RGO-Nachrichten, 5. Jg., Juni 1982, Nr. 6

Juni 1982:
Die RGO gibt ihre „RGO-Nachrichten“, Nr. 6/1982, heraus.

Inhalt der Ausgabe ist u. a.:
- Kampf gegen die Gewerkschaftsausschlüsse
- Arbeitsplatzvernichtung: In Frankfurt bewegt sich einiges
- Aufsichtsratswahlen boykottieren
- Habt Mut zu kämpfen
- Schafft Rüstungsproduktion Arbeitsplätze?
- Streiflichter zum 1. Mai 1982
- Die DruPa kann und muss Signale setzen
- KWU: Vorsicht der Stopper geht um
- Verfassungsschutz auf Betriebsrätefang
- Größte bundesdeutsche Ausstellung zur Arbeiterkultur
- Neue - Heimat Skandal: Uferloser, kapitalistischer Sumpf.

Im Artikel „Plakat-Gruppe siegt vor Gericht“ heißt es: „Genau zehn Jahre nach ihrem Ausschluss aus der IG Metall hat jetzt das Landgericht in Frankfurt entschieden, dass die sieben Kollegen der ‘Plakat‘-Gruppe von Daimler Benz in Stuttgart wieder in die Gewerkschaft aufgenommen werden müssen.“

In Hamburg hat die Führung der ÖTV den „Hamburger Hafenarbeiter Jürgen D. aus der Gewerkschaft ausgeschlossen“. Begründung: „Der Kollege habe bei den Bundestagswahlen am 5. Oktober 1980 für die Volksfront kandidiert“.

Die vor „sieben Jahren aus der IG Chemie ausgeschlossenen Kollegen der ‘Alternative‘ - Gruppe bei Beiersdorf in Hamburg sind jetzt nach mehrfach vorgetragenen Wiederaufnahmeersuchen durch Beschluss des Hauptvorstandes der IG Chemie wieder in die Gewerkschaft aufgenommen worden“.

Im Artikel „Neue-Heimat Skandal - Uferloser, kapitalistischer Sumpf“ wird u. a. ausgeführt:

„Das Magazin ‘Der Spiegel‘ (Ausgabe vom 17.Mai) hat weitere, kaum vorstellbare Spekulationsgeschäfte der Neue-Heimat-Bosse beim Bau der Münchener Trabantenstadt Neu-Perlach aufgedeckt. 30 Millionen, so die ersten vorsichtigen Schätzungen, kassierten die Bosse des gewerkschaftseigenen Konzerns für ihre eigenen Taschen. Man denkt an einen Wirtschaftskrimi, wenn man die Geschichte liest. Doch leider sind es hier Tatsachen, die sich in das Bild bisheriger Enthüllungen einfügen, deren Ausmaß sich ein normaler Mensch, der eben nicht zu den ganz Reichen in diesem Lande gehört, eigentlich kaum vorstellen kann. Da gehen am 20. September der damalige Neue-Heimat Chef Heinrich Plett, sein späterer Nachfolger Albert Victor, Bayerns NH-Chef Ludwig Geigenberger, der Leiter der Bremer NH, Herbert Ritze und der Prokurist der Grundstücksabteilung der NH Bayern zu dem Münchener Notar Peiffer und setzen dort einen Treuhand-Vertrag über die Gründung einer neuen Firma namens Terrafinanz auf. Der Hamburger Bankier Wölbern übernimmt die Rolle des Strohmanns. Spekulationsobjekt ist das bisher größte Städtebauprojekt in der Bundesrepublik, die Trabantenstadt Neu-Perlach, wo für 80.000 Menschen Wohnungen gebaut werden sollen. Von diesem Projekt wissen bis dahin aber nur Münchens Stadtväter und diese neue Terrafinanz etwas! Und jetzt reiht sich eine Schieberei an die andere: Terrafinanz wird der Kauf des zukünftigen Baulandes überlassen. Die Stadt München hat angeblich nicht das Geld, für den Kauf, Terrafinanz steht aber mit sage und schreibe 60000 Mark Grundkapital da (dafür könnte man gerade ein kleines Privatgrundstück kaufen). Doch schließlich gab es ja mächtige Hintermänner. Als Chef der Neuen Heimat gewährte Heinrich Plett der Terrafinanz - also im Grunde sich selbst und seinen Kumpanen - eine Bürgschaft seitens der Neuen Heimat in Höhe von 7,5 Millionen Mark!

Nun konnte in großem Stil eingekauft werden. 550. 000 Quadratmeter Ackerland kaufte Terrafinanz auf. Außer diesen Leuten und den Stadtvätern wusste ja auch keiner etwas darüber, dass dieses billige Ackerland eigentlich teurer Baugrund war. Anfang 1963 wurde der Neuen Heimat von der Stadt München das Riesenbauprojekt übertragen. Nun war für Victor und Co. die Stunde des großen Geldes gekommen. In ihrer Eigenschaft als Boss der NH kauften sie nun von Terrafinanz das teure Bauland auf und machten damit die besagten Millionengewinne - bares Geld in ihre private Tasche. Doch all das reichte ihnen immer noch nicht. Mit ihrer Terrafinanz traten sie gegenüber der NH - also sich selbst gegenüber - als Maklerfirma für Grundstücksverkäufe auf, woraus sie nochmals eine völlig überhöhte Provision von 10 statt sonst üblichen 3 Prozent kassierten. Die Schweinereien gehen noch weiter, doch wir wollen uns hier mit diesem Ausschnitt begnügen. Ein uferloser kapitalistischer Sumpf tut sich hier auf, und das in einem gewerkschaftseigenen Konzern. Viele der höchsten Führer unserer Gewerkschaften stecken mehr oder weniger dick mit im Geschäft. Dieser Konzern arbeitet eben nach kapitalistischen Grundsätzen. Gemeinwirtschaft hin oder her - letztlich leere Worte, denn regieren tut das Kapital. Das aber steht in Gegensatz zu gewerkschaftlichen Aufgaben, Zielen und Grundsätzen …“

Im Artikel „Verfassungsschutz auf Betriebsrätefang“ wird ausgeführt:

„Zu 6000 Mark Strafe wurde jetzt der Opel-Betriebsrat aus Bochum Peter Jaszczyk von einem Essener Gericht verurteilt, weil er sich gegen die Anwerbung als Verfassungsschutzspitzel zur Wehr setzte und den auf ihn angesetzten Agenten enttarnte.

