Die Prozesse gegen Ernst Aust

1. Teil: 1973

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Dietmar Kesten, Gelsenkirchen, Juni 2011

Vorbemerkung zum Stellenwert der „politischen Prozesse“

Die „politischen Prozesse“ der 1970er Jahre hatten in der Agitation der K-Gruppen einen zentralen Stellenwert. Sie waren Teil der Kampagne: „Kampf der bürgerlichen Klassenjustiz - Kampf der politischen Unterdrückung“. Zurückverfolgen lassen sie sich bis auf die Weimarer KPD. Hier ist besonders an den „Dimitrow-Prozess (21. September bis 23. Dezember 1933) zu erinnern, der immer wieder als leuchtendes Vorbild für den Kampf von Kommunisten vor Gericht angesehen wurde. So wie der „Held von Leipzig“ die Geschicke im Gerichtssaal selbst in die Hand nahm, so entschlossen sollten sich auch die angeklagten Genossinnen und Genossen zeigen und den bürgerlichen Gerichten ihre Maske vom Gesicht reißen.

Die Illegalisierung der KPD von 1956, die nicht nur den Antikommunismus, sondern auch die politische Unterdrückung von Kommunisten und Linken auf die Spitze trieb, war faktisch gleichbedeutend mit einer Verbot der Propagierung des Marxismus-Leninismus. Der Staat hatte seinerzeit die KPD deshalb verboten, weil er der Auffassung war, dass das Programm der KPD zur „Nationalen Wiedervereinigung“ den Sturz des Adenauer-Regimes implizierte. Danach sei die KPD eine „verfassungsfeindliche Organisation“. Durch sie sei die „freiheitlich demokratische Grundordnung“ der BRD in einem erheblichen Maße gefährdet (vgl. Begründung des Bundesverfassungsgerichtes vom April 1956).

Diese „politische Unterdrückung“ wurde zu Beginn der 1970er Jahre von den K-Gruppen wieder aufgenommen, und sie kann als zentrale Begleiterscheinung für alle nun folgenden Prozesse gegen führende Genossen, aber auch der Versuche, die verschiedenen Gruppierungen unter das Parteiverbot von 1956 zu stellen, gesehen werden.

Der Kampf gegen den „Unterdrückerstaat“, gegen das „unmenschliche System“, sollte gleichzeitig zum Fanal werden; denn dabei ging es auch darum, die Vorwürfe der „Staatsgefährdung“, der „verfassungsverräterischen Zersetzung“ und des „Hoch- und Landesverrats“ zu entkräften und ihnen die Propagierung des revolutionären politischen Kampfprogramms der Kommunistischen Partei mit der „Diktatur des Proletariats“ im Mittelpunkt entgegenzusetzen.

Demnach ruhte auch die „Abrechnung mit der Klassenjustiz“ auf zwei Säulen: Zum einen sollten die Entwicklungen und Tendenzen der BRD zum „Polizeistaat“ (mit „Rechtsdruck“ und ständiger „Faschisierung“), der in der Nachfolge des Hitlerregimes stand, aufgezeigt werden, zum anderen war die Kampagne gegen die rücksichtslose Unterdrückung der politischen Opposition, insbesondere der Marxisten-Leninisten durch den Bonner Staat, besonders dazu geeignet, den „Klassencharakter“ der bundesdeutschen Gerichte aufzuzeigen.

Stets ging es auch darum, diese „politischen Prozesse“ ad absurdum zu führen, in denen die sog. Rädelsführerschaft“-Theorie eine besondere Bedeutung hatte, wonach die „Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung“ (nach § 129 des StGB), hier der Kommunistischen Partei, von den staatlichen Organen mit dem Terminus der „besonders schweren Schuld“ belegt worden war. Durchaus gab es hier Parallelen zu den „RAF“-Prozessen; denn auch in diesen sollte der Versuch unternommen werden, mit „staatspolizeilicher Prozessführung“ die „politischen Gefangenen“ (so der „Rote Morgen“, Nr. 46/1974 vom 16. November) mundtot zu machen.

Diese Form der „Klassenauseinandersetzungen“ mit den Angriffen auf die Angeklagten, die die KPD/ML auch als gewaltsame Beseitigung der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ der BRD verstand, sollte in jeden Gerichtssaal getragen werden, in dem sie ihren Kampf gegen das „verbrecherische System“ zu führen gedachten.

Der „Kampf gegen die politische Unterdrückung“ hatte auch eine andere Aufgabe: Er sollte einen politischen Umschwung einleiten; denn der Staat stand vor Gericht. Da man davon ausging, dass Richter und Staatsanwälte nur „Büttel des kapitalistischen Systems seien“, das sie vertreten, musste zwangsläufig die Propaganda für den Sozialismus und darin eingebettet die Rechtssprechung durch „Richter des Volkes“ (Beispiele: China und Albanien) einen zentralen Stellenwert besitzen. Später sollte u. a. der KBW in seinem Programm die „Wahl der Richter“ durch das Volk propagieren.

Viele der Angeklagten verteidigten sich vor Gericht selbst, was allgemein als „revolutionäre Prozessführung“ bezeichnet wurde. Öfter gelang es ihnen auch, ihre Verteidiger in diese „linke“ Prozessführung einzubinden. So ließ sich Ernst Aust in seinem Prozess von 1973 durch den bekannten Hannoveraner Strafverteidiger Heinrich Hannover verteidigen.

Die angeklagten Genossen selbst, aber auch ihre Verteidiger, schöpften nach ihren Möglichkeiten alle juristischen (bürgerlichen) Mittel aus, die ihnen zur Verfügung standen. All das sollte dem „politischen Kampf“ dienen und zu einer besseren juristischen Argumentation führen. Dabei stand natürlich auch im Mittelpunkt, von der „Klassenjustiz“ ein gnädigeres Urteil zu erzwingen oder es ihr abzutrotzen, welches bei Gelingen als Erfolg der Kommunisten, der Prozessführung und der Kommunistischen Partei interpretiert wurde.

Öfter wurde bereits am ersten Prozesstag ein „Befangenheitsantrag“ gestellt. Dieser sollte deutlich machen, dass kein bürgerliches Gericht für die Verurteilung eines Kommunisten zuständig sei. Die einschlägigen Paragraphen des StGB (etwa Artikel 129a, 90a), die etwa vom Landgericht Hamburg im Prozess gegen Ernst Aust 1973 bemüht worden waren, um ein Verbot oder eine Illegalisierung der KP zu erreichen, sollen von seinem Verteidiger Heinrich Hannover als „grober Verstoß und Verletzung der Kompetenzen“ des Gerichts bezeichnet worden sein. Auch der mögliche „Entzug der bürgerlichen Grundrechte“ sei davon betroffen (nach Artikel 5 des GG). Prozesse mit diesem Ausmaß seien „generell unzulässig“. Da davon auch die „parteioffizielle Tätigkeit“ der Funktionäre und Anhänger einer Partei betroffen seien, müsse die Sache an das Bundesverfassungsgericht verwiesen werden. Die Landgerichte seien nicht zuständig.

Da die Angeklagten die Möglichkeiten hatten, sich zu den ihnen vorgeworfenen Anklagepunkten zu äußern, wurde des Öfteren gleich eine ganze Litanei von „Urkundenbeweisen“ zur „Entlastung der Beweisaufnahmen“ (nach § 245 der StPO) herangeschafft. Diese bestanden u. a. aus Zeitschriften, Büchern, Artikeln usw., die langatmig zitiert wurden, damit sie zur „Wahrheitsfindung“ beitrügen.

Heinrich Hannover hatte etwa unzählige „Beweisanträge“ vorgelegt, die die Unschuld seines Mandaten in Bezug auf seine inkriminierte Äußerung von den „kapitalistischen Mördern“ beweisen sollten, indem er etwa Verkehrstote in der BRD, Tote am Arbeitsplatz, Geschäftemacherei der Pharmaindustrie mit unzähligen Toten, Folterungen in deutschen Gefängnissen, Ermordung von Menschen bei Polizeieinsätzen, Beteiligung der Rüstungskonzerne und der BRD am Völkermord in Vietnam usw. aufführte. Dass angeklagte Genossen und ihre Verteidiger stets die Einstellung der Verfahren und einen Freispruch forderten, versteht sich fast von selbst.

Die Aust-Prozesse im Zusammenhang mit anderen Anklagen

Die Prozesse gegen Ernst Aust waren relativ vielschichtig. Sie müssen daher in einen größeren Zusammenhang gestellt werden. Der erste Prozess gegen ihn begann im Mai 1973. Angeklagt wurde er aber schon im Oktober 1972. Ernst Aust war angeklagt worden, weil er Straftaten „gebilligt“ haben soll, Schriften (den „Roten Morgen“, d. Vf.) verbreitet haben soll, in denen zu „strafbaren Handlungen“ aufgerufen wurde.

Prozesse gegen ihn fanden bis 1976/77 immer wieder statt. Stets waren die Anklagepunkte ähnlich. Mal wurde er wegen angeblicher Äußerungen zum so genannten „Massaker von Fürstenfeldbruck“ (September 1972) angeklagt, weil er angeblich behauptet haben soll, dass auch „israelische Geiseln von der deutschen Polizei erschossen“ worden seien (Juli 1974); mal, weil er als verantwortlicher Redakteur des „Roten Morgen“ die BRD „beschimpft“ und „verächtlich“ gemacht haben soll und die Vertreter des Parlaments als „Huren des Kapitals“ bezeichnet haben soll (August 1974), mal wegen der Äußerung, dass das Parlament eine „Schwatzbude“ sei und die „Bonner Parlamentarier korrupt bis auf die Knochen“ seien (November 1974), mal, weil er ein Megaphon „unverhältnismäßig“ und „unrechtmäßig“ benutzt haben soll (März 1975), weil er angeblich „Wehrkraftzersetzung“ betrieben haben soll (Mai 1975), weil er behauptet haben soll, dass „politische Gefangene in der BRD durch Isolationshaft gefoltert würden“ (1976), und wiederum wegen „böswilliger Verächtlichmachung“ des Staates, weil er behauptet haben soll, dass „die Bourgeoisie zur Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft über Leichen“ gehen würde (etwa im Februar 1977).

Ohne Wenn und Aber waren die Anklagen gegen Ernst Aust enorm. Die „politischen Prozesse“ gegen ihn und andere zeigten, welche Rolle die Justiz zu Beginn der 1970er Jahre spielte, als es darum ging, Widerstände und fundamentaloppositionelle Vorstellungen zu brechen. Mit einer Reihe von Gesetzen, den sog. „Anti-Terrorismus-Gesetzen“, wurde überdies versucht, Verteidiger, Gruppen und Personen, die sich öffentlich auf die Seite der Angeklagten schlugen, selbst anzuklagen.

Ernst Aust, der seit dem sog. „Blinkfüer“-Prozess mit der Staatsanwaltschaft Hamburg im Clinch stand und mit der Gründung der KPD/ML ein Organisationskonzept für eine Kommunistische Partei in die Öffentlichkeit trug, das davon ausging, den kapitalistischen Produktionsprozess „revolutionär“ zu beseitigen, sah sich der „politischen Justiz“ (Otto Kirchheimer) gegenüber, wonach die Überzeugung eines politischen Gegners gebrochen werden musste.

Vermutlich hing Ernst Aust auch aus diesen Gründen heraus, seine Anklage im sog. „Blinkfüer“-Prozess an. Das „Blinkfüer“ oder auch „Dat Blinkfüer“ („Das Leuchtfeuer“) war die KPD-Zeitung für den Bereich Wasserkante/Hamburg. Ernst Aust hatte die Zeitung als verantwortlicher Redakteur 1953 übernommen. Die Zeitung war aus der Bewegung für die „Befreiung Helgolands“ entstanden, jenes fragwürdigen nationalistischen Unterfangens, mit der auch national gesinnte Gruppen wie etwa „Die Dritte Front“ oder „Der deutsche Block“ seinerzeit auf Stimmenfang gegangen waren.

Nach dem Verbot der KPD 1956 wurde die Zeitung weitergeführt. Sie blieb praktisch ein legales Organ der illegalen KPD. „Dat Blinkfüer“ erschien von 1951 bis 1969 zunächst mit dem Untertitel „Unabhängige Wochenzeitung“, später „Sozialistische Wochenzeitung“, in Hamburg und Umgebung. Mit der Ausgabe 13/1969 wurde vermutlich in der 3. März-Woche das Erscheinen eingestellt.

In einem politischen Strafverfahren wurde Aust zwar davon freigesprochen, gegen das KPD-Verbot verstoßen zu haben; dennoch kam seine Verurteilung einem Verbot der freien Meinungsäußerung und der ungehinderten Information (Pressefreiheit) gleich. Im Hinterkopf sollte man dazu haben, dass die umstrittenen Nebenpunkte der Anklage auf die Interventionen des Axel Springer Verlages zurückgingen. Dieser hatte seinen Grossisten und Zeitungskiosken per Rundschreiben mitgeteilt, dass sie die Verlagsobjekte seines Hauses verlieren würden, falls sie weiterhin das „Blinkfüer“ mit einem Ostprogramm (gleichzusetzen mit der Propaganda für den Kommunismus) vertreiben sollten.

Die Hamburger Staatsanwaltschaft, die mehrere Ausgaben der Zeitung beschlagnahmt hatte, musste nun eine Verbindung zwischen dem „Blinkfüer“ und der verbotenen KPD konstruieren: Aust habe sich „bewusst in den Dienst der illegalen KPD gestellt“, hieß es. Die 200-seitige Anklageschrift versuchte auch, Aust als „Rädelsführer“ hinzustellen, der „kommunistischen Tendenzen“ im „Blinkfüer“ nicht entgegensteuerte und offen für die „Unterstützung und Werbung für die illegale KPD“ Reklame machte.

Die „Rädelsführerschaft“-Theorie sollte fortan vom Bonner Staat immer dann bemüht werden, wenn er sich „beschimpft und (besonders) böswillig verächtlicht“ gemacht fühlte. Sie war seit den Hamburger Tagen aus allen nun folgenden Prozessen gegen führende Personen der K-Gruppen nicht mehr wegzudenken.

Neben dem Aust-Prozess von 1973 wurde sie auch im sog. „Spreti-Prozess“, der am 17. Dezember 1971 in Bochum begann und mit einer Verurteilung der Angeklagten am 24. September 1973 (vgl. Dietmar Kesten: Der Spreti-Prozess in Bochum) endete, bemüht; denn die „Billigung von öffentlichen Straftaten“ (eines Mordes, d. Vf.) sollte im Kern auf Anstiftung und Verschwörung gegen den Staat hinauslaufen.

Dieser Prozess, einer der ersten Prozesse von zentraler Bedeutung für die K-Gruppen, der für Klaus Dillmann, Mitglied der KPD/ML, mit einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten auf Bewährung endete, war für den „Roten Morgen“ ein Hinweis darauf, dass die „Klassenjustiz nun verschärften Terror“ ausüben würde (vgl. „Roter Morgen“ Nr. 40/1973).

Dass der Staat nicht glimpflich mit den Angeklagten umging, schälte sich mehr und mehr heraus. Dillmann war wegen seiner Aktivitäten im sog. „Rote-Punkt-Prozess“ 1971 (vgl. Dietmar Kesten: Der Dortmunder Rote-Punkt-Prozess gegen Klaus Dillmann, Juni 1971 - September 1974) wiederum der „Rädelsführerschaft“ beschuldigt worden. Für die Staatsanwaltschaft seit dem „Blinkfüer“-Prozess ein willkommener Anlass, noch effektiver gegen Mitglieder kommunistischer Organisationen vorzugehen.

Die Marschroute für den Prozess gegen Ernst Aust sei in all diesen Prozessen „festgelegt worden“, befand der „Rote Morgen“. So habe sich der Angeklagte Klaus Dillmann angeblich des „schweren Landfriedensbruch“, des „besonders schweren Widerstands gegen die Staatsgewalt“ und der „gefährlichen Körperverletzung“ schuldig gemacht (vgl. „Roter Morgen“ 4/1973). All das sei der Auftakt gewesen, um „später die KPD/ML bequem als kriminelle Vereinigung verbieten zu können“ (ebd.). Daher die Parole: „Kampf der Verfolgung und dem Verbot der KPD/ML!“

Der Aust-Prozess von 1973 war mehr oder weniger für viele weitere Prozesse von Bedeutung. Zu nennen wären etwa die gegen zwei ehemalige Mitglieder der KPD/ML-Zentralbüro, Michael Schulte und Norbert Osswald, die u. a. wie Ernst Aust nach § 129 angeklagt worden waren, „Mitglieder in einer kriminellen Vereinigung“ (gewesen) zu sein (vgl. Jürgen Schröder: Bochum: Das Berufsverbot gegen Norbert Osswald; Dortmund: Der Prozess gegen Michael Schulte und Norbert Osswald; Herne: Der Rote-Fahne-Prozess - Franz Josef Strauß gegen Michael Schulte).

Diese Prozesse, die weit über den lokalen Rahmen hinausgingen, interpretierte der „Rote Morgen“ als „Verfolgung der politischen Organisation der werktätigen Massen“ (vgl. „Roter Morgen“ Nr. 17/1973) und stellte sie in den Zusammenhang mit der Anklageschrift gegen Ernst Aust.

Eine zentrale Bedeutung im „Kampf der politischen Unterdrückung“ hatten sicherlich ebenfalls eine Reihe von so genannten „Antikriegstagsprozessen“ gegen Teilnehmer des „Roten Antikriegstages“ am 2. September 1972 in München, die sich teilweise bis 1976 hinzogen (u. a. waren angeklagt: Klaus Kercher, Klaus Singer, Heinz Baron, Hans-Georg Schmidt). Auch dort war die „Rädelsführerschaft“-Theorie zentraler Bezugspunkt der Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung der Angeklagten.

Der „Rote Morgen“ sah in ihnen eine neue Stufe des „Terrors der Bourgeoisie“, die eine Reihe von „Klassenjustizurteilen“ sprechen wolle (vgl. „Roter Morgen“ 16/1973). Diese Prozesse, die stets auf eine Anklage wegen „Landfriedensbruchs“, „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit“ und/oder auf „vorsätzliche Körperverletzung“ hinausliefen, betrachtete der „Rote Morgen auch als „Polizei- und Justizterror“ (vgl. etwa die Ausführungen zum „Kieler Kommunistenprozess“ vom April 1973 (siehe „Roter Morgen“ 15/1973)).

Hierunter fiel ebenso der „Bänninger“-Arbeitsgerichtsprozess (April/Mai 1973), die Prozesse gegen Sascha Haschemi (ab Januar 1974 - Herbst 1976), Hanfried Brenner (Februar 1974), gegen Thomas Scheffer (November 1974), Martin Peleikis (November 1976), der Prozess gegen den späteren presserechtlich Verantwortlichen des „Roten Morgen“ Dieter Stoll (1976/77), vor allem aber dann die Prozesse gegen Gernot Schubert, der wie Ernst Aust ständig vor Gericht stand, Karin Wagner (1974 - 1976), der Prozess gegen Michael Banos von der „Roten Hilfe“ (Juli 1976) und übergeordnet die Prozesse gegen den „Roten Morgen“ als Zeitung der KPD/ML. Der „Rote Morgen“ interpretierte sie als einen „Angriff gegen den Marxismus-Leninismus als Weltanschauung, als einen erneuten „Angriff auf die kommunistische Presse seit dem KPD-Verbot“. Ziel der Bourgeoisie sei es, die kommunistische Presse überhaupt auszuschalten“ („Roter Morgen“ 18/1976).

Nicht nur Ernst Aust, Gernot Schubert oder Karin Wagner wurde der Prozess gemacht. Prozesse gegen Jürgen Horlemann, Christian Semler (beide KPD), Mitglieder des KSV, des KJV, der Liga gegen den Imperialismus und des Nationalen Vietnamkomitees (etwa Ulrich Kranzusch), die während des Thieu-Besuches in Bonn das dortige Rathaus besetzt hatten und verhaftet worden waren (vgl. Jürgen Schröder: Der Thieu-Besuch am 10.4.1973 in Bonn), wurden ebenfalls geführt.

Zu nennen sind sicherlich auch einige Prozesse gegen Mitglieder der KPD/ML-Neue Einheit im Herbst 1972, die, so die Gruppe, der „rigorosen Unterdrückung“ ausgesetzt waren.

All diese Prozesse gegen die „Revolutionäre“ seien „Schauprozesse gegen jede revolutionäre Gewalt“, führte der „Rote Morgen“ in seiner Nr. 22 vom 6. November 1972 anlässlich des beginnenden Prozesses gegen Horst Mahler aus und forderte: „Freiheit für alle politischen Gefangenen“. Hier reihten sich auch die Prozesse gegen die „RAF“ ein, die, wenn man so will, in einem gewissen Zusammenhang mit den Prozessen gegen Ernst Aust standen („Rädelsführerschaft“-Theorie), oder die komplexen Prozesse aus der Jugend- und Studentenbewegung. Sie sollen hier nicht behandelt werden.

Viele kleinere Prozesse gegen revolutionäre Betriebsräte, kommunistische Lehrer, die aus dem Schuldienst entlassen worden waren (Wolfgang Walter, Jürgen Paulick u. a.), Vertrauensleute der Gewerkschaften, Redakteure von Zeitungen usw. stehen natürlich alle irgendwie im Zusammenhang mit der „Verunglimpfung des Staates“. Man kann das als charakteristisch für den „Verfolgungswahn“ der damaligen Bonner Behörden interpretieren. Ein regelrechter Antikommunismus zog sich durch alle diese Prozesse. Der Bonner Staat, so kann man es sehen, versuchte, oppositionelle Regungen zu ersticken.

Kein Wunder also, dass der Staat in gewisser Weise mitverantwortlich für die kommende Eskalation war, wenn an die Prozesse gegen die „RAF“, gegen Hausbesetzer, Anti-AKW-Demonstranten oder Startbahn-West Gegner gedacht wird. Die Beschneidung von Freiräumen, Toleranz und Freiheiten gab es schon seit der Studentenbewegung. Und die „erschreckliche Bedrohung“, die der Staat stets anführte, um sich der „Linken“ in den Prozessen zu entledigen, hatte schon die Frankfurter Paulskirchversammlung von 1848/49 als Einschränkung der Grundrechte „bei polizeilicher Behandlung und Gerichtsverfahren“ bezeichnet und sie als „Missbrauch“ zurückgewiesen.

In einem späteren zweiten Teil sollen die Prozesse gegen Ernst Aust 1974 bis 1977 dargestellt werden. Daran sollen sich die „Antikriegstagsprozesse“ anschließen. Und folgt auch noch ein Beitrag über den „Blinkfüer“-Prozess von 1963.

Die „Blinkfüer“-Prozesse gegen Ernst Aust werden etwa hier dokumentiert:

Lesenswerte Bibliographie:

Der Prozess gegen Ernst Aust 1973

Oktober 1972

Die erste Anklageschrift geht Ernst Aust, Vorsitzender der KPD/ML, im Oktober 1972 zu. Ingesamt sollen gegen Ernst Aust etwa 20 Strafverfahren in einem Zeitraum von ca. 20 Jahren anhängig gewesen sein. Vorgeworfen wird ihm, „durch Verbreiten von Schriften zu strafbaren Handlungen aufgefordert zu haben“ sowie „Verbrechen öffentlich gebilligt zu haben“. Hintergrund der Anklageerhebung ist das Extrablatt des „Roten Morgen“ zum 1. Mai 1972, in dem u. a. der „gewaltsame Sturz der Bourgeoisie“ propagiert wird. Aust soll ebenfalls dazu aufgerufen haben, die „Bundeswehr“ zu untergraben (vgl. 17. Oktober 1972).

Dezember 1972

Ein erster Prozess wird nach Aussage des „Roten Morgen“ im Dezember 1972 eröffnet. Aust soll Sprengstoffanschläge eines damaligen Terrorkommandos der „RAF“ auf das Heidelberger Hauptquartier der US-Streitkräfte, „gebilligt haben“ (vgl. 4. Dezember 1972).

Februar 1973

Der anstehende Prozess gegen Ernst Aust, befindet der „Rote Morgen“, betrifft nicht nur die KPD/ML, sondern es werde versucht, das „Verbot der KPD/ML und aller marxistisch-leninistischen Organisationen vorzubereiten“ (vgl. 10. Februar 1973).

Eine weitere „Anklageschrift“, die Aust im Februar 1973 zugeht, klagt ihn als verantwortlichen Redakteur des „Roten Morgen“ an, die BRD durch Schriften „böswillig verächtlich gemacht zu haben“ (vgl. 16. Februar 1973).

Die erste mir bekannt gewordene „Solidaritätsadresse“ für Aust zu seinem Prozess ist aus dem Februar 1973. Danach soll er auch wegen seiner antimilitaristischen Äußerung „Krieg dem imperialistischen Krieg“ und eines Aufrufs an die Soldaten der Bundeswehr „im Ernstfall die Gewehre umgedreht“ (was der sog. „Wehrkraftzersetzung“ gleichkommt, d. Vf.) verurteilt werden (vgl. 24. Februar 1973).

April 1973

Die „Roter-Morgen“-Redaktion erklärt zu Beginn des Prozesses gegen Aust, dass er „stellvertretend“ für alle vor Gericht gezerrt werde. Der Hauptangriff der Bourgeoisie würde sich gegen den „Kern der Partei“ und gegen ihren Vorsitzenden richten (vgl. 21. April 1973).

Mit dem Erscheinen des „Roten Morgen“ 16/1973 geht die KPD/ML in die Offensive: Der Leitartikel wendet sich gegen die „Terrorurteile der Bourgeoisie gegen Heinz Baron“ und Ernst Aust. Bei ihnen würde es letztendlich um ein „Verbot der KPD/ML“ gehen (vgl. 28. April 1973).

Mai 1973

Die Prozesse gegen die beiden ehemaligen KPD/ML-ZB-Mitglieder Michael Schulte und Norbert Osswald, bei denen der § 129 des StGB eine besondere Rolle spielt, zeigen im Kern, dass er nun direkt auf die KPD/ML angewendet werden soll. Die Anklageschrift habe sich auf die KPD/ML bezogen. Ein Urteil gegen Ernst Aust wäre ein Grundsatzurteil, das auf das Verbot der Partei hinauslaufen würde (vgl. 5. Mai 1973).

In einem „Extrablatt“ vom Mai 1973 wird klar, wie die KPD/ML diesen Prozess versteht: „Hier soll der Kopf, die Führung der westdeutschen Kommunisten getroffen werden.“ Gleichzeitig soll mit den Prozessen gegen Aust die „kommunistische Agitation und Propaganda verboten werden“. Stets ist auch der Hinweis der „Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung“ (§ 129 StGB) als Hintergrund der anstehenden Prozesse genannt, die nun als „Musterprozesse“, so der „Rote Morgen“, geführt würden, um zu beweisen, dass die „Kommunistische Partei eine Kriminellenbande“ sei (vgl. Mai 1973).

Wichtig erscheint, dass die KPD/ML davon ausgeht, dass das „Verbot der KPD/ML“ nur noch eine Frage der Zeit sei und dass auf sie, wie auch auf andere Organisationen, der § 129 StGB angewendet werden solle: „Kriminelle Vereinigung“. Im Übrigen war zu Beginn der 1970er Jahre fast jede K-Gruppe diesem Vorwurf des Staates ausgesetzt.

Dass der „Rote Morgen“ die Stellvertretertheorie ausdrücklich betont, bedarf keiner besonderen Erwähnung mehr. Ernst Aust sei auch deswegen angeklagt, weil er der „Sprecher der Arbeiterklasse sei“ und die KPD/ML „der Kern der Partei der Arbeiterklasse“ sei.

Auch die ersten „Solidaritätsadressen“ für Ernst Aust werden in der Zwischenzeit bekannt. Eine aus Reutlingen, eine von der italienischen Organisation P.C. (ML) und eine von der der KPD/ML nahestehenden „Roten Hilfe“ (Dortmund), die während der Breschnew-Demonstration in Dortmund am 19. Mai 1973 verabschiedet worden war (vgl. 19. Mai 1973).

Mit der sog. „Verbotsdemonstration“ am 19. Mai in Dortmund scheint sich für die KPD/ML wie auch für viele andere Organisationen, die politische Lage im „Herzen des Klassenkampfes“ zu verschärfen. Die kommunistische Agitation und Propaganda, die nun als eingeschränkt zu betrachten sei (die ML-Gruppen sprachen sogar von „Verbot“), führt zu einer wahren Flut von antikommunistischen Ressentiments des Staates gegen Protestler.

Die „Klassenjustiz“, so die KPD/ML, würde das zum Vorwand nehmen, um auf das „Verbot der Partei der Arbeiterklasse“ hinzuarbeiten. Eigentlich wird dieser Terminus von der KPD/ML immer wieder bemüht, um daraus eine schon fast unglaubliche Heldenlegende zu stricken: Mit Ernst Aust soll der „Führer der Arbeiterklasse“ mundtot gemacht werden.

Nicht von ungefähr erscheit in der Ausgabe des „Roten Morgen“ 20/1973 der „Lebenslauf“ von Aust, in dem er zum Mythos hochstilisiert wird. Nachdem der „Aufruf des Präsidiums der KPD/ML („Erhöht die Wachsamkeit im revolutionären Kampf …“) als Leitartikel erschien, nimmt die Dramatisierung ihren Lauf.

Zunächst wird das „Herz des Klassenkampfes“, das Ruhrgebiet, bemüht. Hier soll sich angeblich der „revolutionäre Klassenkampf“ besonders herauskristallisiert haben. Die Formulierungen über das dortige Verbot „jeglicher Agitation und Propaganda“ laufen allesamt auf eine moralische Entrüstung hinaus; denn auch im übrigen Bundesgebiet werde versucht, die „Kommunisten mit Polizeigewalt mundtot“ zu machen. Die KPD/ML will das nicht hinnehmen und schmiedet an der Formulierung des „revolutionären Klassenkampfes“, den schon immer (siehe „Lebenslauf“) Ernst Aust geführt habe.

Um dem anstehenden Prozess stärkeren Nachdruck zu verleihen, wird dann auch gleich das Leben des Ernst Aust in rosigen Farben geschildert. Ein Leben für „die Sache der Arbeiterklasse“. Mittels dieses Rückgriffs kann nun die öffentliche Zurückweisung aller Anklagepunkte gegen Aust beginnen. Denn die kommenden Konfrontationsereignisse lassen immer wieder auf die Stationen seines Lebens und auf die Gründung der KPD/ML zurückblicken. So fällt hier besonders ins Auge, dass der „Rote Morgen“ ein Foto von Enver Hoxha und Ernst Aust, die auf dem VI. Parteitag der PdAA (1971) zusammen gekommen waren, veröffentlichte, was als besondere Note der „Verbrüderung im Klassenkampf“ bezeichnet werden kann; denn das „Leuchtfeuer des Sozialismus“, Albanien, spielt zu dieser Zeit eine besondere Bedeutung in der Vita von Ernst Aust.

Im letzten Teil des Lebenslaufes wird der 1963er Prozess gegen ihn (wegen Verstoßes gegen das KPD-Verbot, Staatsgefährdung und Verleumdung) mit dem von 1973 in eine Reihe gestellt und beliebig gedeutet. In den Prozessen fürchte der Staat die „Marxisten-Leninisten, die der Sache des Proletariats treu ergebenen Revolutionäre“ (vgl. 26. Mai 1973).

In Hamburg erschien zum Prozess gegen Aust wenigtens ein Flugblatt des Landesverbandes Wasserkante der KPD/ML: „Freiheit für die kommunistische Agitation und Propaganda“. Es ruft u. a. dazu auf, an einer Demonstration für Ernst Aust am 28. Mai teilzunehmen und während der Prozesstage den Gerichtssaal „in ein Forum der Anklage gegen die Justiz“ zu verwandeln. Der Gerichtssaal solle zu einer „Anklagebank“ gegen den Staat umfunktioniert werden (vgl. 27. Mai 1973; 28. Mai 1973).

Die Hamburger Solidaritätsdemonstration vom 28. Mai für Aust soll nach Aussagen des „Roten Morgen“ die gleiche Route genommen haben, wie einst die Demo der „5.000 Hamburger Hafenarbeiter“ 1963 gegen das Urteil im „Blinkfüer- Prozess“. Bis zu „1.000 Menschen“ sollen der Demonstration gefolgt sein. Darüber berichtet der „Rote Morgen“, wobei wichtig erscheint, dass die politische Strategie der KPD/ML in diesem Prozess auch in den Kampf „gegen den Revisionismus“ einmünden müsse, denn nur „Revolutionäre würden verfolgt“, der „revisionistische Verrat“ dagegen würde „ungeschoren“ bleiben.

In dieser Konfliktarena bewegt sich stets die KPD/ML, die in diesem Prozess ihre politischen Ansprüche stellt und ihre Mitgliedschaft darauf einschwört. Da etwa zur gleichen Zeit auch Prozesse gegen führende Mitglieder der KPD um Horlemann und Semler geführt werden, kann sich die Idee eines „kollektiven Prozesses“ gegen die Marxisten-Leninisten schnell durchsetzen; denn die „zunehmende Verfolgung, Hetze und Illegalisierung kommunistischer und fortschrittlicher Organisationen“ kann als Bindungskraft unter allen Gruppen verstanden werden, die zwar die Differenzen nicht außer Acht lässt, aber in den politischen Forderungen gegen das System als „Frühwarnsystem“ funktioniert, in das gleichzeitig auch die „Mobilisierung und Aufklärung der Arbeiter und Werktätigen“ mit einbezogen werde. Die vorbereiteten Kampagnen, die politischen Proteste und die gezielten Demonstrationen lassen sich dann auf diesen einen Gedanken des „gemeinsamen Kampfes“ unter den Marxisten-Leninisten zurückführen (vgl. 28. Mai 1973; 2.Juni 1973).

Gleichzeitig werden eine Reihe neuer „Solidaritätsadressen“ für Ernst Aust bekannt. In der Zeit vom 21. bis 27. Mai soll eine „Solidaritätswoche“ gegen ein mögliches Verbot der KPD/ML, „gegen politische Unterdrückung“ und „gegen den Prozess“ von Aust durchgeführt werden (vgl. 28. Mai 1973).

Am ersten Prozesstag gegen Aust plädiert sein Anwalt, Heinrich Hannover, für die „Aussetzung des Verfahrens“ und begründet das (vgl. 29. Mai 1973).

Ernst Aust hält an diesem Prozesstag seine erste Verteidigungsrede: „Gegen die bürgerliche Klassenjustiz“ und geht dabei besonders hart mir Richter Sörensen ins Gericht. Seine Rede läuft darauf hinaus, das Gericht nicht als „Vertreter des Volkes“ anzuerkennen. Er stehe hier nicht „als Angeklagter, sondern als Ankläger“ gegen den „Staat und seine Büttel“ (gemeint war das Gericht, d. Vf.) (29. Mai 1973).

Eine weitere „Solidaritätsadresse“ für Ernst Aust wird von der ESG Bochum bekannt, die sich auch deutlich von allen anderen Solidaritätsbekundungen für Aust abhebt. Bei der Aburteilung von Kommunisten, Sozialisten und Demokraten würde es darum gehen, die § 90 und verwandte §§ zum Vorwand zu nehmen, um „exemplarische Prozesse“ zu führen. Der Prozess gegen Aust ziele auch darauf ab, „politische Alternativen … zu kriminalisieren und strafrechtlich zu verfolgen“. Damit würde sich der Staat selbst „verabsolutieren“ (vgl. 31. Mai 1973).

Juni 1973

Der „Rote Handhaken - Hamburger Hafenzeitung der KPD/ML“ berichtet in seiner Ausgabe 9/1973 vom Ernst-Aust-Prozess. Er schildert den Hergang bei einer Räumung des Gerichtssaals mit blumigen Worten (vgl. Juni 1973).

Im Prozess gegen Aust beschließt das Hamburger Amtsgericht, einen „Befangenheitsantrag“ (der Verteidigung, d. Vf.) gegen den Richter Sörensen“ abzulehnen (vgl. 1. Juni 1973).

