Hessen:
Die Auseinandersetzungen um das Weihnachtsgeld und das 13. Monatseinkommen im Metallbereich von 1970 bis 1975

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, 18.12.2014

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Zu den Auseinandersetzungen um das Weihnachtsgeld bzw. das 13. Monatseinkommen in der Metallindustrie in Hessen können hier bisher nur wenige Hinweise erschlossen werden. Wir bitten um Ergänzungen. Ein separater Beitrag zum Weihnachtsgeld liegt bisher vor zur Adam Opel AG und ihrem Werk in Rüsselsheim.

Einleitend für diesen Artikel wird bei den Adler-Werken in Frankfurt die Forderung nach einem 13. Monatseinkommen erhoben (vgl. 16.7.1970, 31.8.1970), während bei der Motor Condensator GmbH in Viernheim das Weihnachtsgeld als Ausgleich für die Streichung der übertariflichen Zulagen dienen soll (vgl. 5.11.1970).

Bei der Maschinenfabrik Carl Schenck in Darmstadt agitiert der KAB/ML gegen die zu geringe Höhe des Weihnachtsgeldes (vgl. 1.12.1970), was offenbar auch die KPD/ML-ZB bei Siemens Bensheim ähnlich sieht (vgl. Feb. 1971), während bei der Naxos-Union in Frankfurt eine Erhöhung der Jahresabschlußvergütung von der Geschäftsleitung abgelehnt wird (vgl. Apr. 1971), während der KAB/ML und seine Freunde sowohl bei Telefonbau und Normalzeit Frankfurt (vgl. 27.9.1971) als auch bei der Hofmann KG in Darmstadt und Pfungstadt (vgl. 18.12.1971) sich für eine solche Erhöhung einsetzen.

Zwei Jahre später wehrt sich bei Hanomag-Henschel die Belegschaft mittels Streik gegen die Anrechnung der Teuerungszulage auf das Weihnachtsgeld, erzielt aber keinen Erfolg (vgl. 11.10.1973). Das Weihnachtsgeld wird offenbar auch in den folgenden Jahren nicht tariflich abgesichert, so dass es weiterhin zu Streiks dafür kommt (vgl. 5.3.1975, 15.11.1975).

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

16.07.1970:
Bei Adler Frankfurt findet, laut KPD/ML-ZK (vgl. 24.8.1970), eine Betriebsversammlung statt, die zum Rausschmiß des Kollegen Becker führt (vgl. 20.7.1970):"
Die Belegschaft hat ihre Forderungen auf der Betriebsversammlung am 16.7. aufgestellt. Am deutlichsten sprach Becker:
Frauen in die gleichen Lohngruppen wie die Männer!
Weg mit der Akkordschere!
Statt Überstunden Lohnerhöhungen, bei 40 Stunden muß das Geld langen!
Menschliche sanitäre Anlagen!
Schriftliche Bekanntmachung aller Verhandlungen des Vertrauensleutekörpers und des Betriebsrats!
13. Monatsgehalt.

So einig war die Adlerbelegschaft seit Jahren nicht mehr."
Quelle: KPD/ML-ZK-OG Frankfurt: Becker zurück in den Betrieb!, Frankfurt o.J. (Aug. 1970), S. 1

31.08.1970:
Die OG Frankfurt der KPD/ML-ZK gibt bei Adler vermutlich heute oder in dieser Woche ein Flugblatt mit heraus, das uns auch auf Italienisch und Spanisch vorlag. Einleitend heißt es:"
UNTERSCHRIFTENSAMMLUNG FÜR EINE ORDENTLICHE BETRIEBSVERSAMMLUNG!

Dieser Vorschlag wurde auf der Versammlung der Roten Betriebsgruppe (RBG, d.Vf.) der KPD/ML vom 27.August 1970 von den anwesenden Kollegen angenommen. Für diese Betriebsversammlung wurde folgende Tagesordnung vorgeschlagen:

Frauen in die gleichen Lohngruppen wie die Männer!
Weg mit der Akkordschere!
Statt Überstunden Lohnerhöhungen, bei 40 Stunden muß das Geld langen!
Menschliche sanitäre Anlagen!
Schriftliche Bekanntmachung aller Verhandlungen des Vertrauensleutekörpers und des Betriebsrats!
13. Monatsgehalt!
Vertrauensmann Becker zurück in den Betrieb!"
Q: KPD/ML-ZK-OG Frankfurt: Unterschriftensammlung für eine ordentliche Betriebsversammlung!, Frankfurt o.J. (1970); KPD/ML-ZK-OG Frankfurt: Raccolta di firme per un' assemblea ordniaria di fabbrica, Frankfurt o.J. (1970);KPD/ML-ZK-OG Frankfurt: Colleccion de firmas para una asemblea regular de fabrica!, Frankfurt o.J. (1970)

05.11.1970:
In Viernheim (Kreis Bergstraße) streiken, laut KPD/ML-ZB, rund 700 Arbeiter der Motor Condensator Comp. gegen die Streichung der übertariflichen Leistungen, den sie aber nicht verhindern und nach mehrtägigen Verhandlungen nur durch einen teilweisen Ausgleich beim Weihnachtsgeld und einen Stundenzuschlag halbieren können. Zu diesen Kürzungen der Tarifergebnisse heißt es:"
Anstatt klar aufzuzeigen, was dieser ganze 'Umbau' der übertariflichen Zulagen soll, nämlich die Löhne zu kürzen, macht die Gewerkschaft das Manöver der Kapitalisten mit und versucht den Arbeitern weiszumachen, sie werde sich für einen 'gerechten Ausgleich' einsetzen."

