECKE HEROLDSTRASSE, 15 Uhr 30!

KAMPF DER AUFKOMMENDEN GEFAHR DER NEUEN NAZIS!

KAMPF DEN WEGBEREITERN DES FASCHISMUS, DEN SPD-FÜHRERN!

ORGANISIERT EUCH IN DEN BETRIEBSGRUPPEN DER KPD/ML!

ARBEITEREINHEIT SCHLÄGT FASCHISMUS!“ (28)

Das Flugblatt, dass als „kämpferisch“ in der Partei betrachtet worden  war, brachte als allgemeine Erkenntnis hervor, dass der  Nazi-Gefahr mit einem heroisch geführten Kampf begegnen werden kann: „Die deutsche Geschichte lehrt, dass nur die geeinte  Arbeiterklasse die Faschisten schlagen kann, dass nur eine  starke kommunistische Partei den Kampf konsequent führen kann“, formulierte das ZB.

Im Gestus linksradikaler Überlegenheit war die Perspektive klar: die „starke kommunistische Partei“ spielt hier ihre Überlegenheit aus und die kampfgestählte Festigkeit und Gradlinigkeit der Kommunisten sorgt für die Alternative. Differenzierungen waren nicht mehr nötig. Die Nazis wollen die  „Arbeiterklasse abschlachten“. Mit diesem Rückgriff auf die  Hitlerdiktatur war die Parteilinie auch ausformuliert: wenn es darum  ging, KPD-Politik zu propagieren, so war sie hier in ihren  bizarrsten Formen genannt.

Der „antifaschistische Kampf“ des Zentralbüros war keiner, der als Negation des Krieges begriffen werden konnte, sondern  einer, der als alternatives Projekt begriffen werden musste; denn die Avantgarde wurde hier zum Stellvertreter, die mit Chiffren agierte und die Bühne so betrat, wie sie sie auch später verlassen sollte: als kraftlose Maschine.

Eine „Presserklärung“ vom 13.1. entsprach dann plakativ dieser ideologischen Konfusion:

„HERAUS ZUR ANTIFASCHISTISCHEN MASSENDEMONSTRATION!

Am Sonntag, den 17.1.1971 veranstaltet die Kommunistische Partei Deutschlands/ Marxisten-Leninisten in Dortmund eine zentrale  Demonstration.

Gemeinsam mit ihrer Jugendorganisation, dem Kommunistischen  Jugendverband Deutschlands (KJVD) und anderen demokratischen  Organisationen demonstriert die KPD/ML gegen die wachsende  faschistische Gefahr in der Bundesrepublik.

Unter Führung der NPD haben sich die Faschisten, die tatkräftig  von Strauß (CSU, d. Vf.) gefördert und von den SPD-Führern  geduldet werden, in der Aktion Widerstand (AW, d. Vf.)  zusammengefunden. Ihr erklärtes Ziel ist 'die Gewinnung neuen Lebensraumes' in Osteuropa.

Das würde Krieg bedeuten. Ihr erklärtes Ziel ist weiterhin die  Unterdrückung der Arbeiterorganisationen und die Abschaffung  der demokratischen Rechte der Werktätigen.

Anlässlich des 100. Jahrestags der Deutschen Reichsgründung  wollen die Faschisten am 18.1.1971 ihre Sammlungsbewegung  im Stillen fortsetzen. Alle, die den Faschismus verabscheuen  und bereit sind, für eine wirkliche Herrschaft des Volkes zu kämpfen,  sind dazu aufgerufen, sich an der Demonstration gegen die  faschistische Gefahr zu beteiligen.

Demonstrationsbeginn: Sonntag 13 Uhr Dortmund,  Westpark / Rittershausstraße, Abschlusskundgebung  15 Uhr 30 Heroldstr. / Ecke Oestermarschstraße.“ (29)

Das Resultat der Theorie der „Gewinnung neuen  Lebensraumes in Osteuropa“, was „Krieg bedeuten“ würde, war überspannt. Die neuen Nazis zu Beginn der 70er Jahre waren  gesellschaftspolitisch betrachtet, weit weniger gefährlicher als wie es das ZB glauben machen wollte. Vor allem hatten  sie organisatorisch kaum eine Durchschlagskraft. Zwar sammelten sich zwar überall Nazi-Splittergruppen, doch  man brauchte kein Prophet sein, um festzustellen, dass  ihre individuellen Attentate nicht umstürzlerisch waren und  eine reale Gefahr für den Staat darstellten.

Krieg war ja für K-Gruppen gesetzmäßig. Und dieser  war immer da und wurde auch immer (egal von wem!)  vorbereitet. Entscheidend war die strategische Perspektive: „mit den Kommunisten gegen die Faschisten“. Diese Aussage wurde in das Zentrum der globalen Betrachtung gerückt.  Es kam darauf an, jetzt die antifaschistische Einheitsfront  zu schmieden.

Obwohl das ZB sie als „Revisionisten“ beschimpfte und  bekämpfte, richtete es am 13.1. ein Einheitsfrontangebot für den 17.1. an die DKP.

„Nach Festlegung der Demonstrationsroute in Dortmund rief  das Zentralbüro unter Berufung auf das ... Schreiben am Mittwoch  den Parteivorstand der DKP an.

Nachdem das ZB eine Einschätzung der Lage gegeben hatte  und die Notwendigkeit hervorhob, trotz bzw. gerade wegen des  Stillschweigens der Faschisten eine zentrale antifaschistische  Demonstration aller Kommunisten und Demokraten durchzuführen, sagte der Vertreter des PV, dass sich die  DKP 'nach wie vor' (wir hatten schon mal kurz telefoniert) 'auf  regionale Treffen orientiere.'

Er vertrat die Ansicht, dass ein 'konkreter Anlass' für eine zentrale Demonstration vorhanden sein müsse - und die Faschisten würden  ja nun offensichtlich keine zentrale Aktion durchführen.

Aber es wäre den jeweiligen regionalen Leitungen überlassen,  Bündnisse einzugehen.

'Das Rüsten der Faschisten, die zahlreichen Sammlungsbewegungen,  die verschiedenen Anschläge auf Gewerkschaftshäuser,  die Provokationen in Würzburg, Essen und Bonn' und die verschärften  Erklärungen und immer aggressiveren Veranstaltungen der Faschisten  zum 100. Jahrestag der Reichsgründung - das ist den 'Kommunisten'  von der D'K'P-Führung nicht genügend Anlass dafür, mit einer machtvollen Demonstration auf das Anwachsen der faschistischen  Gefahr hinzuweisen!

Als der Parteivorstand der DKP gefragt wurde, ob er grundsätzlich  dem Leitsatz für Aktionsbündnisse 'Einheit der Aktion - Freiheit der  Losungen' zustimmen würde, meinte der PV-Vertreter: 'Das sehen  wir etwas anders.'

Wie genau, wollte er nicht sagen. Dafür hatte die DKP-Führung  die Frage schon am 12. Dezember in Bonn beantwortet und in  Dortmund hatte sie noch einmal wiederholt: Das muss so laufen, dass man sich vorher zusammensetzt,  einen gemeinsamen Aufruf macht, IN DEN DANN UNBEDINGT  EINE AUFFORDERUNG ZUR RATIFIZIERUNG DER VERTRÄGE GEHÖRT.

Die D'K'P macht deutlich: Sie will die Geschäfte der SPD-Regierung, die diese zur Zeit fürs Monopolkapital betreibt, nicht durcheinanderbringen.“ (30)

Die DKP lehnte diese Angebote natürlich aus den bekannten  Gründen ab, was das ZB als Retourkutsche verstehen sollte; denn in den Publikationen war nun von der „Schande der DKP“ zu lesen, die mit dem „Sozialimperialisten“ und der „SPD-Regierung“ unter einer Decke stecken würde.

Propagandistisch wurde das kategorische Nein der DKP nun bedingungslos ausgeschlachtet. Es folgte eine ganze Artikelserie in der „Roten Fahne“, die gegen die DKP und gegen den „Sozialimperialismus“ gerichtet war, in Betriebszeitungen und in Flugblätter wurde sie angeprangert. Und nicht selten kam es auch zu kleinen  Handgemengen zwischen den beiden verfeindeten  Lagern, wie z. B. beim Roten Punkt in Dortmund im  März 1971.

Niemals gelang es wirklich eine - wie auch immer geartete - Einheitsfront herzustellen. Selbst auf Betriebsebene kam es kaum zu wesentlichen  Bündnissen. Die Methode des ZB konnte hier durchaus als moralische Erpressung interpretiert werden; denn Kommunisten sind  generell gegen die Faschisten. Wenn sie es nicht sind, dann  sind sie halt „Steigbügelhalter“.

So konnte es nicht verwundern, dass ein Artikel im  „KND“ 13/1971 auch lautete: „SPD-Regierung: Steigbügelhalter des Faschismus“. (31) Noch einmal wurde der „Bolschewik“ Nr. 5 mit dem  (er-)schlagenden Titel „Sozialdemokratie - Hauptstütze der  Bourgeoisie“ zitiert, und seine zentrale These, dass sich die  „Sozialdemokratie immer mehr zum Sozialfaschismus“ entwickle mit Beispielen aus der jüngsten Zeit versucht zu  belegen. Es sei die SPD-Regierung, die den „Faschistenverbänden  in der BRD in den Sattel“ helfen würde. Die unsägliche Einheit zwischen SPD und Faschisten war kurz vor der Demonstration innovativ, faszinierend und  kalkuliert.  Die Partei war nun dazu bereit, der SPD mitten ins Herz  zu stoßen. Denn sie war ein Gewächs ohne Treibhaus. Die Anklage lautete: Volksverräter! Sie wirkte endgültig wie Scheidewasser.

Die Metamorphose hatte begonnen. Die launige, verwirrte und staatstreue parlamentarische SPD, die seit jeher  dem bürgerlichen Lager nahe stand, Revolutionen  verraten hatte, nicht experimentierfreudig war, es  tunlichst vermied, es sich mit der Monopolbourgeoisie zu  verderben, wurde nun zu einem Ding, dass bereits mit bloßem Auge zu durchschauen war. Das war die eigentliche Crux. Dieser Schwung musste mitgenommen werden.

