Baden-Württemberg - Hochschulen:
Sternmarsch in Stuttgart am 15. Juni 1971

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, 26.4.2019


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Der Sternmarsch in Stuttgart, an dem sich alle linken Fraktionen beteiligten, besaß vor allem Bedeutung für die Anhänger des KAB/ML, die die Vorbereitung und die Aktion selbst dominierten, da sie sich landesweit als politische Kraft an den Hochschulen und auch Schulen profilieren konnten.

Auszug aus der Datenbank "Materialien zur Analyse von Opposition" (MAO)

11.06.1971:
Der Marxistische Studentenbund (MSB) Spartakus an der Uni Heidelberg gibt das Flugblatt "Solidarität mit allen PH-, Ingenieur- und Fachhochschulstudenten" heraus zur gestrigen Sitzung des Zentralen Aktionskomitees (ZAK) aller Asten in Baden-Württemberg für den Sternmarsch am 15.6.1971, wobei die ML-Gruppen Tübingen / Stuttgart / Ludwigsburg um den 'Roten Pfeil', "die eindeutig das Verhalten des ZAK bestimmen, eine absolut falsche und schärfstens zu verurteilende Politik betreiben, da sie es sind, die das breitest mögliche Bündnis aller BaWü-Studenten … sabotiert haben." Die ML fordere die "gewerkschaftliche Organisation der Studenten" und stelle die Parole auf: "Mitbestimmung in den Gremien = Mitarbeit am Betrug".

Aufgerufen wird zum Sternmarsch in Stuttgart und zur zentralen BAFöG-Demonstration in Frankfurt am 25.6.1971.
Quelle: MSB: Solidarität mit allen PH-, Ingenieur- und Fachhochschulstudenten, Heidelberg 11.6.1971

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15.06.1971:
In Stuttgart demonstrieren, laut und mit KAB/ML, MLSG, KSG (vgl. Juni 1971) und RJ/ML (vgl. Juli 1971), 19 000 bzw. gar mehr als 19 000 Schüler und Studenten aus ganz Baden-Württemberg gegen die Abschaffung der Asten bzw. der Verfaßten Studentenschaft (VS) und der Studentenparlamente (StuPas) durch das Hochschulrahmengesetz (HRG) bzw. das PH- und FHS-Gesetz. Die KSG des KAB/ML erwähnt auch die vormittäglichen Aktionen in Aalen, Reutlingen, Tübingen und Ulm und führt aus: "Der Stuttgarter Sternmarsch hat die Tür aufgestoßen: hier wurde eine neue Etappe eingeleitet in der Geschichte der westdeutschen Studentenbewegung."

Die KSG veröffentlicht auch die Artikel "Erfahrungen beim Kampf um die Aktionseinheit" von der Vorbereitung des Sternmarsches an der Staatsbauschule Stuttgart und landesweit sowie "Der Stuttgarter Sternmarsch - ein Spiegel des Klassenkampfes".

Die Gruppe Roter Pfeil Darmstadt berichtet vom Massenkampf bzw. dem Sternmarsch auf Stuttgart:"
19 000 Studenten aus ganz Baden-Württemberg demonstrierten gegen die Zwangsauflösung der Verfaßten Studentenschaft, gegen die reaktionären Hochschulgesetze und für freie gewerkschaftliche und politische Betätigung an den Hochschulen. Ausdrücklich wandten sich die Studenten gegen den Mitbestimmungsbetrug und brachten zum Ausdruck, daß eine Mitarbeit in den Hochschulgremien für sie nicht in Frage kommt."

Die KSG/ML Frankfurt des KAB/ML berichtet:"
15 000 STUDENTEN DEMONSTRIEREN HEUTE!
FÜR DIE VERTEIDIGUNG DER VERFASSTEN STUDENTENSCHAFT
GEGEN DEN MITBESTIMMUNGSBETRUG IN DEN GREMIEN
BOYKOTT DEN BETRUGSGREMIEN
FÜR DEN AUFBAU EINER UNABHÄNGIGEN UND GEWERKSCHAFTLICHEN ORGANISATION

Für diese Forderungen streiken die Studenten aller Ingenieurschulen Baden-Württembergs. Ihnen haben sich fast alle Pädagogischen Hochschulen und Universitäten in diesem Raum angeschlossen. Sie solidarisieren sich in Warn- und Informationsstreiks mit den Ingenieurstudenten.

