RGO-Nachrichten, 4. Jg., Dezember 1980, Nr. 12

Dezember 1980:
Die RGO gibt ihre „RGO-Nachrichten“, Nr. 12/1980, heraus.

Inhalt der Ausgabe ist u. a.:
- Kampf den Arbeitsplatzkillern
- Die Bonzen wollen unter sich bleiben
- Wissenswertes zu der Abschlussveranstaltung des 2. RGO-Kongresses
- Druckhaus Deutz: SPD, wir danken schön - endlich können wir stempeln gehen
- Türkei: Rettet das Leben von Erdal Eren
- Unterwanderungshetze zerstört die Einheitsgewerkschaft
- Hoesch - Ein Name für Stahl
- Wenn Opel niest bekommt Rüsselsheim eine Lungenentzündung
- Verteidigt das Asylrecht
- Still/Hamburg: Erfolgreicher Kampf gegen Ausländerhetze
- Tarifrunde 1981
- HDW/Kiel: Die Bonzen wollen unter sich bleiben
- Kleinbetriebe - Gewerkschaftliches Notstandsgebiet

Im Artikel „Hoesch - Ein Name für Stahl“, wird ausgeführt:
„Seit gut einem halben Jahr versuchte man uns Hoesch-Kollegen die Zustimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat für den Abbau von 4. 200 Arbeitsplätzen als unbedingt notwendig zu verkaufen. Betriebsräte und Gewerkschafter wie Menne (Betriebsratsvorsitzender vom Werk Union), die im mitbestimmten Aufsichtsrat die Hälfte der Stimmen stellen, begründeten das so:

- nur dann würde das neue Oxygen-Stahlwerk gebaut.
- nur durch den Abbau dieser 4. 200 Arbeitsplätze könnten die restlichen Arbeitsplätze gesichert und der Abbau von 10. 000 Arbeitsplätzen verhindert werden.

Dieser eigentlich erst bis 1984 vorgesehene Abbau der Belegschaft bei den Hüttenwerken ist nun schon Ende des Jahres 1980 erreicht: 3. 000 Kollegen von Hoesch sind dann raus, 1.000 weitere von Unternehmerfirmen und durch den Abbau von Überstunden. Bei vielen Gewerkschaftern stieß schon damals die Entscheidung auf Widerstand und zwar: Weil hier in Dortmund, sowieso schon eine überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit haben, insbesondere unter den Jugendlichen und: Weil an jedem Hoesch - Arbeitsplatz bis zu zwei weitere Arbeitsplätze in Handel, Energiewirtschaft, Kohle, Verkehr und anderen öffentlichen Einrichtungen hängen.

Nach einem Abbau von über 10. 000 Arbeitsplätzen in Dortmund, während der 70er Jahre, war damit der Abbau von weiteren 12. 000 Arbeitsplätzen für die nächsten fünf Jahre vorprogrammiert. Mit dem bekannten Mäntelchen der sozialen Partnerschaft wurde dieses Problem für die Arbeiter und Angestellten in Dortmund, jedoch totgeschwiegen oder verharmlost - für das Versprechen von Hoesch, ein neues Stahlwerk zu bauen. Ein Stahlwerk, das schon einmal - 1970 - versprochen worden war und dann der Fusion mit Hoogovens und Estel zum Opfer fiel.

Dortmund, eine Stahlstadt? Wie lange noch?

Im Sommer wurden schon lange bevor eine Kooperation mit Krupp bekannt und damit klar, dass es wieder fraglich werde würde mit dem Stahlwerk. Der Aufsichtsrat von ESTEL beschloss dann auch am 29.10 den Bau des Stahlwerkes (wie 1972) zu verschieben. Die Strategie der Herrn von Estel/Hoesch und der Hausbank (Deutsche Bank), die übrigens bei allen Stahlunternehmen in der BRD entscheidenden Einfluss hat, ist klar: Konzentration der Stahlproduktion auf die profitabelsten Standorte - und die liegen eben an der Küste oder am Rhein, bestimmt nicht in Dortmund,. Diesen Standpunkt vertrat der Vorstandsvorsitzende von ESTEL/HOESCH- Rohwedder - ehemals sozialdemokratischer Staatssekretär in Bonn- auch auf der Aufsichtsratssitzung von Hoesch, vor den dort demonstrierenden 2. 000 Kollegen vor dem Rat der Stadt und vor einer Woche auf der Gesamtbetriebsrätekonferenz des Hoesch Konzerns am 21. November.