Wohl deshalb erschien auch zum 13.1., vom Politbüro der KPD/ML herausgegeben, eine „Erläuterung zum die Demonstration  am 17.1.1971 betreffenden Beschluss des Zentralbüros“. Dort hieß es:

„Welches war der Anlass für den Beschluss, eine  antifaschistische Demonstration am 17. Januar in Bonn  durchzuführen?

Der Anlass war der 100. Jahrestag der Reichsgründung  1871, die einen Sieg des reaktionären Preußentums über  die revolutionären Tendenzen im Bürgertum darstellte.

Der Anlass war die wachsende faschistische Bewegung in  der BRD, die verstärkte Kollaboration der rechten  Sozialdemokraten mit den Faschisten und im besonderen  der neueste Streich der Faschisten, die Ankündigung der  Gründung der Deutschen Union und eines Sternmarsches auf Bonn. Aus diesen Gründen beschloss das ZB, eine Demonstration in  Bonn durchzuführen mit der propagandistischen Aufgabe, die  Massen auf die faschistische Gefahr hinzuweisen.

Mittlerweile wurde bekannt, dass die Demonstration der  Faschisten in Bonn nicht stattfindet, dass die Faschisten  vielmehr eine ganze Reihe von Einzelveranstaltungen  durchführen.

Viele Genossen meinten nun, damit sei der Anlass zu einer  Demonstration nicht mehr vorhanden. Sie sagten, wenn  die Faschisten nicht alle Kräfte mobilisieren, warum sollen  wir es dann tun?

Gehen wir noch einmal die Gründe durch:

Dadurch, dass der Sternmarsch nicht stattfindet, wird die  faschistische Gefahr keineswegs geringer. Die Partei hat  die Aufgabe, auf diese Gefahr hinzuweisen. Warum gerade  am 17. Januar? Weil die Reichsgründung und die damit verbundenen Aktivitäten der Faschisten in der BRD  ein guter Anlass dazu sind. Dass der Sternmarsch auf Bonn  wegfällt, kann für die Partei kein Grund sein, ihren Beschluss grundsätzlich zu ändern, höchstens den Ort der Demonstration,  was ja auch geschehen ist (Dortmund). Das Ziel der Demonstration ist es nie gewesen, eine Konfrontation mit  den Faschisten zu provozieren.

Manche Genossen meinten nun, es würde der 'konkrete  Anlass’ fehlen. Das war auch die Begründung der  D'K'P-Führung, keine gemeinsame zentrale Aktion mit uns durchzuführen. Diese Begründung ist opportunistisch.  Die faschistische Gefahr misst sich nicht an spektakulären  Aktionen. Das Rüsten der Faschisten, die zahlreichen  Sammlungsbewegungen, die verschiedenen Anschläge gegen Gewerkschaftshäuser, die Provokationen in Würzburg, Essen, Bonn und vielen anderen Städten sind genügend  KONKRETER Anlass, den Massen die Gefahr aufzuzeigen - und das ist unsere Aufgabe.

Außerdem konnte das deutsche Volk unter der Herrschaft  des Hitlerfaschismus zahlreiche historische Erfahrungen sammeln, die es für unsere konsequente antifaschistische Politik und  Propaganda empfänglich machen.

Einige Genossen meinten, wir brauchen aus dem Grund  keine Demonstration durchführen, weil die Revisionisten  und Gewerkschaften sich ja nicht beteiligen würden.

Sind wir nun der Kopf oder der Schwanz der Bewegung?  Beteiligen wir uns an antifaschistischen Demonstrationen,  weil wir uns aus irgendwelchen Gründen dazu verpflichtet  fühlen, oder sind wir tatsächlich die konsequentesten Antifaschisten?

Wollen wir das sein, dürfen wir uns nicht scheuen, notfalls  allein gegen die faschistische Gefahr aufzumarschieren,  freilich nicht, ohne den Opportunismus der Revisionisten  und Sozialdemokraten anzuprangern. Nebenbei wäre noch darauf hinzuweisen, dass eine machtvolle Demonstration,  die mit eigenen Kräften organisiert wird, die Reihen der  Partei zusammenschweißt und als ermutigendes Erlebnis  den Schwung und die Kampfkraft der Parteimitglieder erhöht. Heraus zur antifaschistischen Demonstration.“ (32)

Deutlich wurde hier der politische Avantgardismus des Zentralbüros. Alle anderen wollten nicht, aber wir werden das Banner des antifaschistischen Kampfes in die Höhe halten. Das hatte etwas Kathartisches an sich. Und es war symbolisch,  stellvertretend.

Der „konkrete Anlass“ war immer Erbteil des Zentralbüros. Aus der Geschichte geboren, war es der natürliche Wunsch  der Arbeiterklasse „konsequente Antifaschisten“ zu sein. Sollte sie am Ende auf diese Weise entsorgt werden? Denn es ging auch um eine moralische Avantgarde, auch dann, wenn sie mit jenen Theorien schwanger ging, die  in dieser Form als überholt galten. Verbindlich für die Partei war der Hinweis, „dass eine machtvolle  Demonstration, die mit eigenen Kräften organisiert wird,  die Reihen der Partei zusammenschweißt und als  ermutigendes Erlebnis den Schwung und die Kampfkraft  der Parteimitglieder erhöht“.

Diese Rhetorik war krampfhaft darum bemüht, die  Loyalität der Parteimitglieder, Sympathisanten und  JV-Mitglieder festzuschreiben. Und sie war auch  doppeldeutig; denn wenn diese Aktion als „ermutigendes Erlebnis“ bezeichnet worden war, dann war sie nicht  nur legitim, sondern auch notwendig, sagte auch aus,  dass nicht alle Parteimitglieder diese Aktion für richtig hielten. Befürchteten sie doch, dass sich die  KPD/ML-ZB in vielen Aktionen aufrieb, einem hektischen  Aktionismus verfiel, der eher lähmend wirkte. Die Einwände störten das ZB wenig; die Radikalisierung,  die mit diesen Aktionen den Anfang nahm, setzte sich  unvermindert fort: die Revolutionierung der Parteimassen  hatte erst begonnen.

„Heraus zur antifaschistischen Demonstration“ war  bundesweit eine Sammlungsbewegung. In hektischer Atmosphäre sollten Bündnisse geschmiedet werden. Dort, wo man sie nicht herstellen konnte, musste man  so tun und darüber publizieren. Im Kampf gegen die DKP konnte sich so der persönliche Radikalisierungsprozess  erweisen. Das Landessekretariat der KPD/ML-ZB NRW berichtete  am 13.1. davon, dass die DKP/SDAJ Dortmund ihr landesweite Bündnis zur Demonstration abgelehnt habe. Dazu hieß es:

„Die DKP/SDAJ Dortmund, an die sich das LSEK  (Landesekretariat, d. Vf.) der KPD/ML-NRW nach der  Absage des DKP-Parteivorstandes als 'regionales' Büro wandte, lehnte das Bündnisangebot mit folgender  Begründung ab: Den Vertrag (Moskauer Vertrag mit der  SU, d. Vf.) nicht unterstützen, heißt den Faschismus  schützen.

Sie würden sowieso schon ständig das 'Rechtskartell'  bekämpfen, die KPD/ML dagegen aber würde die  Arbeiterklasse spalten durch die Ablehnung der Ostverträge, die der Arbeiterklasse 'viele Vorteile'  bringen.

Was für Vorteile gemeint sind, konnte man schon seit  dem Vertragsabschluß in der UZ lesen: Sicherung der  Vollbeschäftigung durch die Aufträge der Sozialimperialisten  an die westdeutschen Monopole. Diesen 'Vorteil' haben die Kollegen von Mannesmann bereits verspürt: Trotz des  blühenden Ostgeschäftes (Röhrenhandel) setzte Mannesmann  bereits Kollegen an die Luft.

Die totale Abhängigkeit von den Sozialimperialisten in der  Sowjetunion macht die DKP blind vor solchen Tatsachen.  Ihre Parole, wie die aller Revisionisten, lautet:  Unterstützt das 'kleinere Übel', die sozialdemokratischen  Regierungen!

'Wenn man die SPD-Führer angreift, dann fühlt sich jeder   sozialdemokratische Arbeiter getroffen', sagten die DKP-Leute  in Dortmund, 'beim Bündnis mit euch verbauen wir uns den  Weg zu den Sozialdemokraten.'

Das bezeichnet die DKP als taktisches Vorgehen - wir  bezeichnen das als grenzenlosen Opportunismus und  Abgehen von der kommunistischen Taktik und den Zielen des Kommunismus.“ (33)

Die Kritik an der DKP, so berechtigt und richtig sie war, offenbarte die zentrale Schwäche des Zentralbüros:  Bündnis fernab aller ideologischen Streitigkeiten  tatsächlich zu erreichen.

„Reform oder Revolution“ war nicht nur der Leitartikel eines gleichlautenden „Roter Morgen“-Artikels aus dieser Zeit. Beides galt auch für den proletarischen  Klassenkampf. Mit dieser eingemotteten Begriffsklaviatur ging das ZB in die Dortmunder antifaschistische  Demonstration. Reform stand für SPD und DKP, Revolution für die  Marxisten-Leninisten, für die KPD/ML.

Insgesamt ging es auch um eine Abrechnung mit dem  bürgerlichen-staatstragenden Parlamentarismus, der  bereits heftig von der Jugend- und Studentenbewegung  attackiert worden war. Das ZB, davon immer  noch nicht losgelöst, prangerte in diesem linksrevolutionären  Sinne alles an, was ihr in die Quere kam: Gewerkschaften, Betriebsräte (34), Parteien, Intellektuelle usw. Kurz: all diejenigen, die sich mit der neuen Situation nicht  anfreunden konnten, wurden mit dem reformistischen, revisionistischen, sozialimperialistischen und  faschistischen Lager identifiziert. Das letztere war bezüglich der Dortmunder Demonstration  dann auch irgendwie eine Notlösung. Das ZB konnte  nicht mehr zurück, zumal auch an anderen Orten bereits die Kampagne gegen die Verräter, die die Sammlungsbewegung  der Faschisten nicht ernst nehmen würden, und die  auf die reformistische Sozialpartnerschaft der SPD und DKP setzen würden, in vollem Gange war.