Der „Rote Morgen“ 22/1973 schildert den Ablauf des Prozesses gegen Ernst Aust, der mit dem Plädoyer des Staatsanwaltes wohl am 5. Juni endet. Danach soll Aust zu „5.000 DM“ Geldstrafe, „ersatzweise Haft“, verurteilt werden. Die Begründung für das Urteil: Aust habe sich in einem „besonders schweren Fall“ (oder mehreren, d. Vf.) schuldig gemacht, „in der Verunglimpfung des Staates“ („dieser Staat werde von Ausbeutern und Mördern beherrscht“ - so Aust).

Der Angriff auf den „Staat insgesamt“ sei das eigentliche „Verbrechen“ gewesen. Die Kritik an ihm sei „unzulässig“. Damit habe sich der bürgerliche Staat jene Ausgangsbasis verschaffen, die fortan insgesamt zu einer Tendenz werden solle: Die Agitation in Wort, Schrift und Bild gegen den Staat als Institution ist unter Anklage zu stellen und somit nicht zulässig. Die „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ erstarre zu einer Salzsäule (vgl. 9. Juni 1973).

Weitere „Solidaritätsadressen“ für Ernst Aust gehen ein aus Heidenheim, aus Stuttgart, aus Bayern, aus Würzburg, München, aus Aachen, Bonn, Duisburg, Mühlheim, Siegen-Olpe, Dortmund, Bochum, Ulm, Kiel, Hamburg, München, Ingolstadt, Nürnberg, Heidenheim, Stuttgart, aus Mainz, Berlin (AEG Brunnenstraße, AEG Schwedenstraße, Charlottenburg, Neukölln, Schering, von der Roten Hilfe Stuttgart/Dortmund, vom ZK der KPD/ML, den Landesverbänden NRW und Südwest der KPD/ML, des KSV und der Liga aus München. „Solidaritätsadressen“ kommen auch von der KP Schweiz/Marxisten-Leninisten, der CISNU, Marxisten-Leninisten aus Afghanistan, griechischen Marxisten-Leninisten (vgl. 9. Juni 1973; 18. Juni 1973; 30. Juni 1973).

Die Verurteilung von Ernst Aust zu „5.000 DM Geldstrafe“ wegen „Beschimpfung und böswilliger Verächtlichmachung der verfassungsmäßigen Ordnung der BRD sowie wegen Billigung von Sprengstoffanschlägen“, ersatzweise „200 Tage Haft“, wird von der KPD/ML wiederholt als Schlag gegen eine Führungsfigur der westdeutschen Arbeiterklasse bezeichnet, die Aust allerdings nie war. Der kämpferische Ernst Aust, der den Kampf gegen den „Revisionismus“ auch in den Gerichtssaal trage, solle den „Anti-Revisionismus“ auch in Organisationsfragen verdeutlichen; denn die KPD/ML stehe in der Tradition der revolutionären KPD Ernst Thälmanns. Und auch deshalb solle sie verboten werden.

Gegen das Urteil wird von der Verteidigung Berufung eingelegt. Gleichzeitig wird von der KPD/ML auf weitere Prozesse wegen „Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung“ verwiesen. U. a. auf den Prozess gegen Osswald und Schulte, der im Zusammenhang mit dem Aust-Prozess stehe (vgl. 16. Juni 1973).

Ende Juni 1973 erscheint wohl die erste und auch einzige Broschüre der KPD/ML zum Aust-Prozess als „Dokumentation“ mit dem Titel: „Kampf der Klassenjustiz. Den Gerichtssaal als Tribüne des Klassenkampfes benutzen. Dokumentation zum Prozess gegen Ernst Aust, Vorsitzender der KPD/ML.“ In ihr sind alle Dokumente, die für den Prozessverlauf von Wichtigkeit waren, zusammengestellt. U. a. auch die interessanten Verteidigungsreden von Heinrich Hannover, dem Anwalt von Ernst Aust (vgl. 30. Juni 1973; 14. Juli 1973).

Juli 1973

Im Juli 1973 werden weitere „Solidaritätsadressen“ für Ernst Aust bekannt. So solidarisiert sich die PCE/ML mit Aust sowie das ZK der KP Norwegens/Marxisten-Leninisten (vgl. 7. Juli 1973; 28. Juli 1973).

September 1973

Erstmals veröffentlicht auch die „Rote-Hilfe“-Zeitung Hamburg einen Artikel zum Aust-Prozess, der eine Verteidigungsrede von Aust enthält: „Eure Wahrheit ist nicht unsere Wahrheit“ (vgl. September 1973).

Oktober 1973

Aust erhält laut „Frankfurter Informationsdienst“ während seines laufenden Prozesses einen neuen Strafbefehl. Ein Würzburger Amtsgericht klagt ihn wegen „übler Nachrede“ an. Aust solle beim Einsatz der Polizei während der Geiselnahme in München behauptet haben: „Auch Geiseln von der Münchener Polizei erschossen.“ (vgl. 15. Oktober 1973).

Ein erster Berufungstermin in der „Strafsache gegen Ernst Aust“ ist für den Oktober 1973 angesetzt. Darüber berichtet der „Rote Morgen“ in seiner Ausgabe 42/1973. Danach sei die Gefängnisstrafe für Aust abgewendet worden. Die KPD/ML wertet das als „klaren Erfolg“. Am 6. November soll ein neuer Berufungstermin stattfinden. Auch über die neuerliche Anklage des Würzburger Amtsgerichts gegen Aust wird berichtet (vgl. 27. Oktober 1973).

November 1973

Eine Veranstaltung gegen den Aust-Prozess soll in Hamburg stattfinden (vgl. 3. November 1973).

Zum Berufungstermin veröffentlicht der „Rote Morgen“ in seiner Ausgabe 43/1973 einen längeren Artikel, der unter der Überschrift steht: „Freispruch für Genossen Ernst Aust.“ Die Zeitung ruft dazu auf, sich am Vorabend der Berufungsverhandlung zu einer Kundgebung zusammenzufinden. Gefordert wird: „Freispruch für Ernst Aust. Freiheit für die kommunistische Agitation und Propaganda.“ Bekannt macht der „Rote Morgen“ auch, dass Aust einen weiteren Strafbefehl erhalten haben soll: Er solle einen Werkschutzmann bei BMW München beleidigt haben (vgl. 3. November 1973).

Zum Berufungstermin gegen Aust am 6. November veröffentlicht der „Rote Morgen“ die „Anklagerede von Ernst Aust“, in der er sich an den Verteidigungsreden von Heinrich Hannover aus dem Mai orientiert und den Staat wegen der Missachtung seiner demokratischen Grundrechte (etwa: Verletzung des Rechts auf Meinungs- und Pressefreiheit, Recht freie Entfaltung der Persönlichkeit) anklagt. Wichtig ist, dass Aust in diesem Zusammenhang auch auf die „politischen Gefangenen“ der RAF verweist und von „Folter“ an ihnen spricht. Hier werde der Artikel 1 des Grundgesetzes („Die Würde des Menschen ist unantastbar.“) gröblichste verletzt (vgl. 10. November 1973).

Das Urteil vom 6. November (anstatt 5.000 DM Geldstrafe 3.000 DM Geldstrafe) wird vom „Roten Morgen“ wie folgt kommentiert: „Im Kampf gegen die Klassenjustiz konnte ein Teilsieg errungen werden.“ Das sei aber nicht maßgeblich. Man fordere „Freiheit für die kommunistische Agitation und Propaganda, Freispruch für Ernst Aust“. Erneut wurde gegen das Urteil „Revision“ eingelegt (vgl. 17. November 1973).

Dezember 1973

Der „Rote Morgen“ veröffentlich zum 5. Jahrestag der KPD/ML den Artikel „55 Jahre KPD - 5 Jahre KPD/ML. Vorwärts mit der KPD/ML.“ Aust führe einen „beispielhaften Kampf gegen die Klassenjustiz“, heißt es darin (vgl. 29. Dezember 1973).

Februar 1974

Im Februar 1974 geht die Prozessflut gegen Ernst Aust vor einem Würzburger Gericht weiter. Dieser Prozess und alle weiteren sollen in einem zweiten Teil dokumentiert werden.

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

17.10.1972:
Laut „Roter Morgen“ 15/1973 vom 21. April geht am 7.10.1972 Ernst Aust eine erste Anklageschrift zu. Vorgeworfen wird ihm darin, laut „Roter Morgen“: „1. Im Mai 1972 durch Verbreiten von Schriften zu strafbaren Handlungen aufgefordert zu haben, nämlich dazu, andere rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen, sowie dazu vorsätzlich und rechtswidrig fremde Sachen zu beschädigen. 2. Im Juni 1972 die im § 138 Abs. 1 StGB genannten Verbrechen des Mordes und der Herbeiführung einer Explosion, nachdem sie begangen worden war, öffentlich gebilligt zu haben und anderes mehr.“

Gegen Aust wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, in dem folgender Vorwurf erhoben wurde: „Der Beschuldigte ist verdächtig, auf Angehörige der Bundeswehr planmäßig einzuwirken, um deren Bereitschaft zum Schutze der Bundesrepublik Deutschland oder der verfassungsmäßigen Ordnung zu untergraben und sich dadurch absichtlich für Bestrebungen gegen den Bestand oder die Sicherheit der BRD oder Verfassungsgrundsätzen einzusetzen.“ (Strafbar nach § 89 StGB).
Quellen: Roter Morgen Nr. 15/1973 (Beilage), Hamburg; Kampf der Klassenjustiz. Den Gerichtssaal als Tribüne des Klassenkampfes benutzen. Dokumentation zum Prozess gegen Ernst Aust, Hamburg 1973, S. 4ff.

RM_1973_15_09

RM_1973_15_10


04.12.1972:
Der „Rote Morgen“ 24/1972 vom 4. Dezember erscheint. Unter der Überschrift: „Prozess eröffnet. Der Vorsitzende der KPD/ML, Genosse Ernst Aust, soll vor Gericht“, zitiert die Ausgabe aus der Anklageschrift gegen Aust:
„… wird angeklagt … 1. In dem von ihm verantwortlich hergestellten Flugblatt „Kampf dem Verbundtarif - Kampf dem Nulltarif“ die Bevölkerung Münchens aufforderte, sich gegen geplante Fahrpreiserhöhungen der öffentlichen Nahverkehrsmittel u. a. durch Blockieren der Straßenbahnschienen sowie Unbrauchbarmachung der Fahrscheinentwerter zur Wehr zu setzen.

2. … die Sprengstoffverbrechen am 11.5.1972 im Hauptquartier der US-Streitkräfte in Heidelberg, wo ein Mensch getötet wurde, guthieß …“. Dies alles sei ein „Vergehen und Ordnungswidrigkeiten gem. Paragraph 111 i. V. m. 240, 303, i. V. m. Abs. 1, 211, 311, 74 StGB, 21 Abs. 1 Ziff. 1. i. V. m. 8 Abs. 1 Hamburgisches Pressegesetz, 16 OWiG.“

Zur Anklageschrift führt die Zeitung aus:
„Diese Masse Paragraphen richtet sich nicht gegen einen millionenschweren Steuerhinterzieher, auch nicht gegen einen Industriellen, der das Grundwasser mit giftigen Abwässern verseucht. Gegen diese Volksschädlinge führt „unsere“ Justiz höchstens Justizkomödien vor, wenn’s nicht anders geht (z. B. Contergan Prozess).

Bei dem Angeklagten handelt es sich um den Vorsitzenden der KPD/ML, unseren Genossen Ernst Aust. Diesen Sprecher der arbeitenden Bevölkerung will das Gericht jetzt mundtot machen. Sein Verbrechen: Er hat seine „Meinungsfreiheit“ dazu „missbraucht„, den Werktätigen die Wahrheit über das kapitalistische System zu sagen. Wenn der Vorsitzende der KPD/L zum Kampf gegen die unverschämten Fahrpreiserhöhungen aufruft, wem schadet er damit? Etwa Arbeiterfamilien, armen Schülern und Rentnern, die sowieso kaum wissen, wie sie bei den Preistreibereien durchkommen sollen?

Was haben die US-Offiziere in Deutschland zu suchen? Die fraglichen Offiziere waren alle in Vietnam. Wie viel Blut klebt an ihren Händen? Sollen wir als Kommunisten trauern, wenn der Hass eines Revolutionärs vier Söldnern der US-Konzerne das Licht ausbläst? Ernst Aust soll mundtot gemacht werden. Und mit ihm alle, die es wagen, dieses System verbrecherisch zu nennen und zu seinem Sturz aufzurufen. Schließen wir uns noch enger zusammen und organisieren wir eine breite Solidarität. Freiheit für Ernst Aust.“
Q: Roter Morgen Nr. 24/1972, Hamburg, S. 1.

RM_1972_24_01


10.02.1973:
Im „Roten Morgen“ 5/1973 wird zum anstehenden Prozess gegen Ernst Aust erklärt:
„Hände weg von Ernst Aust. Wie wir bereits mehrfach berichteten, kommen auf uns die Prozesse gegen den Genossen Ernst Aust, Vorsitzender der KPD/ML zu. Auf uns? Keineswegs nur die Partei und ihre Organisationen sind von den Prozessen betroffen. Die Bourgeoisie versucht mit einer Verurteilung des Genossen Ernst Aust das Verbot der KPD/ML und aller marxistisch - leninistischen Organisationen vorzubereiten. Weiter noch: Wie die Erfahrungen der deutschen Geschichte zeigt, wurde im Zuge der Kommunistenverfolgung immer auch fortschrittliche Organisationen und Einzelpersonen, die keineswegs kommunistisch, aber dem herrschenden System unbequem sind, in die Illegalität gezwungen.

Die Prozesse gegen Ernst Aust müssen daher zu einem Fanal für alle revolutionären und demokratischen Kräfte werden, den Kampf gegen die zunehmende Faschisierung gemeinsam voranzutreiben.

Hände weg von Ernst Aust! Kampf der politischen Verfolgung! Kampf der Illegalisierung kommunistischer und fortschrittlicher Organisationen!

Unter diesen Parolen muss eine breite Solidaritätsbewegung entfacht werden. Wir richten uns noch mal an alle Genossen in anderen, sich nennende marxistisch - leninistische Organisationen: Der erste Hochverratsprozess seit Jahren gegen einen Vertreter der marxistisch-leninistischen Bewegung wird vom Feind vorbereitet. Aber in fast allen Euren Organisationen schweigt die Führung zu diesem Anschlag. Wir Kommunisten stehen seit jeher auf dem Standpunkt, dass Solidarität mit politisch Verfolgten, auch ungeachtet der ideologischen Differenzen, geübt werden muss. Dieses Prinzip scheint sich bei euren Führern noch nicht herumgesprochen zu haben.

Während die Bourgeoisie gegen die gesamte Bewegung zuschlagen will, fehlt nicht nur ein Zeichen der Solidarität, vielmehr vermehren sich in letzter Zeit die persönlichen (nicht politischen) Angriffe gegen Genossen Aust. Wir können darin nur den schändlichen Versuch sehen, eine aufkommende Solidaritätsbewegung zu verhindern. Die führende Rolle in der Verleumdungskampagne gegen Genossen Aust hat nach der DKP, die KPD/AO übernommen. Sie erzählt bereits ihren Mitgliedern, bei Genossen Aust handele es sich um einen „Agenten des Verfassungsschutzes“. Genossen, nochmals: Stellt eure Führer zur Rede. Wendet euch unabhängig von ihnen an das Solidaritätskomitee „Kampf der politischen Verfolgung“ Wir sind auch zu anderen Formen der Zusammenarbeit bereit, um gemeinsam diesen Prozess zu einem Bumerang für die Bourgeoisie zu machen.“
Q: Roter Morgen Nr. 5/1973, Hamburg, S. 7.

RM_1973_05_07


16.02.1973:
Laut der Broschüre „Kampf der Klassenjustiz. Den Gerichtssaal als Tribüne des Klassenkampfes benutzen. Dokumentation zum Prozess gegen Ernst Aust“ geht Ernst Aust mit dem heutigen Datum eine Anklageschrift der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Hamburg zu. Er wird angeklagt, in Hamburg 1972 „durch Verbreitung von Schriften die Bundesrepublik Deutschland beschimpft und böswillig verächtlich gemacht zu haben“ sowie „als verantwortlicher Redakteur oder Verleger vorsätzlich bei einem Druckwerk strafbare Inhalte den Vorschriften über das Impressum zuwidergehandelt, nämlich in dem Druckwerk nicht die Anschrift des Druckers genannt zu haben“.

Die Anklage gegen Aust stützt sich weiter auf:
- Inhalte der Druckwerke, in denen die „Bundesrepublik Deutschland als ein von kapitalistischen Mördern und Ausbeutern beherrschter und von ihren politischen Handlangern mit Terror regierten Staat dargestellt wird“
- den „Roten Morgen“ (Extrablatt, Juni 1972) mit der Schlagzeile „Die Mörder sitzen in Bonn“.
Q: KPD/ML (Hrsg.): Kampf der Klassenjustiz. Den Gerichtssaal als Tribüne des Klassenkampfes benutzen. Dokumentation zum Prozess gegen Ernst Aust“, Hamburg 1973, S. 4ff. Und 12ff.

Anklageschrift_Aust_1973_02_16


24.02.1973:
Im „Roten Morgen“ 7/1973 wird eine „Solidaritätsadresse“ für Ernst Aust abgedruckt. U. a. wird darin ausgeführt: „Wir sprechen Genossen Ernst Aust volle Solidarität im Kampf gegen die bürgerliche Klassenjustiz aus. Sie wollen Genossen Ernst Aust, einen aufrechten Kämpfer der Arbeiterklasse, mundtot machen. Das sind die gleichen, die mit dem Kriegsverbrecher Nixon gemeinsame Sache machen, die Vietnamdemonstranten niederknüppeln und einsperren lassen. Genosse Ernst Aust soll hinter Gitter, weil er die Bevölkerung und die Soldaten der Bundeswehr unter der Losung: „Krieg dem imperialistischen Krieg“ und „im Ernstfall: Die Gewehre umgedreht“, gegen ein neues 1939 aufrief… Hände weg von Ernst Aust.“
Q: Roter Morgen Nr. 7/1973, Hamburg, S. 7.

RM_1973_07_07


21.04.1973:
Im „Roten Morgen“ 15/1973 vom 21. April (Beilage) erscheint der Artikel der RM-Redaktion: „Für Genossen Ernst Aust: Hoch die Faust“. U. a. wird ausgeführt: „Seit ihrer Gründung (der KPD/ML, d. Vf.) hast Du unsere Partei vorangeführt. Du warst es, der uns lehrte, dass wir nur im unerbittlichen Kampf gegen den modernen Revisionismus die uns vom Klassenkampf gestellten Aufgaben meistern können. So haben wir gemeinsam große Erfolge errungen, aber auch Niederlagen mit Dir durchgehalten. Es ist in hohem Maße Dein Verdienst, dass die junge Partei den Angriffen der Revisionisten aller Schattierungen, als auch der kleinbürgerlichen Parteifeindlichkeit standhalten konnte.

Stellvertretend für uns alle will Dich die Bourgeoisie auch heute wieder hinter Kerkermauern stecken. Aber Du stehst für uns alle und wir, die Parteigenossen aber auch die revolutionären und fortschrittlichen Menschen stehen auf Deiner Seite, der Seite des aufrechten Kampfes gegen die Herrschaft der Ausbeuter und Unterdrücker für den Sozialismus …“

Neben den Glückwünschen zu Ernst Austs 50. Geburtstag erscheint in dieser „Beilage“ zum „Roten Morgen“ ein Artikel von Hamburger Genossen zum 87. Geburtstag von Ernst Thälmann.

Im Artikel „Kampf der bürgerlichen Klassenjustiz. Kampf der politischen Unterdrückung“ heißt es zum kommenden Prozess gegen Ernst Aust
u. a.:
„Ihr Hauptangriff (der, der „westdeutschen Bourgeoisie“, d. Vf.) aber richtet sich gegen den revolutionären Kern unserer Partei und hier zuvorderst gegen ihren Vorsitzenden, den Genossen Ernst Aust. Wir vor 10 Jahren, will sie ihn wieder vor die Schranken der bürgerlichen Klassenjustiz zerren …

Die Bourgeoisie, der Klassengegner hat vor, ohne großes Aufsehen, die Kommunisten, die Sprecher der Arbeiterklasse, mundtot zu machen. Dieser Versuch richtet sich nicht allein gegen den Genossen Ernst Aust, sondern er steht als Vorsitzender unserer Partei stellvertretend für uns alle, stellvertretend für seine Klasse. Das Verbot der kommunistischen Agitation und Propaganda, ist der erste Schritt, die Partei in die Illegalität zu drängen, ist ein erster Schritt hin zum Verbot unserer Partei. Es ist unsere Kampfkraft, es ist der starke Arm der Arbeiterklasse, der diesen Anschlag der Bourgeoisie verhindern kann. Darum heißt es: Sich zusammengeschlossen (wohl: zusammenschließen, d. Vf.) im Kampf gegen die politische Unterdrückung. Freiheit für die kommunistische Agitation und Propaganda. Freiheit für die politischen Gefangenen. Stoppt die Terrorprozesse der Bourgeoisie. Hände weg von Ernst Aust! Hände weg von der KPD/ML!“
Q: Roter Morgen Nr. 15/1973, Hamburg, (Beilage).

RM_1973_15_09


28.04.1973:
Der „Rote Morgen“, Nr. 16 vom 28. April 1973 erscheint. Im Artikel „Die Bourgeoisie will unser Verbot, wir kämpfen weiter, Deutschland wird rot!“
heißt es u. a.: „Am 21.4. … wird das Terrorurteil gegen den Genossen Heinz Baron in München bekannt gegeben: 16 Monate Kerker für antimilitaristische Gesinnung. Der Prozess gegen den Vorsitzenden unserer Partei, Genossen Ernst Aust, bei dem es letztendlich um das Verbot der KPD/ML geht, soll in kürzester Frist am 29.5. durchgezogen werden. Die Büros der Liga gegen den Imperialismus und des Nationalen Vietnam-Komitees werden bei Hausdurchsuchungen von der Polizei auf den Kopf gestellt. Es wird verhaftet. Eine Prozesslawine soll ins Rollen kommen.

Es ist die Furcht der Bourgeoisie vor der heranwachsenden Arbeiterklasse. Immer breitere Teile der deutschen Arbeiterklasse schließen sich unter dem roten Banner des Kommunismus zusammen, das stellt die Signale der Bourgeoisie auf Alarm. Die Entwicklung läuft in der Tendenz in Richtung Revolution, die Bourgeoisie sieht ihren Untergang herausdämmern (wohl heraufdämmern, d. Vf.), sie schlägt um sich, wie ein verwundetes Tier, mit der Verschärfung des Terrors und politischen Verfolgungsmaßnahmen mit ersten offenen faschistischen Schritten versucht sie sich zu retten …

Die kommunistische Agitation und Propaganda soll verboten werden. Demonstrationsverbote, Prozesse, wie jetzt gegen den Genossen Aust, als dem verantwortlichen Redakteur des Roten Morgen belegen dies deutlich … Das Verbot der Kommunistischen Partei und anderer revolutionärer Organisationen steht auf der Tagesordnung …“

In einem weiteren Artikel „Für den Genossen Ernst Aust - Hoch die Faust“ heißt es: „Am 29. Mai soll in Hamburg der erste große Prozess gegen den Vorsitzenden unserer Partei, Genosse Ernst Aust eröffnet werden. Als verantwortlicher Redakteur des Zentralorgans unserer Partei werden ihm wegen mehrerer Artikel des Roten Morgen, vor allem wegen des Extrablatts „Die Mörder sitzen in Bonn“ eine ganze Serie von „Verbrechen“ vorgeworfen. U. a. „Böswillige Verächtlichmachung der Bundesrepublik und ihrer verfassungsmäßigen Ordnung“, moralische Unterstützung von Sprengstoffdelikten usw. Für die einzelnen „Verbrechen“ sind nach den Gesetzen der Bourgeoisie z. T. bereits mehrjährige Gefängnisstrafen vorgesehen. Sie sollen in einer höheren Freiheitsstrafe als für die einzelnen „Verbrechen“ zusammengefasst werden. Außerdem wird die Einziehung mehrerer Nummern des Roten Morgen beantragt.

Der Sinn dieses Prozesses gegen den Vorsitzenden unserer Partei ist klar: Mit einem Musterurteil soll kommunistische Agitation und Propaganda verboten werden. Die Bourgeoisie weiß genau welche Bedeutung Genosse Ernst Aust für unsere Partei und die westdeutsche Arbeiterbewegung hat. Deshalb wollen sie ihn für Jahre einkerkern. Mit diesem Prozess soll gleichzeitig das geplante Verbot unserer Partei und anderer revolutionärer Organisationen vorbereitet und juristisch abgesichert werden.

Diesen Angriff der imperialistischen Klassenjustiz werden wir nicht kampflos hinnehmen, keinen Millimeter unserer Legalität geben wir freiwillig preis.

Dieser Prozess muss zu einem Bumerang für die imperialistische Klassenjustiz gemacht werden. Die KPD/ML wird deshalb zu Protestaktionen aufrufen… Jeder Kommunist, jeder Revolutionär, jeder fortschrittliche Mensch muss sich in die Kampffront einreihen.
Hände weg von der KPD/ML!
Hände Weg von Ernst Aust!
Kampf der politischen Unterdrückung!
Hände weg von der KPD/ML - Hände weg von Genossen Ernst Aust!“
Q: Roter Morgen Nr. 16/1973, Hamburg, S. 1 und 7.

RM_1973_16_07


05.05.1973:
Der „Rote Morgen“ 17/1973 vom 5. Mai erscheint. Im Artikel „Hände weg von der KPD/ML“, der auf den kommenden Prozess gegen die beiden ehemaligen KPD/ML-ZB-Mitglieder Michael Schulte und Norbert Oswald eingeht, wird u. a. ausgeführt: „Heute soll dieser Paragraph in erster Linie gegen die Partei des Proletariats, die KPD/ML angewendet werden. Ausdrücklich wird in der Anklageschrift Bezug genommen auf die Gründung der KPD/ML und ihren Vorsitzenden, Genossen Ernst Aust.“
Q: Roter Morgen Nr. 17/1973, Hamburg, S. 7.

RM_1973_17_07


Mai 1973:
Vermutlich erscheint Anfang-Mitte Mai 1973 ein „Extrablatt“ des „Roten Morgen“: „Kampf der politischen Unterdrückung“. Es nimmt zu Demonstrationen am 19. Mai in der Dortmunder Innenstadt Stellung, die gegen Breschnew gerichtet waren.

Gemutmaßt wird: „Gegen die Demonstranten wird der größte Polizeieinsatz seit Jahren aufgeboten. Rücksichtslos macht die Polizei von ihren Schlagstöcken Gebrauch. Hunderte von Demonstranten und Passanten werden niedergeknüppelt… Die Gefangenen, die in einem Atombunker zusammengepfercht sind, lassen sich nicht weiter in ihren Zellen traktieren. Sie organisieren eine Meuterei. Von Anfang an treten sie in den Hungerstreik, rufen und malen Parolen, verabschieden Resolutionen und Erklärungen. Als die Insassen einer Zelle zusammengeschlagen werden, brechen die anderen die massiven Türen aus, basteln sich Waffen aus allem was sie erreichen können und beschließen die Eröffnung des Kampfes, sobald die Polizei es noch mal wagt, einen Gefangenen anzurühren. Dieser Kampfentschlossenheit weicht die Polizei. Am Abend des 20. Mai werden die Häftlinge entlassen. Über die Ereignisse wird absolute Nachrichtensperre verhängt.“

Der „Rote Morgen“ interpretiert diese Ereignisse wie folgt: „Die Kapitalistenklasse hat zugeschlagen mit allen Mitteln der Brutalität, die ihr zur Verfügung stehen. Und sie ist damit gründlich auf die Nase gefallen. Die Demonstrationen und Kundgebungen gingen weiter, den ganzen Tag. Und die Bevölkerung solidarisierte sich mit den Demonstranten … Warum werden die Kapitalisten so hysterisch, wenn 5.000 Kommunisten, die sich noch nicht einmal bewaffnet haben, auf die Straße gehen? Warum verbieten sie ihre Demonstration? Warum verhängen sie Nachrichtensperren, damit ja niemand etwas von ihrer Brutalität erfahren soll? Weil sie Angst hat! Das ist ein Funke, aus dem Morgen der Steppenbrand der Revolution entstehen kann. Weil sie weiß: Haupttendenz, auch in Westdeutschland, ist Revolution …

Von Anfang an hat die KPD/ML darauf hingewiesen, dass die Justiz der Kapitalistenklasse nichts anderes ist als ein Instrument der Unterdrückung und Knebelung der Arbeiterklasse … Die wichtigste Aufgabe der Klassenjustiz ist es, die Arbeiterbewegung zu unterdrücken und die Führer der Arbeiterklasse zu vernichten … In einem beispiellosen Pogrom gegen die Gruppe um Baader und Meinhof wurde Polizei und Bundesgrenzschutz auf Notstand getrimmt. Etwa zur gleichen Zeit in München: Das berüchtigte Bankraub-Massaker der Polizei, einer der Bankräuber sowie die Geisel Ingrid Reppel wurden ermordet. Der Anlass wurde benutzt, um gegen die Rote Garde vorzugehen. Man wollte die Genossen zu Drahtziehern des Banküberfalls stempeln. Ein jüdisches Altersheim wurde von Unbekannten angesteckt, ein feiger abscheulicher und faschistischer Anschlag auf wehrlose Menschen. Man versuchte ihn der KPD/ML in die Schuhe zu schieben. Der Münchener Kommunistenprozess: 7 Rotgardisten wurden wegen angeblich schweren Raubes vor Gericht gezerrt. Sie hatten dem Agenten Hugo Lanz Parteieigentum abgenommen …

Es blieb also vorerst bei der Gruppe um A. Baader und U. Meinhof. Wichtige Prozesse gegen diese Revolutionäre sind inzwischen gelaufen. Wer nicht im Knast zugrunde gerichtet wird, langsam und qualvoll wie Marianne Herzog in Mainz und Gudrun Ensslin in Essen, den hat man umgelegt. Georg v. Rauch und Petra Schelm sind nur zwei Namen aus einer langen Liste … Der Revolutionär Horst Mahler- er bekam 12 Jahre. Noch nie wurde um einen Schwerverbrecher - einen Kindesentführer oder ähnliches - ein solcher Wirbel veranstaltet. Und was wies man ihm nach? Dass er ein Revolutionär ist.

München: April 1973. 9 politische Prozesse in einer einzigen Stadt. Mehrere tausend Mark Geldstrafe wegen einer Roten - Punkt - Aktion werden verhängt. Ein Demonstrant soll 1/2 Jahr ohne Bewährung in den Knast … Heinz Baron, Demonstrant am Antikriegstag in München erhält 16 Monate ohne Bewährung. 16 andere Genossen sind ebenfalls angeklagt, weil sie am Antikriegstag demonstrierten. Sie sollen verurteilt werden wegen ihrer revolutionären Gesinnung, für ihre revolutionären Taten …“

Unter der Überschrift „Der Griff nach dem Kopf“ heißt es weiter: „Die Klassenjustiz hat ihren Schlag vorbereitet. Am 24. 5. wird die Innenministerkonferenz tagen und über das Verbot der KPD/ML und anderer revolutionärer Organisationen beraten. Am 29.5. soll der Prozess gegen Ernst Aust, den Vorsitzenden der KPD/ML beginnen. Hier soll der Kopf, die Führung der westdeutschen Kommunisten getroffen werden. Und der Prozess vom 29.5. Ist erst der Anfang. Gegen Genossen Ernst Aust laufen noch weitere Ermittlungsverfahren, neue Anklageschriften liegen bereits vor. Der Prozess gegen Ernst Aust ist ein Musterprozess. Die bürgerliche Klassenjustiz hat ihn schlau eingefädelt. Sie will gegen die Kommunisten zwei entscheidende Schläge führen. 1. Sie will beweisen, dass kommunistische Agitation und Propaganda kriminell ist und sie deshalb verbieten. 2. Sie will beweisen, dass die Kommunistische Partei eine Kriminellenbande ist, die das Wohl des Volkes gefährdet und deshalb verboten werden muss …

Und welch eine Heuchelei, Genossen Ernst Aust vorzuwerfen, er habe die „Verbrechen des Mordes und die Herbeiführung einer Explosion, nachdem sie begannen war, öffentlich gebilligt“, weil sich die KPD/ML mit dem Bombenanschlag auf das Heidelberger US-Hauptquartier und den verfolgten und ermordeten Genossen der Roten Armee Fraktion solidarisierte …

Mit den Prozessen gegen Ernst Aust soll kommunistische Agitation und Propaganda verboten werden. Den Hauptschlag führt die bürgerliche Klassenjustiz hier gegen die Propagierung des revolutionären Klassenkampfes, die gewaltsame sozialistische Revolution und die Errichtung der Diktatur des Proletariats …

Freiheit für die Kommunistische Agitation und Propaganda, das ist die Forderung, die im Hamburger Gericht ausgefochten wird. Die KPD/ML wird den Beweis antreten, wer die Wahrheit schreibt und wer die Lüge verbreitet. Dieser Schlag gegen die kommunistische Propaganda richtet sich gegen alle Kommunisten, gegen alle kommunistischen und revolutionären Organisationen. Das zeigt auch der Prozess gegen die Genossen Schulte und Osswald, die der „Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung“ angeklagt sind, ebenso wie die Genossen der KPD, Semler, Horlemann, Kranzusch und andere …

In dieser Anklageschrift hat die Bourgeoisie auch bereits den Schritt gemacht, den sie gegen Genossen Ernst Aust und die KPD/ML vorbereitet: Wenn Kommunisten „kriminell“ sind, dann können sie auch keine Parteien aufbauen, sondern höchstens „Kriminellenbanden“ … Jetzt gilt es noch, mehr auf die Solidarität der Arbeiterbewegung und aller revolutionären Kräfte zu bauen … Die Arbeiterbewegung, das ist die einzige Macht, vor der die Bourgeoisie zittert. Deshalb werden wir uns immer und überall auf die Macht der Arbeiterklasse stützen. Bilden wir eine geschlossene Front gegen die Klassenjustiz. Heraus zum Kampf gegen den Prozess gegen Ernst Aust. Hände weg von Ernst Aust! Hände weg von der KPD/ML! Kommt zur Demonstration am Vorabend des Prozesses!“
Q: Roter Morgen, Mai 1973 (Extrablatt), Hamburg.

19.05.1973:
Im „Roten Morgen“ 19/1973 lautet ein Artikel: „Das Verbot vor der Tür. Genossen, rüstet Euch, Vorwärts mit der KPD/ML“. Darin heißt es u. a.: „Heute morgen … sind insgesamt zwei Haftbefehle gegen die Herren Horlemann und Semler ausgestellt worden … Die Staatsanwalt spielt mit immer offenen Karten. Das Verbot der KPD/ML und anderer revolutionärer Organisationen ist schon längst beschlossene Sache …“

Eines sei klar: Als politische Partei, als „verfassungsfeindliche Organisation“ soll unsere Partei nicht verboten werden. Angewendet wird der § 129 des StGB, der Paragraph „Kriminelle Vereinigung.“

Im Artikel „Der Kommunismus lässt sich nicht hinter Kerkermauern verbannen“ wird ausgeführt: „Solidarität mit Genossen Ernst Aust, Vorsitzender der KPD/ML.

Die herrschende Klasse kann nicht mehr frei schalten und walten, wie sie es noch vor Jahren tat. Die Arbeiterklasse spürt ihre Kraft und beginnt sich gegen die Ausbeutung und Unterdrückung zu wehren. Was der Bourgeoisie am meisten zu schaffen macht, ist die Tatsache, dass die Kämpfe der Arbeiterklasse zusehends politischen Charakter gewinnen. Rote Fahnen wehen wieder im Land, das Gespenst des Kommunismus geht um. Wie unsere Partei heute vor einem Jahr alle opportunistischen Schwarzmalern und Verleumdern der revolutionären Arbeiterbewegung zum Trotz, feststellte: Die Haupttendenz auch bei uns ist Revolution! Es geht nicht mehr allein um Tagesforderungen, die Massen beginnen zu erkennen, dass das Grundübel, die Ursache von Lohnraub, Inflation und politische Unterdrückung im kapitalistischen System selbst liegt. Die Fortschrittlichsten beginnen, sich dem Kommunismus anzuschließen. Die Bourgeoisie kann sich nicht mehr allein auf ihre Lügenpropaganda in Presse, Funk und Fernsehen stützen: Das Bonner Parlament entlarvt sich mehr und mehr als Schwatzbude der westdeutschen Imperialisten.

