RGO-Nachrichten, 4. Jg., Dezember 1981, Nr. 12 (mit Beilage: "RGO-Kongress-Extra 2")

Dezember 1981:
Die RGO gibt ihre „RGO-Nachrichten“, Nr. 12/1981, heraus.

Inhalt der Ausgabe ist u. a.:
- RGO-Erklärung zur Lage im Stahlbereich
- Metaller Streik vor 25 Jahren
- DGB - Jugendkonferenz
- Nicht ducken, aufmucken
- Bonzen verschaukeln kampfbereite Textiler
- Polizeieinsatz im Gewerkschaftshaus
- Rekrutengelöbnis auf Betriebsgelände
- Klöckner V-Leute: Absoluter Vorrang für Reallohnsicherung
- RGO-Gruppe HDW Kiel in Aktion
- Streik im Öffentlichen Dienst
- Streik der kolumbianischen Seeleute gescheitert.

Im Artikel „Reallohnsicherung nur durch konsequenten Streik“ wird u. a. ausgeführt:

„Wie es scheint, ist die Tarifrente als Forderung der IG Metall für die kommende Tarifrunde vom Tisch. Ein gewisses Aufatmen in den Reihen der linken und oppositionellen Gewerkschaftern ist unüberhörbar. Das hat sicher seinen Grund: Natürlich wurde die Tarifrente von der Vorstandsseite her in die Diskussion gebracht, um sie jetzt gegen die Forderung nach Reallohnsicherung und 1983 gegen die 35-Stundenwoche auszuspielen. Insofern war natürlich höchstes Misstrauen angebracht, als die Tarifrentenforderung ins Spiel gebracht wurde. Insofern war es richtig und notwendig, dass die klassenbewussten Gewerkschafter mobil machten, um eindeutig klarzustellen: In der kommenden Tarifbewegung hat die Reallohnsicherung absoluten Vorrang, es muss eine Lohnerhöhung durchgekämpft werden, die eindeutig über der offiziellen Teuerungsrate liegt. Fraglich aber ist, ob es richtig war, dass viele linke Gewerkschafter generell dagegen aufgetreten sind, die Tarifrentenforderung in dieser Tarifrunde aufzustellen.

Tarifliche Vereinbarungen über vorgezogene Rente können ja durchaus einen, wenn auch eher bescheidenen Beitrag dazu leisten, Folgen der kapitalistischen Rationalisierung für die Arbeiter und Angestellten abzufangen und den Boden zu bereiten für die anzustrebende allgemeine gesetzliche Strategie gegen einen weiteren Anstieg der Massenarbeitslosigkeit keine unwesentliche Forderung. Tatsache ist, dass es mit oder ohne Tarifrentenforderung schwierig wird, eine Lohnforderung durchzusetzen, die über der offiziellen Teuerungsragte liegt. Ohne massiven Streik wird da nichts zu machen sein.

Kommt es aber zu einem massiven Streik in der Metallindustrie, dann ist die Kampfkraft der Metallarbeiter sehr wohl groß genug, um die Reallohnsicherung durchzusetzen und die Tarifrente. Das Argument, dass man nicht noch zusätzlich Tarifrente fordern kann, wenn man die Reallohnsicherung durchsetzen will, ist nicht klassenkämpferisch. Es hängt eher mit der sozialpartnerschaftlichen Illusion zusammen, dass die Unternehmer uns die Reallohnsicherung vielleicht auch ohne schweren Streik zugestehen, wenn wir keine weiteren Forderungen aufstellen. Daraus wird aber nichts werden … Die Führung der IG Metall ist gegen den konsequenten Kampf für die Durchsetzung der Reallohnsicherung. Dass die Tarifrente jetzt vom Tisch ist, ändert daran überhaupt nichts. In der letzten Tarifrunde ist es der IGM-Führung auch ohne Tarifrentenforderung gelungen, uns einen Abschluss aufs Auge zu drücken, der Reallohnabbau bedeutet hat. Es sei daran erinnert, dass Franz Steinkühler damals so eine Art Vorreiter gespielt hat.

Jetzt versuch er sich als jemand zu profilieren, der sich für den konsequenten Lohnkampf stark macht, indem er gegen eine Einbeziehung der Tarifrente in die Tarifbewegung auftritt. Die Diskussion um die Tarifrente hat die klassenbewussten Gewerkschafter in der Vorbereitung der Tarifrunde keinen Schritt weiter gebracht. Wir sollten diese Diskussion schleunigst vergessen. Wenn wir die Reallohnsicherung wollen, dann stehen wir vor der Aufgabe, dass wir einen Vollstreik durchsetzen müsse, gegen eine Gewerkschaftsführung, die diesen Streik mehr fürchtet als der Teufel das Weihwasser. Dafür gilt es jetzt unter den Kollegen das nötige Bewusstsein und die nötige Entschlossenheit herzustellen.“

Im Artikel „Erklärung der RGO-Betriebsgruppen von Thyssen, Krupp, Hoesch, Peine/Salzgitter und Mannesmann und Klöckner zur Lage in der Stahlindustrie“ heißt es u. a.:

