Broschüre: „Lage und Aufgaben - Zwei Stellungnahmen“ (1979)

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Dietmar Kesten, Gelsenkirchen, Februar 2014

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Im Juni 1979 erscheint in Frankfurt/M. die Schrift „Lage und Aufgaben. Zwei Stellungnahmen“. Sie enthält zwei Beiträge: 1.) Werner Fichard, Ernst Hausmann und Manfred Weiß: „Die Marxistisch-Leninistische Bewegung und ihr Scheitern“, 2.) Conrad Heller: „Zu den nächsten Aufgaben der westdeutschen Kommunisten“. Hausmann und Weiß werden kurze Zeit später Autoren der Zeitschrift: „Aufsätze zur Diskussion“, Hausmann wird auch Beiratsmitglied der NHT und Weiß gehört lange Zeit dem Redaktionsteam der „AzD“ an.

Im Wesentlichen geht es in der Schrift um den Versuch, die „Ursachen des Scheiterns der marxistisch-leninistischen Bewegung zu analysieren und in diesem Zusammenhang die allgemeine Aufgabenbestimmung der westdeutschen Marxisten-Leninisten darzulegen“. In der Schrift bekunden die Verfasser ihre deutliche Nähe zum Kreis der künftigen „Neuen Hauptseite Theorie“ (NHT).

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

Juni 1979:
Von Werner Fichard, Ernst Hausmann, Manfred Weiß und Conrad Heller erscheint in Frankfurt/M. im Selbstverlag die Schrift: „Lage und Aufgaben. Zwei Stellungnahmen“.

Im Vorwort formulieren die Verfasser: „Das hier veröffentlichte Papier gibt zum ersten Mal nach unserem Austritt aus dem KBW vor 2 1/2 Jahren unsere Positionen zur Lage und den Aufgaben der marxistisch-leninistischen Bewegung wieder.

Warum ist es uns in diesen 2 1/2 Jahren nicht gelungen, unsere Auffassungen öffentlich zu machen und uns so an der schon geraume Zeit bestehenden Diskussion innerhalb der neuen Fraktion der marxistisch-leninistischen Bewegung zu beteiligen, die in der Bestimmung der Theorie als Hauptaufgabe übereinstimmt? Wir möchten im folgenden die wichtigsten Gründe für unseren Fehler darlegen. Dazu müssen wir kurz auf die Positionen zurückgehen, mit denen wir aus dem KBW ausgetreten sind.

Sie können hier wie folgt umrissen werden: Grundlage unseres Austritts war eine Kritik an den programmatischen Auffassungen des KBW über den ‚demokratischen Kampf‘, insbesondere dessen Verhältnis zum sozialistischen Kampf, sowie an einigen Positionen zur internationalen Lage, zur Einschätzung der Klassenkampfsituation in Westdeutschland und an den daraus vom KBW abgeleiteten strategischen und taktischen Aufgaben. Am Anfang unserer Arbeit im Rahmen eines kleinen Zirkels stand die Überzeugung, ein bloßes ‚mehr‘ an Theorie, eine ‚besser‘ betriebene theoretische Arbeit und eine theoretisch richtige, sorgfältig analysierte Lagebestimmung würden der Ausweg aus dem Niedergang der marxistisch-leninistischen Bewegung sein. Insofern waren unsere damaligen Auffassungen eng mit den heutigen Positionen der KGBE (tatsächlich wurden wir während einer längeren, dem Austritt fügenden Phase von den Auffassungen der KGBE beeinflusst) und des KAB Kassel verwandt. So wie diese Organisationen heute noch der Meinung sind, man müsse nur die schlecht gemachten ‚Hausaufgaben‘ der Parteien und Bünde korrigieren und die angestrichenen Fehler in den Grundsatzerklärungen und Programmen neu diskutieren und dann verbessern bzw. ersetzen, so gedachten wir durch Einzelbeiträge an dieser Aufgabe mitzuarbeiten.

Das wir trotz unseres Vorsatzes keinen dieser Beiträge zuwege gebracht haben, liegt an folgendem: Einmal waren wir nach drei Jahren Ausbildung und Praxis auf dem vermeintlich hauptsächlichen Aufgabenfeld der ‚Politik‘ nicht ohne weiteres in der Lage, theoretisch zu arbeiten, uns vor allem theoretisch auszubilden und uns über unsere fehlende bzw. mangelhafte wissenschaftliche Ausbildung klarzuwerden.

Man kann die Wissenschaft, auch in ihren noch bescheidenen Versuchen, nicht so (leichtfertig) betreiben, wie eine ‚Politik‘ ohne Massen. Entscheidender war jedoch der Fehler zu glauben, aus dem Stand heraus Beiträge zur ‚Verbesserung‘ und ‚Erneuerung‘ des KBW-Programms leisten zu können. Dieses Arbeitsziel konnte von uns in keinem einzigen Punkt erreicht werden. Aber es dauerte lange, bis wir die Ursachen unseres Scheiterns vor den selbstgesteckten Aufgaben mit den von uns festgestellten Fehlern des KBW in Zusammenhang brachten. Das heißt wir vermuteten, dass grundlegende Fehler des KBW bzw. seiner Vorläufer- und Gründerorganisationen bereits im Entstehungsprozess des KBW und seiner Positionen begründet waren.