Der imperialistische DGB-Apparat kann selbst mit Hilfe der DKP-Bonzen die Empörung der Arbeiterklasse nicht mehr recht in friedliche Bahnen lenken. Das Bild vom Sozialismus, wie ihn die DKP am Beispiel der sozialimperialistischen Sowjetunion Breschnews und der den kapitalistischen Weg gehenden DDR Honeckers zeichnet, blättert ab.

Dagegen gewinnt das Bollwerk der Weltrevolution, die Volksrepublik China, und der Vorposten des Sozialismus in Europa, die VR Albanien, an Leuchtkraft und Schärfe unter den Massen. Diesen Drang zum Sozialismus will die Bourgeoisie mit Gewalt unterdrücken. Sie rüstet zum Schlag gegen die Kommunistische Partei. Am 29. Mai soll der Vorsitzende der KPD/ML, Genosse Ernst Aust, auf die Anklagebank gezerrt werden. Der Klassenfeind will ihn aus dem Kampf seiner Klasse herausreißen und in den Kerker werfen. Nach mehreren Prozessen gegen verschiedene Genossen und Sympathisanten der KPD/ML und anderer revolutionärer Organisationen, will die Bourgeoisie jetzt gegen den Kern der Partei der Arbeiterklasse vorstoßen. Sie will die Sprecher der Arbeiterklasse mundtot machen.

Dieser Versuch richtet sich nicht allein gegen den Genossen Ernst Aust, sondern er steht als Vorsitzender der KPD/ML stellvertretend für uns alle. Stellvertretend für die Arbeiterklasse. Das Verbot der kommunistischen Agitation und Propaganda, das versucht die bürgerliche Klassenjustiz nun zum zweiten mal in diesem Prozess durchzusetzen. Wegen seines Kampfes für den Kommunismus in der Zeit der Illegalität der KPD, sollte Genosse Ernst Aust schon einmal der Prozess gemacht werden. Aber dieser Anschlag scheiterte. Mutig verteidigte er vor Gericht seine Gesinnung. Der Prozess wurde zum Tribunal gegen die Bourgeoisie. 5.000 Hamburger Arbeiter gingen auf die Straße. Ihr Kampf hat ausschlaggebend dazu beigetragen, dass die Bourgeoisie damals vor einer Verurteilung zurückschreckte.

Heute steht im Zusammenhang mit dem Verbot der kommunistischen Agitation und Propaganda das Verbot der KPD/ML auf der Tagesordnung.

Freunde und Genossen!
Unterdrücker-Logik heißt: Heute gegen die Partei der Arbeiterklasse, morgen gegen alle fortschrittlichen Kräfte, übermorgen gegen das ganze Volk! Es ist unsere Kampffront. Es ist der starke Arm, der Arbeiterklasse, der diesen Schlag der Bourgeoisie verhindern muss.

Wir rufen alle kommunistischen und fortschrittlichen Organisationen, sowie alle Freunde der Sache der Arbeiterklasse zur Solidarität und Unterstützung auf. Der Anschlag auf den Genossen Ernst Aust und auf alle politischen Angeklagten und Verfolgten, muss zu einer einzigen Anklage gegen die Bourgeoisie gewendet werden. Die Bourgeoisie richtet solange gegen das Volk, bis das Volk gegen sie richtet.
Freiheit für die Kommunistische Agitation und Propaganda!
Nieder mit der bürgerlichen Klassenjustiz!
Freiheit für die KPD/Marxisten-Leninisten!
Hände weg von Ernst Aust!“

In der Ausgabe werden auch „Solidaritätsadressen“ für Ernst Aust veröffentlicht:
Aus Reutlingen heißt es: „Wir, die zur Mai-Feier der KPD/ML in Reutlingen versammelten Kollegen und Genossen, senden hiermit Genossen Ernst Aust unsere heißesten Kampfesgrüße. Genosse Ernst Aust, Vorsitzender der KPD/ML, soll vor die Schranken der bürgerlichen Klassenjustiz gezerrt werden. Warum? Weil er der Arbeiterklasse dieses Landes den Ausweg aus kapitalistischer Unterdrückung und imperialistische Kriegsgefahr gezeigt hat. Nieder mit dem Bonner Staat! Krieg dem imperialistischen Krieg! Es lebe die Diktatur des Proletariats!
Freiheit für alle politischen Gefangenen!
Es lebe die KPD/ML!“

Eine weitere „Solidaritätsadresse“ geht ein von der italienischen Organisation P.C. (ML). Darin heißt es: „An das ZK der KPD/ML! Gegen die repressiven Versuche der Brandt-Regierung, alle Demonstrationen in Nordrhein-Westfalen zu untersagen, gegen den Versuch, Kommunisten zu verbieten - Aktionsfreiheit für alle Revolutionäre. Gegen die Repression der reaktionären Regierungen Europas.“
Q: Roter Morgen Nr. 19/1973, Hamburg, S. 1f.

RM_1973_19_01

RM_1973_19_02

RM_1973_19_07


19.05.1973:
In Dortmund will die KPD heute gegen das Treffen von Breschnew und Brandt und die Demonstrationsverbote demonstrieren Dabei werden wiederum zahlreiche Menschen festgenommen. Das Parteibüro der KPD wird von der Polizei besetzt, die Anwesenden in „polizeilichen Gewahrsam“ genommen. Ca. 2.000 Menschen demonstrieren, laut KPD, dennoch durch die Dortmunder Innenstadt. An anderer Stelle beteiligen sich, laut KPD, 4 000 Personen. Es kommt zu umfangreichen Festnahmen.

Die der KPD/ML nahestehende „Rote Hilfe“ (Dortmund) verabschiedet „angesichts des Polizeiterrors“ auf „Initiative eines KPD/ML-Genossen eine Resolution zur Solidarität mit Ernst Aust und Jürgen Horlemann“.

„FREIHEIT FÜR JÜRGEN HORLEMANN! - HÄNDE WEG VON ERNST AUST!“
Die Parolen seien später erweitert worden zu:
„FREIHEIT FÜR JÜRGEN HORLEMANN! HÄNDE WEG VON ERNST AUST! WEG MIT BRESCHNEW UND BRANDT! - ALLE MACHT IN ARBEITERHAND!“
Q: Rote Hilfe Dortmund: 1. 000 Verhaftete fordern: Freiheit!, Dortmund o. J. (1973),S.3ff; KPD: Breschnew und Brandt. Zwei Friedensheuchler reichen sich die Hände, Dortmund 1973; KPD-OL Dortmund: Hände weg von der KPD, Dortmund o. J. (Mai 1973); KPD-OL Dortmund: Polizeiüberfall auf die Zentrale der KPD und des KSV in Dortmund und die Liga-Büros in Köln und Westberlin. Führende Funktionäre in Untersuchungshaft, Dortmund o.J. (15.5.1973); KPD-OL Dortmund: Polizeiüberfall auf Büros von KPD und KSV in Dortmund, der Liga in Köln und Westberlin! Haftbefehle gegen Genossen Horlemann und Semler, Dortmund o. J. (Mai 1973); KPD-RK NRW: Weg mit dem KPD-Verbot!, Dortmund 21.8.1976,S.2; Dortmunder Solidaritätskomitee-Hände weg von der KPD: Hände weg von der KPD, Dortmund o. J. (Juni 1973); Klassenkampf Nr.33, Freiburg 24.5.1973; Dortmunder Komitee Hände weg von der KPD: Dokumentation über den Polizeiterror in Dortmund vom 18.-20. Mai 1973, Dortmund 1973; Rote Fahne Nr.18, 19 und 21,Dortmund 2.5.1973, 9.5.1973 bzw. 23.5.1973,S.4,S.1; Kommunistische Arbeiterpresse DeTeWe Nr.8, Berlin 5.6.1973 Kommunistische Arbeiterpresse KWU Nr. 25, Berlin 15.5.1973; Arbeiter-Zeitung Nr.5, Mannheim/Heidelberg Juni 1973; Solidarität Nr.5, Dortmund 13.6.1973,S.4 Komitee gegen die Demonstrationsverbote:18./19. Mai 73 Dokumentation, Dortmund o. J. (Juni 1973),S.1ff; VA Dortmunder Oberschüler: Protokoll der Sitzung vom 10.5.1973,Dortmund o. J. (1973); Dem Volke Dienen Nr.13,Dortmund 23.5.1973; DOS Nr.20 und Sondernummer Einführung in das PH-Studium (2. Aufl.),Dortmund o. J. (1973) bzw. o. J. (Okt. 1973),S.15ff bzw. S.38; RH e. V.-OG Dortmund: Für ein unabhängiges, vereintes und sozialistisches Deutschland!, Dortmund o. J. (Nov. 1975),S.1f; ZK der KPD/ML (Hrsg.): 1968/69 bis 1978/79. Zehn Jahre KPD/ML. 10 Jahre Kampf für ein vereintes, unabhängiges, sozialistisches Deutschland, Dortmund 1979, S. 116ff.

26.05.1973:
Es erscheint der „Rote Morgen“ 20/1973 vom 26. Mai. Der Leitartikel lautet: „Aufruf des Präsidiums der KPD/ML. Erhöht die Wachsamkeit im revolutionären Kampf. Gegen Lohnraub, Teuerung und politische Unterdrückung. Vereinigt euch im revolutionären Klassenkampf gegen das Kapital und seine Handlanger.“

In der Ausgabe wird auch gegen den anstehenden Prozess gegen den Vorsitzenden der KPD/ML, Ernst Aust, agitiert. U. a. heißt es: „Im Herzen des Klassenkampfes, im Ruhrgebiet, ist bereits jegliche Agitation und Propaganda generell verboten. Aber auch im übrigen Bundesgebiet und Westberlin sollen die Kommunisten mit Polizeigewalt mundtot gemacht werden, wird versucht, sie mit Polizeigewalt zu unterdrücken. Die Klassenjustiz arbeitet systematisch auf das Verbot der Partei der Arbeiterklasse hin. Mit dem Prozess gegen den Vorsitzenden, Genossen Ernst Aust und gegen andere Genossen der KPD/ML, die bereits in Haft genommen wurden, sollen nicht nur Führer der Arbeiterklasse mundtot gemacht werden. Die Anklagen laufen unter § 129 auf Kriminalisierung und Verbot der Partei hinaus.“

In der Ausgabe erscheint auch der „Lebenslauf des Genossen Ernst Aust, Vorsitzender der KPD/ML“, dem der Prozess gemacht wird. Unter der Überschrift: „Wenn der Feind uns bekämpft, ist das gut und nicht schlecht“, heißt es:

„Wenn er uns in schwärzesten Farben malt und gar nichts bei uns gelten lässt, so zeigt das nur, dass wir zwischen uns und dem Feind einen klaren Trennungsstrich gezogen haben. Immer schon hat die herrschende Klasse, haben die Kapitalisten und ihre reformistischen und revisionistischen Handlanger die wahren Marxisten-Leninisten, die echten Revolutionäre, aufs schärfste bekämpft, sie verfolgt und verleumdet. So geht es auch heute unserer Partei, der KPD/ML, so geht es ihrem Vorsitzenden, dem Genossen Ernst Aust:

Rund 20 Ermittlungsverfahren während der letzten 20 Jahre. Angefangen vom Verdacht des Hochverrats über Staatsgefährdung bis zum Verstoß gegen das KPD-Verbotsurteil. Eine 236 Seiten umfassende Anklageschrift 1963. Verurteilung. 10 Jahre später: Neue Ermittlungen, neue Verfahren, neue Anklagen. Der Tenor ist der gleiche. Die Bourgeoisie weiß, wen sie bekämpfen muss. Das aber wissen auch ihre Agenten im Lager der Arbeiterklasse, die modernen Revisionisten: „Verräter“, ,,Spielball des Verfassungsschutzes“, ,,700.000 DM von China erhalten“ usw. usf. Dort wo man keine Argumente hat, wo man ideologisch nicht kämpfen kann, müssen Lügen und Verleumdungen herhalten. Beschämend ist nur, dass Leute, die sich Marxisten -Leninisten, die sich Kommunisten nennen, heute in das gleiche Hörn stoßen: ,,Watte im Kopf und Schaum vorm Mund“, „Agent des Verfassungsschutzes“. Das hat noch nicht einmal die DKP zu sagen gewagt. „Parteigelder unterschlagen“. „Wohnt in eigener Villa.“ „Fährt Luxuswagen.“ „Erhält Geld von Albanien.“ „Von Beruf Schauspieler“ usw. usf.

Zur Klarstellung: Alles Lüge! Weder erhält die KPD/ML noch ihr Vorsitzender von irgendeiner Seite Geld. Sie finanziert sich aus eigenen Mitteln. 8 Prozent Mitgliedsbeitrag und Spenden von Mitgliedern und Sympathisanten. Ernst Aust wohnt seit 1961 in einer 2 Zimmer-Wohnung, sozialer Wohnungsbau, nachdem er vorher 10 Jahre als Untermieter auf einem Zimmer gewohnt hatte. Er besitzt weder einen Wagen noch ist er anders eingerichtet als jeder Arbeiter auch. Agent des Verfassungsschutzes? Seit wann stellt die Bourgeoisie ihre Agenten vor Gericht? Ihre Lügen und Verleumdungen qualifizieren sie als das, was sie sind: Agenten im Lager der Arbeiterklasse. Für die vielen neuen Genossen und Sympathisanten aber kurz der Lebenslauf unseres Vorsitzenden, des Genossen Ernst Aust.

Man schreibt das Jahr 1923. Hunger, Teuerung, Inflation. Da wird am 12. April im Arbeiterstadtteil Eimsbüttel, Eidelstedterweg, Ernst Aust geboren. Sein Kinderwagen kostet 40.000 Mark. Ein halbes Jahr später hätte er schon 4 Billionen Mark gekostet. Ein halbes Jahr später findet der Hamburger Aufstand statt, kämpfen Hamburgs Arbeiter auf den Barrikaden gegen das Kapital, seine Polizei und seine Armee. Ernst ist letztes von vier Kindern. Sein Vater, ein armer Kleinbauernjunge, muss mit acht Jahren das Haus verlassen und arbeiten. Verdingt sich bei einem Bader, der nebenbei Landwirtschaft betreibt. Im wehrpflichtigen Alter wird er eingezogen. Hier ist er zum ersten Mal nicht mehr und nicht weniger unterdrückt als andere. Er verpflichtet sich auf 12 Jahre. 1912 Entlassung. Hochbahnangestellter in Hamburg. Weltkrieg. Ende. Wird zum Soldatenrat gewählt. Rückkehr. Wird kleiner Beamter. Bleibt es bis zum Lebensende.

Mutter: Stammt ebenfalls vom Lande. Haushaltsgehilfin. Weißnäherin. Heirat. Verwandtschaft: Onkel Schuhmacher, links. Großvater der „rote Bäcker“, Teilnehmer am Matrosenaufstand 1918. Später Bäcker in Hamburg - Altona, Kellerwohnung. Gaslicht. Links bis zum Tod. Proletariat, Halbproletariat. In dieser Umgebung wächst Ernst auf. Kind unter Proletarierkindern. Kindheitserinnerungen: Rote Fahnen, Straßenschlachten, Teddy (Ernst Thälmann), Schalmeienkapellen, Polizei - Überfallkommandos. 1933. Machtübernahme durch die Nazis. Ernst ist 10 Jahre alt. Seine Eltern verziehen nach Ahrensburg, einem Vorort Hamburgs. Sein Vater, Untertan der jeweiligen Regierung, wählt vor 1933 die SPD, jetzt die NSDAP. Ernst kommt auf die Oberschule. Hier erfährt er, was es heißt, armer Leute Kind, Siedlungskind zu sein. Die Kinder der Reichen, der Ortsansässigen werden bevorzugt. Er setzt sich durch. Zur Not auch mit seinen Fäusten. Die ideologische und politische Beeinflussung der Jugend ist vollkommen. An der Schule bestimmen Nazipauker. Presse, Film, Rundfunk, Literatur sind gleichgeschaltet. Jungvolk und Hitlerjugend erfassen alle Bereiche des Jugendlebens, der Jugenderziehung.

Die Hitlerjugend wird Staatsjugend, Pflicht - HJ. Die Kommunisten sitzen in den KZs. Bei eventueller Entlassung müssen sie unterschreiben, nichts von den dort herrschenden Zuständen zu erzählen. Es ist äußerst gefährlich geworden, sich antifaschistisch zu äußern. Man spricht nur zu engsten Freunden und Bekannten. Schon gar nicht zu Kindern. 1939. Ernst muss - trotz Schulgeldermäßigung - die Schule verlassen. Das Geld reicht nicht. Er will Maurer oder Zimmermann werden. Lehrstellen sind knapp. Die nächste in Bergedorf, 40 km Bahnfahrt. Der Vater entscheidet: Du wirst Bankkaufmann. Erstens kenne ich da jemanden, zweitens erhält ein Banklehrling im ersten Lehrjahr 33, im zweiten 52 und im dritten 84 Mark, da brauchst du kein Taschengeld und kannst noch was abgeben. Ein Maurerlehrling erhält nur 10, 20, 30 Mark. Ernst gibt nach. Während der Lehrzeit erste oppositionelle Regungen. Antiautoritär. Man legt sich mit der HJ an. Lässt sich im Gegensatz zu ihr längere Haare wachsen (nicht so lang wie heute). Spielt amerikanische Platten. Louis Armstrong usw., was verboten ist. Gründet Clubs.

Die Nazis machen dem ein Ende. Musterungsbefehl. Da „nordisch“, will man ihn zur Waffen-SS anheuern. Musterung in SS - Kaserne in Hamburg - Langenhorn. Ernst baut vor und meldet sich 1941 zu den Fallschirmjägern. Dadurch erhält er ein halbes Jahr Lehrzeit geschenkt. Der Krieg wird zum entscheidenden Erlebnis. Nach vierteljähriger Grund- und Sprungausbildung an die Front. Afrika, Italien, Sowjetunion, Frankreich. Trommelfeuer, Tieffliegerangriffe, Nahkampf, sterbende Kameraden: Deutsche, Engländer, Russen, Italiener, Amerikaner. Warum? Oktober 1944 in britische Gefangenschaft. In den Lagern geben die Nazis den Ton an. Alliierte dulden es. Erste Konflikte. Erste Reaktion auf den Krieg: Pazifist. Doch hier taucht das erste Mal die Eigenschaft bei ihm auf, nicht stehenzubleiben, sondern den Dingen auf den Grund zu gehen. Wo liegen die Ursachen der Kriege? Warum schießen deutsche, französische, britische Arbeiter, die doch die gleichen Interessen haben, aufeinander? Er kommt in ein Arbeitslager, Working camp. Arbeitet ab 1945 als bricklayer (Maurer), painter (Maler) u. a. Hier lernt er den ersten Kommunisten kennen. KJVD - ler. Kommt aus dem Strafbataillon 999. Man beschließt Selbststudium. Marx und Engels gibt es in der Lagerbücherei, Lenin, Stalin nicht. Man entfaltet kommunistische Agitation und Propaganda. Ernst nimmt Verbindung zu britischen Kommunisten auf. Der britische Geheimdienst wird aufmerksam. Verhöre, Strafversetzung. In diese Zeit fallen die ersten schriftstellerischen Arbeiten von Ernst, Gedichte, Erzählungen. Mitarbeit an der Lagerzeitung, in der Laienspielgruppe. 1948 Entlassung aus der Gefangenschaft.

Zurückgekehrt tritt er in den ,,Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“, einer kommunistischen Massenorganisation ein. Betreut die FDJ kulturell und nimmt an ihren Aktionen teil. Arbeitet als Angestellter und vervollständigt sein Wissen durch Studium von Literatur und Theaterwissenschaft. 1951 holt ihn die Partei - nunmehr als Mitglied der KPD - in die Redaktion der „Hamburger Volkszeitung“. Bald schreibt er für alle Ressorts: Kultur, Politik, Lokales, Parteileben. Wie jeder Genosse studiert er in seiner Grundeinheit die Geschichte der KPdSU.

1953 übernimmt er im Parteiauftrag die aus der Bewegung zur Befreiung Helgolands entstandene Küstenzeitschrift „Dat Blinkfüer“. Bald ist er auf allen Seefischmärkten, in allen Fischereihäfen der Nord- und Ostseeküste zu Haus. In Fischerkneipen, auf ihren Kuttern diskutiert Ernst mit den Fischern, die ihre Absatzmärkte im Osten verloren haben und sich in einer Krise befinden, über die Ziele der „Nationalen Front“, der das „Blinkfüer“ unterstellt ist. Bald ist ,,Dat Blinkfüer“, das damals im DIN-A4-Format monatlich erscheint, in allen Fischereihäfen bekannt. Die Fischer verteilen es in ihren Genossenschaften und hängen es in ihren Anschlagkästen aus.

Ernst arbeitet während dieser Zeit unter der Anleitung eines älteren Genossen, Albert, aus Lübeck. Ein alter Bolschewik mit großen Kampferfahrungen. Er vermittelt seine Erfahrungen dem jungen Genossen. So lernt Ernst von ihm: Bevor man ein Problem aufgreift, eine Sache in Angriff nimmt, zu handeln beginnt, es erst von allen Seiten zu beleuchten, um die richtigen Maßnahmen treffen zu können. Von ihm lernt er, was es heißt, revolutionäre Geduld zu haben. Von ihm lernt er bolschewistische Standhaftigkeit. Seine Meinung im Rahmen des demokratischen Zentralismus zu sagen. So wenden sich Albert und er gegen den Beschluss des Parteivorstandes, nach dem Mitglieder der KPD zur Bundestagswahl 1957 aufgefordert werden, der SPD ihre Stimme zu geben, der Partei also, die entscheidend an der Wiedererrichtung des westdeutschen Imperialismus und dem Verbot der KPD mitgewirkt hatte.

Die Engländer haben statt Helgoland den Großen Knechtsand, eine Sandbank vor der Nordseeküste, als Ersatzbombenziel gewählt. Fast täglich fallen hier die Bomben und hindern die Fischer am Auslaufen. Die Partei bemüht sich hier, ähnlich wie bei Helgoland, eine Protestbewegung zu entfalten. Da erfährt Ernst, dass während der Bombardierungen auf dem Knechtsand Tausende dort mausernde, flugunfähige Brandgänse sterben. Daran anknüpfend initiiert er eine Massenbewegung, die innerhalb kurzer Zeit durch kooperativen Beitritt von Jugendverbänden wie den Naturfreunden, Tierschutzverbänden u. a. rund 2 1/2 Millionen Mitglieder umfasst und durch die Besetzung des Knechtsandes die Einstellung der Bombardierung erzwingt. Dabei hält er sich persönlich im Hintergrund, so dass es dem Verfassungsschutz trotz aller Bemühungen nicht gelingt dahinterzukommen, wer der Initiator dieser gegen den westdeutschen und britischen Imperialismus gerichteten Bewegung ist. Der XX. Parteitag der KPdSU 1956 hat zur Folge, dass er, wie in der DDR, der Harichgruppe, den offen auftretenden Revisionisten in der KPD, grünes Licht gibt. Dieser Gegner ist leicht auszumachen. Er wird von den bolschewistischen Kräften in der KPD bekämpft. Dabei aber übersehen sie, wie auch Ernst, dass die damals noch verschleiert operierenden revisionistischen Kräfte im Parteivorstand die Partei bereits auf den Kurs des Verräters Chruschtschow bringen.

Die Dokumente des XX. Parteitages werden in der Partei infolge des Verbotsprozesses gar nicht oder nur ungenügend diskutiert. Es findet kein ideologischer Kampf statt. Das Verbot selbst zeigt, wie wenig die Partei damals bolschewisiert ist. Wie wenig sie auf den Wechsel von Legalität auf Illegalität vorbereitet, auf die korrekte Verbindung der illegalen mit der legalen Arbeit eingestellt ist. Im Gegensatz zum vorher praktizierten Legalismus verfällt die Partei jetzt in tiefste Illegalität, in eine Illegalität, die so tief ist, dass die Partei praktisch für drei Jahre zu existieren aufhört. Der Parteivorstand und die ersten Sekretäre der Landesverbände setzen sich nach Ostberlin ab. Die Grundeinheiten der Partei lösen sich auf. Dort, wo es noch zu Aktionen kommt, erfolgen sie allein auf die Initiative einzelner Genossen an der Basis.

In dieser Situation war es der Genosse Ernst, der darum kämpfte, auch unter illegalen Bedingungen der Partei legale Möglichkeiten der Agitation und Propaganda zu schaffen. Statt der liquidatorischen geforderten Einstellung des „Blinkfüers“ baut er es weiter aus. Zuerst, indem er den Kreis der Angesprochenen von den Fischern auf die Bauern erweitert. Als dann Hamburger Arbeiter zu ihm kommen und sagen: „Hör mal, Bauern und Fischer, schön und gut, aber warum haben wir keine solche Zeitung?“ setzt er 1958 eine weitere Veränderung mit dem Ziel der Schaffung einer revolutionären Arbeiterzeitung mit zuerst 14 - tägiger Erscheinungsweise im Berliner Format durch. Schon die dritte Ausgabe, die eine Enthüllung über einen Geheimbunker der Regierung in der Eifel enthält, wird beschlagnahmt. Das und die zahlreichen Ermittlungsverfahren, die er erhält, können ihn nicht schrecken. Das „Blinkfüer“ wird zur Wochenzeitung, die in Norddeutschland eine Auflage von 36 000 erreicht und an 600 Kiosken verkauft wird. Das „Blinkfüer„“ wurde zum Muster für weitere legale Organe der Partei in den anderen Bundesländern, die aber nie seine Popularität erreichen.

Worauf beruhte die Popularität von ,,Dat Blinkfüer“? Sie beruhte auf der revolutionären Grundhaltung des Genossen Ernst, seiner Liebe zum Volk, seiner Verbundenheit mit seiner Klasse und den werktätigen Massen sowie seinem proletarischen Hass auf die herrschende Klasse, die Imperialisten, die Monopolherren, die alten Nazis und Militaristen, die im Bonner Staat wieder zu Macht und Ansehen gelangt waren. Sie drückten sich im Inhalt und Stil dieser Arbeiterzeitung aus. Was das „Blinkfüer„“ allerdings nicht war: Eine offene, korrekte, marxistisch -leninistische Zeitung. Dafür gibt es zwei Gründe: Einmal das bestehende KPD-Verbot, das eine offene Propagierung des Kommunismus unmöglich machte, zum anderen die zunehmende revisionistische Entartung der KPD, die auch im „Blinkfüer“ ihren Ausdruck fand. Dennoch spielte sich auch im „Blinkfüer“ verfolgbar der Kampf zweier Linien ab. Während die Parteiführung auf die Propagierung eines bürgerlich-pazifistischen Friedenskurses drängte, versuchte Ernst immer wieder konkret, die Klassenfrage zu stellen und mehr oder minder offen die KPD zu propagieren.

Von den in der internationalen kommunistischen Bewegung seit den Moskauer Beratungen von 1957 und 1960 sich entwickelnden prinzipiellen Differenzen um die Generallinie, darum, ob z.B. die allgemeingültige Wahrheit des Marxismus-Leninismus, ob die allgemeine Bedeutung des Weges der Oktoberrevolution anerkannt werden oder nicht, erfahren die KPD-Genossen an der Basis in Westdeutschland nichts. In der illegalen Parteipresse werden die Differenzen verschwiegen. Erst als Januar 1963, auf dem VI. Parteitag der SED, der Vertreter der chinesischen Bruderpartei unter wüsten Drohungen und Beschimpfungen von den SED-Delegierten niedergeschrien wird, kommt es zu ersten Diskussionen in der KPD. Kaum jemand aber ist sich über die ideologischen Hintergründe der Auseinandersetzungen im Klaren. Hier wirkt sich die seit dem Parteiverbot bewusst betriebene Einstellung der Schulung der Klassikertexte des Marxismus-Leninismus (z.B. der Geschichte der KPdSU) aus. Die Schulung wird nur anhand der Parteimaterialien durchgeführt und eben die sind revisionistisch. So fällt es den Genossen schwer, sich ein eigenes Urteil über die bestehenden Differenzen zu bilden. Hinzu kommen die völlige Liquidierung des demokratischen Zentralismus und des Prinzips von Kritik und Selbstkritik in der Partei. Sie wird mit den Bedingungen der Illegalität begründet. Die wenigen Genossen, die eine prinzipielle Kritik an der Linie der Partei wagen, werden sofort ausgeschlossen, isoliert und als Agenten des Verfassungsschutzes diffamiert.

Das Jahr 1963 wird für den Genossen Ernst der Ausgangspunkt für seinen Kampf gegen die Entartung der Partei, gegen den modernen Revisionismus. Anfang Juni nimmt er als ,,Delegierter“ an dem im Harz in der DDR stattfindenden Parteitag der KPD teil. Hier erlebt er die totale Manipulation, das Abwürgen jeder Kritik. Kein Delegierter ist gewählt Die Diskussionsbeiträge der Genossen müssen samt und sonders wörtlich von der Parteileitung genehmigt werden. Sie werden zum größten Teil von den ZK-Mitgliedern verfasst und den Delegierten als eigener Beitrag zum Vorlesen übergeben. Im Sommer des Jahres besucht Ernst als Teilnehmer einer Parteidelegation zum ersten Mal die Sowjetunion. Die Eindrücke sind zwiespältig. Einerseits ist er beeindruckt von dem großartigen industriellen Aufbau, das Kraftwerk von Bratsk, das Röhrenwerk von Tscheljabinsk, die Gastfreundschaft der sowjetischen Werktätigen, andererseits bemerkt er aber auch Dinge, die mit seiner Vorstellung vom Sozialismus nicht übereinstimmen: Ein Bettler vor dem Hotel in Irkutsk, der ,,freie Markt“ in Leningrad, der krasse Unterschied im Lebensstandard der Fabrikdirektoren und der Werktätigen, die offenkundige Korruption und Schieberei. Es ist die Zeit, wo die alten bolschewistischen, aus dem Proletariat stammenden Parteisekretäre abgelöst und durch Technokraten ersetzt werden. Bei einem Empfang im ZK der KPdSU erhalten die Delegationsteilnehmer zuerst einmal durch den ,,Genossen“ Panomajew eine Lektion über die 4 Bösartigkeit der chinesischen Genossen, bevor er ihnen die Lage in Westdeutschland erklärt. Meinungsaustausch mit einer Bruderpartei? Nein, Befehlsempfang bei der Vaterpartei.

Doch diese Eindrücke werden vorerst noch zurückgedrängt durch den Ende 1963 über den Zeitraum eines Vierteljahres stattfindenden Prozess wegen Verstoß gegen das KPD - Verbot, Staatsgefährdung und Verleumdung Entgegen der Empfehlung der Prozesskommission der Partei, er solle dem bürgerlichen Gericht gegenüber nicht zu hart auftreten: „Man sei ja eine Arbeiterzeitung, da könne es schon mal vorkommen, dass man etwas nicht Gesetzmäßiges geschrieben habe“, macht er den Prozess zum Tribunal gegen die Bourgeoisie. Mutig verteidigt er vor Gericht seine kommunistische Gesinnung. Die Partei ist gezwungen, dieser Linie zu folgen. Der Prozess erregt weltweite Aufmerksamkeit. Breit ist die Front der Solidarität. In der Presse der Staaten des Warschauer Paktes wird er als Held, als unbeugsamer Friedenskämpfer gefeiert. In Hamburg gehen 5. 000 Arbeiter auf die Straße. Ihr Kampf und die breite Solidarität auch liberaler bürgerlicher Kreise tragen dazu bei, dass von der Anklage neun Zehntel fallengelassen werden und er wegen des Restes eine Gefängnisstrafe von einem Jahr erhält.

Anfang 1965 verbringt Ernst auf Einladung des polnischen Journalistenverbandes seinen Urlaub in Bad Krynitza. Hier ist die revisionistische Entartung schon so krass, dass sich das Leben in diesem Kurort der polnischen Bourgeoisie kaum noch von dem eines x-beliebigen im Westen unterscheidet. Kaum ein Werktätiger, hier sind sie unter sich, die neuen polnischen Herren. Französischer Sekt, 600 Zloty, fast das Monatsgehalt eines polnischen Arbeiters, fließt in Strömen zu den Klängen auf westlich getrimmter Bands. Von da ab lehnt Ernst jede Einladung zu einem Urlaub nach „drüben“ ab. Im Herbst 1965, kurz vor der Bundestagswahl, erhält Ernst die Aufforderung zum Strafantritt. Bis dahin war es üblich gewesen, dass die Genossen sich zum Strafantritt im Gefängnis meldeten. Ernst sagt, bin ich denn noch zu retten, auch noch Fahrgeld nach Fuhlsbüttel auszugeben! Er schrieb im „Blinkfüer“, wenn sie etwas von ihm wollten, dann sollten sie ihn gefälligst holen. Der Hamburger Senat setzte die Strafe zur Bewährung aus.

1965 erscheint „Die Polemik über die Generallinie der internationalen kommunistischen Bewegung“ in deutscher Sprache. Die Lektüre dieses von den chinesischen Genossen herausgegebenen Werkes gibt ihm den entscheidenden Anstoß für die Entfaltung des aktiven Kampfes gegen den modernen Revisionismus in der Partei. Immer offener nimmt er in persönlichen Gesprächen mit Genossen Partei für die korrekte revolutionäre Linie der Volksrepubliken China und Albanien. Genossen fragen heute manchmal, warum wurde der ideologische Kampf in der KPD nicht schon früher entfaltet, wie z.B. in Belgien und Österreich? Die Hauptursache dafür lag im mangelnden ideologischen Niveau in der Partei, verbunden mit den illegalen Bedingungen, der mangelnden Informiertheit der westdeutschen Genossen über die bestehenden Differenzen, der nicht bestehende demokratische Zentralismus, Informationen, die den Belgischen, Schweizer, Französischen Genossen schon früher zugänglich waren, gelangten erst verspätet in die Bundesrepublik und in die Partei.

Die Jahre 1966/67 bringen die Entscheidung. Immer offener wendet sich Ernst jetzt gegen den antimarxistischen, antichinesischen Kurs der Revisionisten in der Partei und im ,,Blinkfüer“. Die Auseinandersetzungen entzünden sich zuerst an der Frage, warum die Auflage der Zeitung ständig sinkt. Ernst vertritt die Meinung, dass zunehmend seit 1963 der revolutionäre Stil der Zeitung verlorengegangen, dass sie zu einem pazifistischen Friedensblättchen entartet sei. Er wirft der Hamburger Parteileitung vor, dass sie, um gut dazustehen, den Auflagenschwund gegenüber der Zentrale verheimlicht. Er kämpft gegen die revisionistische Entartung, weigert sich, antichinesische Artikel zu schreiben und lehnt die Veröffentlichung solcher im „Blinkfüer“ ab. Als er damit nicht durchkommt, legt er im Sommer 1966 die Chefredaktion der Zeitung nieder und scheidet aus dem „Blinkfüer“ aus. Doch noch ist er Verleger, die Zeitung ist auf seinen Namen geschrieben. Da erscheint im Dezember 1966 eine antichinesische Beilage zum ,,Blinkfüer“, in der man seinen Namen als Verleger missbraucht. Ernst wirft ihnen den Verlag vor die Füße. In einem Vertrag, in dem er den Verlag plus minus null an die Partei übergibt, baut diese, wohl in Vorahnung des Kommenden, eine Klausel ein, nach der er sich verpflichten muss, in den nächsten drei Jahren keine ähnliche Zeitung im Verbreitungsgebiet des „Blinkfüer“ herauszugeben. Nun ähnlich wird die Zeitung bestimmt nicht sein.

