Die Antikriegstagsprozesse 1972 - 1980

Der Prozess gegen Hubert Lehmann

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Dietmar Kesten, Gelsenkirchen, September 2011

Hallo

von Hubert Lehmann kann ich euch berichten, daß gegen ihn 1974 eine Verhandlung in München stattfand, wo er zu 12 Monaten ohne Bewährung verurteilt wurde. 1975 folgte eine Berufungsverhandlung in München, wo das Strafmaß bestätigt wurde. Da er mittlerweile bei der Bundeswehr war, wurde er aufgrund der Verurteilung bereits nach 6 Monaten auf eigenen Antrag vorzeitig entlassen. Von seiner Gefängniszeit verbrachte er einige Monate im Jugendknast Niederschönenfeld, dann wurde er nach Aichach verlegt, weil er für den Jugendstrafvollzug nicht mehr geeignet gewesen sei. Nach etwas mehr als 9 Monaten wurde er mit 3-jähriger Bewährungszeit entlassen.


H. Lehmann (E-Mail vom 23.4.2013)

1975

Unklar bleibt, wann Hubert Lehmann verhaftet wurde. Vermutlich wird er 1974 zu „einem Jahr Gefängnis ohne Bewährung“ verurteilt. Die Berufungsverhandlung findet im Januar 1975 in München statt (vgl. 29. Januar 1975).

Die „Rote Garde“ sendet ihm solidarische Kampfesgrüße (vgl. Mai 1975).

Der „Rote Morgen“ berichtet, dass er bereits „die Ladung zum Strafantritt“ erhalten habe (vgl. 24. Mai 1975).

Hubert Lehmann, der nach dem „Roten Morgen“ am 28. April eine einjährige Gefängnisstrafe antreten muss, will auf einer Veranstaltung der KPD/ML in München sprechen.

Die Rote Hilfe fordert: „Freiheit für Bernd, Hubert und Peter“, „Freiheit für die Kämpfer des Roten Antikriegstages“ (vgl. Juni 1975).

Am 9. Juni wird Hubert Lehmann ins Gefängnis überstellt (vgl. 21. Juni 1975).

Lehmann sendet aus dem Gefängnis heraus eine „Grußadresse“ an den „Jugendkongress der Roten Garde“ im August in Offenbach. Die Zeitung der Roten Garde veröffentlicht sie (vgl. September 1975).

Der „Rote Morgen“ berichtet darüber, dass Lehmann verschärften Schikanen im Gefängnis ausgesetzt sei und fordert die „Aufhebung der Isolation von Hubert Lehmann“ (vgl. 20. September 1975).

Hubert Lehmann schreibt aus dem Gefängnis, dass „der Kampf weitergeht“ (vgl. 18. Oktober 1975).

1976

Lehmann wird, so der „Rote Morgen“, im Februar 1976 aus der Haft entlassen (vgl. 26. Februar 1976).

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

29.01.1975:
Laut „Roter Morgen“, Nr. 5/1975, findet in München die „Berufungsverhandlung“ gegen vier Teilnehmer des „Roten Antikriegstags 1972“, u. a. auch gegen Hubert Lehmann, statt, der in der 1. Instanz zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden war.
Quelle: Roter Morgen Nr. 5/1975, Dortmund, S. 1f.

03.02.1975:
Laut „RPK - Pressedienst der Kommunistischen Partei Deutschlands“ beginnt in München die Berufungsverhandlung im „Antikriegstagsprozess“ gegen die Genossen Peter Baier, Hubert Lehmann, Klaus Stahl und Bernd Reiser. Sie waren 1972 „dem Aufruf der KPD/ML zum ‚Roten Antikriegstag‘ gefolgt". „In 1. Instanz hatte die Klassenjustiz die Genossen zu je 1 Jahr Gefängnis verurteilt.“
Quelle: RPK - Pressedienst der Kommunistischen Partei Deutschlands, Nr. 11, 3.2.1975.

