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Von der medizinischen Fakultät der Universität Frankfurt, die im betrachteten Zeitraum abseits vom Campus in Sachsenhausen gelegen, können hier bisher nur wenige Dokumente vorgestellt werden. Wir bitten um Ergänzungen.
Um die Jahreswende 1968/69 herum erfolgen offenbar erste Regelverstöße in Form von studentischen Vollversammlungen und Vorlesungsboykotten an der medizinischen Fakultät, die zu Rücktritten aus der Fachschaft führen, die sich sowohl gegen die schlechten Studienbedingungen engagiert als auch für damals als links bzw. kritisch erachtete und daher durch Oppositionelle zu verfechtende Studieninhalte wie die Sozialmedizin und die Psychosomatik.
In der Fachschaft Medizin ist die Basisgruppe Medizin des SDS aktiv.
Dezember 1968:
Vermutlich im Dezember wird von der Basisgruppe Medizin an der Universität Frankfurt die Broschüre "Kritische Medizin" veröffentlicht mit den Beiträgen:
- "Revolutionierung des Wissenschaftsbegriffes" von der Basisgruppe Medizin Berlin;
- "Vom ärztlichen Denken und Handeln" von Peter Crell;
- "Resumés aus Referaten und Diskussionen des Arbeitskreises für Medizinsoziologie der Basisgruppe Medizin Frankfurt", zusammengefasst von Kriesel zu den Themen "Zur sozialen Herkunft der Medizinstudenten" und "Lernnormen der Medizinstudenten: ihre beschränkenden Auswirkungen für die ärztliche Praxis; sowie ihre politischen Implikationen";
- "Medizinische Folgen sozialer Schichtung (Stratification) im Krankenhaus";
- "Einige, noch nicht medizinwissenschaftlich erfasste Momente ärztlicher Praxis. Eine medizinsoziologische Analyse" von T. Parsons;
- "Kritische Anmerkungen zu Parsons 'Social System'" von Gerd Francke; sowie
- "Revolution als Therapie" von Klaus Karsch.
Eingeladen wird zur SDS-MV, zum soziologischen Arbeitskreis, zum AK Pharmazeutische Industrie, zum AK Medizin und Sexualität sowie zur Vorlesung "Psychoanalytische Neurosenlehre" von Dr. De Boor und dem Seminar über psychosomatische Medizin von Dr. De Boor.
Quelle: BG Medizin: Kritische Medizin, O. O. (Frankfurt) o. J. (1968)
20.01.1969:
Die Fachschaft Medizin der Universität Frankfurt gibt vermutlich in dieser Woche eine Ausgabe ihrer 'Sectio' (vgl. 10.2.1969) heraus mit den Beiträgen:
- "Zur Situation" von Kristian Hahn;
- "Die Verfolgung und Knebelung der studentischen Emanzipation, dargestellt durch die Vollversammlung der Medizinstudenten zu Frankfurt unter der Anleitung des Herrn Hövels" von Artur Diethelm;
- "Austritt aus der Fachschaft" von zwei Mitgliedern wegen der Linkstendenz der Fachschaft;
- "Der Zopf muß ab oder Wer hat Angst vorm bösen Streik" von Peter Fülle,
- "Vollversammlung vom 17. Januar 1969";
- "Mensaverhältnisse" von Walter Schultz;
- "Information für die Klinik";
- "Streik an der Medizinischen Fakultät. Frankfurts Vorklinik unfähig Medizinstudenten auszubilden?";
- "Resolution des 1. vorklinischen Semesters der Medizinstudenten an der Universität Frankfurt a. M.";
- "Unser Warnstreik". der als Go-out durchgeführt werden soll, bei dem an den Vorlesungen in Physik, Chemie und Zoologie, die auch von studierenden anderer Fächer besucht werden, teilgenommen werden soll.
Als Beilage erscheinen "Notizen zur Diskussion um Zulassung von Medizinstudenten zu Fakultätssitzungen" von Werner Nowak.