Die Partei weiß um die Popularität des Genossen Ernst, sie kennt seine agitatorischen und propagandistischen Fähigkeiten und möchte ihn nicht verlieren. Als er in seiner Parteizelle offen gegen den revisionistischen Kurs der Partei auftritt, isoliert man ihn dort. Aber noch ist er Funktionär der Partei und untersteht direkt der Anleitung durch den Parteivorstand. Im Juni 1967 übernimmt er für einen Genossen, dem ein Prozess bevorsteht, kurzfristig im Parteiauftrag die Leitung der in Hannover erscheinenden Zeitung ,,Heute“. Hier blockt er offen jeden antichinesischen Artikel ab und agitiert die Genossen. In dieser Zeit sammelt er in der Partei die marxistisch - leninistischen Kräfte. Die Partei unternimmt einen letzten Bestechungsversuch. Um ihn von seiner Basis in Hamburg zu trennen, bietet sie ihm für ein hohes Gehalt die Mitarbeit an der ,,Bonner Korrespondenz“ an. Er soll sie zusammen mit dem Erzrevisionist und Salemschüler Polikeit herausgeben. Er lehnt ab. Stattdessen erscheint, zuerst illegal, unter seiner Anleitung im Juni 1967 der erste ROTE MORGEN. Die Partei gerät in helle Aufregung. Seine letzten zwei Gehälter als Funktionär der KPD verwendet er für die Anschaffung der Druckmaschine des ROTEN MORGEN und Porto. Im Oktober legt er in einem Brief an den Parteivorstand alle Funktionen nieder und wendet sich kurz darauf in einem Offenen Brief an alle Genossen der Partei und Leser und fordert sie auf, mit dem revisionistischen Kurs der Partei zu brechen.

Genossen aus anderen Organisationen haben Ernst vorgeworfen, dass er im „Blinkfüer“ früher auch revisionistische Artikel geschrieben und zu lange mit der Trennung gewartet habe. Ernst sagte dazu: „Das stimmt. Aber nicht ich bestimmte den Kurs der Partei, sondern das Zentralkomitee, der Parteivorstand dem ich nicht angehörte. Solange ich Mitglied der KPD war, waren für mich ihre Beschlüsse bindend. Auch wenn ich persönlich anderer Meinung war, hatte ich sie durchzuführen. Erst nachdem ich im innerparteilichen Kampf gegen den modernen Revisionismus erkannte, dass die korrekte marxistisch - leninistische Linie nicht durchzusetzen war, vollzog ich den notwendigen Schritt der Trennung. Das war kein leichter Schritt. Schließlich wechselt man eine Partei nicht wie sein Hemd, zumal nicht eine, in die man unter der Voraussetzung eingetreten ist, für den Kommunismus, für die Beseitigung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen zu kämpfen. Was ich mir vorzuwerfen habe ist, dass ich über den täglichen Kampf, die tägliche Praxis, nicht ständig mein Wissen in der marxistisch - leninistischen Theorie vervollständigt habe, so dass ich in der Lage gewesen wäre, schon früher den Kampf gegen den revisionistischen Verrat in der Partei zu führen.“

Nach seinem Offenen Brief spuckte das „Blinkfüer“ Gift und Galle und schreibt, man habe sich von Ernst Aust trennen müssen, weil er aus der Zeitung ein Blatt der Kulturrevolution habe machen wollen. Das ,,Freie Volk“, Zentralorgan der KPD, sieht es anders. Zwar wagte man nicht zu behaupten, er sei Agent des Verfassungsschutzes geworden, das hätte ihnen kein Hamburger Genosse, keiner, der Ernst kannte, abgenommen. So begnügte man sich damit zu sagen, er sei zum „Spielball“ des Verfassungsschutzes geworden. Die übliche Masche, aber sie zieht nicht mehr. Die Entwicklung ist nicht mehr aufzuhalten. Die marxistisch-leninistischen Genossen der Bundesrepublik und Westberlins sammeln sich um den ROTEN MORGEN. Sie nehmen Kurs auf die Gründung einer marxistisch-leninistischen Partei, die das revolutionäre Erbe der alten KPD fortsetzt. Die Gründung dieser, unserer revolutionären Partei erfolgt am 50. Jahrestag der Gründung der KPD, am 30.12.1968.

Der Genosse Ernst ist bis heute geblieben; was er war: Ein mutiger, absolut unbestechlicher, seiner Klasse treu ergebener Revolutionär. Sofort nachdem er seine Funktion in der KPD niedergelegt hatte, ging er wieder in den Betrieb. Nachdem er kurze Zeit als Drucker und Kraftfahrer gearbeitet hat, arbeitet er in den letzten Jahren als Fräser in einem Chemiebetrieb. Jeder Karrierismus ist ihm fremd. So lehnte er jahrelang seine Freistellung ab, was sich allerdings als Schaden für die Partei erwies. Nach dem außerordentlichen Parteitag Ende 1971 wählte ihn die Partei zu ihrem Vorsitzenden. Wenn der Feind uns bekämpft, ist das gut und nicht schlecht. Wenn heute, 10 Jahre nach seinem letzten Prozess, die Bourgeoisie den Genossen Ernst wieder vor die Schranken der bürgerlichen Klassenjustiz zerrt, so zeigt das nur, wen sie fürchtet. Nicht die Bachmann, die Reimann, sie sind zu treuen Dienern des bürgerlichen Staates, zu Renegaten, zu Verrätern am Kommunismus geworden. Sie fürchtet die Marxisten-Leninisten, die der Sache des Proletariats treu ergebenen Revolutionäre. Sie ist bereit, sie ihrer neuen Freundschaft mit den Zaren im Kreml zum Opfer zu bringen. Doch der Stein, den sie erhoben haben, wird auf ihre eigenen Füße fallen.“
Q: Roter Morgen Nr. 20/1973, Hamburg.

RM_1973_20_06


27.05.1973:
Vermutlich erscheint an diesem Tag ein Flugblatt des Landesverbandes Wasserkante der KPD/ML zum Ernst Aust-Prozess: In „Freiheit für die kommunistische Agitation und Propaganda“ heißt es: „Unter dieser zentralen Losung rufen wir Euch auf, am 28.5.,19.00 Uhr am Barmbeker Bahnhof - Ausgang Wiesendamm, gemeinsam mit uns in Solidarität mit dem Genossen Ernst Aust, Vorsitzendem der KPD/ML, zu demonstrieren sowie während der Prozesstage (29.5. und folgende) das Strafjustizgebäude in ein Forum der Anklage gegen die Justiz zu einen Instrument politischer Unterdrückung zu verwandeln. Wir rufen Euch auf, gemeinsam mit uns das Recht zu verteidigen, die kommunistische Weltanschauung, die kommunistischen Ideen in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern.

Der Genosse Ernst Aust wird angeklagt, weil in von ihm verantwortlich gezeichneten Flugschriften und Zeitungen, vor allem in der kommunistischen Wochenzeitung „ROTER MORGEN“, dem Zentralorgan der KPD/ML, eben dieses Recht wahrgenommen wurde: Das Recht auf die Anprangerung von. jeglicher Ausbeutung und Unterdrückung, das Recht auf die agitatorische und propagandistische Verbreitung der kommunistischen Ideen ,Indem man ihn anklagt, klagt man stellvertretend durch ihn jede Stimme der Kritik an Ausbeutung und Unterdrückung an, jede Stimme der Kritik an diesem gesamten kapitalistischen System, jede Stimme, die für eine andere, für eine bessere Gesellschaft, für den Sozialismus eintritt.

Wir wissen: Dieser Prozess ist nur ein Teil jener Maßnahmen des bürgerlichen Staatsapparates, die darauf abzielen, nicht nur die kommunistische Agitation und Propaganda, sondern auch die kommunistische Organisierung zu verbieten. In diesen Maßnahmen gegen die Kommunisten und alle fortschrittlichen Menschen wissen Kapital, Staat, Presse usw. in einer Hinsicht sehr genau (und auch sehr richtig) zu unterscheiden. Nicht Bachmann, Vorsitzender der DKP, sondern der Genosse Ernst Aust, Vorsitzender der KPD/ML wird angeklagt.

„Welches sind die wirklichen Ursachen für die zunehmende politische Unterdrückung und Verfolgung? Kapital und Regierung geraten in Schwierigkeiten. Gerade angesichts des wachsenden Lohnraubs vor allein durch Preistreiberei und Inflation, mit denen die steigenden Profite des Kapitals erzwungen werden, nehmen die Klassenauseinandersetzungen zu, d.h. die Kämpfe zwischen Arbeitern, allen Ausgebeuteten und Unterdrückten auf der einen und der Bourgeoisie auf der andern Seite. Wie im Weltmaßstab, so ist auch bei uns die Tendenz dieser Entwicklung nicht die zeitweilige Abnahme oder Befriedung der Widersprüche, sondern ihre weitere Zuspitzung. Diese Tatsache allein lassen Kapital und Regierung zum „altbewährten“ Mittel greifen, wie es schon zu Zeiten Bismarcks, zu Zeiten der Weimarer Republik und ihres Vollenders Hitler - wie auch zu Zeiten Adenauers praktiziert wurde: stumpfsinnigste und widerlichste Hetze gegen die Kommunisten, politische Verfolgung und Verbot, Terror gegen jeden, er Widerstand übt.

Es bleibt den Opportunisten überlassen, sich über die Bonner Rathausbesetzung im Zusammenhang mit einer antiimperialistischen Kampfdemonstration von mehreren tausend Menschen aufzuregen und die Lügen der Presse von „einer Handvoll Desperados“ nachzubeten.

Tatsache ist, dass die Anklage gegen den Genossen Ernst Aust zu einer: Zeitpunkt vorbereitet wurde, da noch niemand der berühmten „Chaoten“ wusste und wissen konnte, dass diese US-Marionette Thieu überhaupt nach Bonn kommt. Ebenso die Anklagen gegen Norbert Oswald und Michael Schulte, früheren Verantwortlichen der „Roten Fahne“, gegen die von 71 - 73 ganze 300 (!) Ermittlungsverfahren angestrengt wurden. Ebenso die Beschlüsse der Gewerkschaftsführungen (siehe oben) usw. usf. Kurz: Die laufenden Anklagen und Verbotsvorbereitungen sind einzig und allein begründet in den zunehmenden Klassenauseinandersetzungen in unserem Land und dem wachsenden Einfluss der Kommunisten in ihnen.

Wir wissen, dass unter den Organisationen und ihren Mitgliedern, die wir ansprechen, einzelne sind, die in der Vergangenheit die politische Auseinander; Setzung mit uns vornehmlich dadurch führten über uns wie vor allem über den Genossen Ernst Aust die billigsten Lügen, Entstellungen und persönlichen Beleidigungen zu verbreiten. Es ist weder die Zeit noch können wir es als unsere Aufgabe sehen, unseren Kampf und die politische Auseinandersetzung auf diesem Niveau zu führen. Wir sehen es im Gegenteil als unsere Verpflichtung an, in einer Zeit, da die Klassenjustiz und der Staatsapparat die Unterdrückungsmaßnahmen verschärfen, die breiteste Front der Solidarität mit allen verfolgten fortschrittlichen und revolutionären Menschen oder Organisationen herzustellen.

Wenn wir Euch aufrufen, gemeinsam mit uns zu demonstrieren, gemeinsam mit uns das Recht auf die Freiheit der kommunistischen Agitation und Propaganda, wie der kommunistischen Organisierung zu verteidigen, dann verbinden wir damit nicht die Forderung nach der Anerkennung einer Person. Das ist nicht die Frage. Wer aber die Solidarität mit dem Genossen E. Aust ablehnt, lehnt nicht E. Aust ab, sondern er lehnt es ab, den Kampf für die Freiheit der kommunistischen Agitation und Propaganda zu führen. Er lehnt es ab, in die Solidarität mit den von der Klassenjustiz verfolgten fortschrittlichen und revolutionären Menschen für grundlegende Interessen der Arbeiter und des Volkes einzutreten.

Wir rufen Euch auf, unter der zentralen Losung „Freiheit für die kommunistische Agitation und Propaganda“ am 28.5- I9.00 Uhr, Barmbeker Bahnhof (Ausgang Wiesendamm), sowie während der Prozessdauer (29.5.,9.00 Uhr Beginn, Strafjustizgebäude, Sievekingplatz 3, Zimmer I60) das Recht zu verteidigen, die kommunistische Weltanschauung, die kommunistischen Ideen in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und damit auch gleichzeitig allen Versuchen energisch entgegenzutreten, die Freiheit der kommunistischen Organisierung zu verbieten.

FREIHEIT FÜR DIE KOMMUNISTISCHE AGITATION UND PROPAGANDA!
FREIHEIT FÜR DIE KPD/ML! HÄNDE WEG VON ERNST AUST! WEG MIT DEM KPD-VERBOT! Kampf der Illegalisierung und Kriminalisierung kommunistischer und fortschrittlicher Organisationen! FREIHEIT FÜR ALLE POLTISCHEN GEFANGENEN! Wir laden Euch ein zu vorbereitenden Gesprächen für So, den 20.5. ,20. 00 Uhr Gaststätte „Zum alten Sängerheim“, Oelkersalle (Nähe S - Holsterstraße).“
Q: Landesverband Wasserkante der KPD/ML: Freiheit für die kommunistische Agitation und Propaganda; in: KPD/ML (Hrsg.): Kampf der Klassenjustiz. Den Gerichtssaal als Tribüne des Klassenkampfes benutzen. Dokumentation zum Prozess gegen Ernst Aust, Vorsitzender der KPD/ML, Hamburg 1973, S. 19f.

LV_Wasserkante_27_05

LV_Wasserkante_27_05_01


28.05.1973:
Laut der Broschüre: „Kampf der Klassenjustiz. Den Gerichtssaal als Tribüne des Klassenkampfes benutzen. Dokumentation zum Prozess gegen Ernst Aust, Vorsitzender der KPD/ML“, erscheint möglicherweise an diesem Tag ein weiteres Flugblatt des Landesverbandes Wasserkante der KPD/ML zum Prozess gegen Ernst Aust. Möglich ist aber auch, dass es zu einem Teil des am 27.5. zur Verteilung gebrachten Flugblatts gehörte.

In „Freiheit für die kommunistische Agitation und Propaganda“ wird ausgeführt: „Freiheit für die kommunistische Agitation und Propaganda! Freiheit für die KPD/ML! Hände weg von Ernst Aust!

Liebe Kollegin, lieber Kollege,
Stolltest Du das Pech haben irgendwann - sei es bei einer Verkehrskontrolle, sei es, weil Du Dich Nachts „verdächtig“ auf der Straße bewegst, sei ei, weil Du mal einen geballert hast -mit der Polizei in Kontakt zu geraten, so versichere Dich gut: Gegen Körperverletzung. Denn wenn Du Dich nicht ganz brav, bescheiden und untertänig den „Bullen“ gegenüber verhältst oder gar ein Gegenwort wagst, dann kannst Du am nächsten Tag den Arzt konsultieren. Immer häufiger kommt es zu Terrorakten der Polizei gegen friedliche Bürger. Und glaube ja nicht. Du könntest die, die Dich verprügelten, vor den Richter bringen. Die halten zusammen wie Pech und Schwefel. Einem Polizisten wild vor Gericht immer mehr geglaubt ah einem Normalbürger. Das Beste, - was Du in einem solchen Fall herausholen kannst, ist, dass man Dich nicht gegen Widerstand gegen die Staatsgewalt anklagt.

Recht im Namen der herrschenden Klasse

Und wünsche Dir ja nicht mit dem Gericht, egal welchem, Bekanntschaft zu machen. Hier gut wie eh und je: Die Kleinen hängt man. die Großen lässt man laufen. Als Boss, als großer Mann mit weißem Kragen, kannst Du ruhig den Staat um zig Millionen betrügen, kannst Du die Umwelt verseuchen, mit Medikamenten Menschen vergiften. Mietet wucherten ausbeuten. Gauner und Halsabschneider solcher Art kommen in der Regel glimpflich mit Geldstrafen oder Haft auf Bewährung davon, wenn sie nicht gar freigesprochen werden. Stehst Du aber als Arbeiter, als kleiner Mann vor Gericht, hast Du von vornherein verschissen. Da hilft Dir auch kein Pflichtverteidiger und einen Staranwalt kannst Du nicht bezahlen. Die angeblich unabhängigen Richter in unserem kapitalistischen Staat sind so unabhängig wie der Sklave von seinem Herrn. Sie sprechen Recht nicht im Namen des Volkes, sondern der herrschenden Klasse.

Stehst Du aber nicht nur als Arbeiter, sondern noch als Kommunist vor Gericht, dann packe am besten gleich Zahnbürste und Waschzeug ein. Dann ergeht es Dir wie vor kurzem unserem Genossen Heini Baron aus Kiel, der von einem Münchner Gericht - obwohl man ihm praktisch nichts nachweisen konnte als die Teilnahme an einer Demonstration zur Olympiade - zu 16 Monaten ohne Bewährung verurteilt wurde. Kommunisten werden heute unter der Brandt -Regierung genauso verfolgt und eingekerkert wie früher unter der Adenauer - Regierung. Im Gegenteil noch härter. Dem FDP-Innenminister von Nordrhein -Westfalen, Weyer blieb es vorbehalten, die revolutionären 1. Mai- Demonstrationen und Versammlungen der Kommunisten, der KPD/ML zu verbieten.

Kommunistenjagd der SPD-Regierung

Aber Hamburg scheint nicht nachstehen zu wollen. Zehn Jahre ist es her, 1963, da stand der Vorsitzende unserer Partei, der Genosse Ernst Aust. damals als Chefredakteur der Arbeiterzeitung „Blinkfüer“ vor den Schranken des Gerichts. Man klagte ihn an, den Staat gefährdet, das Verbot der KPD missachtet und seine Meinung als Kommunist öffentlich verbreitet zu haben. Aust machte aus seiner kommunistischen Weltanschauung kein Hehl und griff den kapitalistischen Statt und die bürgerliche Klassenjustiz an. Neun Zehntel der umfangreichen Anklage mussten fallen gelassen werden. Das verbleibende eine Zehntel aber reichte aus, um ihn zu einem Jahr Gefängnis zu verurteilen. Damals kämpften viele Tausend Hamburger Werktätige in Demonstrationen und Kundgebungen und zigtausende Menschen In aller Welt an der Seite Ernst Austs, solidarisierten sich mit ihm und erzwangen eine Strafaussetzung. Zehn Jahre sind seitdem vergangen und viel Wasser ist inzwischen die Elbe hinuntergeflossen. Die KPD, der Ernst Aust damals angehört, gibt es nicht mehr. Die Sowjetunion hat die Farbe gewechselt, sie wurde zu einem imperialistischen Staat, der sich wie im Falle der CSSR 1968, fremde Völker mit Gewalt unterwirft.

Die Sowjetunion, die DDR u. a. sind zu kapitalistischen Staaten entartet, in denen eine neue bürgerliche Klasse von Managern, Technokraten, Staats- und Parteibürokraten die Macht an sich gerissen und die Herrschaft der Arbeiterklasse zerschlagen hat. Die Werktätigen drüben werden heute genauso unterdrückt und ausgebeutet wie wir. Der Genosse Ernst Aust aber blieb seiner Überzeugung treu. Als er sah, dass seine Partei mehr und mehr entartete und sich auf den Weg der Anpassung an den Kapitalismus begab, legte er alle Funktionen nieder. Kein Bestechungsversuch konnte ihn hindern. Er ging wieder all Arbeiter in den Betrieb. Als die Bachmann, Erlebach und Co. den letzten Schritt taten und offen den Kommunismus verrieten, indem sie 1963 ihre Zulassung als Partei, DKP, bei der herrschenden Klasse erbettelten, sammelte Ernst Aust Über die Zeitschrift ROTER MORGEN die revolutionären Genossen der KPD und andere Revolutionäre und gründete mit Ihnen 1968 die KPD/ML, die Fortsetzerin der Partei Karl Liebknechts, Rosa Luxemburgs und Ernst Thälmanns, der alten KPD.

DKP-Verräter an der Seite der Kapitalisten

Heute sind die die Fronten klar. Die DKP-Führer, die Bachmann und Co. stehen im Lager der herrschenden Klasse. Mit Eifer bemühen sie sich der SPD-Regierung in den Hintern zu kriechen. Wie sie sind sie zu schäbigen Antikommunisten, zu Verrätern an der sozialistischen Revolution geworden. Beschimpfen und begeifern sie die wahrhaft sozialistischen Staaten wie China und Albanien. Wie die Herren in Bonn fordern sie das Verbot unserer Partei und aller, die nicht gleich ihnen vor Brandt und Breschnew, diesem neuen Kremlzar, die Knie beugen. Den einfachen DKP-Genossen, unseren Kollegen aber möchten wir zu denken geben: Wen klagt die Bourgeoisie, die Kapitalistenklasse heute an? Die Herren Bachmann, Mies, Erlebach, Ahrens usw.? Nein, den Genossen Ernst Aust! Wie vor zehn Jahren zerren sie Ihn vor die Schranken Ihrer Klassenjustiz. Wie damals werfen sie Ihm vor, seine Meinung als Kommunist öffentlich verbreitet und den kapitalistischen Staat „verleumdet“ zu haben.

In dem am 29. Mai, 9 Uhr vor dem Hamburger Gericht, Strafjustizgebäude Zimmer 160 stattfindenden Prozess, geht es nicht nur gegen den Genossen Ernst Aust. Indem sie ihn als den Vorsitzenden unserer Partei, der KPD/ML, der revolutionären Vorhut der deutschen Arbeiterklasse anklagt, klagt sie die Partei an, die am konsequentesten Eure Interessen vertritt, und bereitet Ihr Verbot vor. Indem sie ihn anklagt, will sie allen Gegnern dieses kapitalistischen Systems, will sie allen, die Ausbeutung und Unterdrückung konsequent anprangern und für die Interessen der Kollegen eintreten, den Mund verbieten. Die Anklage gegen Ernst Aust ist eine Anklage gegen uns alle! Arbeiter. Werktätige Hamburg! und der ganzen Wasserkante: übt Solidarität, Demonstriert mit uns unter der Losung: Freiheit für die kommunistische Agitation und Propaganda! Freiheit für die KPD/ML! Hände weg von Ernst Aust! Demonstration Hamburg, Montag, den 28. Mai 19.00 Uhr Barmbeker Bahnhof.“
Q: Flugblatt der KPD/ML, Landesverband Wasserkante: Freiheit für die kommunistische Agitation und Propaganda [27. oder 28.5.1973].

LV_Wasserkante2_27_05

LV_Wasserkante2_27_05_01


28.05.1973:
Laut einem „Extrablatt“ des „Roten Morgen“ von Anfang/Mitte Mai 1973 soll an diesem Tag in Hamburg eine Solidaritätsdemonstration „am Vorabend des Prozesses“ (gegen Ernst Aust, d. Vf.) stattfinden. Ernst Aust und weitere Angeklagte sollen dort sprechen. Darauf hingewiesen wird auch, dass in der Woche vom 21.5. bis 27.5. in Westdeutschland und Westberlin „eine Aktionswoche gegen das Verbot, gegen politische Unterdrückung, gegen den Prozess von Genossen Ernst Aust durchgeführt“ werden soll.

Von der Demonstration für Aust berichtet auch die „bebilderte Selbstdarstellung“ der KPD/ML und die Broschüre „Kampf der Klassenjustiz. Den Gerichtssaal als Tribüne des Klassenkampfes benutzen. Dokumentation zum Prozess gegen Ernst Aust“.
Q: Roter Morgen, Mai 1973 (Extrablatt), Hamburg; ZK der KPD/ML (Hrsg.): Zehn Jahre KPD/ML - Eine bebilderte Selbstdarstellung“, S. 120f; ZK der KPD/ML (Hrsg.): Kampf der Klassenjustiz. Den Gerichtssaal als Tribüne des Klassenkampfes benutzen. Dokumentation zum Prozess gegen Ernst Aust“, Hamburg, 1973.

Demo_Aust_Hamburg_28_05

Seite_120
Zehn Jahre KPD/ML, Seite 120

Seite_121
Zehn Jahre KPD/ML, Seite 121

Seite_122
Zehn Jahre KPD/ML, Seite 122


28.05.1973:
Die KPD/ML berichtet vermutlich aus dieser Woche von der Solidarisierung mit Ernst Aust in München durch die eigene Zelle bei Bruckmann.
Q: Roter Morgen Nr. 22/1973, Hamburg, S. 7.

28.05.1973:
Die KPD/ML berichtet vermutlich aus dieser Woche von der Solidarisierung mit Ernst Aust in Mainz durch die eigene Ortsgruppe.
Q: Roter Morgen Nr. 22/1973, Hamburg, S. 7.

28.05.1973:
Die KPD/ML berichtet vermutlich aus dieser Woche von der Solidarisierung mit Ernst Aust in Siegen-Olpe durch vermutlich die Familie Heuzeroth nebst Hausfreunden bzw. die KPD/ML Kreisverband Siegen-Olpe.
Q: Roter Morgen Nr. 22/1973, Hamburg, S. 7.

28.05.1973:
Die KPD/ML berichtet vermutlich aus dieser Woche von der Solidarisierung mit Ernst Aust in Heidenheim durch das KPD/ML-Sympathisantenkollektiv (ex KPD/ML-ZB), die RG und die Rote Hilfe (RH).
Q: Roter Morgen Nr. 22/1973, Hamburg, S. 7.

29.05.1973:
Laut „Roter Morgen“ Nr. 22 vom 9. Juni beginnt an diesem Tag in Hamburg ein Prozess gegen Ernst Aust, der bis zum 5. Juni dauert.
Q: Roter Morgen Nr. 22/1973, Hamburg, S. 1

RM_1973_22_01

RM_1973_22_06


29.05.1973:
Im Prozess gegen Ernst Aust plädiert sein Anwalt Heinrich Hannover für „die Aussetzung des Verfahrens“ gegen ihn. Als Begründung führt er u. a. an:

„Ich bitte das Verfahren auszusetzen bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die ein Parteiverbotsverfahren nach Artikel 21 des Grundgesetzes. Ich habe darauf hingewiesen, dass der Angeklagte alle Äußerungen im Rahmen seiner Tätigkeit als Funktionär einer Partei getan hat, - diese Partei ist revolutionär. Eine revolutionäre Partei kann sich überhaupt nur betätigen, indem sie gegen die Gesetze der Herrschenden verstößt. Wenn ein Strafverfahren gegen den Funktionär einer revolutionären Partei zulässig wäre wegen seiner Betätigung für die Partei, würde das Urteil praktisch einem Parteiverbot gleichkommen. Damit würde der Strafrichter seine Kompetenz überschreiten, die Frage eines Parteiverbots ist durch Artikel 21 ausschließlich dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten.

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Urteil vom 21. März 1961 folgendes gesagt: „Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann niemand die Verfassungswidrigkeit einer Partei rechtlich geltend machen, insofern kommt dieser Entscheidung konstitutive Bedeutung zu. Das in erster Linie die Parteiorganisation schützende Privileg des Art. 21, Abs. 2 Grundgesetz erstreckt sich auch auf die mit allgemein erlaubten Mitteln arbeitende parteioffizielle Tätigkeit der Funktionäre und Anhänger einer Partei. Ihre Tätigkeit ist durch das Parteienprivileg auch dann geschützt, wenn ihre Partei durch eine spätere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für verfassungswidrig erklärt wird.“

Der Bundesgerichtshof hat sich mit dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auseinandergesetzt in einem Urteil vom 8. 5. 1964. In dieser Entscheidung hat der 3GH gemeint, dass ein Parteifunktionär zwar nicht bestraft werden könne für die Verbreitung von Schriften, die von seiner Partei herausgegeben worden sind und verfassungsfeindlichen Inhalt haben sollen, dass aber das Parteienprivileg einen Parteifunktionär nicht davor schütze, wegen Verächtlichmachung und Beschimpfung der Bundesrepublik bestraft zu werden. Ein solches Verhalten erfülle nicht die um Urteil des Bundesverfassungsgerichts enthaltene Formel, dass die Tätigkeit von Parteifunktionären mit allgemein erlaubten Mitteln geschützt sei, denn die Beschimpfung und Verächtlichmachung der Bundesrepublik sei kein allgemein erlaubtes Mittel.

Diese Entscheidung des BGH bedarf der Überprüfung, wenn es sich wie hier um den Funktionär einer Partei handelt, die erklärtermaßen auf eine revolutionäre Veränderung der Gesellschaft abzielt, eine solche revolutionäre Partei kann überhaupt nur arbeiten, wenn sie die Gesetze der Herrschenden durchbricht, sodass es überhaupt keine Parteitätigkeit geben kann, der man bescheinigen könnte, dass sie mit „allgemein erlaubten Mitteln“ arbeitet. Ein Strafverfahren gegen den Funktionär einer revolutionären Partei läuft daher im Ergebnis immer auf ein Parteiverbot hinaus und das ist ein unzulässiger Eingriff in die Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts.

Ich beantrage:
„Die Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Frage einer Verwirkung von Grundrechten nach Artikel 18 des Grundgesetzes. Nach Artikel 18 des Grundgesetzes verwirkt die Grundrechte, wer sie zum Kampf gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung missbraucht. Die Verwirkung und ihr Ausmaß wird durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt. Bevor mein Mandant wegen eines Verhaltens bestraft werden kann, das etwa als Missbrauch der Grundrechte zum Kampf gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung zu qualifizieren wäre, müsste ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nach Art.18 durchgeführt werden. Diese Auffassung ist insbesondere in einer Monographie von Copic vertreten worden und hat in der neueren Literatur viele Anhänger gefunden, u. a. auch Helmut Rittter. Nach dieser Auffassung ist es unzulässig, ein politisches Verhalten mit einem Strafausspruch zu sanktionieren, bevor ein Verwirkungsverfahren nach Art.18 durchgeführt worden ist.

Das Gericht wird daher aufgefordert bei der Bundesregierung anzufragen, ob bereits ein Antrag auf Durchführung eines Verwirkungsverfahrens gegen Herrn Aust beim Bundesverfassungsgericht gestellt ist. In jedem Falle wäre dieses Strafverfahren gegen Herrn Aust auszusetzen, bis das Bundesverfassungsgericht über die Frage entschieden hat, ob Herr Aust seine Grundrechte nach Artikel 18 verwirkt hat. Solange er sie nicht verwirkt hat, muss auch Herr Aust als Kommunist von seinen Grundrechten in zulässiger Weise Gebrauch machen können, ohne deswegen bestraft werden zu können.“
Q: KPD/ML (Hrsg.): Kampf der Klassenjustiz. Den Gerichtssaal als Tribüne des Klassenkampfes benutzen. Dokumentation zum Prozess gegen Ernst Aust, Hamburg 1973, S. 44f.

29.05.1973:
Laut der Broschüre „Kampf der Klassenjustiz. Den Gerichtssaal als Tribüne des Klassenkampfes benutzen. Dokumentation zum Prozess gegen Ernst Aust“ hält Ernst Aust heute oder morgen vor dem Landgericht in Hamburg eine seiner Verteidigungsreden.

„Gegen die bürgerliche Klassenjustiz

Der Richter, Herr Sörensen und die Anklagevertretung behaupten, dass ich vorbestraft sei. Sicher meinen sie damit meine Verurteilung zu einem Jahr Gefängnis im „Blinkfüer“ Prozess vor rund 10 Jahren. Nun setzt aber das Wort Strafe eine Schuld voraus, deretwegen man bestraft, vorbestraft wird. Ich aber bestreite damals wie heute, entschieden, auch nur in irgendeinem Punkte schuldig geworden zu sein. Schuldig gegenüber meiner Klasse, deren Interessen und Ziele zu vertreten für mich als Kommunist höchste Verpflichtung ist.

Stets habe ich mich nach besten Kräften bemüht, unter den Massen die Notwendigkeit der heranreifenden Revolution zu propagieren, ihre Unvermeidlichkeit nachzuweisen, ihren Nutzen für das Volk klar zu machen, das Proletariat und die gesamten werktätigen und ausgebeuteten Massen auf sie vorzubereiten. Und als meine Partei, der ich früher angehörte, die KPD, ihr strategisches Ziel, die Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates in der sozialistischen Revolution und die Errichtung der Diktatur des Proletariats, der Herrschaft der Arbeiterklasse in Bündnis mit den anderen werktätigen Schichten des Volkes, verriet, als sie sich anschickte, für das Linsengericht der nach heutigen Strafgesetzen erlaubten Organisationen, das Recht des Proletariats auf die Revolution zu verkaufen, habe ich mich von ihr getrennt. Getrennt, um gemeinsam mit anderen revolutionären Genossen das rote Banner der Arbeiterklasse aus dem Staub zu reißen , in den es die Bachmann und Co getreten hatten. Wenn Sie, Herr Sörensen sagen, wenn in der Anklageschrift steht, ich sei vorbestraft, so heißt das nichts weiter, als dass mich ein bürgerliches Klassengericht terroristisch, aufgrund der zeitweiligen Stärke des staatlichen Macht- und Unterdrückungsapparates verurteilt hat.

Es ist Schmarren, ein glatter Betrug von der Unabhängigkeit, der sogenannten Überparteilichkeit der Richter zu sprechen. Sie sind vom kapitalistischen Staat, diesem Instrument der Unterdrückung des werktätigen Volkes, genauso „unabhängig“ sie das Futter von der Kuh oder die Säge vom Sägefisch. Sie und ihre Arbeitskollegen sind nichts weiter als die Büttel der herrschenden Klasse, bei der Sie ihre Brötchen verdienen.

Sie Sprechen Recht, wessen Recht, wenn ich fragen darf? Es gibt kein abstraktes, über den Klassen stehendes Recht, genauso wenig wie es eine abstrakte Demokratie gibt. Tatsächlich gibt es in der Welt nur konkrete Freiheit, konkretes Recht, konkrete Demokratie. Wenn es in einer Gesellschaft des Klassenkampfes die Freiheit der Ausbeuterklasse gibt, die Werktätigen auszubeuten, so haben die Werktätigen keine Freiheit, sich der Ausbeutung zu entziehen. Wenn es Demokratie für die Bourgeoisie gibt, gibt es keine Demokratie für das Proletariat und die anderen Werktätigen. Wenn es Recht und Gesetz gibt , so ist es immer das Recht, sind es immer die Gesetze der herrschenden Klasse, die zur Aufrechterhaltung ihrer Machtpositionen und deren ökonomischen Grundlagen dienen. Dort wo die Lakaien der kapitalistischen Ausbeuterklasse Recht sprechen, kann es kein Recht für die Ausgebeuteten geben.

Sie können also von mir nicht erwarten, dass ich diese Institution, die sich Amtsgericht nennt, dass ich Sie, Büttel der Staatsgewalt, ernst nehme. Wenn ich hier stehe, so gibt es dafür zwei Gründe: Zum einem, weil, wenn ich nicht erschiene, Sie mich durch ihre Polizei holen lassen, beziehungsweise mich einkerkern würden. Zum anderen- und das ist für mich der wichtigere Grund- weil mir dieser Prozess die Möglichkeit gibt, diese bürgerliche Klassenjustiz, ihren Unterdrückungsmechanismus zu entlarven. So wie wir Kommunisten, je nach Lage, uns an den Wahlen beteiligen, nicht weil wir uns einbilden, unter dem Druck der Bourgeoisie, unter dem Joch der Lohnsklaverei die Mehrheit zu erobern, sondern um das Parlament als Tribüne für die Propagierung unsrer Anschauungen zu benutzen, so benutzen wir die Tribüne des Gerichts , nicht weil wir annehmen, hier Recht zu finden, sondern um aufzuzeigen, dass es notwendig ist, will das Proletariat, wollen die Werktätigen ihre Freiheit erringen, diesen kapitalistischen Staat mit seinem Unterdrückungsapparat und seiner Klassenjustiz zu zerschlagen.