40 Hochschulen haben sich unter gemeinsamen Losungen zu einer Aktionseinheit zusammengeschlossen; sie werden heute durch einen zentralen Sternmarsch nach Stuttgart ihre Kampfbereitschaft demonstrieren. Damit erreicht der Kampf der Studenten gegen die Angriffe der reaktionären Kultusbürokratie seinen vorläufigen Höhepunkt.

WOGEGEN RICHTET SICH DIESER MASSIVE WIDERSTAND?

Schon im Sommersemester 1969 versuchte das Kultusministerium Baden-Württemberg, die Interessenvertretungen der Studenten, AStA, Studentenparlament und Fachschaften zu zerschlagen. Im gemeinsamen Kampf und durch große Streiks konnten die Studenten diesen Angriff auf ihre Interessenvertretung abwehren und die Durchführung der Zwangsauflösung verhindern.

Dennoch wurde der Paragraph 68a ins Hochschulgesetz aufgenommen.

Paragraph 68a Aufhebung der Studentenschaften

Die Studentenschaften als Gliedkörperschaften der Universitäten werden aufgehoben, sobald durch ein besonderes Gesetz die Fortführung der Aufgaben der bisherigen Studentenschaften gewährleistet ist.

Zwei Jahre lang versuchte die Kultusbürokratie erfolglos, diesen Paragraphen in die Tat umzusetzen. Jetzt sollen die Absichten des imperialistischen Staates - die Verhinderung des gemeinsamen Kampfes der Studenten für ihre Interessen - durch die Handlanger in Baden-Württemberg verwirklicht werden: das neue Fachhochschulgesetz und das Statusgesetz der Pädagogischen Hochschulen sieht die verfaßte Studentenschaft nicht mehr vor! Doch die Studenten Baden-Württembergs sind fest entschlossen, diesen antidemokratischen Angriff abzuwehren.

DOPPELTAKTIK DER BOURGEOISIE: GEWALT UND BETRUG

Der Angriff auf die verfaßte Studentenschaft ist nur die eine Seite der Medaille. Parallel dazu werden 'Mitbestimmungsgremien' (Fachbereichskonferenzen usw.) eingeführt und als 'neue' Möglichkeit unserer Interessenvertretung angepriesen. Mit der Einführung der Gremien sollen wir Studenten wieder zur Zusammenarbeit mit der Bourgeoisie gezwungen und vom Weg des aktiven Massenkampfes abgelenkt werden.

Die Taktik der 'Mitbestimmung' war schon immer ein beliebtes Mittel der Bourgeoisie, um den Kampf der Massen zu unterdrücken:
- nach dem zweiten imperialistischen Weltkrieg, als eine breite Bewegung die Sozialisierung der Betriebe forderte, mit der Einführung der Montanmitbestimmung; auf der anderen Seite standen das reaktionäre Betriebsverfassungsgesetz und das KPD-Verbot.
- im Pariser Mai mit dem Angebot der 'participation' bei gleichzeitigem Verbot politischer Gruppen.
- heute mit der Mitbestimmungspropaganda aller politischen Parteien, inclusive der Unternehmerverbände; zugleich Notstandsgesetze, Neuauflage des Adenauer-BVG, Ausbau des Bundesgrenzschutzes zur Bürgerkriegstruppe.

Diese Doppeltaktik der Bourgeoisie haben die Studenten in Baden-Württemberg klar erkannt: deshalb kämpfen sie durch aktiven Boykott gegen die Mitbestimmungsgremien!"

An anderer Stelle berichtet die KSG/ML Frankfurt:"
Stuttgart erlebte am Dienstag seine größte Studentendemonstration: 19 000 Kommilitonen von 40 Hochschulen Baden-Württembergs trugen in einem zentralen Sternmarsch ihre Forderungen an die Öffentlichkeit. In wochenlangen Diskussionen, Streiks (vgl. 11.5.1971, d.Vf.) und Urabstimmungen hatten sie eine breite Aktionseinheit hergestellt".