„Wie in ganz Europa 150.000, so sollen in der westdeutschen Stahlindustrie in den nächsten Jahren 50.000 Arbeitsplätze vernichtet werden. Kein Stahlkonzern, kein Werk in der Bundesrepublik, das nicht davon betroffen wäre. Ganze Regionen. die von der Stahlindustrie abhängig sind, drohen zu veröden. Durch den geplanten Zusammenschluss von Krupp, Hoesch und eventuell Peine/Salzgitter oder andere ‘Neuordnungskonzepte‘, hinter denen als Schaltstelle die Großbanken stehen, droht die Arbeitsplatzvernichtung noch erschreckendere Ausmaße anzunehmen. Durch das Gegeneinanderausspielen der Belegschaften auf nationaler und internationaler Ebene und durch Spaltung in deutsche und ausländische Arbeiter versuchen die Konzerne Widerstand der Stahlarbeiter zu schwächen und ihr Kahlschlagskonzept durchzusetzen. Es ist dringend erforderlich, Maßnahmen zur Herstellung der Kampfeinheit aller Stahlarbeiter in der Bundesrepublik und darüberhinaus in ganz Europa zu ergreifen. Von der Führung der IG Metall fordern wir deshalb ultimativ:

Durchführung einer bundesweiten Funktionärskonferenz für alle Vertrauensleute der Stahlindustrie Herstellung einer engen Zusammenarbeit zwischen den Vertrauensleutekörpern bzw. Betriebsräten der Stahlbetriebe Organisierung von solidarischen Aktionen und Solidaritätsdelegationen bei aktuellen Kämpfen einzelner Belegschaften, Durchführung eines gemeinsamen Aktionstages aller Stahlbetriebe gegen die Arbeitsplatzvernichtung Entsprechende Maßnahmen zur Stärkung der internationalen Solidarität der Stahlarbeiter Durchführung eines gemeinsamen Aktionstages aller Stahlbetriebe gegen die Arbeitsplatzvernichtung …“

Dabei geht es nicht in erster Linie darum, die einzelnen Unternehmer wirtschaftlich zu treffen. Das Entscheidende ist vielmehr die in Streiks, Betriebsbesetzungen, Massendemonstrationen usw. zum Ausdruck kommende politische Macht der Arbeiterklasse und der Gewerkschaften, die die Unternehmer zum Rückzug und zur Erfüllung unserer Forderungen zwingen kann. Demgegenüber ist eine Gewerkschaftspolitik durchzusetzen, die einzig von den Interessen der Kollegen ausgeht. Dem ‘Recht‘ der Unternehmer, unsere Arbeitsplätze zu vernichten, muss einfach und klar unser Recht entgegengestellt werden, unsere Arbeitsplätze zu erhalten. Wir haben keine andere Lebensgrundlage als unsere Arbeitskraft. Deshalb müssen wir unsere Arbeitsplätze kompromisslos verteidigen. Dafür muss mit Streiks und Betriebsbesetzungen die volle Kampfkraft aller Stahlarbeiter. Kompromisslose Verteidigung unserer Arbeitsplätze. Keiner Entlassung darf zugestimmt werden! Aufrechterhaltung der Ausbildungskapazitäten! Keine Stillegungen ohne gleichwertige Ersatzarbeitsplätze in mindestens gleicher Anzahl und unmittelbarer Nähe! Keine Subventionen an die Stahlkonzerne ohne Garantien für Neuschaffung und Erhalt von Arbeitsplätzen. Die Kontrolle erfolgt über die Betriebsräte. 35-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich. Einführung der5. Schicht. Senkung des gesetzliuchen Rentenalters für alle Stahlarbeiter auf 55 Jahre bei voller Rentenzahlung wie mit 63.

Über die genannten Einzelforderungen hinaus muss dem Arbeitsplatzvernichtungsfeldzug der Banken und Konzerne unsererseits ein geschlossenes Konzept entgegengesetzt werden. So wurde in den letzten Auseinandersetzungen bei Hoesch, Krupp und in Gelsenkirchen verstärkt die Forderung nach ‘Verstaatlichung‘ der Stahlindustrie erhoben. In dieser Weise gestellt, mit dem klaren Ziel, Politiker und den Staat durch unsere Kampfkraft zu zwingen, Maßnahmen zur Sicherung unserer Arbeitsplätze zu ergreifen, treten wir für die ‘Verstaatlichung der Stahlindustrie!‘ ein.“

In „Vor 25 Jahren: Nach dem Metallerstreik: Kuhhandel mit Streikrecht“ heißt es eingangs, dass die RGO am 6. November eine Veranstaltung zum Thema: „25. Jahrestag des Streikbeginns für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall durchgeführt“ hat.