In diesem Sinne mobilisierte bereits die Freiburger  Ortsgruppe (35) für die zentrale antifaschistische Aktion. Auch sie berichtete wohl von der Gründung der  Deutschen Union, die sich am 16.1. laut „KND“ (36)  konstituieren wolle, und deren Gründung Wasser auf  die Mühlen der Antifaschisten war. Zu dem am 15. 1. stattfindenden Fackelzug der faschistischen  Aktion Widerstand zum 100. Jahrestag der  Reichsgründung fand vermutlich in Freiburg eine  Gegendemonstration statt, bei der laut „KND“ „die Faschisten  antifaschistische Demonstranten, darunter auch den Freiburger  DGB-Chef Jorzig“ verprügelten. (37)

Als sich am 16.1. die Bundesversammlung der NLA traf, um  über Programm, Satzung und offiziellen Gründungstermin  der DU zu beraten, war das für das ZB einen Tag vor  der Dortmunder Demonstration eine Provokation sonders gleichen. Diese „faschistische Gefahr muss von Anfang an entschlossen  bekämpft werden. Jetzt müssen sich Arbeiter und  Arbeiterjugend organisieren, um gegen die  Faschisten, gegen ihre Helfershelfer, die SPD-Führer“ zu kämpfen, schrieb der KDAJ. (38)

Im „KND“ las sich die dramatische Gründung so:

„Am 16.1. fand die erste Bundesversammlung der  NLA statt, auf der über Programm, Satzung und offiziellen  Gründungstermin der DU beraten werden sollte ... Die  Notwendigkeit der Parteigründung ergibt sich für die  NLA-Führer aus den Widersprüchen in der BRD: Die gegenwärtige politische Lage, erklärte Homeier  (ehemals Vize-Vorsitzender der FDP Niedersachsen und  Bundesgeschäftsführer des Bundes der Vertriebenen (BdV, d. Vf.), die durch zunehmende Unsicherheit der  Bevölkerung, insbesondere wegen der Entwicklung in der  Deutschland- und Wirtschaftspolitik, gekennzeichnet sei,  lasse ebenfalls einen nahen Zeitpunkt für die Gründung günstig erscheinen.

Neben der neuen Partei soll die NLA (mit inzwischen rund  4 000 Mitgliedern) als überparteiliche Gemeinschaft  'nationalfreiheitlicher Menschen' in der Bundesrepublik bestehen  bleiben, also als Sammelbewegung für die DU. Die Deutsche Union ist inzwischen formell schon  gegründet worden: Das gab Zoglmann am Samstag  bekannt ... Bundesvorsitzender ist der Justitiar beim  niedersächsischen Landesverwaltungsamt, Trittel. Trittel  war früher Vorsitzender der 'Nationalen Arbeiterpartei' (!)  (NAP, d. Vf.), deren Mitgliedschaft er vor vier Jahren  in die FDP einbrachte: Trittel ist jetzt Schriftführer der  NLA Niedersachsen, wo er schon 120 Mitglieder für die NLA gewonnen hat.

Diese Verbindung mit der 'Nationalen Arbeiterpartei' zeigt  deutlich, dass die DU-NLA durchaus selbst auch eine  faschistische Massenbasis in der Arbeiterklasse anstreben  werden, wenn sie sich auch jetzt noch von 'allen rechtsextremen  Gruppierungen klar abgrenzen' (Homeier).

Mit der Aufnahme ehemaliger NPD-Mitglieder z. B. soll sehr  vorsichtig verfahren werden, um der Gefahr der Unterwanderung  durch rechtsradikale Kräfte vorzubeugen.

Für die reaktionären und chauvinistischen Vertreter der Klein- und mittleren Bourgeoisie ist ein offener Pakt mit den  faschistischen Massenorganisationen in Aktion Widerstand  und Deutscher Volksunion noch nicht auf der Tagesordnung:  zum Teil aus taktischen Gründen, um weitere Vertreter der  nationalkonservativen Bourgeoisie um sich zu sammeln (wie die Gesamtdeutsche Partei - BHE, deren Funktionäre an der  DU-Gründung beteiligt sind), vor allem aber, weil die Notwendigkeit einer direkten faschistischen Machtübernahme noch nicht  besteht; aus diesem Grund betont die NLA-DU auch vor  allem die Freundschaft mit der CSU, mit der zusammen sie  in die bürgerlichen Parlamente einziehen will.  (Zoglmann ist auch immer noch Hospitant bei der  CSU-Landesgruppe in Bonn).

Die Verbindungen mit den offen faschistischen  Sammlungsorganisationen sind freilich eng genug - zum  einen über die Vertriebenenverbände, zum anderen über (u. a.) den Witiko-Bund, dessen Mitglied Zoglmann ja ist. Und die Faschisten ihrerseits zählen die DU-NLA zu ihren  Leuten: So hat Frey von der Nationalzeitung bei der  Gründung der Deutschen Volksunion in München erklärt, die DVU sei keineswegs eine Konkurrenzorganisation  zur DU und wünschte der NLA 'von Herzen alles Gute'.“ (39)

Der „KND“, nahm in seiner Ausgabe vom 16.1. diese  Provokation zum Anlass, um mit dem Leitartikel „Heraus zur antifaschistischen Massendemonstration“, Demonstration den vielen Hauptgegnern der  KPD/ML-ZB zu begegnen. Das ZB rief hier dazu auf, gemeinsam mit dem KJVD in  Dortmund am 17.1. „an einer zentralen antifaschistischen  Demonstration teilzunehmen“. (40)

Die „wachsende Faschisierung“, so das ZB, sei auch in der CDU festzustellen.  Der „KND“ vertrat die Auffassung:

„Auch auf dem Vereinigungsparteitag der CDU Baden-Württemberg  am 16./17.1. verbreitete Kiesinger wieder seine revanchistische  Hetze. Gleichzeitig kündigte CDU-Ministerpräsident Filbinger  verstärkten Kampf nach innen an: Dem 'linken Flügel' der SPD  werde die CDU in Zukunft 'härtesten Kampf liefern'. In der Führung der CDU Baden-Württemberg zeigt sich dazu  die Verbindung der CDU mit den reaktionärsten Teilen der  Bundeswehrführung: Den neugeschaffenen Posten eines  Generalsekretärs soll der Brigadegeneral Wolfgang Schall aus  dem Bundesverteidigungsministerium bekommen, der zu den 'geistigen Vätern' der 'Schnez-Studie' gehört.“ (41)

Eine programmatische Festlegung auf einen einzigen Gegner war schwer auszumachen. Vielleicht gab es ihn auch nicht  wirklich. Zwar war die Sozialdemokratie der „Hauptfeind“ - wenn man  so will der politische -, jedoch gab es auch noch viele andere. Einmal waren es die „revisionistischen Häuptlinge der DKP“, dann die „Monopolbourgeoisie“, die „Faschisten“, der „KAB“, die „Trotzkisten“, „Weinfurth“, der „Sozialimperialismus“, der „westdeutsche Imperialismus“ und natürlich die  „KPD/ML-ZK“. Die KPD/ML-ZB hatte dauernde und immer  wechselnde Hauptfeinde.

Damit war die ideologische Formel für die Findung eines eigentlichen Hauptgegners inkompatibel mit anderen Gegnern, Feinden oder Konkurrenzpartein- und Organisationen. Für die antifaschistische Demonstration musste die  fehlende Positionierung dazu führen, dass ein Popanz  aufgebaut wurde, mit dem man alles und jeden schlagen konnte. Die leere Phrasendrescherei, dass nun auch KIESINGER, der in der westdeutschen politischen Landschaft sicherlich  kein Ruhmesblatt abgab, seine „revanchistische Hetze“ ungehindert verbreiten dürfe, zeigte die eigentliche  Kluft auf. Gegen wen sollte man jetzt eigentlich am 17.1. noch  ankämpfen wollen? Aktionismus, Dogmatismus und Spontaneismus, das  war zwar nicht die allseitige Dialektik, aber die  allseitige Desorientierung.

Offenkundig wurde das vollends am 17.1. Unter der Parole „Arbeitereinheit schlägt Faschismus - Sozialdemokraten und Kommunisten - Eine Front gegen die  Faschisten“ liefen die Vorbereitungen für DAS Ereignis zu Beginn des Jahres 1971 auf Hochtouren.

Dass „Arbeitereinheit Faschismus“ schlägt, lief auf eventuelle bare Selbstverständlichkeit hinaus. Die „Arbeitereinheit“ war der Weltgeist, der in der modernen technischen  Zivilisation zum Mitmachen einlud, so als ob eine  Grippeschutzimpfung durchgeführt werden sollte. Sie  war Kraft zur Reflexion und lud zur Selbsterkenntnis ein, wenn die schwache Organisation einen starken Arm benötigte. Doch auf eine solche Formel ließ sich dann keine  antifaschistische Demonstration gründen; denn gleichzeitig sollten nun „Sozialdemokraten (mit den, d. Vf.) Kommunisten“ „eine Front“ bilden. Das war eine patriotische Umdeutung der einstigen  Formel, dass die Kommunisten die treibende Kraft im  Kampf gegen die Faschisten seien, wie man es in den Dokumenten zur Demonstration nachlesen kann.

Gleich im „Extrablatt der „Roten Fahne“ zum 17.1. war dieser Widerspruch eklatant. Hieß es doch: „Die faschistische Gefahr muss von Anfang an entschlossen  bekämpft werden. Die Arbeiterjugend und die Arbeiter  müssen sich organisieren gegen die Faschisten, gegen ihre  Helfershelfer, die SPD-Führer.“ War der Faschismus triebhaft, gebrauchte das ZB dieses Triebhafte für seine Zwecke? Es schien zumindest hier so; denn er wurde ja als  böse dargestellt. Die „Gefahr“ also solche tauchte sodann in der Verkleidung der „Helfershelfer“, der SPD auf. Jeder Satz hatte hier eine tonnenschwere Bedeutung  angenommen. Inmitten der Hektik arrangierte das ZB  eine eigensüchtige, fast diplomatische Sprache, wenn es darum ging, den Angriffsschwung in Worte zu fassen.

