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Hier soll die Broschüre „Der Untergang der Bild-Zeitung“ des SDS-Autorenkollektivs und Springer-Arbeitskreises der Kritischen Universität (KU) in Berlin, die in der ersten Jahreshälte 1969 erschienen ist, vorgestellt werden.
16.05.1969:
Die „Rote Presse-Korrespondenz der Studenten-, Schüler und Arbeiterbewegung“ (RPK) 13/1969 vom 16.5. berichtet über das Erscheinen der Broschüre „Der Untergang der Bild-Zeitung“ des SDS-Autorenkollektivs und Springer-Arbeitskreises der Kritischen Universität (KU) in Berlin. Darin heißt es einleitend:
„Genossen!
Diese Broschüre ist kein Nachruf auf eine beendete Kampagne. Die Springerkampagne geht weiter in den Gerichtssälen, in denen Studenten, angeklagt des Aufruhrs gegen Springer, die Anklage gegen die Richter und gegen Springer kehren. Sie geht weiter in den Schulen, wo Lehrer mit ihrem Latein am Ende sind, wenn sie von Schülern nach einer Erklärung des Wortes Manipulation gefragt werden. Sie wird überall dort fortgesetzt, wo es noch notwendig ist, die Ideologie des demokratischen Staats mit radikaldemokratischer Kritik zu entlarven. Aber dies ist nicht die einzige Gestalt, in der die Springerkampagne fortgeführt wird. Sie hat sich in neue Formen des politischen Kampfes transformiert. In den Basisgruppen, in den Lehrlings- und Schülerkollektiven, in den Ad-hoc-Gruppen an der Universität hat der Kampf gegen Springer seine richtige Fortführung und zugleich seine praktische Kritik gefunden. Der Zusammenhang, der zwischen der Arbeit dieser revolutionären Gruppen und der damals im Rahmen der Springerkampagne geführten Diskussion über Manipulation besteht, ist jedoch so wenig zur theoretischen Erfahrung der Studentenbewegung geworden, dass wir es für richtig halten, diese Diskussion wieder aufzunehmen und Konsequenzen daraus zu ziehen. Sie sind nötig, wenn wir in der Übergangsphase, in der sich die Studentenbewegung befindet, Fehler vermeiden wollen.
Die Kampagne gegen Springer wurde von allen, die daran teilnahmen, verstanden als exemplarische Kampagne gegen die Sphäre der Manipulation, mit der die Studenten, wie Rudi damals sagte, eine neue Phase ihres Kampfes eröffneten. Die Hoffnung vieler Genossen, dass die entscheidende Barriere fiele, wenn die Manipulation zerschlagen werde, beruhte auf der Vorstellung, dass die Manipulation ein besonderer, ablösbarer Bereich der kapitalistischen Herrschaft sei und darum auch als gesonderte Herrschaftsform bekämpfbar. Sie hofften, dass wenn der ‚Schleier der Manipulation‘ weggerissen wäre, die Unterdrückten den wirklichen Gegner erkennen und den Kampf gegen ihn aufnehmen würden.
Durch die Springerkampagne wurde jedoch zweierlei deutlich:
Wir fanden in der Welt der BILD-Zeitung mehr von der Gewalt der kapitalistischen Gesellschaft und mehr von den Triebkräften zu ihrer Sturz, als wir uns zuerst haben denken können. Sehr bald mussten wir darum den Versuch aufgeben, die BILD-Zeitung an der bürgerlichen Presse zu messen. Was in der BILD-Zeitung erschien, war einzig zu messen an der wirklichen Lage des Proletariats. Die Analyse der Manipulationsmechanismen gibt darüber wenig Auskunft.
Unsere Kampagne gegen Springer erreichte in den Osteraktionen ihren Höhepunkt. In diesen Kämpfen trat für alle kenntlich unser wirklicher Gegner auf den Plan: der kapitalistische Staatsapparat. Von Problemen der Ideologie und der Bewusstseinsmanipulation war dabei nicht mehr die Rede. Die Arbeiter, mit denen wir sprachen, konnten diesem Problem kein Interesse abgewinnen. Was sie interessierte, war einzig die Machtfrage.
