Baden-Württemberg:
Bauindustrie und Industriegewerkschaft Bau-Steine-Erden (BSE)

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, 10.4.2010

In der baden-württembergischen Bauindustrie waren, nach unserer unvollständigen Quellenauswertung, linksradikale Gruppen nur relativ selten aktiv. Zwar gab es offenbar ab und an, wie in Heidelberg (vgl. 19.6.1969) spontane Solidaritätsbekundungen durch Bauarbeiter für linke Aktionen, oder auch enthüllende Berichte über die Zustände auf dem Bau wie in Weinheim (vgl. Mai 1970) oder Hirschau bei Tübingen (vgl. 5.5.1973) sowie über die rumänischen Gastarbeiter in Göppingen (vgl. 5.8.1970) bzw. Betriebsverlegungen von Rottenburg nach Stuttgart (vgl. 31.7.1972) oder gar Stillegungen wie in Tauberbischofsheim 8vgl. 31.8.1975), organisierte Aktivitäten aber gab es vermutlich zunächst wesentlich nur in Stuttgart seitens der Spartacisten (vgl. 17.10.1971) und des KABD, der die Fachgruppe Architektur- und Ingenieurbüros angeregt zu haben scheint (vgl. 17.12.1972), - die auch in Berlin der radikalen Linken als Hochburg diente, - in Freiburg durch die Freunde des Bundes Kommunistischer Arbeiter (BKA) bzw. des Kommunistischen Jugendbundes (KJB), aus denen dann später die Aufbauzelle Bau des KBW Ortsgruppe Freiburg hervorging (vgl. 13.4.1972, 5.12.1973, 16.1.1974, 20.2.974) und in Göppingen eventuell seitens der Freunde der KPD (vgl. 11.7.1973), die später dann auch in Stuttgart (vgl. 5.3.1975, 19.3.1975) sowie Lörrach (vgl. 1.5.1976, 29.11.1976) in Baubetrieben aktiv gewesen zu sein scheinen.

Den vorläufigen Abschluss dieser Darstellung bilden Berichte des damals vor allem in Südbayern beheimateten Arbeiterbundes, nicht zuletzt über den auch in Bayern durchgeführten Bauarbeiterstreik 1977 (vgl. 20.3.1977, Juli 1977).

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

19.06.1969:
Der SDS Heidelberg (vgl. Aug. 1969) berichtet von den Aktionen Roter Punkt (ARP) gegen die Fahrpreiserhöhungen (vgl. 18.6.1969):"
Am Donnerstagabend wurde auf einer Massenversammlung der Abbruch der Aktionen beschlossen. Auf diesem teach'in, auf dem auch die DKP auftrat, wurde noch einmal eine strategische Bestimmung der Aktion versucht. Die Mehrheit stimmte deshalb für Abbruch, weil es keinen Sinn hatte, nach dem eindeutigen politischen Erfolg um weitere Pfennige zu feilschen, da klar war, dass die Aktion keine neue Qualität bekommen könnte, nachdem die HSB schon angekündigt hatte, den Verkehr bei weiteren Aktionen nicht wieder aufzunehmen. Ohne Blockade aber wäre der Rote-Punkte-Verkehr zum blossen Dienstleistungsbetrieb verkommen, so daß es für die Massen unmöglich gewesen wäre, selbst aktiv in die Auseinandersetzung einzugreifen. Jede Fortsetzung der Aktion hätte den stellvertretenden Charakter der Aktion verstärkt, ohne ihren exemplarischen Wert zu erhöhen. Zwar hatten mehrere Belegschaften Resolutionen verfasst (übrigens meist mit völlig systemimmanenter Argumentation) und war es auf einer Baustelle zur Arbeitsniederlegung und Teilnahme an der Blockade gekommen als der Polizeieinsatz bekannt geworden war (in einem Metallbetrieb konnte eine ähnlich aktive Solidarisierung nur mit massiver Einschüchterung unterdrückt werden), doch konnte nicht erwartet weiden, dass eine bloße Fortsetzung des Rote-Punkte-Verkehrs eine Stärkung dieser Tendenzen bedeutet hätte. Viel eher kam es jetzt darauf an, daß die Studenten und Schüler offen legten, allein keine Steigerung der Aktion herbeiführen zu können, die nur in partiellen Streiks zur Durchsetzung der Parole "Freie Fahrt zum Arbeitsplatz" bestehen konnte."
Quelle: Rote Presse Korrespondenz Nr.31,Berlin 19.9.1969

Mai 1970:
Der KJVD der späteren KPD/ML-ZB (vgl. Juni 1970) berichtet vermutlich aus dem Mai aus dem BSE-Bereich:"
WIE IM MITTELALTER

In der Weinheimer Baufirma Heinrich Georg ereignete sich folgendes:
Ein Lehrling hat zweimal in der Woche Berufsschule. Nachmittags mußte er wieder auf die Baustelle. Bisher war es so üblich, daß der Lehrling ungefähr eine Stunde nach der Berufsschule auf der Baustelle erschien. Der Meister war damit einverstanden. Als der Chef von dieser Regelung erfuhr, wartete er, bis der Lehrling auf der Baustelle erschien. DANN GAB ER IHM VOLLER WUT EIN PAAR OHRFEIGEN, OHNE MIT IHM GEREDET ZU HABEN. Der Chef wußte also, daß der Lehrling später kommt (der Meister hatte ihn davon unterrichtet). Trotzdem schlug er den Lehrling.