In Dortmund führte die KPD/ML-ZB am 17.1. eine nationale Demonstration unter dem Motto „Sozialdemokraten und  Kommunisten - Eine Front gegen die Faschisten!“ durch. Laut Zentralbüro nahmen daran ca. 1.000 Personen  aus der damaligen BRD teil. Zur Mobilisierung gab das ZB ein „Extrablatt“ der „Roten Fahne“ heraus. In Hessen und NRW wurden zu diesem Zweck  ca. 30.000 Flugblätter verteilt, was für die damalige Zeit enorm war. Der KJVD berichtete über diese Demonstration  im „Kampf der Arbeiterjugend“.

„ARBEITEREINHEIT SCHLÄGT FASCHISMUS!

Die faschistische Gefahr muss von Anfang an entschlossen  bekämpft werden. Die Arbeiterjugend und die Arbeiter  müssen sich organisieren gegen die Faschisten, gegen ihre  Helfershelfer, die SPD-Führer. Darum hat die  Kommunistische Partei Deutschlands / Marxisten-Leninisten zusammen mit dem KJVD am Sonntag, dem 17.Januar,  zu einer nationalen Demonstration aller Demokraten und  Antifaschisten in Dortmund aufgerufen.

Die DKP-Führer und die Gewerkschaftsführer haben sich  geweigert, an einer gemeinsamen Demonstration mit der  KPD/ML und ihrem Jugendverband teilzunehmen. Aber sie konnten ihre Mitglieder nicht davon abhalten, nach  Dortmund zu kommen.

Über tausend Kommunisten und Demokraten sind diesem  Aufruf gefolgt.

Das Gewerkschaftskartell Konstanz forderte nach einem  Gespräch mit der örtlichen Parteileitung der KPD/ML seine  Mitglieder auf, an der Demonstration teilzunehmen. Viele Genossen brachten Kollegen aus den Betrieben mit. Sie reihten sich ein in die Front der Arbeiter gegen die  faschistische Gefahr. Sie sangen mit den Kommunisten die  revolutionären Lieder der Arbeiter.

Zwei Stunden lang marschierten die Antifaschisten mit ihren  Transparenten, den roten Fahnen und den Bildern von den  großen Führern der Arbeiterklasse durch das Viertel der  Hoesch-Arbeiter (IGM-Bereich, d. Vf.) in Dortmund. Viele Arbeiter öffneten ihre Fenster. Sie lasen die Flugblätter,  die während der Demonstration verteilt wurden, sie kauften  die 'Rote Fahne' und den 'Kampf der Arbeiterjugend'.

Über den Lautsprecherwagen der KPD/ML konnten alle  Bewohner des Viertels hören, wem diese Kampfdemonstration galt: Den alten und neuen Nazis, dem Kampf gegen einen neuen  Krieg, gegen die Aufrüstungspolitik der SPD-Regierung, gegen  ihre Paktiererei mit den Faschisten.

Arbeitereinheit schlägt Faschismus, das war die Hauptparole auf dieser Demonstration. Und ein Redner der Partei forderte  die Hoesch-Arbeiter auf, sich in die Front der Antifaschisten  einzureihen, den Kampf der KPD/ML und des KJVD zu  unterstützen.

Nicht nur an diesem Tag - an jedem Tag. Nicht nur neben  den Kommunisten, sondern zusammen mit ihnen in der  gleichen Organisation - der Kommunistischen Partei Deutschlands / Marxisten-Leninisten.

Den Abschluss der Demonstration bildete eine Kundgebung. Ein Redner der Partei und einer des KJVD ergriffen hier noch  einmal das Wort.

Sie betonten noch einmal die Notwendigkeit des gemeinsamen  Kampfes aller Arbeiter gegen den Faschismus, gegen den  Krieg, in den sie das Volk wieder treiben wollen. Sie riefen  zum Kampf gegen die Drahtzieher hinter den Faschisten,  die Krupp und Co. Sie zeigten auf, dass die SPD-Regierung  sich mit allem, was sie tut, als Freund dieser Feinde der  Arbeiter entlarvt.

Sie riefen die Arbeiter auf, sich in den Betriebsgruppen der  Partei und des Jugendverbandes zu organisieren gegen die Angriffe der Kapitalisten, der SPD-Regierung - gegen die faschistische Gefahr - für ein Leben in Frieden und Freiheit in einem sozialistischen Staat.“ (42)

Die Demonstration war durch einen Artikel im „Parteiarbeiter“ aus dem Januar 1971 vorbereitet worden. Zusätzlich erschien am 6.1. ein zentrales Rundschreiben, das an alle Grundeinheiten und Betriebsgruppen in den  Landesverbänden ging. Es richtete sich gegen das Auftreten der rechtsradikalen  Aktion Widerstand (AW) in einigen Städten der BRD. Das ZB, das sich vor der Demonstration damit gerühmt  hatte, beim PV der DKP vorstellig geworden zu sein, brachte für alle Teilnehmer die Bedingung für die  Demonstration auf den Punkt:  „Einheit der Aktion - Freiheit der Losung“. Nicht nur die  DKP war dem Aufruf nicht gefolgt, auch andere Gruppen, mit denen das ZB in Kontakt stand, waren nicht erschienen, oder konnten mit der bombastischen Losung nichts anfangen; denn was hieß „Einheit der Aktion - Freiheit der Losung?“ Doch nichts anderes, als sich auf eine Selbstbezüglichkeit festzulegen, zu erreichen, dass die überwiegenden  Teilnehmer den Kommunisten folgen und sich rein praktisch dieser Bewegung anschließen. Die „Freiheit der Losung“ konnte nur als Vorwand betrachtet werden, um eine gewisse Qualität im Gefüge zu erreichen. Doch nur die Quantität zählte. Dafür war das ZB bereit, sich auf Kompromisse einzulassen, die weit über das  erträgliche Maß hinausgingen (siehe Einheitsfrontangebot an die DKP).

Dem ZB dürfte es eigentlich auch egal gewesen sein, wer  an der Demonstration teilnahm. Das hatte man an der Demonstration in Bonn feststellen  können, als sich der Lautsprecherwagen der KPD/ML-ZB an die Spitze des Zuges stellte. Die Führung der KPD/ML war damit gewährleistet. Das hatte vielleicht  etwas mit Bauernschläue gemeinsam, aber nichts mit  der „Sammlung der Kräfte“, wie das ZB meinte.

In der „Roten Fahne hieß es zur Demonstration:

„KPD/ML und KJVD demonstrierten allein. Am Westpark in  Dortmund sammelten sich etwa 1.000 Mitglieder und  Sympathisanten beider Organisationen aus der gesamten  Bundesrepublik und Westberlin. Sie führten mit sich Hunderte  von roten Fahnen, Transparente mit antifaschistischen Parolen,  Bilder von Ernst Thälmann, des 1944 von den Nazis im  KZ-Buchenwald ermordeten deutschen Arbeiterführers.  Drei Stunden lang zogen sie in zehn Blocks durch die Straßen von Dortmund, besonders durch die Wohnviertel der Hoesch-Arbeiter. Ein Lautsprecherwagen führte den Demonstrationszug an.  In kurzen Reden wurden die Hoesch-Arbeiter und ihre Frauen  angesprochen, die vom Fenster aus dem Zug zusahen. Zwischendurch erklangen Arbeiterlieder. Agittrupps verkauften  die ROTE FAHNE und den 'Kampf der Arbeiterjugend', das  Zentralorgan des KJVD. Flugblätter riefen auf, an der  Schlusskundgebung teilzunehmen.

SPD-FÜHRER ENTLARVT.

Auf der Abschlusskundgebung wurde auf die faschistische  Gefahr, den Drang der neuen Nazis nach Osten hingewiesen.  Auch die Haltung der SPD-Führer wurde entlarvt ( ... ). Die Demonstration der KPD/ML und des Kommunistischen  Jugendverbandes hat den Hoesch-Arbeitern gezeigt, dass es  wieder eine kommunistische Partei gibt, die bereit ist, den Kampf  gegen alle Feinde der Arbeiterklasse zu organisieren.  Und obwohl die Partei noch jung und schwach ist, wurde von  den umstehenden Arbeitern doch dem Kollegen widersprochen,  der meinte: 'Die Arbeiter sind gegenüber dem Finanzkapital sowieso  ohnmächtig'.“ (43)

Von der Abschlusskundgebung berichtet der „KND“:

„Auf der Schlusskundgebung sprachen ein Genosse des  KJVD und ein Genosse der Partei, während viele Arbeiter  aus den umliegenden Häusern zuhörten.

Mit unserer Kampfdemonstration haben wir der Bevölkerung  Dortmunds, den Menschen in der ganzen Bundesrepublik  gezeigt - wir werden nicht zulassen, dass die Faschisten in  Deutschland noch einmal ein Bein auf den Boden kriegen. Wir nehmen den Kampf auf gegen die Faschisten, für eine  Zukunft, in der die Faschisten endgültig besiegt sind, in der  endgültig Schluss ist mit Ausbeutung und Unterdrückung,  für die Arbeiterjugend und das ganze Volk.

Die Faschisten feiern heute in der ganzen BRD den  100. Tag der Gründung des Deutschen Reiches.  In 'MUT', der Zeitung der Nationalrevolutionären Jugend, schreiben sie: 'Die Erinnerung mag den Willen bekräftigen,  das Deutsche Reich von neuem aufzubauen.' Schon einige Male war in der deutschen Geschichte von  Aufbauen die Rede. Bei Bismarck, bei Wilhelm II., Hitler.  Und jedes mal gab es nur einen Weg dazu: Krieg!  Eroberungsfeldzüge gegen die Länder Osteuropas.

Die Faschisten werden den gleichen Weg gehen, wenn  wir sie nicht daran hindern. Arbeitereinheit schlägt Faschismus, das ist unsere Parole. Das ist ein Aufruf an uns alle, mit dem Kampf gegen den  Faschismus zu beginnen.