Ich stehe hier nicht als Angeklagter, sondern als Ankläger! Um von Anfang an klare Fronten zu schaffen: Ich stehe hier nicht als Angeklagter, der sich verteidigen müsste, sondern als Ankläger. Ich klage Sie, der Sie sich anmaßen, darüber zu befinden, was ich im ROTEN MORGEN, dem Zentralorgan unsrer Partei, geschrieben habe, an, sich des Verbrechens der Unterdrückung des Rechts auf freie Meinungsäußerung schuldig zu machen . Ich klage Sie und den Herrn Staatsanwalt als Vertreter des Staates und seiner Regierung an, den Namen des deutschen Volkes zu missbrauchen, indem Sie: dem Aggressionsstreben des westdeutschen Imperialismus Vorschub leisten; die konterrevolutionäre Gewalt, den offenen Terror der Staatsorgane gegen das Volk unterstützen; die imperialistischen Schreibtischmörder in ihren Verbrechen gegen die Völker decken; durch die Aufrechterhaltung parlamentarischer Illusionen das Volk betrügen; den Mord an Arabern und Israelis rechtfertigen; die Verbrechen des USA-Imperialismus in Vietnam unterstützen; Ich klage sie an, das auf der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen beruhende kapitalistische Gesellschaftssystem erhalten zu wollen und sich dazu faschistischer, terroristischer Mittel zu bedienen.

40 Jahre sind seit dem Machtantritt des Hitlerfaschisten vergangen, Eine ihrer ersten Maßnahmen, die sie ergriffen, war eine am 4. Februar 1933 erlassene „Notverordnung zum Schutz des deutschen Volkes.“ Sie ermöglichte ihnen, Kundgebungen gegnerischer Parteien und oppositionelle Zeitungen wegen Verächtlichmachung des Staates zu verbieten.

„Verächtlichmachung“ des Staates, dieser nazistische Rechtsbegriff von 1933 ist es, der die Grundlage der mir am 16. 2. 1973 übersandten Strafandrohung, Nötigung oder Anklageschrift, wie Sie es nennen, bildet. Wörtlich heißt es da: Ich hätte „durch Verbreiter von Schriften die Bundesrepublik Deutschland beschimpft und böswillig verächtlich gemacht“. Die Bundesrepublik Deutschland? Wer ist das? Sind das die Millionen und Abermillionen fleißiger Arbeiter und Angestellte in den Fabriken, Werken, Betrieben, die werktätigen Bauern, die Studenten, die kleinen Händler und Gewerbetreibenden? Oder sind das die oberen Zehntausend, die Handvoll Millionäre und Multimillionäre, die Krupp, Flick, Thyssen, Stinnes, die sich den vom Volk in harter Arbeit geschaffenen Reichtum räuberisch aneignen? Wenn Sie die ersten meinen, so fragen Sie doch, fragen Sie den Mann auf der Strasse, fragen Sie die hier im Gerichtssaal anwesenden Arbeiter und Angestellten, ob sie sich durch den ROTEN MORGEN beschimpft und böswillig verächtlich gemacht fühlen?

Wenn Sie jedoch die letzteren meinen, die Herren des Finanzkapitals, die Bosse der Monopole und Banken, sie und ihre Lakaien in Staatsapparat und Regierung, so kann man sie ebenso wenig verächtlich machen oder beschimpfen, wie wenn man die Mafia eine Crew von Mördern und Gangstern nennt. Sind sie etwa keine Diebe, Mörder oder „blutbefleckte Ausbeuter“, wie es im ROTEN MORGEN hieß, die Herren Kapitalisten! Lesen Sie, Herr Sörensen, denn keine Zeitung, gehen Sie mit geschlossenen Augen durch die Welt ? Oder wollen Sie einfach nicht sehen, weil Sie von ihnen bezahlt, bestochen werden? Wissen Sie nicht, dass in der BRD täglich am Arbeitsplatz 15 Menschen tödlich verunglücken , Sterben, weil sie durch Rationalisierung und maßlos gestiegene Arbeitshetze zur Nichtbeachtung der Unfallvorschriften gezwungen werden, weil ihre Unternehmer um ihrer Profite willen Sicherheitsvorschriften außer Acht lassen; dass immer wieder ungenügend erprobte Medikamente auf den Markt kommen, so dass wie bei Contergan tausende Kinder verkrüppelten oder bei Menocil zig Menschen starben. Was kümmert die Arzneimittelhersteller schon das Leben der Menschen, Hauptsache, die Kasse stimmt ; dass von den jährlich fast 20. 000 Toten auf unsren Strassen zumindest die Hälfte auf Kosten der Kapitalisten geht, indem sie lebensgefährliche Autos bauen, oder des kapitalistischen Staates, der nicht für die notwendige Sicherheit auf unsren Strassen sorgt; dass die deutschen Imperialisten um ihrer Macht- und Profitinteressen willen in den letzten zwei Weltkriegen Millionen Menschen auf die Schlachtbank trieben …

Um ihre Herrschaft zusichern, um ihr System der Ausbeutung des Menschen, der privaten Aneignung, zu deutsch des Diebstahls des von den Arbeitern erbrachten Mehrwerts, aufrechtzuerhalten, sind die Kapitalisten und ihre Handlanger zu jeder Schandtat bereit. Oder sollte es Ihnen, Herr Sörensen, wirklich entgangen sein, dass sie, wie es im ROTEN MORGKW hieß „sie ihren Gewalt- und Unterdrückungsapparat: Polizei, Verfassungsschutz , Grenzschutz verstärken“?

Dass sie ihre Polizisten zu perfekten Killern ausbilden, die- wie die Praxis beweist- bereit sind, rücksichtslos Menschen niederzuschießen, ohne dafür bestraft zu werden. All dies lässt sich durch Fakten und Tatsachen beweisen. Oder stört es Sie, Herr Sörensen, dass ich die Herren Brandt, Genscher Springer zwar nicht als Mörder, aber doch als „treue Lakaien ihrer kapitalistischen Herren“, als „Uhrheber“ der Anschläge, der revolutionären Gewalt des Volkes gegen die konterrevolutionäre Gewalt der herrschenden Klasse bezeichnete . Das müssen Sie sich schon gefallen lassen. Wer hetzt denn seit Jahren die Bevölkerung gegen alles, was links ist, auf? Der Herr Springer!

Auf sein Konto gehen indirekt der Mord an die Studenten Benno Ohnesorg, der Mordanschlag auf Rudi Dutschke, die Bomben, die vor einem Jahr in der BRD krachten. Wer Wind sät, darf sich nicht wundern, wenn er Sturm erntet. Wer baute den Bundesgrenzschutz zur Bürgerkriegsarmee aus? Wer befürwortete die Einführung von Killer- Kommandos der Polizei? Wer betreibt das Verbot unsrer Partei? Der Herr Genscher! Wer ist verantwortlich für die Regierungspolitik ? Wer stimmte für die Notstandsgesetze, die Grundlage für die Errichtung der offenen faschistischen Herrschaft? Der Herr Brandt! Sicherlich, niemand von ihnen hat einen Menschen persönlich ermordet. Auch Hitler, Göring und Goebbels nicht. Sind sie deswegen keine Massenmörder. Klebt an ihren Händen nicht das Blut der im KZ ermordeten, vergasten, im Krieg getöteten Menschen?

Weswegen hat man Göring und andere denn in Nürnberg gehenkt? Ging es nach dem Recht der Völker, gehörte auch der Kriegsverbrecher Nixon an den Galgen. Nein, es geht nicht darum, ob jemand persönlich ein lieber, netter Mensch ist, ob er Kinder oder Hunde mag, wie Hitler, ob er einen Friedensnobelpreis in der Kommode hat, entscheidend ist, welchen Herrn er dient, wessen Politik er durchführt. Da aber den imperialistischen System zwangsläufig Faschismus und Krieg innewohnen, läuft jeder, der ihm an verantwortlicher Stelle dient, Gefahr, zum Massenmörder, zum Kriegsverbrecher zu werden.

Bundesinnenminister Genscher zetert zur Zeit, die „Linksextremisten“, womit er uns meint, seien gegen die Juden. Kommunisten aber sind weder gegen Juden, Schwarze, Weiße, Gelbe. Kommunisten kennen keine Rassen, sie kennen nur Klassenunterschiede. Wir werden imperialistische Aggressoren, ob sie nun Nixon, Breschnew oder Mosche Dajan heißen, beim Namen nennen. Und wir werden die nennen, die sie bei ihren Verbrechen mit Geld und Waffen unterstützen. So ist es eine unbestreitbare Tatsache, dass die Bundesregierung die israelischen Aggressoren mit Milliardenbeträgen unterstützt und damit direkt den Überfall auf die Araber, die Vertreibung der Palästinenser aus ihrer Heimat. So durfte man sich auch nicht wundern, dass der sogenannte olympische Frieden in die Binsen ging.

Eines aber ist sicher, und dafür trägt aber Herr Genscher persönlich die Verantwortung, Juden und Araber, die in München von deutschen Polizeikugeln getötet wurden, könnten heute noch leben, wenn man die Forderung des arabischen Kommandos auf Abflug gestattet hätte.

Leben könnten heute auch noch die amerikanischen Offiziere und Soldaten, die bei den Bombenanschlägen auf das amerikanische Hauptquartier in Heidelberg und Frankfurt ums Leben kamen, wenn ihr oberster Kriegsherr Nixon, wenn der USA- Imperialismus nicht einer der blutigsten Völkermörder wäre. So aber waren die Bombenanschläge nur der angemessene Ausdruck des Protestes des deutschen Volkes gegen die Kriegsverbrechen in Vietnam.

All das, was in der Nötigungs- bzw. Anklageschrift als Vorwurf enthalten ist, lässt sich durch Tatsachen und Meinungsäußerungen auch bürgerlicher Politiker belegen. Kommen wir zum Kern der Sache: Dieser Prozess ist ein unverschämter Anschlag auf das Recht der freien Meinungsäußerung, auf das Recht der Kommunisten, ihre Meinung in Ton, Schrift und Bild zu verbreiten. Sie, Herr Sörensen, können nicht erwarten, dass wir Rechte, die sich die Arbeiterklasse in Jahrzehntelangem Ringen gegen die Kapitalisten erkämpft hat, uns wieder nehmen lassen. Sie aber sollten sich ernsthaft überlegen, ob Sie sich als Vorsitzender dieser Kammer zum Büttel der herrschenden Klasse der Kapitalisten machen wollen. Noch können Sie es ablehnen , dieses Verfahren, diesen Terrorprozess, den Ihnen Ihre Oberen aufs Auge drückten, durchzuführen.

Wir aber werden ungeachtet aller Verfolgungen jedweden Terrors weiterkämpfen bis zur Sozialistischen Revolution.

Es lebe die Diktatur des Proletariats! Es lebe das einige, unabhängige, sozialistische Deutschland!“
Q: KPD/ML (Hrsg.): Kampf der Klassenjustiz. Den Gerichtssaal als Tribüne des Klassenkampfes benutzen. Dokumentation zum Prozess gegen Ernst Aust“, Hamburg 1973, S. 34ff.

29.05.1973:
Laut „Zehn Jahre KPD/ML - Eine bebilderte Selbstdarstellung“ ist für den „29. Mai 1973 in Hamburg ein Prozess gegen den Genossen Ernst Aust, Vorsitzender der Partei angesetzt“.

„In diesem Prozess will die Bourgeoisie anhand von Artikeln des „Roten Morgen“ für den der Genosse Ernst verantwortlich zeichnet, „beweisen“, dass die kommunistische Agitation und Propaganda „kriminell“ und deshalb zu verbieten ist, dass die kommunistische Partei eine kriminelle Organisation ist und deshalb verboten werden muss.

Am Vorabend des Prozesses demonstrierten rund tausend Genossen und Freunde in Hamburg unter der Losung: „Hände weg von Ernst Aust“ gegen die Verfahren. Die Demonstration beginnt am Barmbeker Bahnhof und führt die gleiche Route entlang, die Tausende Hamburger Werktätige bereits zehn Jahre zuvor demonstrierten, als der Genosse Ernst Aust, damals noch Mitglied der illegalen KPD, in einem Prozess wegen Staatsgefährdung und Verstoß gegen das KPD-Verbotsurteil vor Gericht stand. Der Genosse Ernst Aust verwandelte den drei Tage dauernden Prozess in ein Tribunal gegen die bürgerliche Klassenjustiz, gegen das kapitalistische System. Und als am dritten Tag die Urteilsverkündung im Gesang der Internationale untergeht, als Polizisten prügelnd den Gerichtssaal stürmten, da hat nicht die Partei, da hat die Bourgeoisie, der die Maske ihrer sogenannten freiheitlich-demokratischen Ordnung heruntergerissen wurde, eine Niederlage erlitten.“
Q: ZK der KPD/ML (Hrsg.): Zehn Jahre KPD/ML - Eine bebilderte Selbstdarstellung, S. 120.

31.05.1973:
Laut der Broschüre „Kampf der Klassenjustiz. Den Gerichtssaal als Tribüne des Klassenkampfes benutzen. Dokumentation zum Prozess gegen Ernst Aust“, verabschiedet die ESG - Bochum eine Solidaritätsadresse zum Aust-Prozess.

Dort heißt es: „Der Genosse Ernst Aust verlas eine „Solidaritätsadresse des Arbeitskreises Politische Untendrückung“ der Evangelischen Studentengemeinde Bochum. Wir wenden uns auf das schärfste dagegen, dass heute Kommunisten, morgen möglicherweise aufrechte Sozialisten und Demokraten mit § 90a und verwandten §§ des StGB abzuurteilen. Hier verabsolutiert sich der bürgerliche Staat, die BRD. Gerade der bürgerliche Staat kann der Frage seiner möglichen sozialrevolutionäre n Umgestaltung nicht ausweichen. Die BRD nimmt absolutistischere Züge an. Und zwar je mehr Menschen weltweit und auch hierzulande an den Voraussetzungen der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft tiefgreifende Kritik üben. Sie und wir versuchen, politische Lehren zu ziehen aus Auschwitz und Hiroshima, sowie aus der aktuellen bürgerlich-imperialistischen Politik gegen die Völker Indochinas, Südafrikas, Persiens, Griechenlands usw. und wollen nicht für immer die gegenwärtigen Klassenverhältnisse und die immer schärfer werdende politisch-polizeiliche Unterdrückung akzeptieren.

Unabhängig von der Frage der Zustimmung oder der Kritik an der KPD/ML wird hier ein exemplarischer Prozess geführt. Und zielt darauf, politische Alternativen zur bestehenden Gesellschaftsordnung zu kriminalisieren und strafrechtlich-polizeilich zu verfolgen. Hier steht nicht nur eine Person, nicht nur eine Organisation, sondern viel mehr auf dem Spiel. Daher geht dieser Prozess alle fortschrittlichen Menschen an. Und nicht nur dieser Prozess, sondern auch andere anstehende und laufende politische Prozesse gleichermaßen und Berufsverbote, sowie Entlassungen von Arbeitern aus Betrieben aus politischen Gründen. Die Verantwortlichen dafür, dass die BRD immer absolutistischer wird, gehören in Wahrheit auf die Anklagebank.

Für freie politische Betätigung in Betrieben, Kasernen, Schulen, Hochschulen, Freiheit für alle politischen Gefangenen!“
Q: KPD/ML (Hrsg.): Kampf der Klassenjustiz. Den Gerichtssaal als Tribüne des Klassenkampfes benutzen. Dokumentation zum Prozess gegen Ernst Aust, Hamburg 1973, S. 55f.

Juni 1973:
In der Broschüre zum Ernst Aust - Prozess, wird ein Teil der Ausgabe des „Roten Handhaken - Hamburger Hafenzeitung der KPD/ML“ Nr. 9/1973 (Juni) abgedruckt.

Dort heißt es u. a.: „Hände weg von Ernst Aust. Viele junge Genossen und Parteifreunde waren auch am letzten „Verhandlungstag“ anwesend und zeigten ihre Bereitschaft, zur Solidarität mit Ernst Aust. Nach dem Antrag des Staatsanwalts auf 2. 500 DM Gesamtstrafe, zog sich das Gericht zurück. Nach der Verkündung des Urteils: 5. 000 DM Gesamtstrafe oder ersatzweise 200 tage Haft - verließ ein 66jähriger Rentner aus Protest vorzeitig den Saal. Auf dem Flur wurde er ohne Grund von Polizisten mit Gummiknüppel und Fußtritten zusammengeschlagen. Mitten in der „Urteilsbegründung“ sagte Genosse Ernst: „Den Unsinn hören wir uns nicht mehr an“, und verließ ebenfalls den Saal, gefolgt von den Genossen und Parteifreunden. Was sich dann auf dem Gerichtsflur abspielte, war mit Banditenterror noch schwach umschrieben. Die Polizeibullen schlugen und traten wild drauflos und rissen jungen Mädchen, die von den Schlägern zu Boden gebracht worden waren, an den Haaren wieder hoch und schlugen erneut auf sie ein. Ein alter Rentner, der den Prozess mitverfolgt hatte, sch rie den Polizeischweinen zu: „Lasst die Kinder in Ruhe!“

Als Belohnung dafür bekam er einen Tritt in den Unterleib und Gummiknüppelschläge auf den Kopf. Die Folge: Eine Gehirnerschütterung und eine schwere Kopfwunde. Die Genossen zeigten, dass sie auch kämpfen können und setzten sich gegen diese Schweine erfolgreich zur Wehr. Das alles hat wieder einmal gezeigt, wie die Lage heute schon wieder in unserem Staat aussieht und wer die Kriminellen in Wirklichkeit sind.

Vor 10 Jahren stand Ernst Aust schon einmal vor diesem Klassengericht. Damals gingen 5.000 Arbeiter auf die Straße und erzwangen für Ernst eine Haftaussetzung. Fortschrittliche Hafenarbeiter, übt Solidarität mit Ernst Aust und der Partei der Arbeiter, der KPD/ML. Es sind in nächster Zeit noch weitere Prozesse gegen den Genossen Ernst Aust geplant. Kollegen, kommt zahlreich zu diesen Prozessen und unterstützt den Kampf des 1. Vorsitzenden unserer Partei für die Interessen der Arbeiterklasse.“
Q: KPD/ML (Hrsg.): Kampf der Klassenjustiz. Den Gerichtssaal als Tribüne des Klassenkampfes benutzen. Dokumentation zum Prozess gegen Ernst Aust, Hamburg 1973, S. 61f.

01.06.1973:
Nach der Broschüre „Kampf der Klassenjustiz. Den Gerichtssaal als Tribüne des Klassenkampfes benutzen. Dokumentation zum Prozess gegen Ernst Aust“, beschließt das Amtsgericht Hamburg einen „Befangenheitsantrag“ gegen den Richter Sörensen im Prozess gegen Aust, abzulehnen. Begründung: Eine Besorgnis der Befangenheit ist nicht gegeben. Die von dem Angeklagten und seinem Verteidiger beanstandete Ermahnung des Richters. Am Amtsgericht Sommers zu Beginn der Fortsetzung der Hauptverhandlung am 1.6.1973 ist nicht geeignet, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des erkennenden Richters zu rechtfertigen. Zwar könnte aus der Formulierung „so mögen Sie gewiss sein, dass andere Personen darüber anders denken dieses Verfahren nicht für richtig halten“ entnehmen, dass eine Beeinflussung von dritter Seite stattgefunden habe. Der Vorsitzende hat den Angeklagten jedoch sogleich erklärt, dass eine solche Beeinflussung von keiner Seite erfolgt sei.

Diese Versicherung hat er in seiner Dienstlichen Äußerung vom 1.6.1973 wiederholt. Als Grund für seine Ermahnung an den Angeklagten und insbesondere das Publikum, hat er dort die Vorfälle in dem ersten Teil der Hauptverhandlung am 29.5.1973 angegeben, bei denen er sich insbesondere deshalb weitgehend tolerant verhalten habe, um die Persönlichkeit des Angeklagten zu erkennen. Es erscheint durchaus verständlich und ist keinesfalls zu beanstanden, wenn der Vorsitzende bei der eich abzeichnenden Dauer des Verfahrens nun nicht mehr gewillt ist, Störungen ähnlicher Art noch länger hinzunehmen, und sowohl den Angeklagten als auch die Zuschauer ausdrücklich darauf hinweist.

Eine Befangenheit i. S. des § 24 StPO kann daraus jedenfalls nicht abgeleitet werden. Auch aus der Sicht des Angeklagten ist eine begründete und vernünftige Besorgnis in die Unparteilichkeit Richters allein aufgrund der beanstandeten Erklärung nicht mehr gegeben, nachdem die äußerliche Passage seiner Ermahnung durch eine ausdrückliche protokollarische Versicherung des erkennenden Vorsitzenden erläutert und bereinigt worden ist. Wenn der Angeklagte gleichwohl im Anschluss an diese Versicherung einen Ablehnungsantrag gestellt hat, so liegt darin offensichtlich der willkürliche Versuch, auf diesem Wege das Verfahren zu behindern.“
Q: KPD/ML (Hrsg.): Kampf der Klassenjustiz. Den Gerichtssaal als Tribüne des Klassenkampfes benutzen. Dokumentation zum Prozess gegen Ernst Aust, Hamburg 1973, S. 57f.

02.06.1973:
Es erscheint der „Rote Morgen“ 21/1973 vom 2. Juni. In einer „letzten Meldung“ heißt es: „Am Vorabend des Prozesses (am 28.5., d. Vf.) gegen den Vorsitzenden der KPD/ML, Genossen Ernst Aust, demonstrierten tausend Menschen in Hamburg. Die Demonstration begann am Barmbecker Bahnhof. Sie führte die gleiche Route entlang, die tausende Hamburger Arbeiter bereits vor 10 Jahren demonstrierten, als der erste Prozess gegen Genossen Ernst Aust- damals noch Mitglied der illegalen KPD - stattfand. Auch diesmal zeigten die Hamburger Genossen, Freunde und Sympathisanten der Partei auch aus anderen Städten Westdeutschlands und aus Westberlin, dass sie dem Anschlag der Klassenjustiz ihre kämpferische Solidarität entgegensetzen. Zur Demonstration hatten auch Genossen der KPD, des KSV und der Liga aufgerufen. Die gemeinsame Front gegen die rasch zunehmende Verfolgung, Hetze und Illegalisierung kommunistischer und fortschrittlicher Organisationen wurde so gestärkt.

Das Interesse Und die Sympathie der Hamburger Bevölkerung zeigte sich deutlich. Aus den Kneipen kamen die Kollegen und hörten sich die Reden auf der Kurzkundgebung an … Auf der Schlusskundgebung verfolgten wiederum viele Bewohner der umliegenden Häuser die Reden. Es wurden Solidaritätsadressen für Ernst Aust verlesen, darunter auch Adressen ausländischer Organisationen und des Hamburger Sportvereins Farmsen, der mit an der Spitze des Zuges marschierte. Genossen der Liga und der KPD sprachen ihre Solidarität in einer längeren Rede aus.

Genosse Ernst ging in seiner Rede auf den Zusammenhang zwischen den Prozessen von 1963 und 1973 ein. Er stellte klar, dass es kein Zufall ist, wenn ihn die Bourgeoisie verfolgt und hinter Gittern bringen will … Die Klassenjustiz verfolgt jene, die sich nicht von der Bourgeoisie kaufen lassen, die dem revisionistischen Verrat den Kampf um den Aufbau der revolutionären Partei der Arbeiterklasse, der KPD/ML, entgegen setzen.

Genosse Ernst ging auch besonders auf die Einheit der Marxisten -Leninisten in der KPD/ML ein, wobei er hervorhob, dass der Kampf um die Einheit- wie in Dortmunder Gefängnissen geschehen- durch solidarische Diskussion im gemeinsamen Kampf gestärkt werden muss. Die Rede wurde von den Demonstranten mit großem Beifall aufgenommen, in den auch Anwohner einstimmten. Die Hamburger Polizei, die wenige Tage zuvor erst einen faschistischen Überfall auf ein von Jugendlichen besetztes Heim inszenierte, gelang keine Provokation.

Die Mobilisierung und Aufklärung der Arbeiter und Werktätigen über die antikommunistische Hetze und die politische Verfolgung geht mit dem Prozessbeginn gegen unseren Vorsitzenden, einen Schritt weiter. Hände weg von Ernst Aust! Hände weg von der KPD/ML! Freiheit für alle politischen Gefangenen!“ Solidaritätsadressen für Ernst Aust, kommen von: Ortsgruppe Dortmund der KPD/ML, Stadtteilzelle Berlin-Charlottenburg, Sympathisanten der Roten Garde Bonn. Aus Wetzlar trifft eine „Resolution von einigen Kameraden der Panzergrenadierbrigade 13“ ein.
Q: Roter Morgen Nr. 21/1973, Hamburg, S. 2.

RM_1973_21_02


09.06.1973:
Es erscheint der „Rote Morgen“ Nr. 22/1973 vom 9. Juni. Im Artikel „Ernst Aust vor Gericht. Ankläger wird zum Angeklagten. Ernst Aust verurteilt: Unzulässige Kritik am Staat“, heißt es:

„Montag, den 28.5.demonstrierten tausend Menschen durch Hamburg. Sie demonstrierten gegen den Prozess gegen den Vorsitzenden der KPD/ML, Genossen Ernst Aust. Am Tag darauf begann der Prozess. Ernst verlas eine Anklageschrift gegen die Bourgeoisie. Der Staatsanwalt seinerseits zitierte zur Unterlegung der Anklage durch die Bourgeoisie gegen Genossen Ernst einzelne Zitate aus dem Roten Morgen. Genosse Ernst beantragte, die aus dem Zusammenhang gerissenen Zitate im Rahmen des gesamten Artikels zu verlesen. Der Richter las den Roten Morgen vor, immer wieder unterbrochen vom Beifall der Zuschauer.

Freitag, den 2. Juni. Während des Prozesses hält die Partei eine Pressekonferenz ab. Keine einzige eingeladene Tageszeitung erscheint. Ebenso wie die Demonstration vom Montag mit absolutem Stillschweigen bedacht wurde, soll auch der Prozess totgeschwiegen werden. Die Gleichschaltung der bürgerlichen Presse, zeigt sich auch in der bekannten Praxis des Totschweigens.

Montag, den 5. Juni. Plädoyer des Staatsanwalts im Prozess gegen Ernst Aust. Genosse Ernst habe sich schuldig gemacht in der Verunglimpfung des Staates. Nicht der Angriff auf einzelne Staatsoberhäupter sei zu verurteilen, sondern der Angriff auf den Staat insgesamt. Der Herr Staatsanwalt zitierte die Sonderausgabe des Roten Morgen: „Die Mörder sitzen in Bonn!“ Zu verurteilen sei, dass Genosse Ernst Aust behauptet, dieser Staat werde von Ausbeutern und Mördern beherrscht. Dies wäre eine unzulässige Kritik; denn zulässige Kritik würde diese Demokratie durchaus zulassen. Der Herr Staatsanwalt beantragt 2.500 DM Geldstrafe, ersatzweise Haft. Das „unabhängige Gericht“ missbraucht den Namen des Volkes und forderte die doppelte strafe: 5.000 DM, ersatzweise Haft.

Darauf verlässt Genosse Ernst den Saal und mit ihm die Zuschauer. Die Internationale ertönt im Gerichtsgebäude. Die Polizei prescht heran, schlägt auf die Genossen wie besinnungslos ein. Auf der einen Seite Totschweigen der Partei, auf der anderen verstärkter Terror… Freispruch für Ernst Aust! Hände weg von der KPD/ML!“

In der „Anklageschrift gegen die bürgerliche Klassenjustiz im Prozess gegen Ernst Aust“ heißt es:

„Der Richter, Herr Sörensen, und die Anklagevertretung behaupten, dass ich vorbestraft sei. Sicher meinen sie da- mit meine Verurteilung zu einem Jahr Gefängnis im „Blinkfüer“- Prozess vor rund zehn Jahren. Nun setzt das Wort Strafe aber eine Schuld voraus, deretwegen man bestraft, vorbestraft wird. Ich aber bestreite, heute wie damals, entschieden auch nur in irgendeinem Punkte schuldig geworden zu sein. Schuldig gegenüber meiner Klasse, deren Interessen und Ziele zu vertreten für mich als Kommunist höchste Verpflichtung ist. Stets habe ich mich nach besten Kräften bemüht unter den Massen die Notwendigkeit der heranreifenden Revolution zu propagieren, ihre Unvermeidlichkeit nachzuweisen, ihren Nutzen für das Volk klarzumachen, das Proletariat und die gesamten werktätigen und ausgebeuteten Massen auf sie vorzubereiten. Und als meine Partei, der ich früher angehörte, die KPD, ihr strategisches Ziel, die Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates in der sozialistischen Revolution und die Errichtung der Diktatur des Proletariats, der Herrschaft der Arbeiterklasse im Bündnis mit den anderen werktätigen Schichten des Volkes, verriet, als sie sich anschickte für das Linsen- gericht der nach den heutigen Strafgesetzen erlaubten Organisationen, das Recht des Proletariats auf die Revolution zu verkaufen, habe ich mich von ihr getrennt. Getrennt, um gemeinsam mit anderen revolutionären Genossen das rote Banner der Arbeiterklasse aus dem Staub zu reißen, in den es die Bachmann und CO. Getreten hatten.

Wenn sie, Herr Sörensen, sagen: in der Anklageschrift steht, ich sei vorbestraft, so heißt das nichts weiter, als dass mich ein bürgerliches Klassengericht terroristisch verurteilt hat. Es ist ein Schmarren, ein glatter Betrug von der Unabhängigkeit, der sogenannten Überparteilichkeit der Richter zu sprechen. Sie sind vom kapitalistischen Staat, diesem Instrument der Unterdrückung des werktätigen Volkes, genauso „unabhängig“ wie das Euter von der Kuh oder die Säge vom Sägefisch. Sie und ihre Amtskollegen sind nichts weiter als die „Büttel der herrschenden Klasse„, bei der sie ihre Brötchen verdienen. Sie sprechen Recht. Wessen Recht?

Es gibt kein abstraktes über den Klassen stehendes Recht, genauso wenig, wie es eine abstrakte Demokratie, eine abstrakte Freiheit gibt. Tatsächlich gibt es in der Welt nur konkrete Freiheit, konkretes Recht, konkrete Demokratie. Wenn es in einer Gesellschaft des Klassenkampfes die Freiheit der Ausbeuterklasse gibt, die Werktätigen auszubeuten, so haben die Werktätigen keine Freiheit, sich der Ausbeutung zu entziehen. Wenn es Demokratie für die Bourgeoisie gibt, gibt es keine Demokratie für das Proletariat und die anderen Werktätigen. Wenn es Recht und Gesetze gibt, so ist es immer das Recht, sind es immer die Gesetze der herrschenden Klasse die zur Aufrechterhaltung ihrer Machpositionen und deren ökonomischen Grundlagen dienen. Dort wo die Lakaien der kapitalistischen Ausbeuterklasse Recht sprechen, kann es keim Recht für die Ausgebeuteten geben.

Sie können also von mir nicht erwarten, dass ich diese Institution, die sich Amtsgericht nennt, dass ich sie, „Büttel der Staatsgewalt„, ernst nehme. Wenn ich hier stehe, so gibt es zwei Gründe: Zum einen, weil, wenn ich nicht erschiene, sie mich durch ihre Polizei holen lassen, beziehungsweise mich einkerkern würden. Zum anderen - und das ist für mich der wichtigere Grund - weil mir dieser Prozess die Möglichkeit gibt, diese bürgerliche Klassenjustiz, ihren Unterdrückungsmechanismus zu entlarven. So wie wir Kommunisten, je nach Lage, uns an den Wahlen beteiligen, nicht weil wir uns einbilden, unter dem Druck der Bourgeoisie, unter dem Joch der Lohnsklaverei die Mehrheit zu erobern, sondern um das Parlament als Tribüne für die Propagierung unserer Anschauungen zu benutzen, so benutzen wir die Tribüne des Gerichts, nicht, weil wir annehmen, hier Recht zu finden, sondern um aufzuzeigen, dass es notwendig ist, will das Proletariat, wollen die Werktätigen ihre Freiheit erringen, diesen kapitalistischen Staat samt seinem Unterdrückungsapparat und seiner Klassenjustiz zu zerschlagen!

Um von Anfang an klare Fronten zu schaffen: Ich stehe hier nicht als Angeklagter, der sich verteidigen müsste. Ich klage sie, der sie sich anmaßen darüber zu befinden, was ich im ROTEN MORGEN, dem Zentral - Organ unserer Partei, geschrieben habe, an, sich des Verbrechens der Unterdrückung des Rechts auf freie Meinungsäußerung schuldig zu machen. Ich klage sie und den Herren Staatsanwalt als Vertreter des Staates und seiner Regierung an, den Namen des deutschen Volkes zu missbrauchen, indem sie
- dem Aggressionsstreben des westdeutschen Imperialismus Vorschub leisten;
- die konterrevolutionäre Gewalt, den offenen Terror der Staatsorgane gegen das Volk unterstützen;
- die imperialistischen und faschistischen Schreibtischmörder in ihren Verbrechen gegen die Völker decken;
- durch die Aufrechterhaltung parlamentarischer Illusionen das Volk betrügen;
- den Mord an Arabern und Juden rechtfertigen (Fürstenfeldbruch);
- die Verbrechen des USA-Imperialismus Vietnam unterstützen!
Ich klage sie an: das auf der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen beruhende kapitalistische Gesellschaftssystem aufrecht erhalten zu wollen und sich dazu faschistischer Mittel zu bedienen.

40 Jahre sind seit dem Machtantritt der Hitlerfaschisten vergangen. Eine ihrer ersten Maßnahmen, die sie ergriffen, war eine am 4. Februar 1933 erlassene „Notverordnung zum Schutz des deutschen Volkes“. Sie ermöglichte ihnen, Kundgebungen gegnerischer Parteien und oppositionelle Zeitungen wegen Verächtlichmachung des Staates zu verbieten. „Verächtlichmachung des Staates“, dieser nazistische Rechtsbegriff von 1933 ist es, der die Grundlage der mir am 16. Februar 1973 übersandten Strafandrohung, Nötigung oder Anklageschrift, wie sie es nennen, bildet. Wörtlich heißt es da: ich hätte „durch Verbreiten von Schriften die Bundesrepublik Deutschland beschimpft und böswillig verächtlich gemacht.“ Die Bundesrepublik Deutschland? Wer ist das? Sind das die Millionen und Abermillionen fleißiger Arbeiter und Angestellte in den Fabriken, Werken, Betrieben, die werktätigen Bauern, die Studenten, die kleinen Händler und Gewerbetreibenden? Oder sind das die oberen Zehn- tausend, die Handvoll Millionäre und Multimillionäre, die Krupp, Flick, Thyssen, Stinnes, die sich den vom Volk in harter Arbeit geschaffenen Reichtum räuberisch aneignen? Wenn sie die ersten meinen, so fragen sie sie doch, fragen sie den Mann auf der Straße, fragen sie die hier im Gerichtssaal anwesenden Arbeiter und Angestellten, ob sie sich durch den ROTEN MORGEN beschimpft und böswillig verächtlich gemacht fühlen!

Wenn sie jedoch die letzteren meinen, die Herren des Finanzkapitals, die Bosse der Monopole und Banken, sie und ihre Lakaien in Staatsapparat und Regierung, so kann man sie eben sowenig verächtlich machen und beschimpfen, wie wem man die Mafia eine Crew von Mördern und Gangstern nennt. Sind sie etwa keine Diebe, Mörder oder „blutbefleckte Ausbeuter“, wie es im ROTEN MORGEN hieß, die Herren Kapitalisten? Lesen sie, Herr Sörensen, denn keine Zeitung, gehen sie mit geschlossenen Augen durch die Welt? Oder wollen sie einfach nicht sehen, weil sie von ihnen bezahlt, bestochen werden? Wissen sie nicht,

- dass in der Bundesrepublik täglich am Arbeitsplatz 15 Menschen tödlich verunglücken? Sterben, weil sie durch Rationalisierung und maßlos gestiegene Arbeitshetze zur Nichtbeachtung der Unfallvorschriften gezwungen werden, weil die Unternehmer um ihrer Profite willen Sicherheitsvorschriften außer acht
lassen.