Der MSB Spartakus an der Uni Heidelberg (vgl. 11.6.1971) kritisiert die Parolen der KAB/ML-Anhänger, ruft aber trotzdem auf.

Der Kommunistische Studentenverband (KSV - vgl. 25.10.1972) der KPD berichtet aus Baden-Württemberg (vgl. 18.7.1968, 20.10.1972) bzw. Tübingen (vgl. Dez. 1971):"
Im Sommer 1971 unternahm die Landesregierung einen zweiten Versuch, die verfaßte Studentenschaft aufzulösen. Das vorgelegte PH- und Fachhochschulgesetz sah nur noch ASten vor, die auf hochschulinterne Angelegenheiten fixiert werden sollten. Doch diese Rechnung ging nicht auf:
DIE STUDENTEN ANTWORTETEN MIT EINEM STERNMARSCH NACH STUTTGART, AN DEM SICH 19 000 STUDENTEN BETEILIGTEN."

Die MLSG (vgl. Juni 1971) berichten , dass sich auch Schüler von 5 Ulmer Gymnasien durch einen Streik solidarisierten.

Laut und mit RKJ sind es rund 20 000, die dem Aufruf des Landesverbandes Staatlicher Ingenieurschulen, der von ML- und unpolitischen Asten dominiert sei, folgen (vgl. 17.6.1971). Die RKJ Mannheim berichtet von rund 19 000 Studenten.

Berichtet wird auch durch die Sympathisanten des SALZ bzw. des KB an der Hochschule - Gruppe Fachbereich Sozialpädagogik /FHS (vgl. 3.11.1971) sowie in München durch KHB/ML und RSF (vgl. Nov. 1971).
Q: SdKB: Erfolge (?) der Vollversammlung des FB Sozialpädagogik, Hamburg 3.11.1971; Rotes Signal Nr. 5 und 6, Tübingen Juni 1971 bzw. Juli 1971, Sonderbeilage bzw. S.3 und 5;KSG/ML Frankfurt: Solidarität mit den streikenden Kommilitonen!, Frankfurt o.J. (Juni 1971);S.1

KSG/ML Frankfurt: 15 000 Studenten demonstrieren heute!, Frankfurt 15.6.1971, S. 1f; Dem Volke dienen Nr. 1, Dortmund 25.10.1972, S. 6; GRP Darmstadt: Aktiver Boykott den Fachbereichsgremien!, o.O. o.J.; Kommunistische Hochschulzeitung Nr. 5, Heidelberg 15.6.1971, S. 1; Kommunistische Schüler- und Studentenzeitung Nr. 2, München Nov. 1971, S. 11; MSB: Solidarität mit allen PH-, Ingenieur- und Fachhochschulstudenten, Heidelberg 11.6.1971, S. 3; Rebell Nr. 33, Tübingen Juli 1971, S. 9; Rote Fahne Nr. 7, Tübingen Juli 1971; Roter Pfeil Sdr.Nr. Ingenieurstudenten, PH-Studenten, Universitätsstudenten. Gemeinsam gegen die Zwangsauflösung von AStA und Studentenparlament und Nr. 17, Tübingen Juni 1971 bzw. Juli 1971, S. 1ff bzw. S. 1ff; Was Tun Nr. 6, Mannheim 1971, S. 7; KG (NRF)-HA: Dienstag, 15. Juni Sternmarsch auf Stuttgart, O. O. (Heidelberg) 11.6.1971; Was tun - Korrespondenz für Fachhochschulen, Universität und Zweiter Bildungsweg Nr. 3, Mannheim o. J. (1971), S. 2f; Was tun - in der Universität Sternmarsch nach Stuttgart und Zu den Fakultätsversammlungswahlen, Mannheim o. J. (1971), S. 1f bzw. S. 2
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17.06.1971:
Auf der Landesastenkonferenz (LAK) Baden-Württemberg setzen sich, laut RKJ, die Asten HFS Mannheim und der Ingenieurschule Mannheim gegen die KSG/ML des KAB/ML durch, die das Tragen roter Fahnen am 15.6.1971 habe verurteilen lassen wollen.
Q: Was Tun Nr. 6, Mannheim 1971, S. 7

Letzte Änderung: 04.11.2019