Es ist der Aufruf, die Einheit der Arbeiter herzustellen. Denn nur der geeinte Kampf der Arbeiter kann den  Faschismus schlagen. Wir müssen diesem Aufruf folgen,  wir müssen ihn in die Tat umsetzen - die Freiheit und das  Leben der Arbeiter und Werktätigen selbst hängen davon ab. Denn auch die Arbeiterklasse, auch die Arbeiterjugend  hat ihre Erinnerung. Und die ist so, dass wir alle sagen:  Nie wieder!

Heute werden wir ausgebeutet und unterdrückt. Heute  müssen die Jungarbeiter und Lehrlinge für einen Hungerlohn  für die Kapitalisten schuften. Heute schon haben gerade wir  Jugendliche kaum Rechte in diesem Staat. Heute schon müssen wir in der Bundeswehr das Kriegshandwerk lernen. Heute schon  werden die Organisationen der Arbeiter und der Arbeiterjugend  bespitzelt und in ihren Rechten immer mehr eingeschränkt. Heute schon leben wir in einem Staat, dessen Regierung sich  nur für das Wohl der Kapitalisten einsetzt. Die Faschisten sagen,  auch sie wollen dagegen kämpfen. Sie rufen die Jugend auf, mit  ihnen zusammen diesen Staat zu retten.

Wovor? Ihre Taten sprechen eine deutliche Sprache.“ (44)

In diesem Zusammenhang berichtete auch der KJVD über den  antifaschistischen Kampf der DKP:

„VERRAT DER D'K'P-FÜHRER.

Vor der antifaschistischen Demonstration in Dortmund forderte  die KPD/ML auch die DKP auf, daran teilzunehmen. Aber sowohl  der Parteivorstand wie die Führer der SDAJ in Dortmund lehnten ab. Sie wollten an einer Demonstration gegen die Faschisten nur  teilnehmen, wenn dabei gleichzeitig die Ratifizierung der  Handelsverträge mit Moskau und Warschau (mit der SU bzw.  Polen, d. Vf.) gefordert würde.

Denn der Moskauer Vertrag sichere den Frieden, er sichere die  Arbeitsplätze der Arbeiter in Deutschland und nütze gleichzeitig  den Arbeitern Osteuropas - darum sei der Kampf für die schnelle  Ratifizierung der Verträge der wirksamste Kampf gegen die  Faschisten, der beste Schutz gegen den neuen Krieg, den die  Faschisten gegen die Länder Osteuropas wollen.

Wie sieht das denn aus? Geben die Verträge den Menschen in der  DDR, in Polen, in Russland wirklich die Sicherheit, dass nicht eines  Tages wieder eine deutsche Regierung den Krieg gegen  sie eröffnet?

Die Rote Fahne schreibt dazu in ihrem Extrablatt zur Demonstration  In Dortmund: 'Auch mit diesem Vertrag hat die BRD die  Oder-Neiße-Linie als polnische Westgrenze nicht endgültig  Anerkannt ... Dagegen steht in Paragraph 4 des Warschauer  Vertrags: 'Dieser Vertrag berührt nicht die von den Parteien früher  geschlossenen und sie betreffenden internationalen  Vereinbarungen.' Also hat vor einem endgültigen Grenzvertrag erst noch die  NATO ein Wort mitzureden.' Die Grenzen zu Polen und den anderen osteuropäischen  Ländern also sind so wenig gesichert wie zuvor.

Und was ist mit der DDR? Seit die Verhandlungen der  SPD-Regierung mit Breschnew und seinen polnischen Freunden  begonnen haben, ist plötzlich der Ruf nach Anerkennung der DDR  verstummt. Es ist keine Rede mehr davon, dass die Anerkennung der  DDR durch die BRD die Bedingung für die Handelsverträge ist. Die Führer in Polen und der UdSSR haben die DKP verraten - und  die DKP-Führer machen mit.

Und was ist damit, dass die Verträge die verstärkten Investitionen  der westdeutschen Kapitalisten in die osteuropäischen Länder  die Arbeitsplätze der Arbeiter hier sichern? Mannesmann ist einer der Konzerne, die am Osthandel beteiligt  sind. Und bei Mannesmann sind vor wenigen Wochen über  300 Arbeiter auf die Straße gesetzt worden.

Zufall? Die Kapitalisten treiben nicht deshalb Handel mit Osteuropa, sie  investieren nicht deshalb dort, weil sie plötzlich bei ihren Geschäften  auch an die Arbeiter denken. Sie tun das allein deshalb, weil sie so mehr Profit bekommen  können. Genau wie sie in Ländern in Afrika und Lateinamerika nicht deshalb Fabriken bauen, weil sie den Menschen dort helfen  wollen, sondern weil sie dort billiger produzieren können - sie  brauchen den Arbeitern nicht soviel Lohn zu zahlen.

Statt Frieden und Sicherheit der Arbeitsplätze bringen die  Verträge den Arbeitern dieser Länder verschärfte Ausbeutung. Sie nützen nur den Kapitalisten in der BRD und denen, die in  den Ländern Osteuropas den Kapitalismus wieder eingeführt  haben - den Verrätern Breschnew und Gierek und ihren Freunden. Wenn die DKP-Führer für diese Verträge kämpfen, dann kämpfen  sie für die Profite der Kapitalisten, dann stellen sie sich gegen die  Arbeiter dieser Länder.

Wer für die Krupp und Co. stimmt, wer ihr Streben nach  mehr Profit den Arbeitern als Zeichen des Friedens verkaufen  will, der kann aber auch nicht mehr konsequent gegen die  Faschisten kämpfen. Für den sind die Faschisten nur noch die  'Rechten' und nicht mehr die, die die Kapitalisten vorschieben, damit sie Stimmung machen für den Krieg, den sie eines  Tages wieder als das einzig geeignete Mittel ansehen werden,  um ihre Profite weiter zu steigern.

Und immer mehr Arbeiter, Jungarbeiter und Lehrlinge in der  DKP und der SDAJ sehen das.

Sie sehen, dass die DKP-Führer sich auf die Seite der  Kapitalisten geschlagen haben und die Arbeiter von ihrem  Kampf gegen diesen kapitalistischen Staat für den Sozialismus  abhalten wollen. Für diese Genossen gibt es nur einen Weg, diesen revolutionären Kampf weiterzuführen: sich in den  Betriebsgruppen der KPD/ML und des kommunistischen Jugendverbandes zu organisieren.“ (45)

Gerade in diesen Berichten lagen politischer Fanatismus  und Ausweglosigkeit nahe beieinander. Die ca. 1.000 Mitglieder der KPD/ML und des KJVD  nebst Sympathisanten, dürften in etwa der damaligen Stärke der Organisation entsprochen haben. Um sie alle nach Dortmund zu bekommen, musste das ZB bis an seine Grenzen gehen, um mit dieser „machtvollen  Demonstration“ den lohnabhängigen Massen die Alternative in Gestalt der KPD/Ml schmackhaft zu machen. Und natürlich hatte diese ideologische Unbeweglichkeit eine schlagkräftige Aussage: „Die Demonstration der KPD/ML und des Kommunistischen  Jugendverbandes hat den Hoesch-Arbeitern gezeigt, dass es  wieder eine kommunistische Partei gibt, die bereit ist, den Kampf  gegen alle Feinde der Arbeiterklasse zu organisieren“, meinte  das ZB in seinem Rückblick auf die Demonstration.

Der dilettantische Auftritt, dem weitere folgen sollten, war beseelt von der Alternative, die mit Spannung, Abenteuer und  kämpferischer Platzhalterrolle unterlegt war. Der Adressat, die  Hoesch-Arbeiter, dem die klassische Rolle zugestanden wurde, sich an die Kommunisten zu binden, glänzten in der Regel durch  Abwesenheit und hatten mit diesen fossilen Überresten der alten Arbeiterbewegung kaum etwas gemeinsam.

Der Kampf gegen den Faschismus, der mit der Dortmunder  Aktion als ein Höhepunkt der ZB-Aktivitäten bezeichnet werden  konnte, war ein bündnispolitisches Desaster und zeigte zudem, dass das ZB gegen faschistische Umtriebe nur eine  Verlegenheit parat hatte: „Wir werden nicht zulassen, dass  die Faschisten in Deutschland noch einmal ein Bein auf den  Boden kriegen. Wir nehmen den Kampf auf gegen die Faschisten, für eine  Zukunft, in der die Faschisten endgültig besiegt sind, in der  endgültig Schluss ist mit Ausbeutung und Unterdrückung,  für die Arbeiterjugend und das ganze Volk.“

Der Faschismus war hier mehr ein Emanzipationsproblem. Wenn wir die Faschisten schlagen, dann ist auch  „endgültig Schluss mit Ausbeutung und Unterdrückung“. Naiver konnte kein Gedanke sein. Dieses besondere Dokument der Tragik war historisch mit der Theorie der ehemals sauberen  KPD identisch, die einen „klaren Standpunkt“ zum Widerstand der  Arbeiterbewegung hatte und die aus der Illegalität heraus mit  eindrucksvollen Exegesen glänzte, die aber an der unmittelbaren und alltäglichen Erfahrung vorbeigingen.

Dass die Phalanx der faschistischen Organisationen vor allem  im Überbau mit rechtsextremen Vorstellungen aufwartete, blieb dem ZB verborgen. Dass sie ins kollektive Bewusstsein versuchten einzudringen, in die Kultur des Alltags, sich sogar demokratischen und  humanistischen Werten verpflichtet fühlten, und ihr fremdenfeindliches und rassistisches Denken mit eigensüchtigen Machenschatten vermengte, ihre autoritäre Macht stetig neu produzierte, wurde  nicht als wirkliche Gefahr begriffen. Die Dynamik des politischen und organisatorischen  Rechtsextremismus war nicht mehr als ein informeller Verein mit nationalistischen Tönen. Dass das Radikale am rassistischen und nationalen Denken  die Selbstdarstellung Deutschlands war, und der unklare Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit,  war kein Anlass, sich ihren eigentlichen treibendenden  Motiven und Mechanismen zu nähern.