Mai 1975:
In „Die Rote Garde“, Nr. 2/1975, heißt es unter der Überschrift: „An unsere Genossen im Gefängnis“:

„Peter Bayer aus Mannheim und Hubert Lehmann aus München mussten jetzt als erste unserer Genossen ins Gefängnis. Sie müssen eineinhalb und ein Jahr im Gefängnis absitzen, dafür, dass sie am Roten Antikriegstag 72 gegen den imperialistischen Krieg demonstriert haben. Die Innenstadt wurde damals zur Bannmeile erklär und mit Polizeiketten abgesperrt, damit die Bevölkerung bei den ‘heiteren‘ olympischen Spielen nichts von uns sehen und hören sollte. Aber unsere Demonstration hat die Bannmeile am Karlstor durchbrochen und der Bevölkerung die Gefahr eines neuen Weltkriegs aufgezeigt. Genosse Ernst Aust, der Vorsitzende unsrer Partei, hat für Peter und Hubert ein Gedicht geschrieben:

‘.. Gruß, Euch Genossen!
Sie schäumten vor Wut, als die Ketten wir sprengten
am Karlstor, man sah ihre brüchige Macht,
die blutroten Fahnen zum Sturm wir senkten,
die Bannmeile stürmten, geballt voller Kraft.

Sie hatten geträumt, uns die Straße zu nehmen,
das Wort und die Warnung vor kommendem Krieg,
die Ausbeuter, Henker beim Namen zu nennen,
zu wecken im Volke den Willen zum Sieg.

Die geifernde Rache traf Euch, die sie griffen.
Euch hat nicht das Zetern des Richters geschert
Ihr habt vor Gericht jeder Drohung gepfiffen,
die Lügen zerfetzt und sie fürchten gelehrt.

Ein Gruß, Euch Genossen, Euch Peter und Hubert,
den Kämpfern am Karlstor von Eurer Partei,
In jeder Sekunde, Minute im Kerker
da denkt sie und steht sie im Kampf Euch bei.“
Q: Die Rote Garde Nr. 2/1975, Dortmund, S. 4 u. 8.

01.05.1975:
In München soll laut „Roter Morgen“, Nr. 17/1975, auf einer Veranstaltung der KPD/ML zum 1. Mai auch Hubert Lehmann sprechen, der „am 28.4. eine einjährige Haftstrafe wegen seiner Teilnahme am Roten Antikriegstag 1972 antreten muss“.
Q: Roter Morgen Nr. 17/1975, Dortmund, S. 10.

24.05.1975:
Im „Roten Morgen“, Nr. 21/1975, heißt es zu Hubert Lehmann:

„Genosse Hubert Lehmann, der bereits vor einiger Zeit die Ladung zum Strafantritt bekam und wie bereits Genosse Peter Bayer der Polizei telefonisch Bescheid gegeben hatte, dass man ihn holen solle, wenn man ihn einsperren wolle, war bis zum Redaktionsschluss noch frei. Wir bitten bei dieser Gelegenheit unsere Leser, die den inhaftieren Genossen schreiben wollen, war bis zum Redaktionsschluss noch frei. Wir bitten bei dieser Gelegenheit unsere Leser, die den inhaftierten Genossen schreiben wollen, sich bei den entsprechenden Parteibüros in Hammheim und München über die weitere Entwicklung zu informieren.“
Q: Roter Morgen Nr. 21/1975, Dortmund, S. 6.

Juni 1975:
Laut „Roter Morgen“, Nr. 23/1975, erscheint im Juni die Nr. 3/1975 der „Roten Hilfe - Zeitung der Roten Hilfe Deutschlands“. Die Ausgabe beschäftigt sich u. a. mit dem „Roten Antikriegstag 1972“ und fordert: „Freiheit für Bernd, Hubert und Peter.“

Außerdem ist ein „Informationsblatt“ mit dem Thema: „Freiheit für die Kämpfer des Roten Antikriegstages“ erhältlich. Bestellungen sind zu richten an: Rote Hilfe Deutschlands, Dortmund.
Q: Roter Morgen Nr. 23/1975, Dortmund, S. 10.

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21.06.1975:
Laut „Roter Morgen“, Nr. 25/1975, holt die „Polizei Genossen Hubert Lehmann ins Gefängnis.“ Ausgeführt wird:

„Am 9. Juni abends ist Genosse Hubert Lehmann von der Polizei aus der Wohnung seiner Eltern in dem kleinen bayrischen Dort Greding, in dem er lebt, abgeholt und ins Gefängnis transportiert worden. Ein Jahr lang will ihm nun die Bourgeoisie die Freiheit nehmen, weil er als Kommunist 1972 am Roten Antikriegstag in München gegen den imperialistischen Krieg demonstriert hat. Die Bourgeoisie will ihn zum Verbrecher stempeln, aber seine Freunde und Arbeitskollegen, die Einwohner des Dorfes Gredings wissen, dass er aufrecht für die Befreiung der Arbeiterklasse kämpft.