Im Mai/Juni letzten Jahres ereignete sich folgendes: Ein gewisser Herr Madler (sein richtiger Name ist Siegfried Königen) meldet sich bei dem Betriebsrat Peter Jaszczyk. Er bietet ihm 500 Mark Handgeld und eine steuerfreie Monatspauschale von 2000 Mark, wenn er dem Verfassungsschutz alle gewünschten Informationen aus dem Opel-Betriebsrat und aus der DKP (Jaszczyk gehört dieser Partei an) liefert. Für diese Anwerbung des Verfassungsschutzes unter vier Augen gab es keinerlei Zeugen. Darum tat Jaszczyk erstmal nicht ganz uninteressiert und bat den Agenten zu einem genaueren Gespräch einige Tage später zu sich nach Hause. Inzwischen informierte er seine anderen Betriebsratskollegen über diesen ungeheuerlichen Vorgang. Zu dem vereinbarten Termin in seiner Wohnung hatte Jaszczyk jetzt auch einige Kollegen mitgenommen. Der Agent kam in die Wohnung. Als er sich nun nicht Jaszczyk alleine gegenübersah, sondern mehreren Kollegen, war klar, dass sein Anwerbungsversuch restlos gescheitert war. Er hatte die Hosen voll und gestand vor den Kollegen das ganze schmutzige Vorhaben seiner Dienststelle, dem ‘sauberen‘ Verfassungsschutz ein. In seiner verständlichen Wut hat der Kollege Jaszczyk in dieser Situation dem Agenten drei Ohrfeigen versetzt.

Doch was macht der Verfassungsschutz in einer regelrechten Pressekampagne daraus? Der arme Agent sei gefoltert und verstümmelt worden - alles erstunken und erlogen! Nichts aber von den eigentlichen Tatsachen, von den zum Himmel stinkenden Praktiken des Verfassungsschutzes, Betriebsräte für Spitzeldienste anzuwerben und dann in erpresserischer Weise auszuquetschen. Darin liegt doch wohl der kriminelle und verabscheuungswürdige Tatbestand. Dieses Urteil darf von den Gewerkschaften nicht einfach hingenommen werden, es ist keine Privatsache von dem Kollegen Jaszcyk, das geht uns alle an. ‘Verfassungsschutz raus aus den Betrieben!‘, das ist die Forderung, für deren Durchsetzung es gerade bei solchen konkreten Angriffen aktiv zu kämpfen gilt, sonst bleibt es bei nur leeren Worten.“

Berichtet wird davon, dass für Hamburg eine „große Funktionärskonferenz“ gefordert wird, auf der zum Thema: „Kampf gegen Arbeitslosigkeit - Forderungen und Perspektiven der IGM“ debattiert werden soll.

Auch in Frankfurt/M. „bewegt sich einiges“. Frankfurt sei in der Zwischenzeit „so etwas wie ein Symbol für den Kampf gegen Arbeitsplatzvernichtung“ geworden. Im „Kampf gegen Massenentlassungen und Betriebsstilllegungen“ sind „vier Betriebe besetzt“. Es handele sich um: „Adler, VDM, Rockwell, Golde und zuletzt die zu Mannesmann gehörende Demag-Pokorny“.

Im Artikel „Aufsichtsratswahlen boykottieren: Mehr Rechte für den Kampf durchsetzen“ wird dazu aufgerufen, „diese Wahlen zu boykottieren“; denn sie stehen für die „Ideologie der Sozialpartnerschaft“ und einen „totalen Bankrott für diese Politik“. Stattdessen fordert die RGO die „Erweiterung der Rechte der Betriebsräte und Gewerkschaften in den Betrieben“.

Parolen dazu sind:
- Weg mit der Pflicht der Betriebsräte zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Unternehmern, wie sie im Betriebsverfassungsgesetz vorgeschrieben wird
- Keine Friedens- und Schweigepflicht für Betriebs- und Personalräte
- Für das Recht der Personalräte, an der Vorbereitung, Organisierung und Durchführung von Arbeitskämpfen mitzuwirken
- Zugang des Betriebs- und Personalrates zu allen Informationen
- Absolutes Vetorecht des Betriebs- und Personalrates bei Entlassungen, Umsetzungen und Umgruppierungen
- Besonderer Kündigungsschutz für Vertrauensleute
- Recht auf bezahlte Vertrauensleute-Sitzungen im Betrieb
- Freies Rederecht auf Betriebsversammlungen
- Verbot von Repressalien aufgrund von Äußerungen auf Betriebsversammlungen.

In Hamburg sei jetzt eine bundesweite „Ausstellung zur Arbeiterkultur“ gestartet worden. Sie läuft noch bis zum 30. September 1982.
Q: RGO: RGO-Nachrichten, Nr. 6, Kassel, Juni 1982.

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