- dass immer wieder ungenügend erprobte Medikamente auf den Markt kommen, so dass wie bei Contergan tausende Kinder verkrüppelten oder bei Menocil zig Menschen starben. Was kümmert die Arzneimittelhersteller schon das Leben der Menschen, Hauptsache, die Kasse stimmt;

- dass von den jährlich fast 20 000 Toten auf unseren Straßen zumindest die Hälfte auf Kosten der Kapitalisten geht, indem sie lebensgefährliche Autos bauen, oder des kapitalistischen Staates, der nicht für die notwendige Sicherheit auf unseren Straßen sorgt;

- dass die deutschen Imperialisten um ihrer Macht- und Profitinteressen in den letzten zwei Weltkriegen Millionen Menschen auf die Schlachtfelder trieben?

Oder stört sie das Wort „Mörder“? Im Strafgesetzbuch heißt es dazu: „Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedung des Geschlechtstriebes, aus Habgier oder sonst niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder gewaltsam oder mit gemeingefährlichen Mitteln … inen Menschen tötet.“ Habgier aber, das Streben nach höchsten Profiten ist es, das die Kapitalisten zu Krieg und zahllosen Morden treibt. Ist es nicht heimtückisch, Medikamente auf den Markt zu bringen, die Menschen süchtig machen, an denen sie sterben? Sind lebensgefährliche Autos, ungesicherte Maschinen nicht gemeingefährliche Mittel? Ist es nicht grausam, Menschen im Krieg durch Napalm verbrennen, Giftgas ersticken und Bomben zerfetzen zu lassen?

Um ihre Herrschaft zu sichern, um ihr System der Ausbeutung des Menschen, der privaten Aneignung, zu deutsch des Diebstahls des von den Arbeitern erbrachten Mehrwerts, aufrechtzuerhalten, sind die Kapitalisten und ihre Handlanger zu jeder Schandtat bereit. Oder sollte es ihnen, Herr Sörensen, wirklich entgangen sein, dass sie, wie es im ROTEN MORGEN hieß, „ihren Gewalt- und Unterdrückungsapparat: Polizei, Verfassungsschutz, Grenzschutz verstärken?“ Dass sie ihre Polizisten zu perfekten Killern ausbilden, die - wie die Praxis beweist - bereit sind, rücksichtslos Menschen niederzuschießen ohne dafür bestraft zu werden. All dies lässt sich durch Fakten und Tatsachen beweisen. Oder stört es sie, Herr Sörensen, dass ich die Herren Brandt, Genscher, Springer zwar nicht als Mörder, aber doch als „treue Lakaien ihrer kapitalistischen Herren“ als „Urheber“ der Anschläge, der revolutionären Gewalt des Volkes gegen die konterrevolutionäre Gewalt der herrschenden Klasse bezeichnete.

Das müssen sie sich schon gefallen lassen. Wer hetzt denn seit Jahren die Bevölkerung gegen alles, was links ist, auf? Der Herr Springer! Auf sein Konto gehen indirekt der Mord an die Studenten Benno Ohnesorg, der Mordanschlag auf Rudi Dutschke, die Bomben, die vor einem Jahr in der Bundesrepublik krachten. Wer Wind säet, darf sich nicht wundem, wenn er Sturm erntet. Wer baute den Bundesgrenzschutz zur Bürgerkriegsarmee aus? Wer befürwortete die Einführung von Killer-Kommandos der Polizei? Wer betreibt das Verbot unserer Partei? Der Herr Genscher! Wer ist verantwortlich für die Regierungspolitik? Wer stimmte für die Notstandsgesetze, die Grundlage für die Errichtung der offenen faschistischen Herrschaft? Der Herr Brandt! Sicherlich, niemand von ihnen hat einen Menschen persönlich ermordet. Auch Hitler, Göring und Goebbels nicht. Sind sie deswegen keine Massenmörder? Klebt an ihren Händen nicht das Blut der Im KZ ermordeten, vergasten, im Krieg getöteten Menschen? Weswegen hat man Göring und andere in Nürnberg denn gehenkt? Ging es nach dem Recht der Völker, gehörte auch der Kriegsverbrecher Nixon an den Galgen. Nein, es geht nicht darum, ob jemand persönlich ein lieber, netter Mensch ist, ob er Kinder oder Hunde mag, wie Hitler, ob er einen Friedensnobelpreis m der Kommode hat, Entscheidend ist, welchen Herren er dient, wessen Politik er durchführt. Da aber dem imperialistischen Herrschaftssystem zwangsläufig Faschismus und Krieg innewohnt, läuft jeder, der ihm an verantwortlicher Stelle dient, Gefahr, zum Massenmörder, zum Kriegsverbrecher zu werden.

Bundesinnenminister Genscher zetert zur Zeit, die „Linksextremisten“, womit er uns meint, seien gegen die Juden. Kommunisten aber sind weder gegen Juden, Schwarze, Weisse, Gelbe. Kommunisten kennen keine Rassen, sie kennen nur Klassenunterschiede. Wir werden imperialistische Aggressoren, ob sie nun Nixon, Breschnew oder Moshe Dajan heißen, beim Namen nennen. Und wir werden die nennen, die sie bei ihren Verbrechen mit Geld und Waffen unterstützen. So ist es eine unbestreitbare Tatsache, dass die Bundesregierung die israelischen Aggressoren mit Milliardenbeträgen unterstützt und damit direkt den Überfall auf die Araber, die Vertreibung der Palästinenser aus ihrer Heimat. So durfte man sich auch nicht wundem, dass der sogenannte olympische Frieden in die Binsen ging. Eines aber ist sicher, und dafür trägt Herr Genscher persönlich die Verantwortung, Juden und Araber, die in München von deutschen Polizeikugeln getötet wurden, könnten heute noch leben, wenn man die Forderung des arabischen Kommandos auf Abflug gestattet hätte.

Leben könnten heute auch noch die amerikanischen Offiziere und Soldaten, die bei den Bombenanschlägen auf das amerikanische Hauptquartier in Heidelberg und Frankfurt ums Leben kamen, wenn ihr oberster Kriegsherr Nixon, wenn der USA-Imperialismus nicht einer der blutigsten Völkermörder wäre. So aber waren die Bombenanschläge in Frankfurt und Heidelberg nur der angemessene Ausdruck des Protestes des deutschen Volkes gegen die Kriegsverbrechen in Vietnam. All das, was in der Nötigungs- bzw. Anklageschrift als Vorwurf enthalten ist, lässt sich durch Tatsachen und Meinungsäußerungen auch bürgerlicher Politiker belegen.

Kommen wir zum Kern der Sache, dieser Prozess ist ein unverschämter Anschlag auf das Recht der Kommunisten, ihre Meinung in Wort, Schrift und Bild zu verbreiten. Sie, Herr Sörensen, können nicht erwarten, dass wir Rechte, die sich die Arbeiterklasse in jahrzehntelangem Ringen gegen die Kapitalisten erkämpft hat, uns wieder nehmen lassen. Sie aber sollten sich ernsthaft überlegen, ob sie sich als Vorsitzender dieser Kammer zum Büttel der herrschenden Klasse der Kapitalisten machen wollen. Noch können sie es ablehnen, dieses Verfahren, diesen Terrorprozess, den ihnen ihre Oberen aufs Auge drückten, durchzuführen. Wir aber werden ungeachtet aller Verfolgungen jedweden Terrors weiterkämpfen bis zur sozialistischen Revolution!

Es lebe die Diktatur des Proletariats! Es lebe das vereinte, unabhängige, sozialistische Deutschland!“
Q: Roter Morgen Nr. 22/1973, Hamburg, S. 1 und 6f.

RM_1973_22_01


09.06.1973:
Die KPD/ML gibt ihren „Roten Morgen“ 22/1973 heraus. Solidarisch mit Ernst Aust zeigten sich in Heidenheim, wo auch für das Solidaritätskomitee gespendet wurde, das Sympathisantenkollektiv (ex KPD/ML-ZB), die RG und die Rote Hilfe (RH), in Stuttgart die Rote Hilfe.

Auch aus Bayern wird von der Solidarität mit Ernst Aust berichtet. Mit Ernst Aust solidarisierte sich im DruPa-Bereich die eigene Bruckmannzelle. Für das Solidaritätskomitee wurde gespendet in Würzburg und durch die OG München. Aus Berlin wird berichtet von der Solidarität mit Ernst Aus, im ÖTV-Bereich an der PH, auf den eigenen Arbeiterrunden in Neukölln und bei AEG Brunnen- und Schwedenstrasse sowie bei Schering und in Kreuzberg. Für das Solidaritätskomitee wurde gespendet in Berlin, u. a. durch Ex-ZBler aus Moabit.

Mit Ernst Aust solidarisierte man sich in Aachen, in der RG Bonn, in Dortmund, Duisburg, Siegen-Olpe und bei Mannesmann Mülheim. Spenden für das Solidaritätskomitee für die politische Verfolgten gingen ein von der Schwarzen Hilfe (SH) Bochum sowie aus Duisburg, Essen und von der Dortmunder Maiveranstaltung.

Aus Rheinland-Pfalz wird berichtet über die Ernst Aust - Solidarität in Mainz. Aus Kiel wird gespendet für das Ernst - Aust Solidaritätskomitee. Gespendet wird auch in Neumünster.
Q: Roter Morgen Nr.22, Hamburg, S. 7.

16.06.1973:
Es erscheint der „Rote Morgen“ 23/1973 vom 16. Juni. Im Artikel: „Was zeigt der Prozess gegen Ernst Aust?“ heißt es:

„Nach drei Prozesstagen verurteilte die bürgerliche Klassenjustiz den Genossen Ernst Aust, Vorsitzender der KPD/ML, wegen „Beschimpfung und böswilliger Verächtlichmachung der verfassungsmäßigen Ordnung der BRD sowie wegen Billigung von Sprengstoffanschlägen“ zu 5. 000 DM Geldstrafe ersatzweise 200 Tage Haft. Was zeigt dieser Prozess? Bevor dieser Prozess begonnen hatte, stand der Beschluss der Bourgeoisie bereits fest: Ernst Aust muss verurteilt werden. Mit dem Urteil sollte eine weitere Grundlage geschaffen werden, unsere Partei nach § 129 des Strafgesetzbuches verbieten zu können: Indem unsere Propaganda als kriminell abgeurteilt wird, soll die Partei zur kriminellen Vereinigung gestempelt werden. Natürlich hatten sie es auch auf unseren Vorsitzenden abgesehen. Schon in der Anklageschrift gegen die Genossen Schulte und Osswald wird ausdrücklich auf die führende Rolle des Genossen Ernst bei der Gründung der Partei hingewiesen.

Klar war auch, dass Ernst Aust vor Gericht für die Bourgeoisie ein heißes Eisen ist. Wäre es daher nach den Wünschen der Bourgeoisie gegangen: Der Prozess wäre in aller Stille übe die Bühne gegangen… Sie hatten es mit einem seit Jahrzehnten kampferprobten und erfahrenen Funktionär der Arbeiterklasse zu tun, der das Gericht in eine Tribüne zur Propagierung des Kampfes seiner Klasse machen würde. Vor allem aber ist Ernsts Person der beste Ausdruck dafür, dass unsere Partei die revolutionäre Tradition der KPD Ernst Thälmann fortsetzt. Ernst war es, der sie im Kampf gegen den Revisionismus wie Reimann und Bachmann in der KPD verteidigte. Ernst war es, der zur Gründung der KPD/Marxisten-Leninisten aufrief, der Partei, die die revolutionäre Tradition der KPD fortsetzt.

Genau aber das will die Bourgeoisie totschweigen. Zu groß ist ihre Angst, dass klassenkämpferische und revolutionäre Arbeiter den revisionistischen Verrat der DKP-Führer erkennen, dass sie durch den Prozess erfahren: Die deutsche kommunistische Arbeiterbewegung ist nicht im Bachmann - Ulbricht Sumpf verkommen, sondern schuf sich im Kampf gegen diese Verräter ihren neuen Kampfstab: Die KPD/ML.

Eben deshalb wurde der Prozess gegen Genossen Ernst Aust nicht an die große Glocke gehängt. Man hofft sichtlich, die Arbeiterbewegung eher zu irritieren, wenn heute die Führer der KPD/AO, Genossen aus der kleinbürgerlichen Studentenbewegung, stellvertretend für die Maoisten genommen werden. Deshalb auch eine sehr liberale Verhandlungsführung und schließlich keine Gefängnisstrafe im Ernst-Prozess. Nur kein Wirbel! In Ruhe Grundsatzurteile fällen und den Vorsitzenden der KPD/ML kriminalisieren, als weiteren Schritt zum Verbot.

Aber diese geräuschlose Methode war der Klassenjustiz nicht vergönnt. Zigtausende Flugblätter wurden vor den Betrieben und im Stadtteil verteilt, Protestresolutionen in ganz Westdeutschland und Westberlin organisiert. Im Gerichtssaal selbst zeigte sich, dass das Gericht dem kämpferischen Vorgehen des Genossen Ernst Aust keineswegs gewachsen war. Genosse Ernst deckte auf, in wessen Sold der Richter steht, worum es in diesem Prozess geht: „Die heute verstärkt einsetzende Verfolgung revolutionärer Kräfte unseres Volkes, der marxistisch-leninistischen Bewegung und der Vorhut der Arbeiterklasse, der KPD/ML, erfolgt, weil sich die Klassenkämpfe verschärfen, weil die westdeutschen Imperialisten erkennen, dass im weltweiten Meer des Klassenkampfes, des Freiheitskampfes der Völker die Bundesrepublik keine friedliche Insel bleiben wird. Weil sie spüren, dass auch ihre Tage gezählt sind, dass sie unaufhaltsam einer tiefgehenden Krise zusteuern, dass auch für Westdeutschland gilt: Haupttendenz in der heutigen Welt ist Revolution und der Sieg des Sozialismus …“

Der Prozess zeigt, dass unser Vorgehen richtig war: Wenn der Feind uns angreift, dürfen wir nicht den Schwanz einziehen, wie es uns die Revisionisten predigen, sondern müssen unsere Anstrengungen verdoppeln und den Kampf noch schärfer und noch zielgerichteter führen. So können wir der Bourgeoisie Niederlagen beibringen. Gegen das Urteil wurde Berufung eingelegt. Der Prozess geht weiter. Neue Anschläge gegen den Genossen Ernst bereitet die Klassenjustiz vor. Gleichzeitig versucht sie im Osswald/Schulte - Prozess und in bevorstehenden Prozessen gegen andere Genossen, mit dem Urteil „Rädelsführer in einer kriminellen Vereinigung“ die rechtliche Handhabe für ein sofortiges Verbot unserer Partei und anderer revolutionärer Organisationen zu legen. Bereiten auch wir uns vor: Den Klassenkampf noch besser führen, die revolutionäre Wachsamkeit erhöhen, die Reihen der Partei stärken. Hände weg von Ernst Aust! Freiheit für die kommunistische Agitation und Propaganda! Freiheit für alle politischen Gefangenen! Vorwärts mit der KPD/ML!“
Q: Roter Morgen Nr. 23/1973, Hamburg, S. 2.

RM_1973_23_02


18.06.1973:
Die KPD/ML berichtet vermutlich aus dieser Woche über eine eigene Albanienveranstaltung in Stuttgart, die sich u .a. auch mit Ernst Aust solidarisierte.
Q: Roter Morgen Nr. 25/1973, Hamburg, S. 7.

18.06.1973:
Die KPD/ML berichtet vermutlich aus dieser Woche über eine eigene Albanienveranstaltung in Ulm, die sich u. a. auch mit Ernst Aust solidarisierte.
Q: Roter Morgen Nr. 25/1973, Hamburg, S. 7.

23.06.1973:
Im „Roten Morgen“ 24/1973 wird eine „Solidaritätsadresse“ der KP der Schweiz/Marxisten-Leninisten zum Ernst Aust - Prozess veröffentlicht. Darin heißt es:

„Die Bourgeoisie und ihre Klassenjustiz werden sich die Zähne ausbeißen im Kampf gegen die Arbeiterklasse Deutschlands und ihrer Partei, der KPD/ML. Es ist kein Zufall, dass gerade jetzt die Bourgeoisie versucht, die KPD/ML und ihren Vorsitzenden, den Genossen Ernst Aust zu schlagen. Nein, das ist die Realität der Angst, die die Bourgeoisie hat vor der konsequenten politischen und organisatorischen Arbeit der KPD/ML im Proletariat. Unter der Führung von Ernst Aust ist die KPD/ML zu einer starken, im Proletariat verwurzelten Partei mit einer proletarischen, marxistisch-leninistischen Linie geworden, zu einer Stütze der marxistisch-leninistischen Weltbewegung. Es ist auch kein Zufall, dass gerade eine Sozial-Demokratische Regierung den Versuch unternimmt, die KPD/ML zu illegalisieren, zu kriminalisieren und ihren führenden Genossen durch einen Prozess der Klassenjustiz zu isolieren. Es war immer die Aufgabe der Sozial-Demokraten als Spezialisten der Unterdrückung, die kapitalistische Ordnung vor den Wogen des revolutionären Proletariats und Völker zu schützen. Es ist auch kein Zufall, dass die Attacke der Bourgeoisie mit dem Besuch des Kremlzaren Breschnew zusammenfällt. Versuchen doch die westdeutschen und sowjetischen Imperialisten ihre von den Völkern der Welt bedrohte Stellung durch ein Bündnis zusammenzukleistern. Ihr gemeinsamer Feind sind die wirklichen Kommunisten. Es wird ihnen nichts helfen - der revolutionäre Klassenkampf lässt sich nicht ersticken. Hände weg von der KPD/ML! Hände weg von Ernst Aust!“
Q: Roter Morgen Nr. 24/1973, Hamburg, S. 7.

30.06.1973:
Im „Roten Morgen“ 25/1973 wird auch die „Solidaritätsadresse“ zum Ernst-Aust-Prozess von der KPD/ML in Stuttgart veröffentlicht: „Nieder mit dem Hamburger Terrorurteil! Der Kommunismus lässt sich nicht verbieten.“

Es heißt weiter: „Wir, die Teilenehmer der Albanienveranstaltung der KPD/ML am 6.3.1973 in Stuttgart, haben mit großer Begeisterung die Berichte und Beispiele des sozialistischen Aufbaus der Volksrepublik Albanien aufgenommen. Die Kommunisten unter uns haben ihre Überzeugung vertieft, dass sie im Kampf für ein leuchtendes Ziel, die Errichtung der Diktatur des Proletariats und den Aufbau des Sozialismus in Westdeutschland stehen, der sicher siegreich sein wird.

Eine weiterer Anzahl fortschrittlicher und demokratischer Menschen hat heute viel Neues über den Sozialismus und die Arbeit der KPD/ML erfahren … Erneut ist klargeworden, „dass trotz aller Gesetze, die sich der Staat zur Unterdrückung schafft und anwendet, das Recht auf der Seite des Kommunismus und des Volkes steht … Wir protestieren entschieden gegen dieses Urteil (5.000 DM Geldstrafe für den Genossen Aust) und drücken unsere Solidarität mit dem Genossen Ernst Aust und allen verfolgten Kommunisten aus.“
Q: Roter Morgen Nr. 25/1973, Hamburg, S. 7.

30.06.1973:
Vermutlich erscheint Ende Juni 1973 in Hamburg die Broschüre: „Kampf der Klassenjustiz. Den Gerichtssaal als Tribüne des Klassenkampfes benutzen. Dokumentation zum Prozess gegen Ernst Aust, Vorsitzender der KPD/ML. Der Verteidiger von Aust war Heinrich Hannover.

Die Broschüre gliederte sich in: I. Teil: Vorwort zur Broschüre. II. Anklageschriften. III Agitation und Propaganda zum Prozess, a) Die Partei kämpft, b) Bericht von der Demonstration, c) Solidaritätsadressen und Aufkleber, d) Flugblatt 1, e) Flugblatt 2, f) Roter - Morgen Extrablatt IV. Zur revolutionären Führung eines Strafprozesses 2. Teil 1. Verhandlungstag, a) Bericht eines Prozessteilnehmers, b) Anklageschrift gegen die bürgerliche Klassenjustiz im Prozess gegen Ernst Aust, c) Lebenslauf des Genossen Erns Aust, Vorsitzender der KPD/ML, d) Antrag des Verteidigers Hannover auf Aussetzung des Verfahrens, e) Beweisanträge, 2. Verhandlungstag. 3. Verhandlungstag a) Bericht eines Prozessteilnehmers, b) Solidaritätsadresse der ESG -Bochum, c) Begründung der Ablehnung des Befangenheitsantrages, d) Erklärung von Heinrich Hannover, e) Plädoyer des Staatsanwaltes, f) aus einer Hamburger Betriebszeitung „Der Rote Handhaken“, g) Ein Brief eines 66- jährigen Kollegen aus dem Publikum, h) Auszug aus dem Plädoyer des Verteidigers, i) Spendenaufruf, j) Rede von Ernst Aust „Kampf der Klassenjustiz“. 3. Teil: Schlusswort „Was zeigt uns dieser Prozess?“
Q: Archiv Schwarzer Stern, Online, 1. April 2011.

30.06.1973:
Vermutlich erscheint Ende Juni eine Broschüre zum Ernst Aust-Prozess „Kampf der Klassenjustiz. Den Gerichtssaal als Tribüne des Klassenkampfes benutzen. Dokumentation zum Prozess gegen Ernst Aust, Vorsitzender de KPD/ML.“ Sie erscheint im „Verlag Roter Morgen“ und kann über die verlagseigene „Gesellschaft für die Verbreitung des wissenschaftlichen Sozialismus“ in Hamburg bestellt werden.

Im Vorwort der Broschüre heißt es:
„Die Phase der relativen Stabilität des kapitalistischen Systems in der BRD ist vorüber. Die Grenze, an der die Bourgeoisie ihre Grundinteressen gefährdet sieht, ist erreicht und überschritten: Jeder Streik bedeutet heute einen harten Schlag für die Kapitalisten, eine Gefährdung ihrer Stellung innerhalb der internationalen Konkurrenz. Ihr Staat und die Gewerkschaftsbonzen sind eifrigst bemüht, jeglichen Lohnkampf abzuwürgen. Demonstrationen gegen das Zusammenspiel der BRD-Imperialisten, ihres gegenwärtigen Vertreters Brandt mit den Breschnews, Nixons und Thieus werden von vornherein verboten und brutal zusammengeknüppelt. Hausbesetzungen treiben die Bourgeoisie und ihre Propagandisten zu widerwärtigsten Hetz- und Verleumdungskampagnen. Jeder aktive Protest und Widerstand aus Teilen des Volkes veranlasst sie zu wütender Reaktion, zum Einsatz der bewaffneten Truppen ihres Gewaltapparates. Auf dieselbe Weise und immer verlogener verketzert sie den Widerstand und Kampf der Völker, die sich nicht mehr länger von imperialistischer Ausbeutung und Unterdrückung knechten lassen wollen. Sie unterstützt ausländische Imperialisten und Reaktionäre mit Milliardenbeträgen, die sie uns und den Völkern aus der Tasche presst, mit Militär und Waffen, mit ihrem ganzen politischen und ideologischen Betrugsarsenal. Warum reagiert die Bourgeoisie immer wütender, hektischer und brutaler?

Die Widersprüche zwischen den Völkern und dem Imperialismus spitzen sich immer mehr zu. Die Völker der ganzen Welt erheben sich gegen den Imperialismus und die reaktionären Kräfte, gegen deren Aggression, Subversion, Kontrolle, Intervention und Demütigung. Die Imperialisten und reaktionären Kräfte, an ihrer Spitze die beiden Supermächte USA und Sowjetunion, werden durch den ständigen Kampf der Völker ihrem Untergang immer näher gebracht.

Und dieser historischen Strömung können sich die Imperialisten in der BRD nicht entziehen. Mögen sie gegenwärtig in Verfolgung ihrer hegemonistischen und Revanchisten Absichten und durch geschicktes Lavieren zwischen den beiden Supermächten noch gewisse Machtpositionen über fremde Länder und insbesondere in Europa erringen und gerade deshalb schon heute vor keinem Mittel zurückschrecken, um an ihrer Heimatfront BRD für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Die Völker, auf deren Kosten sie expandieren, und hauptsächlich die Arbeiterklasse und das Volk werden ihnen keine Ruhe lassen.

Streiks, besetzte Fabriken und Häuser, belagerte Direktions- und Rektoratsgebäude, Demonstrationen, blockierte Verkehrsmittel, militante Auseinandersetzungen mit der konterrevolutionären Gewalt werden mehr und mehr zu täglichen Erscheinungen in der BRD. Und jene Proteste und Aktionen bilden nur die Spitze eines Eisberges, sind nur die Funken eines brodelnden Vulkans.

Kein Bourgeois kann heute mehr den Werktätigen das Gefühl der zunehmenden Unsicherheit ihrer wirtschaftlichen und sozialen Existenz, ihrer Ungewissheit aus dem Leibe reden. Wer erkennt heute nicht, dass diese Marktwirtschaft abgewirtschaftet ist? Welcher Werktätige spricht nicht schon offen davon oder fühlt es zumindest, von sämtlichen Parteien belogen, betrogen und missbraucht zu werden? Wer hegt heute noch tiefstes Misstrauen gegenüber dem Parlamentarismus und gegenüber dieser Demokratie? Ist nicht die anfänglich vorhandene Hoffnung auf die Willy-Regierung schon gründlich angeknackst? Wird nicht das Friedensgerede des ganzen imperialistischen Gesindels, je mehr es sich wiederholt und umso nötiger sie es haben, immer unglaubwürdiger?

Was bedeutet es, wenn selbst schon bürgerliche Schreiberlinge den „moralischen Bankrott der USA-Regierung“ anprangern, wenn breite Teile des Volkes zu Recht Empörung und Hass empfinden auf die Honecker-Clique, wenn viele Menschen hierzulande - von den modernen Revisionisten der DKP des Antikommunismus bezichtigt - die heutige Sowjetunion völlig zurecht als faschistisch und imperialistisch reagiertes Land verurteilen, wenn andererseits Respekt und Hochachtung gegenüber der VR China und VR Albanien um sich greifen?

Dies und vieles andere sind hervorragende, sind revolutionäre Anschauungen im Volk. Es sind dies Gefühle, Meinungen, Regungen und Strömungen im Volke, die die ganze Verlogen - und Verrottetheit des imperialistischen Systems zum Ausdruck bringen und die in ihrem Kern nach mit wesentlichen Anschauungen de Marxisten - Leninisten in der gegenwärtigen Epoche und für unser Land übereinstimmen, die fruchtbarsten Nährboden bilden für die Idee der Revolution und die Ideale des Sozialismus und des Kommunismus, für die Ziele der Partei, die KPD/ML.

Haupttendenz Revolution auch in Westdeutschland, das ist es, was die Bourgeoisie heute fürchtet, was ihr die Angst in die Knochen treibt, was sie auf jeden Widerstand mit den hinterhältigsten Intrigen und Tücken wie auch mit offener und brutaler Gewalt reagieren lässt und so letztlich den vergeblichen Versuchen hinterher rennt, heute jene Funken auszutreten, die Morgen den Steppenbrand entfachen werden.

Deshalb der Angriff auf den Vorsitzenden der KPD/ML, Genosse Ernst Aust, auf den ROTEN MORGEN, das Zentralorgan, die schärfste Waffe der Partei in ihrem Kampf um die Befreiung der Arbeiterklasse und des Volkes vom Joch des Kapitals. Der ROTE MORGEN, seine Ideologie und Politik auf der Linie des Marxismus-Leninismus geht der Bourgeoisie an die Nieren. Und das ist ausgezeichnet.

Mögen Bourgeoisie und ihr Staatsbüttel den ROTEN MORGEN angreifen, ihn und die Partei verbieten. Den Funken, den Kampf der Arbeiterklasse und der unterdrückten Völker können sie nicht austreten. Nicht der Bourgeoisie, der Arbeiterklasse und ihrer Partei gehört die Zukunft. Es lebe die sozialistische deutsche Räterepublik!

Für ein vereintes und unabhängiges sozialistisches Deutschland!
Vorwärts mit der KPD/ML!“
Q: KPD/ML (Hrsg.): Kampf der Klassenjustiz. Den Gerichtssaal als Tribüne des Klassenkampfes benutzen. Dokumentation zum Prozess gegen Ernst Aust, Vorsitzender der KPD/ML, Hamburg 1973, S. 1f.

Kampf_der_Klassenjustiz_1973


30.06.1973:
In der Broschüre „Kampf der Klassenjustiz. Den Gerichtssaal als Tribüne des Klassenkampfes benutzen. Dokumentation zum Prozess gegen Ernst Aust, Vorsitzender der KPD/ML“ werden eine Reihe von „Solidaritätsadressen“ zum Aust-Prozess veröffentlicht:

Ortsgruppe Dortmund der KPD/ML:
„Genosse Ernst: Wir und alle fortschrittlichen Menschen stehen hinter dir und wir werden hier die Dortmunder Bevölkerung, die jetzt die Pranke der Bourgeoisie zu spüren bekommen hat, für den Prozess mobilisieren und Solidarität organisieren.”

Stadtteilzelle Berlin-Charlottenburg:
„Die Bourgeoisie wusste und weiß immer genau, wie sie die Arbeiterbewegung am empfindlichsten treffen kann, nämlich durch Unschädlichmachung ihrer führenden Kräfte.

Ob Vorhut unserer Partei oder Einkerkerung von Genossen- wir werden diese Angriffe der imperialistischen Klassenjustiz nicht kampflos hinnehmen. Wir werden mit Dir und für Dich gegen jegliche politische Unterdrückung kämpfen.”

Genossen und Sympathisanten der Roten Garde Bonn:
„Dieser Versuch der Bourgeoisie, Dich, einen der ergebensten Kämpfer der Arbeiterklass, vom weiteren Kampf abzuhalten, kann uns nicht einschüchtern. Im Gegenteil: Er veranlasst uns dazu, unsere Kräfte noch mehr zu verstärken, unserem Kampf unter der Führung der KPD/ML noch entschlossener, noch zielstrebiger zu führen.

Denn dieser Versuch der Bourgeoisie richtet sich nicht allein gegen Dich, sondern gegen uns alle, Kommunisten, Antiimperialisten und fortschrittliche Menschen in der BRD.“

Resolution von einigen Kameraden der Panzergrenadierbrigade 13:
„Der Bonner Staat hat in ganz Westdeutschland und Westberlin eine Terrorwelle gegen die Kommunisten eingeleitet. Ziel einer Großrazzia waren besonders die Organisationen; KPD, KSV und Liga gegen den Imperialismus. Wir sprechen unsere Solidarität aus mit den verfolgten Organisationen. Wir fordern alle fortschrittlichen Kräfte in diesem Land auf, dagegen eine Massendemonstration durchzuführen.
Diese muss am 20.5.1973, am Tag des Besuches des Banditen Breshnew durchgeführt werden. Es liegt uns besonders am Herzen, dass die KPD/ML und die KPD zusammen marschieren. Wir werden in unserer Kompanie mit aller Kraft versuchen, die Kameraden zum Kampf gegen das Verbot der fortschrittlichen und kommunistischen Organisationen zu mobilisieren.“

Solidaritätsadresse des ZK:
„Lieber Genosse Ernst! Das ZK der KPD/ML entbietet Dir brüderliche Kampfesgrüße. Die Tatsache, dass die bürgerliche Klassenjustiz die Arbeiterklasse ihres bedeutendsten Führers berauben will, zeigt klar die Angst unserer Herren Imperialisten vor ihrem eigentlichen Ankläger.

Du wirst die niederträchtigen Angriffe auf Dich und die revolutionäre Arbeiterbewegung in eine schreiende Anklage gegen die Bourgeoisie selbst verkehren.

Du stehst dabei nicht allein. Die Besten der Arbeiterklasse, viele fortschrittliche Menschen, die gesamte Partei und das ZK stehen hinter Dir, entschlossen für ihren verehrten und unentbehrlichen Führer zu kämpfen.

Das entscheidende Mittel dazu kann die Bourgeoisie nicht unterdrücken. Im Gegenteil: Sie züchtet es täglich verstärkt heran: Es ist der Hass der ausgebeuteten und geknechteten Massen, der sich immer mehr und mehr in revolutionäre Gewalt, die jetzt im Kampf gegen Ausplünderung und politische Unterdrückung steht.

Diese revolutionäre Gewalt, vor der die Bourgeoisie bereits jetzt erzittert, wird unter der Führung der Partei schließlich das gesamte Ausbeutersystem hinwegfegen.

Es lebe der Kommunismus!
Vorwärts mit der KPD/ML!“

Solidaritätsveranstaltung in München:
„250 Freunde, Kollegen und Genossen verabschiedeten eine „Solidaritätsadresse“ der CISNU (eine weltweite patriotische antiimperialistische Organisation iranischer Studenten), von Marxisten-Leninisten Afghanistans, von dem Rote - Fahne Freundeskreis München, Schulkampf/Freundeskreis, KSV und Liga in München, Kampfgrüße aus Ingolstadt und Nürnberg.“

Arbeiterrunde Neukölln in Westberlin:
Danach wird der „Anschlag der Klassenjustiz“ gegen Ernst Aust verurteilt.

Genossen der AEG-Brunnenstraße und Schwedenstraße:
Sie wollen „ihre Anstrengungen zu Aufbau einer starken Betriebsparteizelle verstärken“.

Die Zelle Waldörferschule der Roten Garde Hamburg:
„Es ist ein Gesetz der Geschichte, dass die Bourgeoisie so lange gegen das Volk richtet, bis sie gerichtet wird.“

Das Kollektiv „Der Funke“ in Aachen, Herausgeber der „Zeitung für den Kampf der unterdrückten Völker und Klassen“, „betont dass es der unversöhnliche Geist des Kampfes gegen Kapitalismus und Revisionismus des Genossen Ernst ist, der die Bourgeoisie zu diesem Prozess gezwungen hat“.

Zelle Schering, Westberlin:
„Wir werden Mitglieder und Sympathisanten zur Demonstration am Vorabend des Prozesses nach Hamburg schicken.“

Zelle Mannesmann-Mühlheim:
„Als Antwort auf diesen Angriff der Klassenjustiz werden wir unsere Aufklärungsarbeit verstärken.“

Sympathisantenkollektiv der KPD/ML in Heidenheim, bestehend aus Genossen der ehemaligen Ortsgruppe der GRFB, die Rote Garde und die Rote Hilfe aus Heidenheim:
„Wir verspreche, dass die Solidarität sich nicht nur in Worten, sondern auch in Taten äußern wird.“

Rote Garde Bonn:
„Die Errichtung der Diktatur des Proletariats, das ist das Ziel, dass… wir besonders betonen.“

Organisation Griechischer Marxisten-Leninisten:
„Wir unterstützen entschieden den Kampf der deutschen Arbeiterklasse und ihrer Partei, der KPD/ML gegen Polizeiterror und antikommunistische Hetze und fordern alle Arbeiter, Werktätige, fortschrittliche Menschen und Organisationen der Deutschen und Ausländer auf, sich mit der KPD/ML und Genossen Ernst Aust zu solidarisieren.“

Weitere Solidaritätsadressen gehen auch ein von:
- Rote Hilfe Dortmund
- Rote Hilfe Stuttgart
- Schülerzelle des ehemaligen KJVD am Hans-Geiger Gymnasium
- Ortsgruppe Duisburg der KPD/ML
- PH-Zelle Westberlin
- Landesverbände NRW und Südwest.
Q: KPD/ML (Hrsg.): Kampf der Klassenjustiz. Den Gerichtssaal als Tribüne des Klassenkampfes benutzen. Dokumentation zum Prozess gegen Ernst Aust, Vorsitzender der KPD/ML, Hamburg 1973, S. 15ff.