Im Deutschland der 70er Jahre waren rechtsextreme Denk- und Verhaltensweisen nahezu normalisiert, während  zugleich der demokratische Wertekanon begann zu  zerfallen. Dieser lange Prozess, der bis heute anhält,  war zu einem sozialen Phänomen geworden, dass das ZB irrtümlicherweise als wirkliche Gefahr gar nicht in ihre  Betrachtungen mit einbezog. Für die KPD/ML manifestierte sie sich nur in der Organisation  der faschistischen Gruppen.  Dass die faschistische Ideologie jedoch auch ein Ensemble  von Anschauungen und Handlungsmuster war, somit den  „klassischen Rechtsextremismus“ (46) darstellte, war wider alle Einsicht.

Dieser Dortmunder Ausflug endete für das ZB ergebnislos und  im theoretischen Chaos.

Nicht zufällig wurde während der Vorbereitungen zur Dortmunder Aktion die DKP ins Spiel gebracht. Die DKP hat den Marxismus verraten, und weil sie am  Gängelband der SPD ihre Kreise zieht und mit den  „Sozialfaschistischen“ und den neuen Zaren in Moskau gemeinsame  Sache macht, muss sie als weltumspannende Gefahr bekämpft werden. Zwar war sie keine Weltverschwörung, aber sie hielt die Mär vom parlamentarischen Spektrum weiter aufrecht, was die  revolutionären Linken keinesfalls akzeptieren konnten, zumal  sich kurze Zeit später der Parlamentarismus unter Allende in  Chile im September 1973 durch einen Putsch des  chilenischen Militärs mit tatkräftiger Unterstützung der USA von selbst erledigte.

Die DKP, die in gewisser Weise als marxistisches Auslaufmodell bezeichnet werden konnte, die mit ihrer „antimonopolistischen  Strategie“ die Illusion nährte, dass sich die BRD quasi von innen  heraus verändern ließe, bestand in den Verhandlungen nun  darauf, dass die Stellung zur Ratifizierung der Moskauer - und  Warschauer Verträge, die für das ZB eine Fußangel darstellten, die  Bedingung für eine Teilnahme an der Aktion schlechthin sei. Beide Seiten mussten sich darüber im klaren sein, dass das  keine Basis sein konnte.

Trotzdem wurde der Anschein erweckt, dass hier großes  ablaufe und dass sich Arbeiterparteien, wenn auch nur dem  Schein nach, zusammensetzten. Für die DKP war klar, dass sie diesen Fehlschuss in ihrer  Agitation gegen die Marxisten-Leninisten gut ausnutzen  konnte, weil zur gleichen Zeit das Mannesmann-Problem  darauf hinauslief, auch an der ökonomischen Front  die Richtigkeit der Verträge zu beweisen.

Das ZB konterte mit „unsicheren Arbeitsplätzen“,  „Entlassungen von 300 Kollegen“. Und in ihrer Beweisführung  schwang sie sich sogar dazu auf, zu erklären: „Sie nützen nur den Kapitalisten in der BRD und denen, die in  den Ländern Osteuropas den Kapitalismus wieder eingeführt  haben - den Verrätern Breschnew und Gierek und ihren Freunden. Wenn die DKP-Führer für diese Verträge kämpfen, dann kämpfen  sie für die Profite der Kapitalisten, dann stellen sie sich gegen die  Arbeiter dieser Länder.“

Der „KND“ gab in der Rückschau folgenden Bericht zur  Demonstration ab:

„SOZIALDEMOKRATEN UND KOMMUNISTEN EINE FRONT GEGEN DIE FASCHISTEN!

Am 17.1. fand in Dortmund eine antifaschistische Demonstration  statt. Die KPD/ML und der KJVD hatten vorher mit Flugblättern,  mit dem Extrablatt der Roten Fahne und dem Plakat 'Arbeitereinheit  gegen Faschismus - Heraus zur Antifaschistischen  Massendemonstration', die Kollegen in den Betrieben aufgefordert,  mit der KPD/ML den Kampf gegen den wiedererstarkenden Faschismus und seine Handlanger aufzunehmen.

Die KPD/ML hatte auch die DKP und die Gewerkschaftsführungen  aufgerufen, sich an der Demonstration zu beteiligen.

Auf Grund der sehr kurzen Vorbereitungszeit und des Boykotts  der DKP-Führung gelang es zwar, dass die Demonstration der  KPD/ML überall von den Arbeitern begrüßt wurde, aber nur  wenige Kollegen beteiligten sich selbst an der Demonstration. Die Demonstranten der KPD/ML und des KJVD (ca. 1. 000 aus  der ganzen BRD und Westberlin) zogen drei Stunden lang durch  die Arbeiterviertel Dortmunds, vor allem die Hoesch-Viertel, mit  Hunderten roter Fahnen und vielen Transparenten und Plakaten. Parolen der Transparente:

'Arbeitereinheit schlägt Faschismus', 'Kampf der Kriegstreiberei  der Faschisten, Kampf der Aufrüstungspolitik der  SPD-Regierung', 'Sozialdemokraten und Kommunisten vereint  gegen die faschistische Gefahr', 'Strauß und Thadden, die  Erben Hitlers - das Erbe Hitlers - 60 Millionen Kriegstote'. 'Faschismus - der Todfeind aller Werktätigen', 'Thälmann,  Führer der Arbeiterklasse, ermordet von den Faschisten'. Die Demonstranten sangen Arbeiterlieder und riefen  antifaschistische Parolen: 'Faschismus bedeutet Hunger  und Krieg, Arbeitereinheit schlägt Faschismus'. 'Wir wollen keinen neuen Krieg, Kampf den Militaristen,  Kampf den Faschisten', 'Thadden, Zoglmann, Hupka und Strauß, jagt diese braunen   Teufel raus', 'Sozialdemokraten und Kommunisten, eine  Front gegen die Faschisten', 'Kapitalisten bezahlen Faschisten', 'Mit der KPD/ML gegen die Faschisten'.

Dazwischen wurden vom Lautsprecherwagen aus kurze  Reden gehalten mit Beispielen über die neuen  Faschistenorganisationen, über die Unterstützung der Faschisten  durch das Monopolkapital, vor allem über die Rolle der SPD als Wegbereiter des Faschismus im Innern und Unterstützer  des Faschismus im Ausland.

Agittrupps der Partei und des Jugendverbandes verkauften  neben dem Demonstrationszug und in den umliegenden  Häusern etwa 300 Rote Fahnen und andere Organe der  Partei und des KJVD, und verteilten Flugblätter, die zur Teilnahme an der Abschlusskundgebung aufriefen.“ (47)

Im Gegensatz zur offiziellen Parteipresse versuchte der  „KND“ zu differenzieren. Die „sehr kurze Vorbereitungszeit“ war das eigentliche  Manko. Dass sich nur „wenige Kollegen selbst an der Demonstration beteiligten“, war dann eher ein Eingeständnis für die nachzuholende Propaganda, die jüngst in  Dortmund noch ausblieb. Doch die abstrakte Gegnerschaft, die Faschisten und die  SPD brachte die KPD/ML von einer Verlegenheit in die  andere, was an den Parolen zur Demonstration abzulesen  war.  Auf der Suche nach klaren Klassenstandpunkten und  womöglich auch um das Sympathisantenfeld zu  beeindrucken, wartete man gleich mit einer Fülle von  Losungen auf:  „Sozialdemokraten und Kommunisten vereint gegen die  faschistische Gefahr“, „Strauß und Thadden, die  Erben Hitlers - das Erbe Hitlers - 60 Millionen Kriegstote“, „Faschismus - der Todfeind aller Werktätigen“, „Thälmann,  Führer der Arbeiterklasse, ermordet von den Faschisten“.

Im Waschlabor der Parolen war die Originalität kaum zu  überbieten. Bekämpfte man die Sozialdemokratie auf der einen Seite, dann war man auf der anderen Seite nur gerne dazu  bereit, sie in eine Formel hineinzupacken. Das kam dem Wunsch nahe, die Spaltung der Arbeiterbewegung  möge sich in einer Vereinigung niederschlagen, wie  das ZB in einer späteren Artikelserie in der „Roten Fahne“ zur Gründung der DDR verlauten ließ, als PIECK und  GROTEWOHL die Spaltung scheinbar beendeten und sich  alle Kräfte in der SED (48) bündeln sollten.

Unablässig kam in diesen Parolen die „Faschisierung  von Staat und Gesellschaft“ zum Ausdruck.  Was da Zug um Zug entstand, war die Vorstufe der  späteren Politik gegen „Notstand, Aufrüstung und  Revanchepolitik“, die in der symbolischen Gegenmacht der Kommunisten alsbald auftreten sollte.

Über die Demonstration berichtete auch die  die Opel-Betriebsgruppe Bochum der KPD/ML-ZB unter  dem Titel:

„ARBEITEREINHEIT SCHLÄGT FASCHISMUS!

Am Sonntag, den 17.Januar 1971, haben die KPD/ML  und ihre Jugendorganisation, der Kommunistische  Jugendverband Deutschlands (KJVD), in Dortmund eine antifaschistische Demonstration veranstaltet.

Am 17.1.1971, weil an diesem Tag überall in der Bundesrepublik  und in Westberlin die Faschisten Feiern zum hundertsten  Jahrestag der Reichsgründung abhielten, weil sich an diesem Tag neue faschistische Organisationen gründeten, die als  Söldnertruppen der Großkapitalisten die brutalste Unterdrückung  der Arbeiterklasse vorbereiten wollen.

Unter der zentralen Losung 'Arbeitereinheit schlägt Faschismus!'  nahmen an der Demonstration der KPD/ML und des KJVD  ungefähr 1 000 Mitglieder und Sympathisanten der KPD/ML und  des KJVD teil. Sie zogen drei Stunden lang durch Dortmund, vor  allem durch die Wohnorte der Hoesch-Arbeiter. Über Lautsprecher  wurden die Faschisten und ihre Hintermänner entlarvt. Kampflieder wurden abgespielt. Es wurden Flugblätter an die  Arbeiter und Arbeiterfrauen verteilt, es wurde das Extrablatt der  ROTEN FAHNE, das Zentralorgan der KPD/ML, in großen  Mengen verkauft. Aus den Fenstern der Wohnhäuser hörten  viele Kollegen den Reden der KPD/ML und des KJVD zu.