Auch der BKA Freiburg berichtet ähnlich.
Q: Klassenkampf Nr. 5, Freiburg Dez. 1970; Kommunistischer Nachrichtendienst Nr. 50, Bochum 14.11.1970, S. 2

01.12.1970:
Vermutlich bereits in der ersten Woche des Monats gibt in Darmstadt die Betriebsgruppe des KAB/ML bei Carl Schenck ihren 'Roten Metaller' Nr. 2 für Dezember heraus (vgl. 19.11.1970, 3.12.1970). Im Leitartikel "'Weihnachtsgratifikation' - Fröhliche Weihnachten von der Geschäftsleitung - Der Betrug mit dem Weihnachtsgeld" heißt es:"
Vor kurzem wurde bei Schenck die Weihnachtsgratifikation ausgezahlt. Sie beträgt für die meisten Kollegen ungefähr ein Drittel des Lohnes. Das ist ein glatter Witz. Die ungefähr 300 Mark, die natürlich auch versteuert werden, stehen in keinem Verhältnis zu den Ausgaben, die eine Familie zu Weihnachten macht. Bei den ständig steigenden Preisen sind wir erst recht auf das Weihnachtsgeld angewiesen. Neuanschaffungen können wir uns durch den normalen Lohn sowieso kaum leisten. Auch die Zuschüsse für Ehefrau (40 DM) und Kinder (je 35 DM) könne über diese Sache nicht hinwegtäuschen. Die Geschäftsleitung soll uns doch bitte einmal verraten, wie man einem Kind für 35 DM beispielsweise Winterkleidung kaufen kann. Das Geld reicht noch nicht einmal zu einem gescheiten Weihnachtsgeschenk. Kurz und gut, das Weihnachtsgeld ist einfach zu niedrig. Es ist eine ganz billige Abspeisung der Belegschaft gegenüber den Gewinnen, die in der letzten Zeit gemacht wurden. Gerade Schenck hat, wie es in der gesamten Metallbranche der Fall ist, in den letzten Jahren riesige Gewinne verzeichnet. Im letzten Jahr gab es den höchsten Umsatz in der Geschichte des Betriebes. Die Gewinne werden durch die Betriebserweiterung noch weiter steigen. Und da besitzt die Geschäftsleitung die Frechheit, auf dem Zettel am schwarzen Brett zu schreiben, daß sie nicht dafür bürgen kann, daß in den nächsten Jahren Weihnachtsgeld gezahlt wird. … Weil das Weihnachtsgeld nicht tariflich abgesichert ist, wollen sie uns damit erpressen. Wir sollen brav und fleißig sein, viel arbeiten, nicht aufmucken und dann auch noch heilfroh sein, wenn wir wenigstens noch ein Drittel des Monatslohns als Weihnachtsgeld bekommen. Von den Werten, die wir Tag für Tag hart erarbeiten und durch die Unternehmer Riesengewinne scheffeln, wird uns so wenig wie möglich gezahlt. Wir werden so kurz wie nur möglich gehalten. Dazu wird auch noch versucht, die jüngeren gegen die älteren Kollegen auszuspielen. Diejenigen mit längerer Betriebszugehörigkeit bekommen prozentual mehr, als diejenigen mit weniger Betriebszugehörigkeit. Wir wollen hier nicht die älteren Kollegen diffamieren, aber die jüngeren Kollegen haben meistens auch eine Familie zu ernähren. Und alle, ob jung oder, bekommen zu wenig Weihnachtsgeld.

Manche werden sagen: 'seien wir doch damit zufrieden, in anderen Betrieben gibt es noch weniger'. Erstens ist dazu zu sagen, daß es in anderen Betrieben auch wesentlich mehr gibt. Beispielsweise bei Merck gibt es den 13. Monatslohn bzw. das 13. Monatsgehalt. Zweitens ist die Situation in anderen Betrieben genauso wie bei uns, daß die Kapitalisten aus den Arbeitern soviel wie möglich Profit herauspressen."
Q: Der Rote Metaller Nr. 2, Darmstadt Dez. 1970

Februar 1971:
In Bensheim geben KPD/ML-ZB und KJVD die Nr. 2 ihres 'Roten Siemens Arbeiters' (vgl. Jan. 1971) heraus. Berichtet wird aus einem Betrieb des Siemens-Konzerns in Norddeutschland, wo die Betriebsgruppe der KPD/ML-ZB für höheres Weihnachtsgeld eintrete.
Q: Der Rote Siemens Arbeiter Nr. 2, Bensheim-Auerbach Feb. 1971, S. 6