U. a. heißt es weiter:
„Wie schon berichtet, streikten damals rund 30. 000 Metaller in Schleswig-Holstein 16 Wochen lang von Oktober 1956 bis Februar 1957. Erst nach vier Urabstimmungen wurde das Ergebnis angenommen, das den Weg für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall … Unmittelbar nach Ende des Streiks zogen die Unternehmer mit einer Schadensersatzklage vors Arbeitsgericht. Nach Durchlaufen aller Instanzen verurteilte das Bundesarbeitsgericht (BAG) 1958 die IG Metall wegen angeblicher Verletzung der Friedenspflicht zum Schadensersatz von 18 Millionen (!) Mark an die Unternehmer. In dem damals gültigen Schlichtungsabkommen aus dem Jahre 1955 hieß es in dem für das Urteil entscheidenden Paragraphen 6: … ‘Jedoch dürfen Beschlüsse über Durchführung von Kampfmaßnahmen erst fünf Tage nach dem Scheitern der Verhandlungen gefaßt werden …‘

Nach Ansicht der IGM waren die Verhandlungen bereits am 26. September 1956 gescheitert, nach Ansicht des Gerichts aber erst am 16. Oktober. Am 29. September empfahl die Große Tarifkommission von Schleswig-Holstein eine Streikurabstimmung, der die Bezirksleitung einen Tag später zustimmte. Am 11. und 12. Oktober wurde die Urabstimmung durchgeführt, wobei sich 88 Prozent für einen Streik aussprachen. Nach Zustimmung des IGM-Vorstandes begann der Streik am 24. Oktober, also erst acht Tage nach dem - selbst vom BAG angenommenen - Termin des Scheiterns der Verhandlungen. Das Gericht war aber der Ansicht, dass sowohl bereits der Beschluss der Tarifkommission über die Durchführung einer Streikurabstimmung als auch die Urabstimmung selbst eine Kampfmaßnahme im Sinne des Paragraphen 6 darstellte. (Urteil des BAG vom 30.10.1958, AP Nr. 2 zu Paragraph 1 Tarifvertragsgesetz Friedenspflicht.).

Die IGM-Führung verzichtete damals von vornherein auf Kampfmaßnahmen zur Verhinderung dieses reaktionären - die Kampfbedingungen der Arbeiterschaft schwächenden - Urteils. Sie ließ sich im Gegenteil auf den folgenden Kuhhandel mit den Unternehmern ein: Zunächst kündigte die IGM nach dem Urteil das Schlichtungsabkommen und legte Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil ein. Im Mai 1964 jedoch schloss die IGM-Führung ein - von den Unternehmern gefordertes und von der IGM lange verweigertes - neues ‘automatisches‘ Schlichtungsabkommen ab, wonach sich nach dem Scheitern von Tarifverhandlungen automatisch eine Schlichtungsphase anschließt. Daraufhin verzichteten die Unternehmer auf ihre Schadensersatzforderungen und die IGM-Führung zog ihre Verfassungsklage zurück. Für die laufenden Klagen der Unternehmer gegen die Warnstreiks in der Tarifrunde lässt diese historische Erfahrung nichts Gutes ahnen!“

Weiter wird berichtet über den Kampf bei VDM in Frankfurt/M. Dort habe die Belegschaft zwar „mit der Besetzung ihres Betriebes begonnen“, jedoch sei in der Zwischenzeit der „Kampf abgebrochen worden“. Kritisiert wird hier die Frankfurter IGM-Führung, die mit „besonders heimtückischen Mitteln zu Werke“ ging. Sie trugen mit dazu bei, dass „lediglich für die älteren Kollegen wesentlich höhere Abfindungssummen ausgehandelt“ wurden, während die „jüngeren praktisch leer ausgingen“.

Die Folge war, „dass sich die ursprünglich geschlossen kämpfende Belegschaft vor den Toren in die Wolle geriet … Selbst die Forderung, das ausgehandelte Ergebnis auf einer Belegschaftsversammlung zur Diskussion und Abstimmung zu stellen, wurde von den Bonzen abgelehnt“.

In Bielefeld habe die RGO in einem Flugblatt bekannt gemacht, dass dort „bis Ende 1982 über tausend Kollegen aus 7 Bielefelder Metallbetrieben entlassen werden“ sollen. Im Einzelnen seien das: „Dürkopp (400 Entlassungen), Benteler (175), Gildemeister (200) Thyssen 80), Kammerich (100), DMW (40) und AGFEO (60)“. Bei der Ulmer Firma Videocolor sollen „1. 700“ entlassen werden.

Berichtet wird auch von der 1. RGO-Frauenkonferenz, die am 24./25. Oktober stattfand. Als ein wesentliches Ergebnis wird hervorgehoben, „dass wir eine bedeutende Stärkung unseres Selbstbewusstseins erfahren haben, dass wir erkannt haben, dass uns Frauen in der Produktion, in der Arztpraxis, im Krankenhaus oder sonst wo mehr verbindet als wir es selbst für möglich gehalten haben“.

Bei Daimler Benz in Bremen, soll jetzt gegen die oppositionelle Liste vorgegangen werden: „Zwei Kollegen sollen ausgeschlossen, vier mit Funktionsverbot beleg werden“.

Eingeladen wird auch zu einem „zentralen Lehrertreffen der RGO“.
Q: RGO: RGO-Nachrichten, Nr. 12, Kassel, Dezember 1981.

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