Warum wurde die Demonstration veranstaltet?

Überall in der Bundesrepublik und Westberlin rühren sich die  Faschisten. Am 17.Januar wurden zwei neue Gruppen gebildet:  die 'Deutsche Union' (NLA) und die 'Deutsche Volksunion'  (DU bzw. DVU, d. Vf.) Gründer ist Frey von der Nationalzeitung). Alle Gruppen haben untereinander gute Beziehungen, so dass sie  sich zu einer großen Sammelbewegung zusammenschließen  können. Die Fäden laufen von der CDU, der CSU, über NPD,  NLA, Witikobund, Aktion Widerstand, Deutsche Volksunion, Zeitschrift 'MUT', Aktionsgemeinschaft Oder-Neiße (AKON, d. Vf.)  bis zu den Vertriebenenverbänden und ihren Jugendorganisationen. Seit den Kämpfen der Arbeiterklasse in der Krise 1966/1967,  vor allem seit den Septemberstreiks 1969, rühren sich die  Faschisten wieder offen aus ihren Löchern.  Sie wittern ihre Chance. Äußerte doch schon Kapitalistensprecher Fritz Berg: 'Die wilden Streiks vor zwei Jahren (1969) haben  uns in eine Situation gebracht, die für unser Vaterland noch sehr bedauerlich werden könnte.'

Deshalb beginnen die Kapitalisten wieder, Gelder zu diesen  Gruppen fließen zu lassen:

Die NLA erhielt 150 000 DM vom Kaufhaus-Konzern  Horten (HBV-Bereich, d. Vf.). 140 000 von Oetker  (NGG-Bereich, d.Vf.), weitere Gelder von Melitta (NGG- bzw. CPK-Bereich, d. Vf.) und vom Raketen- und Luftwaffenkonzern  Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB - IGM-Bereich, d.Vf.).  Die Zeitschrift 'MUT' hat große Anzeigen von Quelle  (HBV-Bereich, d.Vf.), die sie bestimmt auch nicht umsonst veröffentlicht. Die Kapitalisten bezahlen mit dem von den Arbeitern  erwirtschafteten Profit die schärfsten Feinde der Arbeiterklasse,  die Faschisten. Sie wollen sich neue Stoßtrupps gegen die  Arbeiterklasse schaffen, die die Arbeiter am Arbeiten halten  sollen, wenn die SPD das mit ihren Versprechungen nicht mehr schafft.

Und die SPD?

Kühn sagt, die Sozialdemokraten gehen auf die Straße,  wenn die Faschisten wieder marschieren, doch bei  Demonstrationen gegen die Faschisten war er bisher nicht  zu finden. Dagegen unterstützen die SPD-Bonzen die faschistischen und revanchelüsternen Organisationen ganz offen. Organisationen wie der Witikobund, die Landsmannschaften und  viele andere Organisationen erhalten heute auf legalem  Wege von der Bundesregierung 839 700 DM, 300% mehr als  im vorigen Jahr - alles aus Steuergeldern, die die Arbeiter  und Angestellten massenhaft blechen müssen.

Gegen diese Politik der SPD, gegen die Bezahlung der  Faschisten durch die Kapitalisten, gegen die Kriegstreiberei der  Faschisten, veranstaltete die KPD/ML und der KJVD die  Demonstration. Deshalb trug sie Spruchbänder mit den Losungen 'Faschismus bedeutet Hunger und Krieg', 'Wir wollen  keinen neuen Krieg - Kampf den Militaristen, Kampf den  Faschisten', 'Kapitalisten bezahlen Faschisten', 'Mit der KPD/ML  gegen die Faschisten', 'Arbeitereinheit schlägt Faschismus'.“ (49)

Ähnlich lautete der Bericht der KPD/ML-ZB Betriebszelle  Pohlschröder Dortmund, die am 21.1. in ihrer Betriebszeitung Von der Demonstration berichtete:

„ARBEITEREINHEIT SCHLÄGT FASCHISMUS

Unter der Parole 'Arbeitereinheit schlägt Faschismus' hatte  die KPD/ML zu einer antifaschistischen Demonstration am  17.1. aufgerufen. In der ganzen Bundesrepublik feierten die  Faschisten die Reichsgründung durch Bismarck vor 100 Jahren. Für die Arbeiter ist dies kein Grund zum Feiern:  das Bismarck-Reich brachte das Sozialistengesetz mit dem  Verbot der SPD und zwei Kriege mit Hunger und Inflation. Weil die Faschisten seit einigen Monaten immer frecher  auftreten und z. B. Gewerkschaftshäuser demolieren, ist es  notwendig, jetzt die Arbeitereinheit herzustellen und eine  Wiederholung der faschistischen Herrschaft zu verhindern.  Darum rief die KPD/ML zur Demonstration auf, die auch von  einigen Gewerkschaftsgruppen unterstützt wurde.

Die DKP, die zuerst zugesagt hatte, zog sich zurück!

Der Demonstrationszug war fast einen Kilometer lang und  zog diszipliniert durch die Viertel der Hoesch-Arbeiter.  Überall gab es Diskussionen, wurde die ROTE FAHNE verkauft,  und viele reihten sich in den Zug ein.

Klar, dass die Dortmunder Zeitungen diese Demonstration  verschwiegen, denn es bot sich nicht einmal der kleinste  Anlass die Kommunisten zu verteufeln.“ (50)

Die Formulierungen in beiden Berichten lieferte keinen zeitgemäßen Diskurs über die Frage, wie man den Faschismus am effektivsten bekämpfen sollte. Es gab kaum andere Auffassungen, die sich dem ZB  entgegenstellten. Erst später in der tiefen Krise der Partei, die zu Beginn des Jahres 1972 begann, und  die schließlich mit dem Zerfall des ZB im Frühjahr 1973  enden sollte, wagte sich ein erheblicher Teil der Basis nach  vorne und meldete ihre intensive Kritik an.

Beide Berichte waren hier durch theoretische Improvisationen gekennzeichnet.  Die Faschisten kriechen aus ihren Löchern, die SPD und das Großkapital unterstützen sie, deshalb war eine  solche Demonstration gerechtfertigt. Im Nachrichtensystem der KPD/ML-ZB ging das  leichtgläubig durch. Überall waren ähnliche Artikel zu  lesen, und die Organisierung der Faschisten, glaubte man  diesen Berichten, nahm schon die Dimension eines  harten Klassenkampfes im eigenen Lande an. Mit dieser Beweisführung war auch klar, dass die  kapitalistische Krise unausweichlich an ihr finales Ende angekommen war.

Wie sich diese Positionen mit den späteren  Theorien des ZB (etwa: „Bonn fordert Revanche“, „Gegen Notstand, Aufrüstung und Revanchepolitik“) bereits hier in Einklang befanden, war an den Parolen „Faschismus bedeutet Hunger und Krieg“, „Wir wollen  keinen neuen Krieg“ abzulesen. Für sich genommen,  sind sie sicherlich noch heute richtig. Hier jedoch erfüllten sie ihren Zweck. Die Auflösungserscheinungen des Bonner Staates, der „Vormarsch der Reaktion“ und die  „sozialfaschistische Verwaltung der Arbeiterklasse“ war „Bonn fordert Revanche“ mit dem aufgesetzten  „Ritt nach Osten“.

Es waren gerade die vielen Widersprüche, in die sich  die Politik jener Tage zu verstricken begann, die das ZB  zum Anlass nahm, mit ihren Parolen die dürftige  Klassenbewegung zu schüren.

Am 18.1. wurde die HEINEMANN-Rede zur Reichsgründung  1871 bekannt. Der „KND“ formulierte dazu;

„Der Gründungstag des deutschen Reiches am 18.1.1871  war für Bundespräsident Heinemann Anlass, die revanchistische  Eroberungspolitik der SPD-Regierung heute mit einem  demokratischen Schleier überzogen auf eine historische Grundfrage (wohl: Grundlage, d. Vf.) zu stellen. ‚Für Generationen ist dieser Tag (an dem die preußische Reaktion  ihren Sieg über das revolutionäre Bürgertum und die  Arbeiterklasse demonstrierte) ein Höhepunkt ihres  Geschichtsbewusstseins gewesen'. 'Uns ist aber heute nicht nach einer Hundertjahrfeier  zumute. Das deutsche Reich hat sich in zwei Staaten  verwandelt ... Berlin, die Hauptstadt des Deutschen Reiches,  ist zerschnitten'. Und: 'Auch unter uns, die wir die nationalstaatliche Einheit verloren haben, lebt der Gedanke an ihre Rückgewinnung  weiter'.

Aber Heinemann täuscht geschickt den Friedenswillen der  SPD-Führer, für die er im Namen des Großkapitals spricht,  vor: Mit den Methoden, mit denen der preußische reaktionär  Bismarck das Deutsche Reich damals einigte, soll die Einigung  Deutschlands heute nicht betrieben werden: 'Bismarck als Schöpfer der Einheit mit Blut und Eisen - Wir müssen erkennen, dass dieses eine Vereinfachung ist,  bedenklich wie jede Vereinfachung, richtig und falsch zugleich. Aber Bismarck gehört nicht in die Ahnenreihe derer, die mit  der Einheit des Volkes zugleich demokratische Freiheit wollten'. Und um die Verrätereien der Sozialdemokratie seit 1914 bis  heute zu vertuschen, stellt er sich gegen das reaktionäre  Preußentum scheinbar auf die Seite der Arbeiterklasse: Die Sozialistengesetze Bismarcks verurteilt er. Aber er erklärt  sogleich, warum: 'Manche haben frühzeitig erkannt, welche Gefahrenquelle in dieser  inneren Zerklüftung lag'.

