Die Antikriegstagsprozesse 1972 - 1980

Der Prozess gegen Martin Peleikis

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Dietmar Kesten, Gelsenkirchen, September 2011

Bei Martin Peleikis ist die Sachlage unklar. In der Datenbank MAO erscheint er unter dem Datum 2.9.1972 als einer der „Verhafteten“. Später taucht sein Name nicht mehr auf. Erst wieder im Juni 1977. Da wird er aber scheinbar wegen eines anderen „Delikts“ verhaftet und zu „sieben Monaten Gefängnis“ ohne Bewährung verurteilt. Er soll ein Flugblatt unterzeichnet haben, dass dazu aufforderte, den „Drill und Kadavergehorsam“ in der Bundeswehr zu bekämpfen (vgl. Juni 1977, 10.06.1977).

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

Juni 1977:
Laut „Rote Hilfe - Zeitung der Roten Hilfe Deutschlands“, Nr. 6/1977, wird Martin Peleikis als Teilnehmer des „Roten Antikriegstages 1972“ in München verhaftet und zu „sieben Monaten Gefängnis“ verurteilt. Peleikis hatte zudem dazu aufgerufen, in der Bundeswehr gegen „Drill und Kadavergehorsam“ zu kämpfen.

„Auch Martin wurde nicht etwa zu sieben Monaten Gefängnis verurteilt, weil er ein ‘Verbrecher‘ ist, sondern einzig und allein wegen seiner revolutionären Gesinnung. Es ging um die Unterzeichnung eines einzigen Flugblatts, das die Soldaten der Bundeswehr dazu aufrief, ‘gegen Drill und Kadavergehorsam‘ zu kämpfen. Die Klassenjustiz nannte das ‘öffentliche Aufforderung zur Meuterei in Tateinheit mit verfassungsfeindlicher Einwirkung auf die Bundeswehr‘. Diese sieben Monate Gefängnis für die presserechtliche Verantwortung eines einzigen Flugblatts, das ist das bisher schärfste Urteil dieser Art.

Der Prozess zeigt, mit welchem Kaliber hier geschossen werden soll. Unter anderem wurde Martin, der einen Wahlverteidiger hatte, noch ein Pflichtverteidiger des Gerichts zugewiesen. Warum, zeigte sich bald - nämlich als aufgedeckt wurde, wer dieser Mann, ein Herr Bross, ist. Niemand anders nämlich als der Verteidiger Hermann Görings bei den Nürnberger Prozessen …

Sieben Monate Gefängnis für ein Flugblatt. Sieben Monate müssen Martins Frau und sein erst einige Monate alter Sohn ohne ihren Mann und Vater, ohne ihren hauptsächlichen Ernährer bleiben. So wird bei uns heute ‘Recht‘ gesprochen.“
Quelle: Rote Hilfe - Zeitung der Roten Hilfe Deutschlands, Nr. 6/1977, Dortmund, S. 2ff.

10.06.1977:
Im „Roten Morgen“, Nr. 23/1977, erscheint unter „Berichtung“ ein Hinweis von Martin Peleikis:

„Zwar wurde wegen meiner Verurteilung zu sieben Monaten eine Verfassungsbeschwerde eingelegt, doch handelt es sich bei dem angeführten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nicht um diese Verfassungsbeschwerde. Es ist dies eine Verfassungsbeschwerde, die mein Rechtsanwalt Mairgünther in eigener Sache eingelegt hat. Am ersten Verhandlungstag in Flensburg wurde mein Anwalt wegen angeblicher Prozesssabotage zur Zahlung der Gerichtskosten (!) verurteilt: 257,20 DM, die per Gerichtsvollzieher bei ihm eingetrieben wurden.

Gegen diesen Gerichtsbeschluss ist mein Anwalt durch alle Instanzen gegangen, bis das Oberlandesgericht Schleswig endgültig diesen Beschluss bestätigt hat. Und das, obwohl der Begriff ‘Prozesssabotage‘ zurückgezogen werden musste, weil es ihn in der heutigen Rechtssprechung (noch) nicht gibt. Es gab ihn im Hitlerfaschismus. Anlass für diesen Beschluss war die Tatsache, dass ich als Angeklagter und er als mein Verteidiger uns weigerten, an der Verhandlung teilzunehmen, solange die anwesenden uniformierten Polizisten nicht aus dem Gerichtssaal abgezogen würden. Gegen diesen Gebührenbeschluss also wurde Verfassungsbeschwerde eingelegt und vom BVG mit einer Missbrauchsgebühr belegt.“
Quelle: Roter Morgen Nr. 23/1977, Dortmund, S. 7.

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