30.06.1973:
In der Broschüre zum Ernst-Aust-Prozess „Kampf der Klassenjustiz. Den Gerichtssaal als Tribüne des Klassenkampfes benutzen. Dokumentation zum Prozess gegen Ernst Aust“ erscheint der Artikel: „Die Partei kämpft!“

Ausgeführt wird: „Die Monate April/Mai brachten eine unmittelbare, akute Zuspitzung der politischen Kämpfe, in deren Gefolge der Staatsapparat die Verfolgung der Kommunisten und aller fortschrittlichen Menschen sprunghaft steigerte. Die Massendemonstrationen gegen den Besuch der US-Marionette Thieu und damit verbunden die Besetzung des Bonner Rathauses, trotz Verbot in Nordrheinwestfalen geschlossene 1. Mai - Demonstrationen, das Treffen zwischen Brandt und dem Sozialimperialisten Breschnew unter dem Schutz von 26. 000 Polizisten- und wieder Demonstrationen trotz Verbot, 1.00 Festnahmen allein in Dortmund, zügellosestes Vorgehen der Polizei, das nur eines erreichte: Den engeren Zusammenschluss der Genossen, der Demonstranten selbst, sowie eine breite Solidarisierung der Bevölkerung mit der Demonstration.

Jeden Tag Hetztiraden der bürgerlichen Presse gegen die „Maoisten“, die „Politrocker und Chaoten.“ Polizeiüberfälle auf die Büros der „KPD“, Liga usw. Kurz: In einem in den letzten Jahren nicht gekanntem Ausmaß setzte die Bourgeoisie ihren Staatsapparat gegen die Kommunisten ein, zeigte sie unverhüllt, wie sie gedenkt, der wachsenden Empörung, der wachsenden revolutionären Bewegung „Herr“ zu werden. Der Stein, den sie erhob, fiel auf ihre eigenen Füße.

Jede ihrer terroristischen Maßnahmen bewirkte nur eines: Die revolutionären Kräfte rücken enger zusammen, neue Menschen schließen sich an. Und die Spreu sondert sich ab. Die sogenannten Kommunique- Gruppen entblödeten sich nicht, in das „Chaoten“geschrei einzustimmen. Sie kennen keine andere Antwort auf den wachsenden Terror der Bourgeoisie als die Knie zu beugen. In dieser Zeit, Ende Mai, einer Zeit der Anspannung aller unserer Kräfte findet der Prozess gegen den Genossen Ernst Aust statt. In zahllosen Artikeln unserer Betriebs- und Stadtteilzeitungen, in zig Tausenden Flugblättern, Klebern und Plakaten bringen wir diesen Prozess an die Öffentlichkeit, erläutern wir, was dieser Prozess bedeutet, rufen wir auf zum Kampf für die Freiheit der kommunistischen Agitation und Propaganda, für die Organisationsfreiheit der Kommunisten- gegen politische Unterdrückung.

Veranstaltungen in der gesamten Bundesrepublik und Westberlin, Kundgebungen in Arbeitervierteln, Solidaritätsresolutionen aus den Betrieben und anderen gesellschaftlichen Bereichen. Teilnehmer der Anti-Breschnew Aktionen in Dortmund und Teilnehmer des Roten Antikriegstages in München 72 berichten über ihren Kampf- und als Höhepunkt die Reden des Genossen Ernst Aust. So verbinden wir diese Kampagne gegen den Prozess mit dem Aufruf zum Kampf gegen die politische Unterdrückung insgesamt, gegen die Verfolgung der Kommunisten und anderer fortschrittlicher Menschen, gegen die Verbotsvorbereitungen gegen die Partei und andere revolutionäre Organisationen- für den Weg in eine bessere Zukunft, für den Weg der proletarischen Revolution. Am Vorabend des Prozesses demonstrieren in Hamburg 1.000 Menschen Ihre Solidarität. Diese breite Front muss weiterentwickelt werden, diese Solidarität muss weiterentwickelt werden. Die Partei tritt für jeden ein, der von der Bourgeoisie, der von der Klassenjustiz verfolgt wird, weil er für die Interessen der Arbeiter, weil er für die Interessen des Volkes eintritt.“

Es erscheint auch der Artikel: „Was zeigt dieser Prozess?“. Ausgeführt wird:

„Das Urteil des Amtsgerichts Hamburg ist gesprochen. 5.000 DM Geldstrafe, ersatzweise 200 Tage Haft. Bevor der Prozess überhaupt begonnen hatte, stand der Beschluss der Bourgeoisie bereits fest: Ernst Aust muss verurteilt werden. Mit dem Urteil sollte eine weitere Grundlage geschaffen werden, die Partei zu verbieten. Natürlich hatte es die Bourgeoisie besonders auf den Genossen Ernst Aust als Vorsitzenden der KPD/ML abgesehen. Aus dem gleichen Grunde wie die Bourgeoisie gegen die führenden Genossen der „KPD“ Horlemann und Semler vorgegangen ist. Klar war aber auch, dass Ernst Aust vor Gericht für die Bourgeoisie ein heißes Eisen ist. Wäre es daher nach den Wünschen der Bourgeoisie gegangen, der Prozess wäre in aller Stille über die Bühne gegangen. Denn das wussten sie: Ernst Aust als 50jährigen Arbeiter, der aufrecht und unbestechlich sein Leben in den Dienst der Arbeiterklasse und des Volkes gestellt hat, ihn die Masche vom „Politrocker“ und „Chaoten“ anzuhängen, wäre ihnen nie gelungen. Die Bourgeoisie hatte es hier mit einem seit Jahrzehnten kampferfahrenen Funktionär der Arbeiterklasse zu tun, der das Gericht in eine Tribüne zur Propagierung des Kampfes seiner Klasse machen würde.

Vor allem aber ist Ernsts Person der beste Ausdruck dafür, dass unsere Partei die revolutionäre Tradition der KPD Ernst Thälmanns fortsetzt: Ernst war es, der sie im Kampf gegen Revisionisten wie Reimann und Bachmann in der KPD verteidigte. Ernst war es, der zur Gründung der KPD/MIL aufrief. Genau das aber will die Bourgeoisie totschweigen. Zu groß ist Ihre Angst, dass klassenkämpferische Arbeiter den revisionistischen Verrat der „DKP“- Führer erkennen, dass sie durch den Prozess erfahren: Die deutsche kommunistische Arbeiterbewegung ist nicht im Bachmann - Ulbricht-Sumpf verkommen, sondern schuf sich im Kampf gegen diese Verräter ihren neuen Kampfstab: die KPD/ML. Und eben deshalb wurde der Prozess gegen den Genossen Ernst Aust nicht an die große Glocke gehängt. Heute noch meint der Hamburger Senat die Taktik des Totschweigens gegenüber den Marxisten-Leninisten anwenden zu können. Die bürgerliche Presse war genau im Bilde: Sie wusste, was ihre Aufgabe war und schwieg. Zur Pressekonferenz der KPD/ML erschienen zwei Redakteure. Berichte vom Prozess brachte man als Fünfzeiler unter der Rubrik „Verschiedenes“ . Die einzige Ausnahme machte „Die Welt“. Sie schrieb einen Hetzartikel, in dem die KPD/ML kriminalisiert werden sollte.

Dort hieß es, dass die KPD/ML fordert: „Blut muss fließen, um der Welt klarzumachen, wir können auch anders.“ Der Partei wurde damit eine Äußerung des Münchner Polizeipräsidenten Schreiber unterschoben, mit der er das Startzeichen für das Massaker der Genscher - Schreiber-Polizei an palästinensischen Widerstandskämpfern und ihren Geiseln in Fürstenfeldbruck gegeben hatte. Das ist Kommunistenhetze, Verleumdungspropaganda der herrschenden Klasse. Im Wesentlichen sollte jedoch dar Prozess still und heimlich über die Bühne gehen. Man hofft sichtlich, die Arbeiterbewegung zu irritieren, wenn heute die Führer der „KPD“- Genossen aus der revolutionären Studentenbewegung, stellvertretend für die „Maoisten“ genommen werden. Deshalb auch eine verhältnismäßig liberale Verhandlungsführung und schließlich keine Gefängnisstrafe im Ernst -Prozess. Kur keinen Wirbel! In Ruhe Grundsatzurteile fällen und den Vorsitzenden der KPD/MD kriminalisieren als weiteren Schritt zum Verbot.

Aber diese geräuschlose Methode war der Klassenjustiz nicht vergönnt. Zigtausende Flugblätter wurden vor den Betrieben und im Stadtteil verteilt Veranstaltungen, Kurzkundgebungen in ganz Westdeutschland und Westberlin durchgeführt und Protestresolutionen verfasst. Im Gerichtssaal selbst zeigte sich, dass das Gericht dem kämpferischen Auftritt des Genossen Ernst keineswegs gewachsen war. Genosse Ernst deckte schonungslos auf, in wessen Sold der Richter steht, worum es in diesem Prozess geht: Die heute verstärkt einsetzende Verfolgung revolutionärer Kräfte unseres Volkes, der marxistischleninistischen Bewegung und der Vorhut der Arbeiterklasse, er KPD/ML, erfolgt, weil sich die Klassenkämpfe verschärfen, weil die westdeutsch. Imperialisten erkennen, dass im weltweiten Meer des Klassenkampfes , des Freiheitskampfes der Völker die BRD keine friedliche Insel bleiben wird. Weil die Unterdrücker spüren, dass auch ihre Tage gezählt sind, dass sie unaufhaltsam einer tiefgehenden Krise zusteuern, dass auch für Westdeutschland gilt: Haupttendenz in der heutigen Welt ist Revolution und der Sieg des Sozialismus.

Nach der Kommunistenjagd der 50er Jahre ist das Urteil im Ernst-Aust-Prozess das erste, dass gegen einen Kommunisten wegen „Beleidigung“ und „Verunglimpfung“ der BRD gesprochen wurde. Die Bourgeoisie wendet damit wieder die alten Methoden der terroristischen Gesinnungsjustiz an. Urteile dieser Art bedeuten eine Einschränkung der Freiheit der kommunistischen Agitation und Propaganda - damit eine Einschränkung des Feldes der legalen Arbeit der KPD/ML. Denn jede Propagandaschrift der Partei, in der der revolutionäre Ausweg für die Arbeiterklasse gewiesen wird, der kapitalistische Staat als Ausbeuterstaat beim Namen genannt wird, kann Anlass sein für neue Strafverfahren gegen verantwortliche Redakteure mit der Folge, dass die Schriften eingezogen und Verkäufer und Verteiler wegen Verbreitung „verleumderischer“ Schriften abgeurteilt werden.

Die KPD/ML verteidigt die legalen Möglichkeiten der kommunistischen Arbeit als ein besonderes Recht der Arbeiterklasse und des Volkes. Die Erfahrungen der Arbeiterbewegung lehrt uns, dass die Bourgeoisie, die um die Erhaltung ihrer Macht kämpft zu allen Mitteln der Unterdrückung, einschließlich des Faschismus greift. Faschisierung, zunehmende terroristische Verfolgung der Arbeiterklasse und ihrer kommunistischen Partei sind ein gesetzmäßiges Ergebnis des schärfer geführten Kampfes des Proletariats für die sozialistische Revolution Deswegen muss die KPD/ML auf weitere Kriminalisierung und Illegalisierung, auf Versuche zur gewaltsamen Zerschlagung der Partei vorbereitet sein; denn gerade jetzt, wo die Bourgeoisie mit Abschreckungsmethoden versucht, uns Angst einzujagen, um uns zu spalten, kommt es darauf an, dass die KPD/ML und alle Revolutionäre besonders wachsam sind gegen rechtsopportunistisches Zurückweichlertum. Der Prozess hat aber gezeigt, dass wir nicht zurückgewichen sind, dass der Genosse Ernst Aust im Prozess erreicht hat, den Richter in die Enge zu treiben, sodass dieser immer mehr seinen Schafspelz ablegen musste: Beweisanträge wurden abgelehnt, ein Antrag auf Befangenheit zurückgewiesen. Dem Publikum wurde jede „Einmischung“ unter Androhung von Strafe verboten. Die vom Staatsanwalt geforderte Strafe (2.500 DM) wurde verdoppelt. Und der ach - so - liberale Richter selbst war es, er die Polizeischläger hereinwinkte, um das Publikum und den Angeklagten aus dem Gerichtssaal prügeln zu lassen.

Der Prozess zeigt, dass unser Vorgehen richtig war: Wenn der Feind uns angreift, dürfen wir nicht zurückweichen wie es uns die Revisionisten predigen, sondern müssen unsere Anstrengungen verdoppeln, den Kampf zielgerichteter führen. Das bedeutet auch ganz besonders die Auseinandersetzung mit anderen revolutionären Organisationen voranzutreiben, die Einheit aller Marxisten-Leninisten in der KPD/ML herzustellen. Auch die Bemühungen im Aufbau von Solidaritätskomitees und einer nationalen Roten Hilfe zur Unterstützung politisch Verfolgter. Kollegen und Genossen aus Betrieb und Gewerkschaft, die von der bürgerlichen Gewerkschaftsbürokratie verraten, im Kampf gegen politische Entlassungen unsere Hilfe brauchen, müssen schnell verstärkt werden. Es ist klar, dass neue Anschläge gegen den Vorsitzenden der Partei, Genossen Ernst Aust von der Klassenjustiz vorbereitet werden. Gleichzeitig versucht sie in bevorstehenden Prozessen gegen Genossen anderer Organisationen, wie zum Beispiel gegen die Genossen Horlemann, Semler sowie Osswald und Schulte, mit dem Urteil „Rädelsführer einer Kriminellen Vereinigung“ die rechtliche Handhabe für ein sofortiges Verbot der KPD/ML und anderer Organisationen zu legen.

Stärken wir die Solidarität! Führen wir den Klassenkampf noch besser!
Erhöhen wir die Wachsamkeit! Die Reihen der Partei Gestärkt!
Vorwärts mit der KPD/ML!“

Es erscheint auch der Artikel: „Zur revolutionären Führung eines Strafprozesses.“ Darin heißt es:

„Die Führung eines politischen Strafprozesses muss unter der Leitparole stehen: Den Gerichtssaal zur Tribüne des Klassenkampfes machen! Die bürgerliche Gesellschaft im Gerichtssaal anklagen!

Ein Kommunist, der von der bürgerlichen Klassenjustiz angeklagt und vors Gericht gezerrt wird, muss die Anklage an sich reißen und offensiv als Ankläger gegen die bürgerliche Gesellschaft auftreten, wie es der Genosse Ernst Aust gemacht hat. So wird er seinen revolutionären Kampf nicht aufgeben, sondern ihn im Gerichtssaal fortsetzen.

Im Rahmen der Prozessvorbereitung ergibt sich daher die Aufgabe herauszuarbeiten, wie die zur Verfügung stehenden juristischen Mittel mit dem politischen Kampf verbunden werden müssen. Natürlich haben die juristischen Möglichkeiten und Mittel unserem politischen Kampf zu dienen und wir werden nie zur besseren juristischen Argumentation oder zur Erlangung eines milderen Urteils (was sowieso immer eine Illusion sein wird) opportunistische Zugeständnisse in unserer Politik machen.

Hier nun 4 Beispiele dafür, wie in dem hier dokumentierten Prozess gegen Ernst Aust die juristischen Mittel mit dem politischen Kampf verbunden werden konnten bzw. ihm dienten und ein Beispiel, wo das Primat der Politik nicht beachtet und opportunistisch vorgegangen wurde.

1. Gleich am Anfang des Prozesses wurde von Rechtsanwalt Hannover ein Antrag gestellt, wegen Unzuständigkeit des Strafgerichts das Gerichtsverfahren einzustellen. Denn eine Verurteilung des Vorsitzenden Ernst Aust nach den Anklagepunkten der Staatsanwaltschaft käme praktisch einem Verbot der KPD/ML gleich. Die KPD/ML sei jedoch eine politische Partei im Sinne des Parteiengesetzes. Nach Art. 21 II Grundgesetz könne eine Partei nur vom Bundesverfassungsgericht verboten werden.

Der zweite Antrag lautete: Die Anklage bzw. Verurteilung nach § 90 a Strafgesetzbuch (StGB) bedeutet praktisch den Entzug der an Art. 5 Grundgesetz (GG) garantierten Presse- und Meinungsfreiheit für den Angeklagten. Das käme im Ergebniseiner Verwirkung von Grundrechten gleich. Diese Verwirkung und ihr Ausmaß können nach Art.18 GG jedoch nur vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochen werden. Aus diesem Grund stellte Rechtsanwalt Hannover zum zweiten Mal den Antrag, wegen Unzuständigkeit des Gerichts das Verfahren einzustellen.

3. Nach der Strafprozessordnung muss der Richter dem Angeklagten gestatten, sich zu den Anklagepunkten zu äußern, zur „Wahrheitsfindung“ und um ein „gerechtes Urteil“ fällen zu können.

So ist es dem angeklagten Genossen möglich, sowohl zu den Anklagepunkten insgesamt als auch zu den einzelnen Anklagepunkten zu reden, soweit nur der Bezug zur Anklage gewahrt bleibt. Insbesondere steht ihm das Schlusswort vor der Urteilsverkündung zu. Diese Möglichkeit, der Stimme und dem Willen der Volksmassen im Gericht Ausdruck zu verleihen und zum Prozess insgesamt zu reden, muss jeder Genosse wahrnehmen. Selbstverständlich hängen diese und weitere Möglichkeiten zum Reden entscheidend vom Richter ab, der entweder auf eigenen Entschluss oder durch einen „Wink von oben“ liberal oder offen reaktionär auftritt. Und dass die Klassenjustiz ihre eigenen Gesetze missachtet, zeigt der Prozess und das Urteil gegen Horst Mahler. In jedem Fall aber sollte der Genösse (solange die Öffentlichkeit zugelassen ist) mit allen Mitteln versuchen, sein Rederecht durchzusetzen und alle Möglichkeiten zum aktiven Singreifen in das Prozessgeschehen ausnutzen, wie es der Genösse Ernst Aust getan hat.

4. Der Angeklagte hat nach der Strafprozessordnung das Recht zu beantragen, das Gericht möge zu seiner Entlastung Beweisaufnahmen vornehmen.

Er kann das Gericht nach § 245 Strafprozessordnung (StPO) sogar dazu zwingen, wenn er Urkundsbeweise vorbringt und die Beweismittel (Bücher, Zeitschriften, Aufsätze, Bilder…) herbeischafft. Das bedeutet bei Schriftstücken als präsent erbrachte Beweismittel, dass sie vor Gericht verlesen werden müssen. Einmal ist dieses juristische Mittel gut dazu geeignet (natürlich kommt es auch auf die Art der Anklage an), die politischen Handlungen, deretwegen der Genosse angeklagt ist, mit Tatsachen zu begründen und zu untermauern und zum anderen bietet es die Möglichkeit zur Agitation und Propaganda im Gericht, Im übrigen sind Beweisanträge auch dann gute Gelegenheiten zur Agitation und Propaganda, wenn sie abgelehnt werden, denn der Genosse kann schon alles, was er sagen will, vorher zur Begründung des Beweisantrages vortragen.

5. Hier nun ein Beispiel aus dem Prozess dafür, dass keiner unserer revolutionären Standpunkte aufgegeben werden darf zugunsten einer juristischen Verteidigungsmöglichkeit: Der Genosse Ernst Aust war nach § 90 a StGB angeklagt, weil ihm vorgeworfen wurde, die BRD beschimpft und böswillig verächtlich gemacht zu haben. Der § 90 a StGB scheidet Revolutionäre und Opportunisten . Denn nicht etwa diejenigen, die einzelne Kritik an diesem Staat und seinen Einrichtungen üben, sind dran , oder die, die wie die modernen Revisionisten über die noch mangelnde Demokratie dieses Staates lamentieren, da das Grundgesetz nicht verwirklicht würde, sondern der 90 a StGB richtet sich gegen die Kommunisten, die das Interesse des Volkes an der Zerschlagung dieses bürgerlichen Staates aufzeigen und sie deshalb fordert.

Daher muss jede juristische Argumentation, die aufzeigen will, der Angeklagte habe gar nichts gegen diesen Staat als Ganzes, er habe den Staat nicht als „Unrechtsstaat“ bezeichnet oder er greife gar nicht den Staat in seinem Bestand an, sondern er wolle nur auf die Forderung des Grundgesetzes nach mehr Demokratie hinweisen, - eine solche juristische Argumentation zur Verneinung des § 90a muss wegen ihres offen revisionistischen Charakters unterbleiben. (Daher ist es auch grundsätzlich erforderlich, jeden Prozess unter diesem Gesichtspunkt vorher mit dem Rechtsanwalt durchzusprechen!).

6. Wichtig ist es noch, darauf hinzuweisen, dass zumindest ein Teil der im Zuschauerrum anwesenden Genossen von dem Vorgehen des angeklagten Genossen oder seines Verteidigers unterrichtet sind und eventuell notwendige Absprachen getroffen werden. Ansonsten dürfte es selbstverständlich sein, dass die Genossen und Freunde im Zuhörerraum dem angeklagten Genossen den Rücken stärken (durch Beifallklatschen… ) und, wenn möglich, ihre Solidarität laut bekunden, zum Beispiel durch gemeinsames Singen der Internationale am Schluss eines Verhandlungstages.“

Es erscheint auch der Artikel „Kampf der Klassenjustiz“ mit einer weiteren Anklagerede von Ernst Aust. U. a. führte er aus:

„Die Völker der Welt und auch das deutsche verliehen ihrem Hass auf die US- imperialistischen Mörder angemessenen Ausdruck und erzwangen die vorübergehende Einstellung des Bombenterrors auf Nordvietnam. Somit aber haben die Bombenanschläge in Frankfurt und Heidelberg hunderten, tausenden Menschen das Leben gerettet. Dass dabei vier amerikanische Offiziere und Soldaten ums Leben kamen, … was haben sie hier zu suchen ? Wer gibt den USA - Imperialisten und auch den sowjetischen Sozialimperialisten das Recht, ihre Truppen auf den Territorien fremder Völker zu stationieren? Hier in der BRB wurden mit Duldung der Bundesregierung die GI's für ihren Mordeinsatz in Vietnam ausgebildet. Schuld am Tod der vier GI's trägt niemand anders als die amerikanischen Imperialisten und ihre westdeutschen Komplizen !

Sie Herr Sommer wissen genau, dass wir Kommunisten gegen den individuellen Terror sind. So wissen wir beispielsweise, dass es am aggressiven Wesen des USA- Imperialismus nichts ändern würde, wenn der Kriegsverbrecher Nixon einem Bombenanschlag oder einer Kugel zum Opfer fiele . Dennoch würden wir keine Träne vergießen, wenn so etwas geschähe, sondern im Gegenteil, wir würden aus unserem Herzen keine Mördergrube machen und wie Millionen und Abermillionen in aller Welt uns freuen. Nixon ist ein Kriegsverbrecher, ein Völkermörder wie Hitler und seine Kumpane, die in Nürnberg am Galgen endeten. Dass ihm nicht ein Gleiches geschieht, liegt nur an der zeitweiligen militärischen Stärke des USA-Imperialismus, der aber strategisch gesehen nichts weiter ist als ein Papiertiger.

Wir sind weit entfernt von dem Gedanken, heldenmütigen Sonderaktionen, wie den Bombenanschlägen in Frankfurt und Heidelberg ihre Bedeutung abzusprechen. Wovor wir jedoch mit aller Energie warnen ist, sich am Terror zu berauschen, ihn als wichtigstes und hauptsächliches Kampfmittel zu betrachten. Wenn irgendjemand , sei er auch Anarchist, heldenmütig gegen die Bourgeoisie , gegen den Imperialismus kämpft, so ist das natürlich eine groß Sache. Wenn aber Hunderttausende gegen die Bourgeoisie und ihre Lakaien, gegen den Imperialismus kämpfen, dann ist das ein wirklicher Schritt voran.

Wenn die Anklagevertretung, wenn Sie, Herr Richter, die Bombenanschläge von Frankfurt und Heidelberg als Verbrechen oder gar als Mord bezeichnen, so zeigt das nur Ihre faschistische Gesinnung. Was heißt denn Mord? Mord setzt voraus, dass der Täter aus niedrigen Beweggründen handelt. Wollen Sie etwa behaupten, dass diese Bombenanschläge auf die USA-Imperialisten ans niedrigen Beweggründen geschahen? Nein! Nein, die Motive der Täter waren genauso edel , human in Sinne des proletarischen Internationalismus wie der Bombenanschlag des Grafen Stauffenberg auf das Hauptquartier Hitlers. Sie aber, die Sie diese Anschläge von Heidelberg und Frankfurt als Verbrachen, als Mord bezeichnen, die Sie mich der moralischen Unterstützung dieser sogenannten Verbrechen bezichtigen, hätten zur Hitlerzeit ohne mit der Wimper zu zucken den Grafen Stauffenberg ins Schafott und die, die seine Tat lobten in die Gaskammern des dritten Reiches geschickt. Sie sind nichts weiter als ein verhinderter Kreisler …

Was Recht ist, was als Verbrechen bzw. Vergehen im Sinne des StGB bezeichnet wird, ist nicht ein Verbrechen a priori, naturgesetzlich bestimmt, vom „lieben Gott“ erlassen, sondern ist bestimmt von der herrschenden Gruppe bzw. Klasse eines Landes … Kriminell ist nicht schlechthin jeder, der tötet oder morden lässt. Niemand kommt auf den Gedanken, Generäle, Soldaten, Henker oder schießende Kriminalbeamte allein wegen der durch sie ausgeführten Tötungen vor Gericht zu stellen oder gar zu verurteilen. Kriminell ist nicht jeder, der raubt oder stiehlt, unternehmen, die etwa sogenannte Entwicklungsländer ausplündern, genießen in ihren Heimatländern hohes Ansehen; auch wird niemand ein Krimineller genannt, der „seine“ Arbeiter oder den Staat (durch gigantische Steuerhinterziehungen) betrügt. Auch wer andere um, eines Vermögensvorteilswillen in Gefahr für Leib und Leben bringt (indem er lebensgefährliche Autos oder ungenügend erprobte Medikamente auf den Markt bringt), wird nicht als gemeingefährlicher Verbrecher bewertet und behandelt … Was heute als kriminell bezeichnet wird, dazu lieferte der Vorsitzende eines Frankfurter Schwurgerichts Anfang Februar einen wertvollen Beitrag. In einem Prozess war u. a. Polizeihauptkommissar Kuhr angeklagt, weil er an Exekutionen in Minsk beteiligt war, wo russische Juden mit Peitschen in die Gruben getrieben und dort getötet, wo Kranke in ihren Betten erschossen, wo gegen - Frauen und Kinder, die sich versteckt hatten, Handgranaten eingesetzt wurden. Von den Angeklagten sagte der Schwurgerichtsvorsitzende Schäfer (Frankfurter Rundschau vom 7. Februar 1973): „Keiner der Angeklagten ist kriminell und ohne das NS-Regime hätten sie niemals vor einem Schwurgericht gestanden. Sie handelten in Übereinstimmung mit ihrer Umwelt, nicht gegen sie, und nicht einmal aus Kreisen der Justiz regte sich Einspruch.

Jetzt wissen wir endlich, was heute in der Bundesrepublik, diesem Nachfolgestaat des 3. Reiches als kriminell bezeichnet wird. Mordtaten können noch so scheußlich sein, es können Kinder und Frauen mit Handgranaten brutal hingemordet werden; wenn der Mörder in Übereinstimmung mit der Gesellschaftsordnung handelt und nicht gegen sie, und wenn sich in der Justiz kein Einspruch regt, dann ist er kein Krimineller …“

In „Die Partei kämpft“ führen die Verfasser aus:

„Die Monate April/Mai brachten eine unmittelbare, akute Zuspitzung der politischen Kämpfe, in deren Gefolge der Staatsapparat die Verfolgung der Kommunisten und aller fortschrittlichen Menschen sprunghaft steigerte. Die Massendemonstrationen gegen den Besuch der US-Marionette Thieu und damit verbunden die Besetzung des Bonner Rathauses; trotz Verbot in Nordrhein-Westfalen geschlossene 1. Mai-Demonstrationen; das Treffen zwischen Brandt und dem Sozialimperialisten Breschnew unter dem Schutz von 26.000 Polizisten- und wieder Demonstrationen trotz Verbot, 1.000 Festnahmen allein in Dortmund, zügellosestes Vorgehen der Polizei, das nur eines erreichte: Den engeren Zusammenschluss der Genossen, der Demonstranten selbst sowie eine breite Solidarisierung der Bevölkerung mit der Demonstration.

Jeden Tag Hetztiraden der bürgerlichen Presse gegen die „Maoisten“, die „Politrocker und Chaoten“, Polizeiüberfälle auf die Büros der „KPD“, Liga usw. Kurz: In einem in den letzten Jahren nicht gekanntem Ausmaß setzte die Bourgeoisie ihren Staatsapparat gegen die Kommunisten ein, zeigte sie unverhüllt, wie sie gedenkt, der wachsenden Empörung, der wachsenden revolutionären Bewegung „Herr“ zu werden. Der Stein, den sie erhob, fiel auf ihre eigenen Füße. Jede ihrer terroristischen Maßnahmen bewirkte nur eines: Die revolutionären Kräfte rücken enger zusammen, neue Menschen schließen sich an. Und die Spreu sondert sich ab. Die sogenannten Kommunique-Gruppen entblödeten sich nicht, in das „Chaoten“geschrei einzustimmen. Sie kennen keine andere Antwort auf den wachsenden Terror der Bourgeoisie als die Knie zu beugen. In dieser Zeit, Ende Mai, einer Zeit der Anspannung aller unserer Kräfte findet der Prozess gegen den Genossen Ernst Aust statt.

In zahllosen Artikeln unserer Betriebs- und Stadtteilzeitungen, in zig- tausend Flugblättern, Klebern und Plakaten bringen wir diesen Prozess an die Öffentlichkeit, erläutern wir, was dieser Prozess bedeutet, rufen wir auf zum Kampf für die Freiheit der kommunistischen Agitation und Propaganda, für die Organisationsfreiheit der Kommunisten- gegen politische Unterdrückung. Veranstaltungen in der gesamten Bundesrepublik und Westberlin, Kundgebungen in Arbeitervierteln, Solidaritätsresolutionen aus den Betrieben und anderen gesellschaftlichen Bereichen.

Teilnehmer der Anti-Breschnew Aktionen in Dortmund und Teilnehmer des Roten Antikriegstages in München 72 berichten über ihren Kampf- und als Höhepunkt die Reden des Genossen Ernst Aust. So verbinden wir diese Kampagne gegen den Prozess mit dem Aufruf zum Kampf gegen die politische Unterdrückung insgesamt, gegen die Verfolgung der Kommunisten und anderer fortschrittlicher Menschen, gegen die Verbotsvorbereitungen gegen die Partei und andere revolutionärer Organisationen- für den Weg in eine bessere Zukunft, für den Weg der proletarischen Revolution.

Am Vorabend des Prozesses demonstrieren in Hamburg 1.000 Menschen ihre Solidarität. Diese breite Front muss weiterentwickelt werden, diese Solidarität muss weiterentwickelt werden. Die Partei tritt für jeden ein, der von der Bourgeoisie, der von der Klassenjustiz verfolgt wird, weil er für die Interessen des Volkes eintritt.

Hände Weg von Ernst Aust!“
Q: KPD/ML (Hrsg.): Kampf der Klassenjustiz. Den Gerichtssaal als Tribüne des Klassenkampfes benutzen. Dokumentation zum Prozess gegen Ernst Aust, Vorsitzender der KPD/ML, Hamburg 1973, S. 1f.; S. 74ff.; S. 27ff.M S. 14f.

07.07.1973:
Der „Rote Morgen“ Nr. 26 vom 7. Juli 1973, veröffentlicht auch eine Grußadresse des Zentralkomitees der Kommunisten Arbeiterpartei (Marxisten-Leninisten) Norwegens zum Prozess gegen Ernst Aust. Dort heißt es:
„Im Namen unserer Partei senden wir eine Solidaritätsadresse an die KPD/ML und alle deutschen revolutionären und fortschrittlichen Menschen. Die Bourgeoisie und ihre Staatsgewalt in Westdeutschland hat in der letzten Zeit mehr und mehr ihr wahres reaktionäres Gesicht gezeigt. Die Gefängnisse sind gefüllt mit politischen Gefangenen. Der Vorsitzende Eurer Partei, Genosse Ernst Aust, ist vor Gericht und die Rechtssprechung der Bourgeoisie geholt und verurteilt worden.

Polizeijagden, Verbote von Demonstrationen und Verfolgung von Kommunisten gehören ebenfalls zu den terroristischen Maßnahmen gegen deutsche Revolutionäre, Die norwegischen Kommunisten verurteilen diesen Terror aufs Schärfste. Aber Terror und Faschismus können niemals den Kampf der Arbeiterklasse und die revolutionäre Bewegung zerschlagen.
Freiheit für alle politischen Gefangenen! Hände weg von Ernst Aust! Freiheit für Horlemann und Semler!
Q: Roter Morgen Nr. 26/1973, Hamburg, S. 7.

14.07.1973:
Laut „Roter Morgen“ 27/1973 vom 14. Juli erschien im Verlag der KPD/ML „Gesellschaft für die Verbreitung des wissenschaftlichen Sozialismus“ in Hamburg die Broschüre: „Kampf der Klassenjustiz. Den Gerichtssaal als Tribüne des Klassenkampfes benutzen. Dokumentation zum Prozess gegen Ernst Aust, Vorsitzender der KPD/ML.“
Q: Roter Morgen Nr. 27/1973, Hamburg, S. 4.

RM_1973_27_04


28.07.1973:
Laut „Roter Morgen“ 29/1973 vom 28. Juli richtet die spanische PCE/ML eine „Solidaritätsadresse“ an die KPD/ML. Darin wird u. a. auch auf den Prozess gegen Ernst Aust eingegangen:

„Die reaktionäre Regierung des westdeutschen Imperialismus, an dessen Spitze der Sozialdemokrat Brandt steht, hat aus Furcht vor dem Anwachsen der revolutionären Kämpfe der Massen und aus Furcht vor dem wachsenden Ansehen, der Verankerung und Aufwärtsentwicklung der KPD/ML, eine handfeste Unterdrückungskampagne gegen die Partei und ihren Vorsitzenden Ernst Aust begonnen. Zweifelsohne ist das Ziel dieser Unterdrückungskampagne gegen unsere deutschen Genossen, unsere Bruderpartei mehr oder weniger ‘außerhalb des Gesetzes‘ zu stellen …

Der Genosse Ernst Aust ist ein großer Freund unseres Volkes und unseres Kampfes und hat, an der Spitze seiner Partei, jederzeit die feste und aktive internationalistische Solidarität uns gegenüber bewiesen. Wir sind sicher, dass unsere Genossen von der KPD/ML als konsequente Marxisten-Leninisten wissen werden, wie sie dieser Lage gegenüber Front beziehen müssen, dass sie Erfahrungen sammeln und aus dieser Prüfung gestählt herausgehen werden; denn sie ist nichts anderes als der Ausdruck der Angst, die den revanchistischen Imperialisten durch ihren Kampf eingejagt wird. In ihrem Kampf gegen ihre Feinde können unsere deutschen Genossen der vollständigen Hilfe und Solidarität unserer Partei und den fortschrittlichen Massen unseres Landes sicher sein. Es lebe die Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten!“
Q: Roter Morgen Nr. 29/1973, Hamburg, S. 5.

RM_1973_29_05


September 1973:
In der „Roten Hilfe“-Zeitung 22/1973, die von der „Roten Hilfe Hamburg“ herausgegeben wird, erscheint ein Artikel zum Ernst-Aust-Prozess: „Eure Wahrheit ist nicht unsere Wahrheit.

Ausgeführt wird: „Am 6.11., im Berufungsprozess gegen Ernst Aust, den Vorsitzenden der KPD/ML, versucht die bürgerliche Klassenjustiz, kommunistische Agitation und Propaganda als „kriminell“ hinzustellen. „Kriminell“ ist es nach Meinung der Klassenjustiz, wenn ein Kommunist laut ausspricht, dass die Krupps und Co., die im zweiten Weltkrieg Hunderttausende als Kanonenfutter verheizten, noch heute in diesem Staat eine Diktatur über die Werktätigen ausüben. „Kriminell“ ist es, sich mit den verfolgten Mitgliedern der Roten-Armee Fraktion (sogenannte Baader-Meinhof-Bande) zu solidarisieren. „Kriminell“ ist es, dass der Rote Morgen, dessen verantwortlicher Redakteur Ernst Aust damals war, den Bombenanschlag auf das Hauptquartier der US-Besatzer in Westdeutschland, jenen Truppen, die in Vietnam die ungeheuerlichsten Gräueltaten vollbrachten, guthieß, bei dem ein Offizier und drei Soldaten getötet wurden.