Die innere Zerklüftung, der Klassenkampf, darin liegt die Gefahr, die Heinemann heute fürchtet: die 'Gefahr' der proletarischen Revolution. Heinemann versucht davon abzulenken, wie die Ebert und Noske die Arbeiterklasse betrogen haben und Hitler in den Sattel heben halfen: 'Man vergisst allzu leicht die gesellschaftlichen Zusammenhänge  insbesondere des bismarckschen Reiches und der Weimarer  Republik, die beide an ihrer inneren Zerklüftung litten und nicht  zuletzt daran zugrunde gingen'.

Die Einheit des Volkes in Zeiten wachsender Krisen und  Klassenkämpfe zu beschwören: dass ist eine Methode des  Sozialfaschismus.

Gleichzeitig mit den Anstrengungen, die 'Einheit' des Volkes  im Sinne des Kapitals herzustellen (Heinemann: 'Die innere  Einheit der BRD ist ein gutes Stück vorangekommen'!), wird  auch die Expansion nach außen vorbereitet. Unter dem Deckmantel 'Entspannungspolitik' wird die  Rückeroberung der Ostgebiete vorbereitet. Die Erben des reaktionären Preußentums, das Finanz- und  Rüstungskapital, haben die SPD-Führer vorgeschickt, damit  ihnen der Weg geebnet wird.“ (51)

Das musste peinlich wirken. HEINEMANN, der einst noch  Viktor AGARTZ im März 1957 als damaliger Notar und  Rechtsanwalt verteidigt hatte (52), gehörte nicht ohne  weiteres zu denjenigen, auf die die Parolen des ZB zutrafen. Agitatorisch nutzte das ZB einige Schwächen in dieser Rede aus, um die Gegensätze als unüberbrückbar darzustellen.  Natürlich waren die Formulierungen „dieser Tag“, „Bismarck als Schöpfer“ und „Gefahrenquelle“ keine  eindeutigen Distanzierungen vom reaktionären  Preußentum, aber eben auch nicht revanchistisch.

Da passte es, dass in München der  Gründungsausschuss der DVU zusammentrat (16.-18.1.) Im Gründungsaufruf hieß es u. a.:

„Die nationale Not unseres Volkes und die erschütternde  Lage der Rechtskräfte und der politischen Mitte waren  für Dr. Frey und die Mitglieder des Gründungsausschusses  ausschlaggebend, ihre bisherige politische Zurückhaltung aufzugeben und am 16. Januar mit der Gründung der  DEUTSCHEN VOLKSUNION ein Fanal für den Neubeginn  der heimatlosen Rechten sowie der schweigenden Mehrheit der politischen Mitte zu setzen ... Wenn alle deutsch  gebliebenen und freiheitlich Denkenden über sämtliche Parteigrenzen hinweg angesichts der unser Volk so  bedrohenden Lage zusammenfinden, wird die Gründung  der DEUTSCHEN VOLKSUNION zu einem Markstein im Kampf um Deutschlands Zukunft und die langersehnte politische  Lawine in Bewegung bringen.“ (53)

HEINEMANN und DVU, das ging irgendwie zusammen. Das „Erbe des reaktionären Preußentums“ in der  Verkleidung. 1871-1971 klang wie ein Text Neuer Rechter. In gewisser Weise war ein nationalrevolutionärer Impuls  nicht von der Hand zu weisen; denn in der Krise des Zentralbüros schälte sich die nationale Frage mit dem  Bekenntnis zum Bau der Mauer und der Einheit Deutschlands deutlich heraus.

Hier kam dann unverhohlen ein gewisser globale Avantgardismus zum Ausdruck: ein deutsch-nationales Gefühl von einer  eingeschmolzenen Theorie beseelt. Es verwunderte nur, dass diejenigen, die den  offenen Umsturz durch eine rechte Revolution auf ihre Fahnen geschrieben hatten, keine Alternative darstellten. Und obwohl die Rechten dem ZB wirklich nicht nahe  standen, war ihr Vokabular nicht weit von den klassenkämpferischen Theorien der KPD/ML  entfernt.

Am 18. 1. berichtete die KPD/ML-ZB in seinem „KND“:

„18.JANUAR: DIE FASCHISTEN WERBEN FÜR IHRE ZIELE.

'1871 - 1971 - Das ganze Deutschland soll es sein' - unter  dieser Parole sammeln sich die Faschisten am 18.Januar,  um ihr Kampfprogramm der Rückeroberung der Ostgebiete und  des Angriffs auf die Arbeiterklasse zu verbreiten und durch eine  Kette von Veranstaltungen ihre Organisation zu stärken.

Die NPD hat in ihrem Zentralorgan, den  'Deutschen Nachrichten' in den meisten größeren und  mittleren Städten Veranstaltungen angekündigt, zum Teil Vorträge, zum Teil Kundgebungen und öffentliche Feierstunden. Die Veranstalter sind verschiedene, der NPD nahestehende  Gruppen der Aktion Widerstand (AW, d. Vf.):  So der 'Verein Deutscher Studenten' (Reichsgründungsfeier  in Frankfurt/M. am 16.1.), die 'Aktion 2000' (Reichsgründungsfeier  am 16./17.1. in Hamburg) ... , oder NPD-Bezirksverbände wie in Nürnberg, Hannover, Helmstedt und Bonn (alle Montag, 18.1.). Gleichzeitig entstehen mehrere miteinander konkurrierende  faschistische Organisationen: Die geplante Umwandlung der  NLA in die 'Deutsche Union', die in diesen Tagen stattfinden soll,  war bereits länger geplant. Inzwischen hat auch die von dem  ehemaligen NPD-Mitglied Gerhard Frey herausgegebene 'Nationalzeitung' zur Gründung einer 'Deutschen Volksunion'  aufgerufen.“ (54)

Der KJVD meinte, zu dieser Entwicklung im Februar 1971:

„ARBEITEREINHEIT SCHLÄGT FASCHISMUS.

Am 18.Januar war der 100.Jahrestag der Gründung des  Deutschen Reiches. Die Faschisten aus der NPD, der 'Aktion Widerstand', aus den verschiedenen Organisationen  der Vertriebenen, gingen an diesem Tag und am  Wochenende davor in vielen Städten der Bundesrepublik auf  die Straße, um damit zu bekräftigen, dass sie sich als  die Nachfolger Bismarcks, Wilhelm II., und Hitlers verstehen, dass sie dafür kämpfen werden, dass das 'Deutsche Reich' wiederhergestellt wird.

Schon 1967 sagte der Bundesführer der Deutschen  Jugend des Ostens: 'Ich meine, dass die BRD nicht nur ein  Provisorium ist, sondern der freie Kernstaat des 'Deutschen  Reiches'.'

Und 'Mut', die Zeitung der Nationalrevolutionären  Jugend (NRJ, d. Vf.), schreibt: 'Die Erinnerung möge den  Willen bekräftigen, das Deutsche Reich von neuem aufzubauen!' Die 'Freiheit', die in der Bundesrepublik herrscht, die wollen  die Faschisten den Polen, den Tschechen, den Ungarn  bringen. Die, denen diese Freiheit nützt, für die sie allein da  ist, das sind auch die, die hinter den Faschisten stehen, die  ihren Weg an die Macht finanzieren - die westdeutschen Kapitalisten, die Krupp und Thyssen.

Denn sie wissen, eines Tages werden sie die Faschisten  brauchen. Für sie gilt heute wie vor 100 Jahren der Satz,  den Bismarck geprägt hat: 'Krieg ist die Fortsetzung der  Politik mit anderen Mitteln.'

Heute bekommen sie ihre Profite aus den Ländern Osteuropas  noch über die Politik - über die Osthandelsverträge, die die  SPD-Regierung für sie abschließt. Wenn ihnen die Profite,  die so in ihre Taschen fließen, nicht mehr reichen, dann werden  sie zu dem anderen Mittel greifen - zum Krieg. Und um diesen  Krieg führen zu können, brauchen sie die Faschisten, brauchen  sie eine faschistische Diktatur, die das Volk für sie in den  Krieg jagt.

FASCHISMUS BEDEUTET HUNGER UND KRIEG.

Krieg für die Profite der Kapitalisten! Brutale Unterdrückung der Arbeiterklasse für die Profite der Kapitalisten! Das sind die  Ziele der Faschisten heute wie gestern.

Die SPD-Regierung macht heute die Politik für die Kapitalisten.  Und sie schaut zu, wie die sich immer mehr organisieren, die  diese Politik mit einem neuen Krieg fortsetzen wollen. Ja, sie  gibt ihnen sogar das Geld für ihre Hetzschriften. Sie baut die  Waffen, die die Faschisten, wenn sie wieder die Macht haben  sollten, gegen die Länder Osteuropas einsetzen werden.“ (55)

Der „Kampf der Arbeiterjugend“, der nichts anderes als  der Informationsdienst des Zentralbüros war, huldige hier in  schwülen Wendungen kampfgestählt der politischen Linie der Partei. Bei aller Kritik, die man an der SPD vorbringen konnte, waren folgende Sätze jedoch der Gipfel: „Ja, sie gibt ihnen (den Faschisten, d. Vf.) sogar das Geld für  ihre Hetzschriften. Sie baut die Waffen, die die Faschisten,  wenn sie wieder die Macht haben sollten, gegen die Länder  Osteuropas einsetzen werden.“

Die tiefverwurzelte Überzeugung, dass die SPD ein Projekt  der faschistischen Umtriebe ist, war gar nicht von der Hand  zu weisen. Im Gegensatz zu rivalisierenden Parteien, etwa CDU/CSU,  die zwar nicht mit dem Banner belegt, jedoch sträflich  vernachlässigt wurden, war die SPD der äußere Feind mit innerer Schlagkraft. Dass die „SPD Waffen baut“, war natürlich hanebüchener Unsinn, doch die Parolen verfingen; denn was sonst hätte das Zentralbüro und das KJ-Inform anbieten können, wenn nicht eine politische Linie, die ganz darauf ausgerichtet war, politisch zu provozieren? Diese ideologischen Überfrachtungen ließen erkennen, dass die Geschichte der KPD und der Komintern nur ein  fernes Echo war, ein Echo auf eine Geschichte, die in den  zwanziger und dreißiger Jahren berühmt war, die jedoch nicht mehr ins zwanzigste Jahrhundert passte.

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