Schon während seines Prozesses haben 119 Menschen aus Greding ihre Unterschrift unter eine Protestresolution gesetzt, in der sein Freispruch gefordert wurde. Genosse Hubert Lehmann sollte seine Strafe schon am 26. April antreten, aber erst jetzt hat es die Bourgeoisie gewagt, ihn zu holen. Schreibt Genossen Hubert Lehmann! Sein Aufenthaltsort könnt ihr, ebenso wie den des Genossen Peter Bayer, der seit dem 30.4. im Gefängnis sitzt, bei den entsprechenden Parteibüros oder bei der Roten Hilfe Deutschlands erfahren.“
Q: Roter Morgen Nr. 25/1975, Dortmund, S. 7.

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September 1975:
In „Die Rote Garde“, Zeitung der Roten Garde, Jugendorganisation der KPD/ML (Sondernummer), wird auch eine „Grußadresse des Genossen Hubert “ (gemeint ist Hubert Lehmann, d. Vf.) zum Jugendkongresses der Roten Garde am 30. und 31. August in der Stadthalle Offenbach veröffentlicht:

„Liebe Genossen,

Zum diesjährigen Kongress der Roten Garde sende ich Euch die herzlichsten Kampfesgrüße aus dem Gefängnis. Dieser Kongress ist ein großer Schritt vorwärts in der Jugendbewegung. Ich habe mich sehr gefreut, als ich davon erfuhr.

Die Rote - Garde Zellen, die sich bisher an vielen Orten der DBR gebildet hatten, werden nun zusammengefasst und ihre Aktivitäten bundeseinheitlich organisiert. Der Kongress wird der Roten Garde eine klare Zielssetzung geben und dazu beitragen, dass immer mehr Jugendliche ihr wahres Interesse erkennen und sich der Roten Garde anschließen.

Die Rote Garde wird als revolutionäre Jugendorganisation ihre Mitglieder zum Kommunismus erziehen und die proletarische Jugend anleiten im Kampf gegen Ausbeutung, Unterdrückung, gegen imperialistischen Krieg und modernen Revisionismus.

Getreu den Prinzipien des Marxismus-Leninismus wird sie alle bürgerlichen und revisionistischen Einflüsse entschieden bekämpfen. Zusammen mit der Kommunistischen Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten wird die Rote Garde den Kampf führen für die Diktatur des Proletariats.

In diesem Kampf werden sich die Genossen der Roten Garde und der KPD/ML auch durch Verbotsdrohungen und Gefängnisstrafen nicht abschrecken lassen und ihren Kampf fortsetzen … Die Bourgeoisie hat nun einige Kommunisten ins Gefängnis gesteckt, und so wird nun eben auch aus den Gefängnissen der Ruf erklingen: Vorwärts mit der Roten Garde, der revolutionären Organisation der proletarischen Jugend! Vorwärts mit der KPD/ML! Uns schreckt kein Gefängnis, wir kämpfen weiter für den Sozialismus. An alle Teilnehmer des Kongresses ein kräftiges Rot Front.

Euer Genosse Hubert!
Freiheit für alle politischen Gefangenen.“
Q: Die Rote Garde Nr. 6/1975, (Sondernummer), Dortmund, S. 21.

20.09.1975:
Im „Roten Morgen“, Nr. 38/1975, erscheint der Artikel: „Verschärfte Haftbedingungen für unsere Genossen. Sofortige Aufhebung der Isolation von Hubert Lehmann.“ Ausgeführt wird:

„Kurz nach dem Roten Antikriegstag 1975 wurde die Zelle des Genossen Hubert Lehmann in der Strafanstalt Niederschönfeld durchsucht. Es wurden ca. 50 Karten beschlagnahmt, die der Genosse von Teilnehmern des Roten Antikriegstags erhalten hatte. Außerdem Gedichte und revolutionäre Sprüche, die er sich an die Wand gehängt hatte, das Emblem der Roten Hilfe Deutschlands und das Lied für die politischen Gefangenen. Wegen dieser Gedichte und Lieder wurde dem Genossen mit einer Anzeige gedroht, weil sie verboten seien.

Außerdem wurde Genosse Hubert in eine andere Zelle verlegt, allein auf einem Flur. Die Teilnahme an der Arbeit im Gefängnis wurde ihm gestrichen. Die Anstaltsleitung drohte damit, ihn nach Augsburg zu verlegen oder ständig zu verlegen!
Begründet wurden diese Maßnahmen damit, dass der Verdacht bestünde, Hubert würde im Gefängnis eine Zelle der Roten Hilfe Deutschlands aufbauen. In diesem Zusammenhang drohte der Anstaltsleiter auch, dass in Zukunft alles, wo ‘Rot Front‘ draufstünde, verboten sei. Mit ‘Rot Front‘ ist aber praktisch jeder Brief unterschrieben, den Genosse Hubert erhält.

