Kommunistische Jugendzeitung - Zeitung des Kommunistischen Jugendbundes, Jg. 1, Extrablatt 500 DM für Lehrlinge ... Utopie?, Juli 1971

Juli 1971:
Der Kommunistische Jugendbund (KJB) des BKA Freiburg gibt ein zweiseitiges Extrablatt seiner 'Kommunistischen Jugendzeitung' (KJZ - vgl. 28.6.1971, Sept. 1971) unter der Überschrift "500 DM für Lehrlinge … Utopie?" heraus, in dem es heißt: "
Viele sagten nach dem Erscheinen der Nr. 2 unserer KJZ:
'Die Forderung mit den 500 Mark für alle Lehrlinge ist utopisch, das kriegen wir doch nie durch.'Zunächst wollen wir noch einmal dazu Stellung nehmen, warum wir diese Forderung für richtig halten. Bei vielen von uns ist die Situation daheim äußerst gespannt. Die meisten Wohnungen sind zu klein, schlecht gebaut, hellhörig. Wenn der Vater abends von der Arbeit heimkommt, ist er abgespannt, kaputt, will seine Ruhe. Oft kommt es wegen Kleinigkeiten zu Auseinandersetzungen, die aufreibende Arbeit macht die Nerven kaputt. Die Mutter muß oft mitarbeiten, mit den 800 Mark, die der Vater Netto heimbringt, können noch nicht einmal die notwendigsten Anschaffungen gemacht werden. Die Mutter muß dann noch abends Hausarbeit machen, oft ist man sich gegenseitig im Weg. Selbst wenn man ein eigenes Zimmer hat, hat man im Grunde doch keines: abends 'nen Kumpel oder gar ein Mädchen mitbringen gibt meistens Schwierigkeiten. Der Vater wird selbst den ganzen Tag über gedrückt, muß parieren, manchmal dreht er dann den Spieß daheim um. Die angestaute Wut über die ganze Unterdrückung, über die unbefriedigende Arbeit wird dann oft an uns rausgelassen. Schuld an all dem sind weder wir, noch unsere Eltern, es sind die Verhältnisse unter denen wir leben. Die Angst, daß man als Arbeiter oder Angestellter nicht mehr genug leistet, daß man 'unangenehm' aufgefallen ist, daß man bei der nächsten Gelegenheit rausfliegt und eines Tages, in der Krise, arbeitslos wird, die unbefriedigende und aufreibende Arbeit, die man nur ableistet, damit man seinen Lohn erhält, die Sorgen mit der Gesundheit, die schlechten Wohnungen. All das hat seine Grundlage darin, daß in dieser kapitalistischen Gesellschaft alles auf den Profit, nicht auf die Bedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung abgestellt ist. Die Produktionsverhältnisse, die Herrschaft der Kapitalisten über die Arbeiterklasse auf Grund der Tatsache, daß den Kapitalisten alle Maschinen, Fabriken, Rohstoffe gehören, und der Arbeiter nur seine Arbeitskraft hat, und die verkaufen muß um leben zu können, diese Produktionsverhältnisse sind die Grundlage für das ganze Übel in der kapitalistischen Gesellschaft. Erst wenn die Arbeiterklasse in einer Revolution die Staatsmacht erkämpft hat und dann die Produktionsverhältnisse ändert, die arbeitende Bevölkerung also die Macht über die Produktion erlangt hat, kann sich alles übrige, das Verhältnis zwischen den Menschen, ihre Ansichten, ändern. Die Proletarische Revolution, das Wegfegen der Kapitalisten und all ihrer Handlanger ist also eine Voraussetzung dafür, daß die arbeitende Bevölkerung das gesamte Leben nach ihren Bedürfnissen gestaltet.

Heißt das aber, daß wir darauf verzichten in einer breiten Front für Verbesserungen in diesem kapitalistischen System zu kämpfen? Mit Sicherheit nicht! 500 Mark im Monat, das wäre eine solche wichtige Verbesserung. Wir würden unseren Eltern nicht mehr so auf der Tasche liegen. Für unsere Eltern, Arbeiter und kleine Angestellte, wäre das eine Erleichterung, wenn sie nichts mehr für uns zuschießen müßten. Und für uns wäre es eine Erleichterung zu wissen, daß wir genug haben um selbständig leben zu können. Selbständig leben, das kann auch heißen, ein eigenes Zimmer zu nehmen, wenn die Verhältnisse daheim so gespannt sind, wie wir es vorhin beschrieben haben.

Also berechtigt ist die Forderung nach 500 Mark für alle, ist sie auch durchsetzbar? Warum nicht!! Die Arbeiterklasse hat sich im Kapitalismus schon eine Reihe von Verbesserungen erkämpft, die natürlich nicht das kapitalistische System, die Ausbeutung der Arbeiterklasse beseitigt haben, deren Durchsetzung aber doch der Arbeiterklasse ihre Macht gezeigt haben, denken wir nur an den Kampf für den 8 Stundentag. Andererseits müssen wir sehen, daß die Kapitalisten ihre Zugeständnisse machen um Schlimmeres zu verhüten, so z.B. in der Revolution in Deutschland 1918 das Zugeständnis Betriebsräte in den Betrieben einzurichten, um die wirkliche Räterepublik, die Diktatur des Proletariats, abzuwenden. Aber diese Kämpfe um Verbesserungen haben ihren wichtigen Sinn, wenn sie unsere Einheit und Kampfbereitschaft gegen die Kapitalisten stärken. Warum sollen wir also die 500 Mark Forderung nicht durchsetzen können, wenn wir zusammenhalten und die Unterstützung unserer älteren Kollegen, der Arbeiter und Angestellten gewinnen. Das ist sicherlich schwierig, weil es da noch viele Vorurteile gibt. Aber diese ganzen Schwierigkeiten sind doch nur da, um aus dem Weg geräumt zu werden!

Lehrlinge, diskutiert in der Berufsschule und im Betrieb über unser Flugblatt. Sprecht mit unseren Verteilern und macht Gesprächstermine mit ihnen ab. Kommt in unsere Schulungsgruppen."
Q: Kommunistische Jugendzeitung Extrablatt 500 DM für Lehrlinge … Utopie?, Freiburg Juli 1971

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