Deshalb wurde Ernst Aust zu 3.000 DM Geldstrafe verurteilt. Das ist ein gewisser Teilerfolg, gemessen an dem 5.000 DM-Urteil vom Juni dieses Jahres. Doch für uns ist nicht entscheidend, ob kommunistische Agitation und Propaganda mit 2.000 DM mehr oder weniger bestraft wird. Wir fordern:

Freiheit für die Kommunistische Agitation und Propaganda!
Freispruch für Ernst Aust!“

Die „Rote Hilfe“ veröffentlicht auch die „Anklagerede des Genossen Aust vor Gericht“. Darin heißt es:

„Was den anderen gegen mich erhobenen Vorwurf, der angeblichen „Verherrlichung von Mordtaten“ betrifft, gemeint sind die Bombenanschläge im letzten Jahr auf die amerikanischen Truppen-Hauptquartiere in Frankfurt und Heidelberg, so sind sie ebenso wenig Mordtaten wie der Kampf des vietnamesischen Volkes gegen die US-imperialistischen Aggressoren.

Der USA-Imperialismus ist eine der raubgierigsten Mächte der Welt, die seit dem Ende des zweiten Weltkrieges zahlreiche Verbrechen gegen die Völker, ob in Korea, Persien, Guatemala, der Dominikanischen Republik, Haiti, Kongo, Kuba, Bolivien, Indonesien, Libanon, Indochina, Chile usw. beging. Zusammen mit der anderen imperialistischen Supermacht, dem sowjetischen Sozialimperialismus, mit dem er einerseits zusammenarbeitet, wie das neuerliche, gegen die arabischen Völker gerichtete Komplott beweist, andererseits aber um Hegemonie und Weltherrschaft ringt, unterdrückt er die Völker der Welt.

Immer größer wird die Zahl der Völker, die sich im Kampf gegen die Hegemoniebestrebungen und die Macht- und Kanonenbootpolitik der zwei Supermächte zusammenschließen. Auch das deutsche Volk wird sich, und das ist so sicher, wie das Amen in der Kirche, einreihen in diese Front der gegen die Herrschaft der Supermächte kämpfenden Völker. Es wird ihre Truppen, die sie auf dem Boden unserer Heimat stationiert haben, davonjagen und den Zusammenschluss unseres Vaterlandes in einem einigen, unabhängigen, sozialistischen Deutschland erkämpfen. Nur in diesem Rahmen des Kampfes der Völker der Welt gegen den mörderischen USA-Imperialismus, der kurz zuvor die Bombardierung der Demokratischen Republik Vietnam wieder aufgenommen hatte, sind die Bombenanschläge von Frankfurt und Heidelberg zu verstehen. Sie waren Kriegshandlungen gegen eine imperialistische Macht.

Als solche hat der Rote Morgen sie erklärt und gutgeheißen. Geradezu infam ist es, wenn mir in der Urteilsbegründung unterstellt wird: „Er vergisst in seiner maßlosen Überheblichkeit das Recht der betroffenen Menschen, der amerikanischen Landser, auf ihr Recht zum Leben. Er überspielt sein Gewissen, das ihn zum Miteinander mahnt, zum Mitleiden der Schmerzen der Bombenopfer und ihrer Angehörigen, also zum Ethos der Barmherzigkeit.“

Wenn hier schon von Gewissen die Rede ist, dessen Freiheit mir angeblich im Artikel 4, Absatz 1 des Grundgesetzes garantiert ist, so möchte ich doch einmal umgekehrt die Frage stellen:

„Wo war denn ihr Gewissen, Herr Richter, als in Vietnam zu hunderttausenden die Bomben fielen- mehr als im 2. Weltkrieg insgesamt - und unschuldige Greise, Kinder und Frauen zerfetzten? Die vier amerikanischen Offiziere und Gis, die bei den Bombenangriffen in Heidelberg und Frankfurt ums Leben kamen, waren Soldaten, Soldaten einer Aggressionsarmee, die hier auf deutschem Boden für ihren Einsatz in Vietnam gedrillt wurden. Natürlich haben sie, wie jeder Mensch ein Recht auf Leben. Aber wer stiehlt es ihnen denn? Doch nicht die, die sich gegen Unterdrückung und Versklavung wehren, die, die sich mit ihnen in der Aktion solidarisieren, sondern die, die sie zur Unterdrückung und Versklavung anderer Völker auf die Schlachtfelder der Kriege schicken. Wir sind keine Pazifisten und Friedensfrömmler. Wir werden der konterrevolutionären Gewalt der herrschenden Klasse stets die revolutionäre, die gerechte Gewalt der Unterdrückten und Ausgebeuteten, des Volkes entgegensetzen.

Das Gewissen westdeutscher Richter mag weit genug sein, die millionenfachen Bombenopfer in den imperialistischen Kriegen ihrer kapitalistischen Herren für nicht erwähnenswert zu halten. Ihre, die Barmherzigkeit ihrer kapitalistischen Auftraggeber ist - wie die Geschichte beweist - die eines Mörders, der seinem Opfer den Fangschuss verpasst. Das Gewissen eines Kommunisten verpflichtet ihn, solidarisch mit allen Ausgebeuteten, Hungernden, Geschundenen dieser Welt, sich - wenn es sein muss - mit der Waffe in der Hand, gegen Versklavung, Unterdrückung und konterrevolutionären Terror zur Wehr zu setzen.

Was den Klassenkampf betrifft, so wurde er von Marx als Triebkraft der gesellschaftlichen Entwicklung entdeckt. Der offene und versteckte ökonomische, politische und theoretische Kampf zwischen den die Gesellschaft bildenden Klassen, die auf dem privaten Eigentum an den Produktionsmitteln in der Klassengesellschaft beruht und zum unvermeidlichen, zum gewaltsamen Sturz des Kapitalismus und zur Errichtung der Diktatur des Proletariats als notwendige Voraussetzung für den Aufbau des Sozialismus und Kommunismus führt. Auch dieser Prozess ist nichts weiter als ein Teil dieses Klassenkampfes, in den sie als beratene Vertreter des Kapitals mir als Verteidiger der Interessen des Proletariats gegenüberstehen.

Diese Beispiele, die beweisen, dass das Grundgesetz, diese bürgerliche Verfassung nichts weiter ist als der Schafspelz, unter dem die Bourgeoisie ihre Diktatur verbirgt, ließen sich beliebig Vermehren. Verfassung und Verfassungswirklichkeit sind eben zweierlei. Und es kann hier auch gar nicht darum gehen, diese bürgerliche Verfassung mit „Leben zu erfüllen“, wie es die DKP-Revisionisten verlangen, die in ihr „verankerten demokratischen Rechte“ eben vom Boden dieser Verfassung aus verteidigen. Was das für „Rechte“ sind, haben wir gezeigt. Man braucht dabei erst gar nicht an die im Grundgesetz verankerte Notstandsverfassung zu denken, mit der sich die Bourgeoisie das Gesetz für die Errichtung ihrer offenen faschistischen Diktatur in die Schublade legte.

Nein, wir stehen nicht auf dem Boden dieser Verfassung, die unter offenem Bruch des Völkerrechts, des Potsdamer Abkommens, zustande gekommen ist. In diesem Abkommen heißt es wörtlich:

„In praktisch kürzester Frist ist das deutsche Wirtschaftsleben zu dezentralisieren mit dem Ziel der Vernichtung der bestehenden übermäßigen Konzentration der Wirtschaftskraft, dargestellt insbesondere durch Kartelle, Syndikate, Truste und anderen Monopolvereinigungen.“

Diese, ihre Klassenhaltung, ihr Klassenstandpunkt drückt sich in der ganzen Urteilsbegründung aus. Z. B. in dem idealistischen Gewäsch. dass in diesem angeblichen „freiheitlichen Staat“ der „ Verstand zu regieren hat“. Nein, was da regiert, sind ganz handfeste Kapitalinteressen, die mit dem Verstand nichts, mit dem Profit alles zu tun haben …

Wer diese Urteilsbegründung (liest), dem wird endgültig klar, dass es in diesem Prozess weder um die „öffentliche Billigung von Straftaten, noch um die „öffentliche Herabsetzung der Bundesrepublik Deutschland“ geht, sondern einzig und allein um die Kriminalisierung der kommunistischen Agitation und Propaganda des Marxismus-Leninismus.“
Q: Rote Hilfe (Hamburg) Nr. 22/1973, S. 10.

Berlin_RH270


15.10.1973:
Laut „Frankfurter Informationsdienst“ erhält Ernst Aust (Vorsitzender der KPD/ML) einen Strafbefehl über 5.000 DM, ersatzweise 50 Tage Haft Die Anklage des Würzburger Amtsgerichts lautete auf üble Nachrede gemäß Paragraph 186 StGB. Aust hatte u. a. im „Roten Morgen“ vom 23.10.1972 behauptet: „Auch Geiseln von Münchener Polizei erschossen“.
Q: Frankfurter Informationsdienst Nr. 20, Frankfurt 1974, S.6.

27.10.1973:
Es erscheint der „Rote Morgen“ 42/1973 vom 27. Oktober. Im Artikel „Berufungstermin in Hamburg. Freispruch für Genossen Ernst Aust, heißt es u. a.:

„Im Juni dieses Jahres stand Genosse Ernst Aust, Vorsitzender der KPD/ML, in Hamburg vor Gericht. Angeklagt war er, weil sein Name unter dem Flugblatt: ‘Die Mörder sitzen in Bonn‘ steht. Die herrschende Klasse hatte geglaubt, sie könnte kurzen Prozess machen und unsere Partei und allen fortschrittlichen Menschen verbieten, die Wahrheit übe die Verhältnisse in diesem Staat zu sagen. Aber sie hatte sich geirrt. Das mutige Auftreten des Genossen Ernst vor Gericht, Flugblätter, Kundgebungen, Unterschriftensammlungen und eine Demonstration in Hamburg machten den Prozess zu einem Bumerang für die Bourgeoisie. Statt zu der wohl geplanten Gefängnisstrafe wurde Genosse Ernst zu einer Geldstrafe von 5. 000 DM verurteilt. Ein ganz klarer Erfolg. Aber noch kein Sieg. Gegen dieses Urteil wurde Berufung eingelegt. Am 6. November heißt es noch einmal: Kämpft für den Freispruch des Genossen Ernst Aust! Kämpft für die Freiheit der Kommunistischen Agitation und Propaganda. Hände weg von der KPD/ML! Am 15.10.73 erhielt Genosse Ernst erneut eine Rechnung der Klassenjustiz über 5. 000 DM. Diesmal ohne gerichtliches Urteil, einfach per Strafbefehl.“

Im Artikel „Kampf der Klassenjustiz. Mit Strafbefehl und Polizeidiktat gegen Meinungsfreiheit“, heißt es:

„Am 15.10.73 erhielt Genosse Ernst Aust, Vorsitzender der KPD/ML, einen Strafbefehl über 5.000 DM, ersatzweise 50 Tage Haft. Die Anklage lautet auf „üble Nachrede“ gemäß § 186, 200 StGB. Worum geht es? Im Roten Morgen Nr. 21 vom 23.10.72 heißt es in einem Artikel über das Massaker in Fürstenfeldbruck unter der Überschrift: „Auch Geiseln von Münchener Polizei erschossen.“ „Auf Grund ballistischer Untersuchungen der Geschoßbahnen in den Körper der Geiseln wurde bestätigt, dass die Geiseln, wie im Fall der Bankangestellten Ingrid Reppel vor einem Jahr von den Münchener Mordkommandos der Polizei erschossen wurden.“

Das Würzburger Amtsgericht ist der Meinung: „Es handelt sich hierbei um eine nicht erweislich wahre Tatsachenbehauptung hinsichtlich Münchner Polizeibeamter, die diese in der öffentlichen Meinung herabzusetzen geeignet sind.“

Wohlgemerkt, der Münchener Polizei wie dem Gericht geht es um Tatsachen! Tatsachen haben den Vorteil, dass sie sich beweisen lassen. In diesem Fall durch ballistische Untersuchungen. Die Untersuchungsergebnisse sind dem Gericht bekannt, auf jeden Fall zugänglich. Schließlich wurden die Untersuchungen von Kriminalisten durchgeführt.

Warum lädt das Amtsgericht den Genossen ernst denn nicht vor Gericht, wie sonst bei „übler Nachrede“ üblich? Warum nutzt die Klassenjustiz nicht die Gelegenheit, den Vorsitzenden der KPD/ML, sozusagen auf frischer Tat ertappt, öffentlich vor dem ganzen Volk als Lügner bloßzustellen? Warum nutzt sie nicht die Gelegenheit, den Feldzug der Kommunisten gegen Ausbeutung und politische Unterdrückung als eine großangelegte Verleumdungskampagne gegen arbeiterfreundliche Unternehmer, menschenfreundliche Polizisten und Richter zu entlarven? Der gesunde Menschenverstand lässt nur eine Schlussfolgerung zu: Weil die Tatsachen, die die Münchner Polizei und das Amtsgericht Würzburg kennen, nicht geeignet sind, vor dem urteilenden Auge des Volkes zu bestehen. Weil die Klassenjustiz keine Beweise hat, die die Tatsachen, die der Rote Morgen schreibt, widerlegen.

Und wenn dem Staat diese Tatsachen nicht passen, weil die Polizisten in der öffentlichen Meinung herabsetzen, dann werden sie per Strafbefehl, per Schnelljustiz, für Lüge erklärt. Das ist ein ungeheuerlicher Anschlag auf die Meinungsfreiheit, auf die Pressefreiheit in unserem Land. Das heißt auf Deutsch: Journalist, schreibt nicht, was du siehst, schreib nicht, was Tatsache ist. Schreib, was die Justiz dir diktiert. Lüge oder zahle. Lüge, oder geh ins Gefängnis …

Dieser Strafbefehl gegen den Vorsitzenden der KPD/ML steht in einer Reihe mit den Anweisungen des Bonner Innenministeriums, künftig gegen jeden Anzeige zu erstatten, der die Methoden mit denen gegen die inhaftierten Mitglieder der Roten Armee Fraktion vorgegangen wird, Isolierhaft nennt. Er steht in einer Reihe mit den in Hunderten und Urteilen gegen Kommunisten und fortschrittliche Menschen, die die Tatsachen in diesem Staat beim richtigen Namen nennen.

Oder nehmen wir die Auflage bei der Demonstration in Duisburg gegen die Verhaftung von Genossen Günther Wagner. Hier wurde noch nicht einmal das Gericht bemüht, um durch klassenrichterlichen Spruch die Wahrheit zu unterdrücken. Hier befahl einfach die Polizei: Es ist verboten, im Zusammenhang mit der Festnahme des Herrn Günther Wagner von Gestapo-Methoden zu sprechen und zu schreiben. Damit tritt die Klassenjustiz die elementarsten Rechte des Volkes mit Füßen. Hier wird die die demokratische Fassade der Meinungsfreiheit vom „Recht im Namen des Volkes“, von „Trennung der Gewalten“, von ihren Erbauern selbst eingerissen.

Der Strafbefehl gegen Genossen Ernst Aust zeigt klar: Es ist sinnlos, an die Vernunft des Staates und seiner Justiz zu appellieren. Die Bourgeoisie kennt nicht Recht und Unrecht. Die Bourgeoisie kennt nur eines: Den Nutzen ihrer Klasse, die Durchsetzung ihrer Ausbeuterinteressen gegen das Volk mit der Gewaltmethode der Polizei, Justiz und Armee. Wer für das Recht und gegen das Unrecht kämpfen will, wer für die Meinungsfreiheit und für die Demokratie des Volkes ist, der muss den revolutionären Klassenkampf im Betrieb, in der Armee und auf der Straße führen.

Genosse Ernst Aust hat gegen den Strafbefehl des Amtsgerichts Würzburg bereits Widerspruch eingelegt. Die Bourgeoisie wird sich der KPD/ML und ihrem Vorsitzenden in der Öffentlichkeit stellen müssen! Wir rufen alle demokratischen, fortschrittlichen und kommunistischen Kräfte und Organisationen auf: Kämpft mit uns gegen diesen Anschlag auf die Meinungsfreiheit der Kommunisten und aller fortschrittlichen Menschen und Organisationen. Freispruch für Genossen Ernst Aust! Stoppt den Terror von Justiz und Polizei! Freiheit für die Kommunistische Agitation und Propaganda! Hände weg von der KPD/ML! Der Kommunismus lässt sich nicht verbieten.“
Q: Roter Morgen Nr. 42/1973, Hamburg, S. 1 und 6.

RM_1973_42_01

RM_1973_42_06


03.11.1973:
Die KPD/ML will heute in Hamburg eine Veranstaltung gegen den Prozess gegen Ernst Aust durchführen.
Q: Roter Morgen Nr. 43/1973, Hamburg, S. 1.

03.11.1973:
Es erscheint der „Rote Morgen“ 43/1973 vom 3. November. Im Artikel: „Freispruch für Genossen Ernst Aust“ heißt es u. a.:

„Im Juni dieses Jahres wurde Genosse Ernst Aust wegen „Billigung von Mord und Verächtlichmachung der Bundesrepublik“ zu 5.000 DM Strafe verurteilt. Am 6. November beginnt in Hamburg der Berufungstermin in diesem Prozess. Am Abend vorher wird eine Kundgebung stattfinden- ein Tribunal, auf dem Genosse Ernst Aust Anklage erheben wird. Er wird zum Kampf aufrufen gegen die Richter des Kapitals, zum Kampf gegen die Ausbeuter in unserem Land, gegen die Kapitalisten und ihren Staat.

In diesem Prozess will die Bourgeoisie versuchen, kommunistische Agitation und Propaganda als „kriminell“ hinzustellen, als „Billigung von Verbrechen.“ „Kriminell‘ ist es nach Meinung der Klassenjustiz, wenn ein Kommunist laut ausspricht, dass die Krupp und Co., die in 2 Weltkriegen Hunderttausende als Kanonenfutter verheizten, noch heute in diesem Staat eine Diktatur über die Werktätigen ausüben. „Kriminell“ ist es, sich mit den verfolgten Mitgliedern der Roten Armee Fraktion zu solidarisieren. „Kriminell“ ist es, dass der Rote Morgen, dessen verantwortlicher Genosse Ernst damals war, den Bombenanschlag auf das Hauptquartier der US-Besatzer in Westdeutschland, jenen Truppen, die in Vietnam die ungeheuerlichsten Gräueltaten vollbrachten, guthieß, bei dem ein Offizier und drei Soldaten getötet wurden.

In der „Urteilsbegründung“ mit der 5. 000 DM Strafe gerechtfertigt werden sollen, versucht die Klassenjustiz, Genossen Ernst und allen Kommunisten „wissenschaftlich“ nachzuweisen, dass der wissenschaftliche Sozialismus falsch und unmenschlich sei.

Genosse Ernst wird dargestellt als blindwütiger Fanatiker: „Die Schuld des Angeklagten besteht darin, nur selbst gelten zu wollen, mit dem Anspruch auf Freiheit nur für sich selbst … Er macht sich zum Oberrichter der Menschheit und denjenigen, der ihm nicht beipflichtet, zum Lakaien der Klassenjustiz.“ Das Gericht weiß auch gleich, woher diese „Schuld“ kommt: „Er hat nach seinen eigenen Angaben als Fräser an der Werkbank gestanden und offenbar Not und Elend (Einsatz in Afrika, britische Kriegsgefangenschaft) reichlich kennengelernt. Er fühlt sich als Bruder unter Werktätigen …“

Dieses „Verbrechen“, sich als „Bruder unter Werktätigen“ zu führen, begeht laut Urteil allerdings nicht nur Genosse Ernst, sondern jeder Kommunist - alle Menschen, die sich auf den Boden des dialektischen Materialismus stellen … Nächster Vorwurf des Gerichts: Ernst „schafft Klassengegensätze„. Dazu heißt es: „Es ist nicht ersichtlich, wer als Prolet gilt. Der Unternehmer offenbar nicht, obwohl möglich ist, dass er als Arbeiter zu den Werktätigen zählt, die länger als üblich arbeiten …“

Dass Genosse Ernst damals nur zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, ist ein Erfolg des konsequenten Kampfes der Partei und vieler fortschrittlicher Menschen gegen den Versuch der Klassenjustiz, kommunistische Agitation und Propaganda zu kriminalisieren. Aber der Kampf muss weitergehen- für einen Freispruch! „Eine Einwirkung auf den Täter durch die Strafe ist überhaupt nicht zu erwarten“ heißt es im Urteil. Richtig! Genosse Ernst wird auch in diesem Berufungsprozess zeigen, dass er ein konsequenter Kommunist ist. Hinter ihm steht die Partei, stehen alle fortschrittlichen Menschen mit der Forderung: Freispruch für Ernst Aust. Freiheit für die kommunistische Agitation und Propaganda.“

Im Artikel „Schnelljustiz“ heißt es: „Genosse Ernst Aust hat schon wieder einen Strafbefehl erhalten, diesmal über 1.587 DM. Grund „Beleidigung“ eines Werkschutzmannes bei BMW in München, der einem Genossen die Tasche gestohlen und daraufhin in der BMW-Betriebszeitung „Roter Anlasser“ wegen seiner SS - Methoden angeprangert wurde. Genosse Ernst legte gegen diesen Strafbefehl Einspruch ein. Statt eine Hauptverhandlung anzusetzen, teilte ihm das Münchener Gericht mit, das Verfahren sei eingestellt. Nun erhielt Genosse Ernst wegen der gleichen Sache einen neuen Strafbefehl. Was ist das anders, als der Versuch, eine öffentliche Verhandlung vor Gericht zu umgehen- aus Angst vor dem mutigen Auftreten des Genossen Ernst vor Gericht.“
Q: Roter Morgen Nr. 43/1973, Hamburg, S. 1 und 7.

RM_1973_43_01

RM_1973_43_07


10.11.1973:
Es erscheint der „Rote Morgen“ 44/1973 vom 10. November. Im Artikel „Berufungstermin in Hamburg. Anklagerede des Genossen Ernst Aust“ heißt es u. a.:

„Am 4. Juli dieses Jahres verurteilte mich das Amtsgericht Hamburg, angeblich im Namen des Volkes, zu einer Geldstrafe von 5.000 DM, ersatzweise 200 Tage Haft, weil ich 1. Das im Grundgesetz der Verfassung der Deutschen Bundesrepublik garantierte sogenannte Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit 2. Das Recht nach Artikel 21 mittels des Zentralorgans der Partei, der KPD/ML, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, in Anspruch genommen habe.

Damit hat das Gericht ganz klar gegen sein eigenes Gesetz, das Grundgesetz, verstoßen, nach dem es nicht die Aufgabe irgendeines Amtsgerichts ist, zu entscheiden, ob ich nach Artikel 18 des Grundgesetzes das Recht auf Presse- und Meinungsfreiheit verwirkt oder nach Artikel 21 Grundgesetz das Parteirecht überschritten habe, sondern einzig und allein des Bundesverfassungsgerichtes. Aber nein, dagegen heißt es heuchlerisch in der Urteilsverkündigung, das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung , das Recht, sich in einer Partei zu organisieren, an der politischen Willensbildung mitzuwirken, soll dem Angeklagten ja unbenommen sein. Zur Debatte stehen allein die betreffenden Paragraphen im Strafgesetzbuch, nach denen aber ist wegen öffentlicher Billigung von Straftaten in zwei Fällen und von öffentlicher Herabsetzung der BRD in zwei Fällen zu verurteilen.

Hier zeigt sich die ganze Verlogenheit der von den Westmächten und ihren westdeutschen Quislingen, dem deutschen Volk im Jahre 1949 aufgezwungene Spalterverfassung, dem Grundgesetz. Die angeblich dem Volk im Grundgesetz garantierten Freiheiten werden prompt durch entsprechende Strafgesetze wieder außer Kraft gesetzt, bzw. erst gar nicht angewandt.

So heißt es in Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar, sie zu achten und zu schützen, ist die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Halten Sie, Herr Richter, es etwa mit der Würde des Menschen vereinbar, politische Gefangene, Mitglieder oder angebliche Mitglieder der RAF, monatelang, ja jahrelang in strenger Isolierhaft zu halten? Ihnen wie bei Carmen Roll, bei der erkennungsdienstlichen Behandlung die Knochen zu brechen und sie zusammenzuschlagen oder sie mit Äther oder Psychopharmaka zu Aussagen zu zwingen? Das sind doch wohl feinere Methoden der Folter!

Oder wie steht es mit Artikel 2 des Grundgesetzes, Absatz 1? „Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit.“ Entfalten sie sich mal als Arbeiterkind zur Persönlichkeit, wenn es nach dem Schulabschluss heißt, mitzuarbeiten, weil das Geld zu Hause nicht reicht … Oder in Absatz 2: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich.“ Hatte denn Ingrid Reppel, Banklehrling in München, kein Recht auf Leben? Als Polizisten, nur um ein paar lausige Banknoten sicherzustellen, ihren sicheren Tod verursachten? Wie verträgt es sich mit dem Recht auf Leben, wenn die modernen Killer- Kommandos der Polizei von ihren Schusswaffen Gebrauch machen um ‘Gegner außer Gefecht‘ zu setzen und heute sogar auf deren wohlkalkulierten Tod getrimmt werden? …

Wie steht es mit dem Passus: „Die Freiheit der Person ist unverletzlich“, wenn kommunistische Arbeiter wie Günther Wagner und Werner Lukas in Nacht- und Nebelaktionen von der Polizei aus den Betrieben heraus oder auf dem Heimweg verschleppt werden, einzig und allein deshalb, weil sie verantwortlich Flugblätter unterzeichnen, die angeblich eine ‘Verleumdung des Staates‘ oder ähnliches enthielten. Verhaftet, ohne dass man ihnen erlaubte, sich mit einem Rechtsanwalt in Verbindung zu setzen oder auch nur ihre Angehörigen zu benachrichtigen. So etwas kann man doch nur schlicht als Freiheitsberaubung im Amt bezeichnen.

Wobei wir schon beim nächsten Artikel des Grundgesetzes, Nr. 3, Absatz 1 wären: „Alle Menschen sind vor dem Grundgesetz gleich.“ Wie gleich sie sind, sieht man an eben diesen beiden genannten Fällen, die man durch tausend ähnliche ergänzen kann. Hier werden Arbeiter wegen einer angeblichen Straftat, die, selbst wenn sie nach bürgerlichem Klassenrecht geahndet wird, normalerweise nur zu einer Geldstrafe führen würde, eingekerkert. Eingekerkert, obwohl sie einen festen Wohnsitz und Arbeit haben. Obwohl weder Flucht- und Verdunkelungsgefahr besteht …

Das heißt, wer arm ist, wer ein Gegner der kapitalistischen Gesellschaftsordnung ist, muss länger brummen. Das ist schon ein Hohn, wenn es in Artikel 3, Absatz 3 Grundgesetz heißt: Niemand darf wegen seiner politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Wissen sie nicht, dass es für einen bekannten Kommunisten schlichtweg unmöglich ist, in einem staatlichen oder in einem großen Betrieb Arbeit zu erhalten? So erhielt ich zum Beispiel trotz beidseitig unterschriebener Arbeitsverträge, nachdem den Herren durch einen Spiegelartikel meine kommunistische Weltanschauung bekannt wurde, vom Rubereid - Werk eine Kündigung mit schriftlicher Begründung , dass sie niemanden einstellen könnten, der die Achse Peking-Tirana nach Hamburg verlängern wolle …

So ist es denn wohl ein schlechter Witz, wenn es in Artikel 4, Absatz 4 des Grundgesetzes heißt: „die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit der religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisse ist unverletzlich.“ Weswegen stehe ich denn hier eigentlich vor Gericht? Doch einzig und allein wegen meines politischen Bekenntnisses, des Marxismus-Leninismus. Da wird mir laut Urteilsbegründung vorgeworfen, ich hätte nach § 90 a StGB die BRD böswillig verächtlich gemacht. Bewusst und gewollt, den demokratischen Rechtsstaat Deutschland (was immer das sein soll) gefährdet.“

Die Begründung zu diesem Vorwurf, man höre und staune: Ich hätte behauptet, es herrscht in der Bundesrepublik die gleiche Klasse von Ausbeutern, die vor 30 Jahren Millionen Menschen auf dem Altar ihrer Profit- und Machtgier opferte. Na und? Will das Gericht etwa ernsthaft behaupten, dass die BRD kein kapitalistischer, kein imperialistischer Staat ist? Was soll sie denn sonst sein? …“
Q: Roter Morgen Nr. 44/1973, Hamburg, S. 6.

RM_1973_44_06


17.11.1973:
Es erscheint der „Rote Morgen“ 45/1973 vom 17. November. Im Artikel „Urteil im Prozess gegen Ernst Aust“ heißt es:

„Im Juni war Genosse Ernst Aust, Vorsitzender unserer Partei, als verantwortlicher Redakteur des Roten Morgen wegen „Beleidigung und Verächtlichmachung der Bundesrepublik“ und „Billigung von Verbrechen“ zu 5.000 DM Geldstrafe, ersatzweise 200 Tage Haft, verurteilt worden. Im Berufungsverfahren am 6. November klagte Genosse Ernst Aust die Klassenjustiz an, mit dem Prozess gegen ihn den Prozess gegen kommunistische Agitation und Propaganda überhaupt zu führen.

Im Kampf gegen die Klassenjustiz konnte ein Teilsieg errungen werden: Statt 5. 000 DN lautet das Urteil nun auf 3. 000 DM Geldstrafe. Doch für uns Kommunisten ist nicht entscheidend, ob kommunistische Agitation und Propaganda mit 2.000 DN mehr oder weniger bestraft wird. Wir fordern Freiheit für die kommunistische Agitation und Propaganda, Freispruch für Ernst Aust. Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt …“

In der „Anklagerede des Genossen Ernst Aust vor Gericht. Eure Wahrheit ist nicht unsere Wahrheit“ wird der Abdruck der Anklagerede von Ernst Aust aus dem „Roten Morgen“ Nr. 44 fortgesetzt. U. a. wird ausgeführt:

„Was den anderen gegen mich erhobenen Vorwurf, der angeblichen „Verherrlichung von Mordtaten“ betrifft, gemeint sind die Bombenanschläge im letzten Jahr auf die amerikanischen Truppen-Hauptquartiere in Frankfurt und Heidelberg, so sind sie eben sowenig Mordtaten wie der Kampf des vietnamesischen Volkes gegen die US-imperialistische Aggressoren …“

Im Folgenden werden die „zahlreichen Verbrechen“ der USA in Ländern wie Korea, Persien, Griechenland, Kongo, Kuba, Chile, Indochina usw. aufgelistet und darauf verwiesen, dass die „Zahl der Völker, die sich im Kampf gegen die Hegemoniebestrebungen und die Macht- und Kanonenbootpolitik der zwei Supermächte zusammenschließen“ immer „größer wird“.

Dann heißt es weiter: „Auch das deutsche Volk wird sich, und das ist so sicher wie das Amen in der Kirche, einreihen in diese Front der gegen die Herrschaft der Supermächte kämpfenden Völker. Es wird ihre Truppen, die sie auf dem Boden unserer Heimat stationiert haben, davonjagen und den Zusammenschluss unseres Vaterlandes in einem einigen, unabhängigen, sozialistischen Deutschland erkämpfen. Nur in diesem Rahmen, im Rahmen des Kampfe der Völker der Welt gegen den mörderischen USA-Imperialismus, der kurz zuvor die Bombardierung der Demokratischen Republik Vietnam wieder aufgenommen hatte, sind die Bombenanschläge von Frankfurt und Heidelberg zu verstehen. Sie waren Kampfhandlungen gegen eine imperialistische Macht.

Als solche hat der Rote Morgen sie erklärt und gutgeheißen … Die vier amerikanischen Offiziere und GI’s, die bei den Bombenangriffen in Heidelberg und Frankfurt ums Leben kamen, waren Soldaten einer Aggressionsarmee, die hier auf deutschem Boden für ihren Einsatz in Vietnam gedrillt werden. Natürlich haben sie, wie jeder Mensch das Recht auf Leben. Aber wer stiehlt es ihnen denn? Doch nicht die, die sich gegen Unterdrückung und Versklavung wehren, die, die sich mit ihnen in der Aktion solidarisieren, sondern die, die sie zur Unterdrückung und Versklavung anderer Völker auf die Schlachtfelder der Kriege schicken? Wir sind keine Pazifisten und Friedensfrömmler. Wir werden der konterrevolutionären Gewalt der herrschenden Klasse stets die revolutionäre, die gerechte Gewalt der Unterdrückten und ausgebeuteten, des Volkes entgegensetzen! …

Wer diese Urteilsbegründung liest, dem wird endgültig klar, dass es in diesem Prozess weder um die ‘öffentliche Billigung von Straftaten‘ noch um eine ‘öffentliche Herabsetzung der Bundesrepublik Deutschland‘ geht, sondern einzig und allein um die Kriminalisierung der kommunistischen Agitation und Propaganda, des Marxismus-Leninismus …

Was hier und heute in der Bundesrepublik geschieht, was sich in der zunehmenden Verfolgung der Kommunisten, der marxistisch-leninistischen Weltanschauung, dem ständigen Abbau demokratischer Rechte, den Polizeieinsätzen gegen Streikende usw. usf. ausdrückt, ist ein Prozess der schleichenden Faschisierung, der Vorbereitung auf die offene faschistische Diktatur. Wir werden uns gegen diesen Prozess mit allen Mitteln zur Wehr setzen. Wir werden versuchen, die Massen im Kampf gegen den ständigen Abbau ihrer demokratischen Rechte zu mobilisieren. Aber nicht mit dem Ziel der Erhaltung dieser sogenannten bürgerlich - parlamentarischen Demokratie, dieser verschleierten Diktatur des Finanzkapitals, sondern mit dem Ziel, ihrer Zerschlagung in der sozialistischen Revolution, der Errichtung der Rätedemokratie, der Diktatur des Proletariats! Der Räteherrschaft, die tausendmal demokratischer ist, als jedes bürgerliche System.

Dass politische Prozesse wie dieser und hunderte andere in der Bundesrepublik heute nur unter schärfsten Sicherheitsmaßnahmen, mit einsatzbereiten Hundertschaften der Polizei, mit Durchsuchung der Zuhörer und bewaffneten ‘Zivilbullen‘ im Gerichtssaal stattfinden, ist kein Zeichen der Stärke, sondern ein erbärmliches Zeichen der Schwäche der bürgerlichen Klassenjustiz, des kapitalistischen Staates. Sie werden mich verurteilen. Noch haben sie die Macht dazu. Aber seien sie versichert: Die deutschen Richter richten solange, bis dass das deutsche Volk sie richtet!! Es lebe die Diktatur des Proletariats. Es lebe das vereinte, unabhängige, sozialistische Deutschland!“
Q: Roter Morgen Nr. 45/1973, Hamburg, S. 1 und 6.

RM_1973_45_01

RM_1973_45_06


29.12.1973:
Es erscheint der „Rote Morgen“ 51/1973 vom 29. Dezember als Sonderausgabe: „55 Jahre KPD - 5 Jahre KPD/ML. Vorwärts mit der KPD/ML.“

Eingegangen wird auch auf den Prozess gegen Ernst Aust. So heißt es: „Hände weg von der KPD/ML. Der Kommunismus lässt sich nicht verbieten. Hamburg 1973: Genoss Ernst Aust, der Vorsitzende der KPD/ML, führt seinen beispielhaften Kampf gegen die Klassenjustiz. Nach seinem Vorbild machen die Genossen überall die politischen Prozesse zu einem Bumerang für die Bourgeoisie.“
Q: Roter Morgen Nr. 51/1973, Hamburg, S. 1.

RM_1973_51_01



[ Zum Seitenanfang ]   [ Zur nächsten Zwischenübersicht ]   [ Zur Hauptübersicht der Datenbank MAO ]