Glaubt jemand im Ernst, daß man diesen Fall als kleinen Ausrutscher des Chefs bezeichnen kann? - Wir nicht! Wir sind der Meinung, daß die zwei Ohrfeigen nur ein Teil all der Mittel waren, die der Chef auf Lager hat, um sie mundtot zu machen. DER KAPITALIST RECHNET NÄMLICH DAMIT, DASS ER EINGESCHÜCHTERTE LEHRLINGE ZU DOPPELTER ARBEITSLEISTUNG ODER ÜBERSTUNDEN ANTREIBEN KANN, OHNE DASS SIE SICH DAGEGEN WEHREN.

(Übrigens, nach einer öffentlichen Umfrage sind schon ungefähr 14% aller Lehrlinge von ihren Ausbildern geschlagen worden.)"
Q: Der Kampf der Arbeiterjugend Nr.2,Bochum o.J. (1970),S.17

05.08.1970:
In Berlin gibt die KPD/AO bei AEG-Telefunken die Nr.7 der 'Kommunistischen Arbeiterpresse' (vgl. 15.7.1970, 26.8.1970) heraus, die sich u.a. beschäftigt mit rumänischen Bauarbeitern, die außer in Berlin auch in Göppingen in Baden-Württemberg zu finden sind.
Q: Kommunistische Arbeiterpresse AEG Telefunken Nr.7,Berlin 5.8.1970

17.10.1971:
Innerhalb der KJO Spartacus erscheint, nach diesem Tage, das 'Interne Diskussions Bulletin' Nr.8/9 (vgl. Feb. 1972). Die zehnköpfige Ortsgruppe Stuttgart berichtet, daß sie in der IGM und der DruPa arbeitet. Bald werde auch die Arbeit in der HBV aufgenommen und ein BSE-Projekt gäbe es auch schon.
Q: KJO Spartacus:Internes Diskussions Bulletin Nr.8/9,o.O. Okt. 1971

13.04.1972:
In Freiburg erscheint vom Maikomitee der Gewerkschaftsjugendgruppen bzw. vom Gewerkschaftlichen Maikomitee der Jugendgruppen der BSE, DruPa, HBV, IGM Emmendingen; OJA der IGM Freiburg; Arbeitskreis Junger Metaller Freiburg (vgl. 5.4.1972, 14.4.1972) ein Flugblatt:"
HERAUS ZUM 1.MAI

Die Jugendgruppen der Einzelgewerkschaften Bau-Steine-Erden, IG Druck und Papier, Handel-Banken-Versicherung, Öffentlicher Dienst-Transport-Verkehr, der Ortsjugendausschuß der IG Metall, der Arbeitskreis Junger Metaller, sowie die Jugendgruppe der IG Metall Emmendingen, haben durch gewählte Vertreter ein gemeinsames Maikomitee gewählt und diesem Komitee den Auftrag erteilt, eine gewerkschaftliche Maidemonstration vorzubereiten."
Q: Maikomitee der Gewerkschaftsjugendgruppen:Heraus zum 1.Mai,Emmendingen/Freiburg 12.4.1972

31.07.1972:
Der KABD (vgl. 21.8.1972) berichtet:"
Anfang August hatte die Rottenburger Fertighaus-Baufirma 'Rolu-Normenbau AG' ihr Büro in Stuttgart aufgelöst und nach Rottenburg verlegt. Die 37 Angestellten waren erst am 30. 7. von diesem Schritt unterrichtet worden. Nur 8 nahmen in Rottenburg die Arbeit auf. Die übrigen Angestellten weigern sich, 60 km zum Arbeitsplatz zu fahren."
Q: Kommunistische Pressekorrespondenz Nr.33,Tübingen 21.8.1972,S.5

17.12.1972:
Die Ortsgruppe Stuttgart der KJO Spartacus verfaßt ein Papier "Ergebnisse und Perspektiven der Arbeit der Stgt. OG", welches u.a. einen Lagebericht aus der linken und gewerkschaftlichen Szene beinhaltet. In der BSE gäbe es eine von der ML initiierte Fachgruppe Architektur- und Ingenieurbüros.
Q: KJO Spartacus-OG Stuttgart:Ergebnisse und Perspektiven der Arbeit der Stgt. OG,Stuttgart 17.12.1972

05.05.1973:
Die KPD/ML-ZK gibt ihren 'Roten Morgen' (RM) Nr.17 (vgl. 28.4.1973, 12.5.1973) heraus. Berichtet wird auch aus Hirschau bei Tübingen aus dem Baugewerbe (BSE-Bereich) in Oberndorf, wo u.a. Italiener und Jugendliche arbeiten.
Q: Roter Morgen Nr.17,Dortmund 5.5.1973