Q: Sectio, Frankfurt o. J. (1969)
10.02.1969:
Die Fachschaft Medizin der Universität Frankfurt gibt vermutlich in dieser Woche eine Ausgabe ihrer 'Sectio' (vgl. 20.1.1969) gemeinsam mit der Studentenvertretung der benachbarten 'Städelschule', d.h. der Staatlichen Hochschule für bildende Künste (SHfbK) heraus mit den Beiträgen:
- "Ein Versuch der Zusammenarbeit" von Kristian Hahn, zur gemeinsamen Herausgabe der 'Sectio', wobei auch gemeinsame Veranstaltungen mit der SHfbK in Aussicht gestellt werden;
- "Der Weg zum Widerstand - Über die Einsicht, daß von nichts nichts kommt";
- "Polizei auf dem Campus" während des Teach-ins vom 6.2.1969;
- "Abtreibung und AStA" vom AStA der Universität Frankfurt zum § 218 bzw. einem Artikel in der 'konkret', wo Asten als Ansprechadressen genannt wurden für illegale Abtreibungen;
- "Ihre Magnifizenz wird amtlich";
- "Waffen für den SDS. 'Woher kam der Genosse von der KP?'" zu einem Besucher der Medizinermensa;
- "Möglichkeiten einer praktischen Studienreform" von Siegfried Granitzka;
- "Zur Assistentenvollversammlung vom 3.2.1969" von Leuschner;
- "Vorschlag zur inhaltlichen Reform des Medizinstudiums" von der Basisgruppe Medizin;
- "Kommission Institute oder Viel Lärm um Nichts" von Francke;
- ein mit Mao-Zitaten versehener Bericht aus der Kommission Klinik von Diethelm, Hahn und Laßmann;
- "Zur Lage im Städel" von Horst Rabbow zur SHfbK, wo im Wintersemester 1967 ein Flugblatt von Rolf Kern und Manfred Weiß die Auflösung der Hochschule forderte und am 29.1.1969 ein Tag der offenen Tür, aber auch eine studentische Vollversammlung stattfanden;
- "Famulatur im 'Busch'?" von W. Fierung, dem Referenten für Auslandsfamulaturen;
- "Vom Selbstmord und der hohen Kunst sich selbst den Sarg zu zimmern" von Olaf von Matzahn zur Forderung nach einem psychischen Eignungstest als Zulassungsvoraussetzung für das Medizinstudium;
- "Es wird verurteilt auf Biegen und Brechen. Der Frankfurter Prozeß gegen den Theologiestudenten Christian Bobblenz" wegen der Osterunruhen 1968; sowie
- "Terror- und Pogromstimmung" von Lothar Popp zum Leitartikel des 'AStA-Info' Nr. 2 vom 6.2.1969.
Q: Sectio, Frankfurt o. J. (1969)
08.05.1969:
In Frankfurt macht die Basisgruppe Medizin (ca. 40 Mitglieder), nach eigenen Angaben, ein Go-in "in die Fakultätssitzung, wo die Ordinarien - unter Ausschluß der Öffentlichkeit (der betroffenen Studenten!) über eine Reformierung der Prüfungen verhandelten. Eine Teilnehmerin: 'Zwischen der Situation an der Universität und an der Med-Fak liegt eine ganze Epoche'. Die Aktion war mit Flugblättern auf dem Gelände und in den Übungen gut vorbereitet. Dennoch nahmen nur 30 Kommilitonen am Go-in teil. Der Grund für die mangelnde Beteiligung liegt nicht nur in der Apolizität der Mediziner, sondern auch - offen zugegeben - in der Angst vor Repression. Dabei können die Mediziner nicht viel mehr verlieren als die Repression durch den autoritären Ordinarien- Apparat. Z.B. wird bis zu zwei Drittel der Studierenden durch Leistungsprüfungen der Zugang zu wichtigen Übungen und Praktika verwehrt. Und so verlief das Go-in: Die Ordinarien schlossen die Sitzung und verkrümelten sich; einzelne Professoren stürzten sich auf die Studenten und drohten ihnen individuelle Revanche an. Namen wurden notiert. - Die Hauptschwierigkeit liegt darin, daß viele Kommilitonen das technokratische Leistungsprinzip kritiklos verinnerlicht haben und darin durch die Rollenerwartung des Arzt-Berufes unterstützt werden."
Q: SC: Info Nr. 3, Frankfurt 13.5.1969
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