Seine Stichworte sind: Optimierung und Sanierung. Für uns Hoesch-Arbeiter und - Angestellte heißt das unter anderem Entlassungen in folgenden Bereichen: Hoesch Hauptverwaltung, Hoesch Handel, Maschinenfabrik Deutschland (MFD), Hoesch Siegerlandwerke, Orenstein und Koppel (O&K). Und auch bei der Hütte, wo man sich bisher rühmte - dank Sozialpartnerschaft - keine Entlassungen durchführen zu müssen, sind die ersten Gespräche über mit Abfindungen versüßte Entlassungen gelaufen!

Konzernstrategie: Hoesch wird Kaltwalzwerk GmbH

Das Ziel des Konzerns ist es: 1. Konzentration auf einen Standort in Dortmund, - nämlich die Westfalenhütte - und damit der Tod der Werke Phönix und Union. 2. Aufgabe bzw. starke Einschränkung der Profilproduktion - derzeit fast 40 Prozent der Gesamtproduktion. 3. Langfristig (zehn Jahre) Aufgabe Dortmunds als Stahlerzeugungsort, stattdessen Hoesch als ‘Kaltwalzwerk GmbH‘ (so Rohwedder auf der Gesamtbetriebskonferenz.

Das bedeutet den Abbau von weiteren 10. 000 Arbeitsplätzen bei Hoesch und damit von 30.000 bis 40.000 in Dortmund,. Davon wären mit Familienangehörigen rund 150.000 Bürger Dortmunds direkt betroffen. Das sind ein Viertel der Einwohner.

Stahlwerk jetzt

Deshalb ist zur Sicherung unserer Arbeitsplätze kurzfristig entscheidend der Kampf um die Durchsetzung des Stahlwerkbaus. Deshalb: Stahlwerk jetzt! Die heutige Großkundgebung kann in diesem Kampf nur ein Auftakt sein, denn leicht werden sich die Herren der Banken und des Konzerns nicht geschlagen geben. Weitere Schritte sind notwendig: Betriebliche Maßnahmen zur Verhinderung des Abbaus der Belegschaften. Widerstand gegen jede weitere Betriebsschließung durch den Betriebsrat und die Belegschaften ist nötig. Jeden Tag, den wir bei Hoesch arbeiten, gehen zig Tonnen Material raus, an denen zumindest die Banken gut verdienen. Da können wir sie treffen. Daneben ist es wichtig für einen einheitlichen Kampf aller Stahlarbeiter einzutreten; denn auch in anderen Konzernen stehen Massenentlassungen bevor: Dazu sind hauptsächlich zwei Forderungen wichtig: Kündigung des Manteltarifvertrages über die Arbeitszeit - 35 Stundenwoche jetzt - bei vollem Lohnausgleich! Senkung des gesetzlichen Rentenalters für Stahlarbeiter auf 55 Jahre.“

Im Artikel „Wenn Opel niest, bekommt Rüsselsheim eine Lungenentzündung“ wird ausgeführt:

„So und ähnlich lauteten vor einem halben Jahr die Zeitungsüberschriften in Rüsselsheim, als die Geschäftsleitung von Opel Entlassungspläne bekannt gab, die mindestens 10. 000 Kollegen betreffen sollen. Mittlerweile ist Opel-Rüsselsheim durch Abfindungsaktionen und sonstige Entlassungen schon von 43.000 Beschäftigten auf 36.000 gesunken. In einem halben Jahr sind also bereits 7.000 Kollegen verschwunden. Seit Mitte der 70er Jahre ist bei vielen Automobilarbeitern und vor allem in Gewerkschaftskreisen eine Studie der Europäischen Gemeinschaft bekannt. In ihr wurde damals für die Zeit bis 1985 ein Abbau der Automobilarbeiter in Europa in einem Ausmaß von 150. 000 vorausgesagt …

Strategie von GM …

Und das ist die weltweite Strategie von General Motors in Detroit/USA: Durch eine Investitions-Offensive in Höhe von 43 Milliarden Dollar, durch den Neubau von ganzen Werken unter anderem in Österreich und Spanien, durch Erweiterungen wie zum Beispiel bei Opel/Kaiserslautern, soll die gesamte Produktion umgestellt werden. Opel Rüsselsheim stellt möglicherweise die Produktion ganz ein und dient dann mit einer Kleinstbelegschaft als Montagewerk. Ziel dieser unvorstellbaren Rationalisierungsmaßnahmen ist es, die Konkurrenz auf dem Weltmarkt nach Möglichkeit auszuschalten.

Ruin für Rüsselsheim

Die Folgen für Rüsselsheim und die ganze Umgebung sind katastrophal. Die Kollegen, die Opel auf die eine oder andere Art loswerden will, können nicht damit rechnen, im Rhein-Main-Gebiet in solch einer Masse eine andere Arbeit zu finden. Die Stadt Rüsselsheim selbst steckt jetzt schon tief in den roten Zahlen. Kindergärten werden auf Eis gelegt oder ganz abgeschrieben. Im Stadtkrankenhaus setzt der Rotstift ein, radikale Kürzungen sollten das Gartenamt treffen usw. Aber auch viele Kleinbetriebe, die im Kreis Groß-Gerau um Rüsselsheim herumliegen, sind direkt oder indirekt von diesem Großbetrieb abhängig. Der Ruin von sehr viel mehr Existenzen, Pleiten von Kleingewerbetreibenden usw. werden unausweichlich sein.