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April 1971:
In Frankfurt erscheint die Nr. 2 der Ausgabe Naxos des 'Roten Metallers' der KPD/ML-ZK (vgl. Feb. 1971, Juni 1971) mit dem Artikel "Martin, der Rechenkünstler" zur Jahresabschlussvergütung bzw. dem Weihnachtsgeld.
Q: Roter Metaller Naxos Nr. 2, Frankfurt Apr. 1971, S. 7

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27.09.1971:
Vermutlich in dieser Woche gibt die OG Frankfurt der RJ/ML des KAB/ML die Nr. 6 des 'TN-Arbeiters' (vgl. Aug. 1971, 15.11.1971) für September heraus. In "Betriebsversammlung", die immer noch nicht stattfand, heißt es u.a.:"
Und mag Kollege Hoffmann noch so sehr auf uns Kommunisten fluchen, einige Fragen werden wir trotzdem stellen:
Kollege Hoffmann, warum verhinderst Du, daß die Kollegen auf einer Betriebsversammlung ihre Forderungen zur Tarifrunde vorbringen können? Hast Du etwa Angst, daß die Kollegen nicht mit den 7%-Lohnleitlinien Deiner SPD-Parteifreunde in der Regierung einverstanden sind? Hast Du Angst, daß Forderungen wie die nach Abschaffung der unteren Lohngruppen, nach einem 13. Monatseinkommen, nach 15% Lohnerhöhung und Forderungen zum Kampf gegen das arbeiterfeindliche BVG, daß Deine Parteifreunde in der SPD/FDP-Regierung verabschieden wollen, gestellt werden? Und hast Du Angst, daß Du gefragt wirst, was Du als unser Interessenvertreter getan hast um unsere Interessen auch gegenüber den rechten Gewerkschaftsführern durchzusetzen."
Q: Der TN-Arbeiter Nr. 6, Frankfurt Sept. 1971

18.12.1971:
In Darmstadt und Pfungstadt gibt der KAB/ML vermutlich in dieser Woche die zweite Dezember-Ausgabe seines 'Metallarbeiter' - von Kollegen für die Belegschaft der Hofmann KG (vgl. 8.12.1971, 21.2.1972) heraus. Auf die eigene Geschichte wird eingegangen in "1 Jahr 'Metallarbeiter'". Man kämpfte gegen das BVG, brachte mehrere Extras zur MTR heraus, prangerte die Geschäftsleitung an zum Weihnachtsgeld, den sanitären Anlagen und den Sicherheitsvorkehrungen.
Q: Metallarbeiter Dez. 71 2, Darmstadt Dez. 1971, S. 3

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11.10.1973:
In Kassel kommt es, laut SAG, bei Hanomag-Henschel in der Frühschicht zu einem Streik, der aber u.a. wegen der Distanzierung von Betriebsrat und Gewerkschaft erfolglos bleibt.
Laut KPD/ML streiken über 4 000 u.a. im Achsenbau.

Der KBW berichtet:"
STREIKS BEI HANOMAG GEGEN ANRECHNUNG DER TEUERUNGSZULAGE (TZL, d.Vf.)

In verschiedenen Werken der Firma Hanomag Henschel kam es in der letzten Woche zu Streiks. In Kassel legten mehr als 4 000 Kollegen der Früh- und Normalschicht die Arbeit nieder, weil die im Juli erreichte Teuerungszulage von 250 DM auf das Weihnachtsgeld angerechnet werden soll. Der Streik mußte erfolglos abgebrochen werden."

Berichtet wird auch in NRW durch die Zelle Hoesch Dortmund der Kommunistischen Fraktion im Ruhrgebiet (KFR des KBW - vgl. 17.10.1973).
Q: Roter Hoesch Arbeiter Nr. 4, Dortmund 17.10.1973, S. 4; Kommunistische Volkszeitung Nr. 5, Mannheim 24.10.1973, S. 5;Roter Morgen Nr. 41, Dortmund 20.10.1973;Klassenkampf Nr. 29, Frankfurt Nov. 1973

05.03.1975:
Bei Honeywell in Mühlheim findet, laut KBW, ein Streik für ein volles Weihnachtsgeld statt.
Q: Kommunistische Volkszeitung Nr. 10, Mannheim 13.3.1975

15.11.1975:
Die KPD/ML gibt ihren 'Roten Morgen' (RM) Nr. 46 (vgl. 8.11.1975, 22.11.1975) heraus und berichtet aus Ludwigsburg vom Streik bei Hüller wegen dem Weihnachtsgeld. Auch in Viernheim (Kreis Bergstraße) streikten 410 beim Autozulieferer Walker um ihr Weihnachtsgeld.
Q: Roter Morgen Nr. 46, Dortmund 15.11.1975, S. 3

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