Zunächst suchten wir diese Ursachen jedoch ausschließlich im Verständnis der ‚Bremer Kommunique-Zirkel‘ über den Parteiaufbau, insbesondere seiner Etappen. Wir bestimmten daraufhin unsere Aufgaben neu als Untersuchung der Parteitheorie der gesamten marxistisch-leninistischen Bewegung .Voraussetzung dafür war zunächst ein neues und richtiges Verständnis des Parteiaufbaus, das auf den Aussagen des Marxismus-Leninismus über die Kommunistische Partei beruht. Folge der Beschäftigung mit einigen Schriften der Klassiker hierüber war allerdings nicht die Lösung dieser Arbeitsaufgabe, sondern das Offenkundigwerden unserer bruchstückhaften Kenntnisse und unseres eklektischen Verständnisses des wissenschaftlichen Sozialismus. Statt dieser Tatsache auf den Grund zu gehen, blieben wir einer alten Tradition der westdeutschen marxistisch-leninistischen Bewegung treu und unterzogen nicht unsere Geschichte und Vorstellungen einer Untersuchung, sondern suchten die Ursache unseres Scheiterns in nichts Geringerem als dem wissenschaftlichen Sozialismus selbst.

Diese ‚Erkenntnis‘ führte uns in die dritte Phase unserer Entwicklungen der wir uns bemühten, den ‚schwarzen Faden‘ des Revisionismus durch die Geschichte der 2. und 3. Internationale bis hin zur heutigen marxistisch-leninistischen Bewegung aufzudecken. Mit diesem Vorsatz war unser Scheitern garantiert und endgültig. Parallel zu der letztgenannten Phase erschienen 1977/78 die ersten Beiträge des Kreises Gelsenkirchener Marxisten-Leninisten; wir meinen hier die Broschüren ‚Deus ex machina‘, ‚Anmerkungen zum dialektischen Materialismus‘ und "‚Unsere nächsten Aufgaben‘. Diese Broschüren stellen unter den die ‚Hauptseite Theorie‘ vertretenden Marxisten-Leninisten eine erste und neue Tendenz dar. Im Unterschied zu Gruppen, wie etwa der Zirkel ‚Gegen die Strömung‘ oder die KGBE, waren diese Veröffentlichungen weder von einem räum- und zeitlosen Prinzipienpochen noch von dem Versuch gekennzeichnet, die Reihe der zahlreichen Parteiprogramme um ein weiteres, ‚bessere‚" zu erweitern, ohne auch nur einen Gedanken an die Gründe der bisherigen Fehlschläge all dieser Programme zu verschwenden.

Wir konnten feststellen, dass in diesen Beiträgen Ansätze entwickelt werden, die Ursachen des Scheiterns der marxistisch-leninistischen Bewegung zu analysieren und in diesem Zusammenhang die allgemeine Aufgabenbestimmung der westdeutschen Marxisten-Leninisten darzulegen. In Auseinandersetzung mit den Veröffentlichungen der Gelsenkirchener Marxisten-Leninisten und ausgehend von den durch unser Scheitern aufgeworfenen Frage- und Problemkomplexen entwickelte sich eine Auseinandersetzung um die Beschreibung und Analyse der derzeitigen Lage und den Aufgaben der marxistisch-leninistischen Bewegung, deren Ergebnisse in den beiden vorliegenden Papieren seinen Niederschlag finden.

Abschließend soll ein unsere gesamte Entwicklung durchziehender Fehler festgehalten werden: Zum einen haben wir es vermieden, unsere jeweiligen Positionen an das Licht der öffentlichen Diskussion zu bringen, zum anderen gingen wir sogar so weit, an uns gerichtete Kritiken vom Standpunkt einer vermeintlichen Einsicht in die Dinge ignorieren zu können. Im Laufe des politischen Diskussionsprozesses in unserer Gruppe hat sich eine Minderheitsposition herausgebildet, die sich nicht (mehr) als Teil der marxistisch-leninistischen Bewegung definiert und unseres Erachtens unausgewiesen bisherige Positionen der marxistisch-leninistischen Bewegung verwirft.“

Die in der Broschüre erschienenen zwei Aufsätze sind: (1) Werner Fichard/Ernst Hausmann/Manfred Weiß: Die Marxistisch-Leninistische Bewegung und ihr Scheitern“, (2) Conrad Heller: Zu den nächsten Aufgaben der westdeutschen Kommunisten.
Quelle: Lage und Aufgaben. Zwei Stellungnahmen, Frankfurt/M., Juni 1979.

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Letzte Änderungen: 17.2.2014

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