Jetzt müssen den Worten Taten folgen

Von Gewerkschaftsseite, der Vertreterversammlung, der Verwaltungsstelle Darmstadt und von der Vertrauensleute-Vollversammlung bei Opel/Rüsselsheim liegen aus der Zeit um den 1. Mai herum eindeutige Beschlüsse vor, die zum Kampf gegen die Vernichtung der Arbeitsplätze aufrufen. Diese Beschlüsse sind allerdings bis jetzt noch nicht in die Tat umgesetzt worden, obwohl ein großer Teil der Gewerkschafter auf Aktionen drängt. Mittlerweile bleibt auch gar nicht mehr viel Zeit übrig, weil der Abbau der Belegschaft in vollem Gange ist. Ein anderer Teil der Gewerkschafter - vor allem die Verantwortlichen für die Initiative zur Mobilisierung der Kollegen - zögert jedoch auch nach einem halben Jahr immer noch. Sie stellen die Frage: Können wir die Opel-Kollegen überhaupt mobilisieren, wenn wir wissen, dass wir sie in eine Niederlage führen?

Demonstration in Rüsselsheim am 29.11.80

Doch bei Opel darf es nicht auch soweit kommen, wie bei Hoesch in Dortmund,. Angesichts der immer bedrohlicher werdenden Lage für die Opel-Arbeiter und für die Bevölkerung des Kreises Groß-Gerau hat sich kürzlich ein ‘Komitee Rettet Rüsselsheim‘ gebildet. Dieses Komitee besteht aus Gewerkschaftern, die die Beschlüsse der Vertreterversammlung und der Vertrauensleute-Versammlung der IGM voll unterstützen und auch umsetzen wollen.

Das Komitee organisiert am Samstag den 29. November eine Demonstration in Rüsselsheim. Es ist der Ansicht: Was sich bei Opel-Rüsselsheim abspielt, geht jeden etwas an! Man kann sich da nicht auf den Standpunkt stellen: Zum Glück habe ich ja noch meine Arbeit. Die zugespitzte Arbeitsmarktlage zeigt sich gerade auch am Beispiel Hoesch in Dortmund,. Die Probleme bei Hoesch und bei Opel sind die gleichen: Die Herrn Kapitalisten stecken sich riesige Profite ein, während für den Arbeiter nur noch ein Fußtritt übrigbleibt, wenn die Multis ihre Milliarden woanders verdienen wollen. Die Solidarität aller vom Verlust der Arbeitsplätze bedrohten Kollegen ist zu einer Tagesaufgabe geworden. Deshalb: Unterstützt den Kampf der Hoesch-Arbeiter und der Opel-Kollegen gegen die kommende Entlassungswelle. Für die kompromisslose Verteidigung unserer Arbeitsplätze! Offenlegung aller Entlassungspläne durch die Opel - Geschäftsleitung - sofort! Keine Verlagerung der Produktion aus Rüsselsheim! 35 - Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich! Für die Mobilisierung aller gewerkschaftlichen Kräfte.“

„In Nachrichten aus der RGO“ wird bekanntgegeben, dass am 1. und 2. November in Hamburg eine Konferenz der RGO im Bereich ÖTV/Gesundheitswesen stattgefunden hat. Anwesend waren Vertreter a. aus: Köln, Duisburg, Kiel, Berlin, Essen, Kassel, Nordheim, Mainz und Hamburg.

Berichtet wird weiter davon, dass der Chemie-Gewerkschaftstag beendet wurde, dass das BAG darüber entschieden habe, dass ein Betriebsrat Mitbestimmung „bei Überstunden“ habe, dass der Vertrauensmann Harald Schöpfer, Mitglied des KBW, aus der IG DruPa ausgeschlossen werden soll, dass am 26. November die Kollegen „bei der Firma Karmann/Osnabrück … gegen die Verlagerung der Textilfertigung“ streikten. Die RGO verteilte Flugblätter.

Aufgerufen wird dazu, am 18.1.81 am 2. RGO-Kongress in Dortmund teilzunehmen, wozu eine Reihe von Anträgen vorliegen.

Die Nummer 12/1980 enthält wieder eine Beilage, ein "RGO-Kongress-Extra 2", mit bisher eingegangenen Anträgen zum 2. RGO-Kongress.
Q: RGO: RGO-Nachrichten, Nr. 12, Vellmar, Dezember 1980.

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