11.07.1973:
Die KPD gibt die Nr.28 ihrer 'Roten Fahne' (vgl. 4.7.1973, 18.7.1973) heraus. Berichtet wird auch vom Komitee gegen den US-Truppenübungsplatz in Göppingen und Geislingen (vgl. 30.6.1973), dessen Linie in Geislingen auch von den Jugendgruppen der IG Metall (IGM) und der IG Bau (BSE) unterstützt werde.
Q: Rote Fahne Nr.28,Dortmund 11.7.1973

05.12.1973:
Der KBW gibt seine 'KVZ' Nr.8 (vgl. 22.11.1973, 19.12.1973) heraus. In Freiburg gab es 7 Ausschlüsse aus der IG Metall (IGM) Verwaltungsstelle aufgrund der Unvereinbarkeitsbeschlüsse (UVB). Solidarisch mit den Ausgeschlossen hätten sich erklärt: die DPG Jugend Freiburg, die DGB Jugend Waldkirch, die IG BSE Jugend Freiburg, die IG DruPa Jugend Freiburg und der IGM Ortsverein Emmendingen.
Q: Kommunistische Volkszeitung Nr.8,Mannheim 5.12.1973

16.01.1974:
In Freiburg wird die Veranstaltung des KBW "Kampf den Notstands- und Krisenmaßnahmen der Bourgeoisie", laut KJB, von rund 600 Lehrlingen, Lehrern, Schülern, Studenten und Kollegen (u.a. vom Bau, von Hellige, der Post und der DruPa) sowie von KPD und KPD/ML besucht.
Q: Kommunistische Jugendzeitung Nr.1,Freiburg/Waldkirch 11.2.1974

20.02.1974:
Der KBW gibt seine 'Kommunistische Volkszeitung' (KVZ - vgl. 6.2.1974, 6.3.1974) Nr.4 heraus. Berichtet wird auch aus Freiburg durch die Aufbauzelle Bau (BSE-Bereich).
Q: Kommunistische Volkszeitung Nr.4,Mannheim 20.2.1974

05.03.1975:
Die KPD gibt ihre 'Rote Fahne' (RF) Nr.9 (vgl. 26.2.1975, 12.3.1975) heraus. Eingegangen wird auch auf die Stuttgarter Baufirmen Härer und Epple (BSE-Bereich). Weiter wird berichtet auch von Wyhl bei Freiburg (vgl. 1.3.1975), wobei sowohl auf die Bauarbeiter des AKW als auch auf die Polizisten in ihrer Eigenschaft als Lohnabhängige Bezug genommen wird.
Q: Rote Fahne Nr.9,Köln 5.3.1975

19.03.1975:
Die KPD gibt die Nr.11 ihrer 'Roten Fahne' (RF - vgl. 12.3.1975, 26.3.1975) heraus. Eingegangen wird auch auf die Stuttgarter Baufirmen Härer und Epple (BSE-Bereich).
Q: Rote Fahne Nr.11,Köln 19.3.1975

31.08.1975:
Die SAG gibt ihren 'Klassenkampf' Nr.49 (vgl. 17.6.1975, 15.10.1975) heraus. Aus Baden-Württemberg wird auch berichtet über die Schließung der Baufirma Jana KG in Tauberbischofsheim (680 Besch.). Aus Hessen wird berichtet im Zusammenhang mit der Schließung der Jana KG Tauberbischofsheim über Arbeitslose und Bauindustrie im Odenwaldkreis (ODW).
Q: Klassenkampf Nr.49,Frankfurt 31.8.1975

01.05.1976:
In Lörrach rief, laut KPD, u.a. das Maikomitee junger Gewerkschafter aus vier Gewerkschaften, u.a. der IG BSE, zu Aktionen auf (vgl. 29.11.1976).
Q: Rote Fahne Nr.49,Köln 8.12.1976

29.11.1976:
In Lörrach wird, laut KPD, vermutlich in dieser Woche ihr Anhänger Werner Bauer aufgrund der UVB durch die Bezirksleitung Südbaden in Freiburg aus der IG BSE ausgeschlossen. Bauer, der in der BSE JG Lörrach und der BSE Ortsverwaltung Lörrach, Weil, Schopfheim und Rheinfelden tätig ist, hatte dort 1976 u.a. mit der BSE JG ein Maikomitee junger Gewerkschafter aus vier Gewerkschaften gegründet, das sich auch gegen die DKP wandte, weswegen er nun ausgeschlossen wurde.
Q: Rote Fahne Nr.49,Köln 8.12.1976

20.03.1977:
Der AB gibt seine 'Kommunistische Arbeiterzeitung' Nr.108 (vgl. 6.3.1977, 3.4.1977) heraus. Mit Hilfe des 'Alb-Boten' wird berichtet aus dem DGB Ortskartell Münsingen, in dem auch die BSE vertreten ist.
Q: Kommunistische Arbeiterzeitung Nr.108,München 20.3.1977

Juli 1977:
Vermutlich im Juli findet, laut AB, ein siebzehntägiger Bauarbeiterstreik in Tuttlingen statt.
Q: Kommunistische Arbeiterzeitung Nr.117/118,München 26.7.1977

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