Die Partei und die Ortsgruppe de RHD München haben sofort den Kampf gegen diese Isolation des Genossen Hubert aufgenommen… Diese Maßnahmen gegen Genossen Hubert zeigen, dass die Bourgeoisie keinen Moment zögert, die Haftbedingungen, denen sie bereits seit Jahren die RAF-Gefangenen unterwirft, auch gegen Genossen der Roten Garde, der RHD und der Partei anwendet. Sie zeigen, dass die Begründungen, mit denen die Bourgeoisie diese Maßnahmen z. B. gegenüber den RAF-Gefangenen ‘rechtfertigt‘ („Sicherheitsrisiko“) nichts als ein Vorwand sind, um die Genossen in Haft zu isolieren, vom Klassenkampf zu trennen und so in ihrer revolutionären Haltung zu brechen.

Das zeigt sich auch bei den anderen Genossen, die wegen der Teilnahme am Roten Antikriegstag 1972 in Haft sind. Sie sind zwar nicht isoliert, wie Genosse Hubert, aber auch Genosse Peter Bayer bekommt trotz hartnäckigen Kampfes weder den Roten Morgen, noch die Zeitung der RHD.

Fordern wir: Sofortige Aufhebung der Isolation von Hubert Lehmann! Rückgabe der beschlagnahmten Gegenstände! Aufhebung der politischen Zensur! Freiheit für die Kämpfer des Roten Antikriegstages! Freiheit für alle politischen Gefangenen!“
Q: Roter Morgen Nr. 38/1975, Dortmund, S. 8.

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18.10.1975:
Laut „Roter Morgen“, Nr. 42/1975, schreibt Hubert Lehmann aus dem Gefängnis: „Die Genossen Schorsch und Hubert schreiben: Der Kampf geht weiter.“ Ausgeführt wird:

„Vor wenigen Tagen schickten die Genossen Hubert Lehmann und Schorsch Schmidt aus dem Gefängnis Briefe an den Roten Morgen, in denen sie über ihre Haft berichten. Beide wurden kürzlich in andere Anstalten verlegt. Genosse Hubert Lehmann, der von der Strafanstalt in die Jugendvollzugsanstalt Aichach verlegt worden ist, schreibt in seinem Brief: ‘… Am 19.9. Wurde ich verlegt und kam am 25.9. hier in Aichach an. Hier wurden mir Bücher, Zeitschriften und sogar selbstgemachte Bilder nicht überlassen. Am nächsten Tag wurden mir ca. 15 bis 20 Briefe nicht ausgehändigt… Den Roten Morgen erhalte ich hier, wie mir gesagt wurde. So habe ich auch den Artikel gelesen, wo über die Maßnahmen gegen mich berichtet wird. Das hat mich sehr gefreut, so etwas gibt einem Kraft …‘

Im Weiteren berichtet Genosse Hubert über eine faschistische Morddrohung, die ihm ins Gefängnis geschickt wurde: ‘… Du rote alte Sau …, Schade, dass Du von der Polizei nicht totgeschlagen wurdest. Aber wir werden das nachholen. Ein Kommando wurde bereits bestimmt. Es lebe das nationalsozialistische Großdeutschland! Ein Deutscher …‘

Das ist der Text eines Briefes, den ich heute erhalten habe. Überschrieben war er mit ‘Rotfront verrecke‘ und einem großen Hakenkreuz …‘

Dass die Gefängnisleitung auf der einen Seite die Briefe, in denen die Solidarität mit dem Genossen zum Ausdruck gebracht wird, zurückhält, während faschistische Morddrohungen ihm natürlich überreicht werden, gehört auch zu den Versuchen, den Genossen einzuschüchtern, einen Keil zwischen ihn und die Partei zu treiben. Doch vergeblich. Hubert schreibt abschließend in seinem Brief:

‘… Ihr könnte Euch wahrscheinlich nicht vorstellen, was ich für eine Wut habe. Aber ich weiß genau: Wenn man den Faschismus bekämpft, muss man auch noch einige andere Sachen bekämpfen, bevor man ans Ziel gelangt. Und dafür werde ich mein Leben einsetzen …“
Q: Roter Morgen Nr. 42/1975, Dortmund, S. 8.

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26.02.1976:
Laut „Roter Morgen“, Nr. 10/1976, wird Hubert Lehmann aus der Haft entlassen.
Q: Roter Morgen Nr. 10/1976, Dortmund, S. 7.

Letzte Änderungen: 2.2.2014

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