Das heißt: Wir hatten die Illusion zu verabschieden, durch Entlarvung der Manipulateure Agitation betreiben zu können. Das Problem der Agitation enthüllte sich uns als nicht trennbar vom praktischen Kampf gegen den Staatsapparat. Die Mairevolte in Frankreich zeigte, dass in dem Augenblick, da dieser Kampf die Qualität des offenen Klassenkampfe annimmt und der Staatsapparat tatsächlich ins Wanken gerät, die Macht der Manipulation wie ein Spuk verschwindet. Reflexe davon ließen sich selbst in der BILD-Zeitung ablesen, die den Mai-Ereignissen sprach gegenüberstand und auf die Techniken der bürgerlichen Presse zurückgreifen musste, um überhaupt etwas berichten zu können. Der Untergang der BILD-Zeitung wurde nicht mit unserer Kampagne gegen Manipulation eingeleitet, sondern mit den ersten Versuchen der Zusammenarbeit des gemeinsamen Kampfes mit der Arbeiterklasse. Dies ist das theoretische Ergebnis der Springerkampagne. Als uns das spätestens Ostern klar wurde, begann der Springer-Arbeitskreis der Kritischen Universität sich aufzulösen. Für die meisten, die an dem Arbeitskreis teilgenommen hatten, war es eine selbstverständliche Konsequenz, in die Basisgruppen und Ad-hoc-Gruppen zu gehen. Für sie war dies nicht der Abbruch der Kampagne, sondern deren Fortführung auf der richtigen Grundlage.
Das Problem der Manipulation hatte jedoch nicht aufgehört zu bestehen, aber wir hatten unseren Begriff von Manipulation und die Form unseres Kampfes gegen die Manipulation zu verändern. Den Prozess, in dem wir diese Erfahrung machten, haben wir in unserer Broschüre festzuhalten versucht. Sie enthält in ihrem ersten Teil Reden und Referate des KU-Arbeitskreises, die auf einer Veranstaltung im Februar 1968 in der Technischen Universität Berlin gehalten wurden. Wir drucken diese Referate als Dokumente ab, an denen sich der Weg von den ideologiekritischen Versuchen der Entlarvung Springers bis zu dem Punkt ablesen lässt, an dem - und hierfür steht der Wiederabdruck von Springers ‚Psychoanalyse der BILD-Zeitung‘ - der Bankrott der kritischen Wissenschaft offenkundig wurde. Daran schließen sich Arbeiten an, die die Rolle Springers in dem Selbstaufklärungsprozess der Studenten zu beschreiben versuchen, in dem wir uns selbst, unseren Feind und unsere Bundesgenossen erkannten.“
Inhalt der Broschüre ist:
Die Broschüre hat 147 Seiten.
Das „Verlagshaus Axel Springer“ schrieb in seiner Broschüre „Das Springer-Monopol. Eine Klarstellung“ zu den Angriffen einleitend: „Gegen das Verlagshaus Alex Springer wird seit einiger Zeit eine heftige Agitation betrieben. Daran beteiligen sich Vertreter der extremen Linken und Rechten genauso wie Verlage der Konkurrenz … Die Forderung nach einer ‚Enteignung Springers‘ und die Aufrufe zu Boykott-Aktionen stehen im offenen Widerspruch zu den Rechtsgrundlagen der Bundesrepublik. Die Drohung mit terroristischen ‚außerparlamentarischen Aktionen‘ machen die Agitation zu einem Politikum ersten Ranges.“
Quellen: Rote Presse-Korrespondenz der Studenten-, Schüler und Arbeiterbewegung, 1. Jg., Nr. 13, 16.5.1969, S. 9ff.; SDS-Autorenkollektiv/Springer-Arbeitskreis der KU (Hrsg.): Der Untergang der Bild-Zeitung, o. O., o. J. (Berlin 1969); Verlagshaus Axel Springer, Abt. Information Berlin: Das Springer-Monopol. Eine Klarstellung, Berlin (West), o. J. (1967).
Letzte Änderungen: 16.7.2013
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