Materialien zu Studentenbewegung und Hochschulpolitik in Hamburg

Teil 5: Mai und Sommer 1968

Von Jürgen Schröder, Berlin, 12.10.2009

Dieser fünfte Teil der Darstellung zur Hamburger Studentenbewegung umfasst neben der erstmaligen Würdigung des 1. Mai seitens der APO (vgl. 1.5.1968) zunächst den Protest gegen die Notstandsgesetze (NSG – vgl. 6.5.1968, 9.5.1968, 11.5.1968), wobei es zum Scheitern des Streiks an der Universität Hamburg (vgl. 15.5.1968) und auch des angekündigten Bündnisses mit dem DGB Hamburg (vgl. 19.5.1968, 21.5.1968), dafür aber zur Bildung des Hamburger Arbeiter- und Studenten-Ausschuss (HASA) kommt, also zu den ersten größeren organisierten Kontakten zwischen diesen Gruppen.

Zur 3. Lesung der Notstandsgesetze scheint der Protest in der Universität selbst nicht mehr relevant und wird vernachlässigt (vgl. 27.5.1968), dafür wird täglich in der Stadt demonstriert, sowohl in der Innenstadt als auch in Altona und Barmbek (vgl. 28.5.1968, 29.5.1968, 30.5.1968) und auch das Bündnis mit den progressiven Kunstschaffenden wie Wolfgang Neuß und Franz-Josef Degenhardt gepflegt (vgl. 30.5.1968).

Zu militanten Aktionen kommt es während es Notstandsprotestes kaum, schnell aufgebaut aber wird ein Verteilersystem für die Agitation an den Betrieben und im Hafen. Die tägliche Mobilisierung erweist sich schnell als Überforderung, die Entscheidung der Abgeordneten lässt sich durch die Proteste nicht beeinflussen und es entsteht Resignation bei den Protestierenden.

In den beiden hier vorgestellten Ausgaben des 'Auditoriums' vom Mai und Juni / Juli 1968 schlagen sich die Herausarbeitung der Positionen zu Wissenschaft und Wissenschaftsorganisation, nicht zuletzt am Beispiel des Hamburger Universitätsgesetzes, aber auch Tendenzen einerseits zur Auseinandersetzung mit der Sexualität sowie zur Veränderung des Äußeren der Studierenden nieder, wobei die diesbezügliche Repression beklagt wird. Deutlich wird auch die anhaltende internationale Orientierung der Hamburger Studentenbewegung.

Zum Ende des Sommers 1968 kommt es einerseits zum Beginn der lang anhaltenden Publikationstätigkeit des Dieter Schütt (vgl. 25.8.1968, 29.8.1969, 5.9.1968), aber auch zur Spaltung der Hamburger Gruppe Roter Morgen, die sich der Gründung der KPD/ML zu verweigern scheint (vgl. Sept. 1968, 26.9.1968).

Ebenfalls mit der Verweigerung, allerdings der Kriegsdienstverweigerung (KDV) der potentiellen Rekruten der Bundeswehr, befasst sich zur selben Zeit der SDS Hamburg (vgl. 12.9.1968), dem vermutlich auch viele der Protagonisten der Gruppe Roter Morgen Hamburg damals noch angehörten.

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

Mai 1968:
Der AStA der Universität Hamburg gibt sein 'Auditorium – Hamburger Studentenzeitung' Nr. 54 (vgl. 22.4.1968, 24.6.1968) für Mai in einer Auflage von 10 000 heraus. Beilagen gibt es u.a. von Procter & Gamble sowie, uns nicht vorliegend, zu den politischen Schriften von Günter Grass und von der Burschenschaft Hansea.
Leserbriefe behandeln u.a. die nur von 60 der ca. 1 800 Immatrikulierten Vollversammlung der Studenten der rechtswissenschaftlichen Fakultät am 8.5.1968. Unter News & Curiosa wird von der Einladung des Justizsenators Schulz zur Diskussion an die Mitglieder des Studentenparlaments am 16.5.1968 berichtet, zu der nur 14 von 80 Mitgliedern erschienen. Vorgestellt werden die AStA-Referenten für Finanzen, Alexander von Fircks vom RCDS, für Sport, Claus Hollmann, für Soziales, Wolfgang Peiner vom RCDS, und für Hochschulpolitik, Jochen Grote vom RCDS. Rektor und AStA laden zum sommerfest am 15.6.1968.
Die Fachschaft Romanistik beklagt den Rasierzwang für Examenskandidaten.

Aus Bochum wird berichtet von der Gründung der Kritischen Universität (KU).

Zu den Notstandsgesetzen (NSG) äußert sich Wolfgang Krohn in "DEMOKRATUR in Deutschland". Berichtet wird durch Peter Schütt von den Notstandsprotesten am 11.5.1968 in "Lob der Straße", und von Holger Rust in einem weiteren Artikel über "Frankreich – De Gaulle und der Notstand". Verfügbar sind die Dokumente des Internationalen Berliner Vietnamkongresses. Adolf Hartmann fragt: "Amerika – hast du es besser?" und befasst sich mit den Studienbedingungen dort. Peter Münder berichtet aus Großbritannien in "Dreaming of a white Christmas. England am Vorabend der studentischen Revolte?".

Uwe Wandrey erläutert: "Die politische Potenz des Sex. Auf dem Weg zu einer sexuell befreiten Gesellschaft". Von Stefan Leibfried erscheint der Teil 1 von "Autonomie und Anpassung. Notizen zur Steuerung von überregionalen Wissenschaftsorganisationen".

Rezensiert werden Hans Albert: "Marktsoziologie und Entscheidungslogik", Theodor Ebert: "Gewaltfreier Aufstand", Fritz Vilmar: "Rüstung und Abrüstung im Spätkapitalismus", H.-E. Bahr (Hrg.): "Weltfrieden und Revolution" sowie E. Nolte (Hrg.): "Theorien über den Faschismus"."
Quelle: Auditorium Nr. 54,Hamburg Mai 1968

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01.05.1968:
Laut 'Roter Morgen' nehmen in Hamburg "etwa 4 000 Menschen an der Kundgebung des DGB teil. … Nach Schluß der offiziellen Kundgebung zogen etwa 2 500 bis 3 000 Menschen zur Moorweide, wo eine sozialistische Maikundgebung durchgeführt wurde. Ein anschließender Demonstrationszug von 300 Lehrlingen und jungen Arbeitern wurde wenig später durch die Polizei zerschlagen".
Q: Roter Morgen,Hamburg Mai 1968,S.7

06.05.1968:
An der Universität Hamburg findet, laut Detlev Albers (vgl. dez. 1968), eine studentische Vollversammlung (vgl. 28.5.1968) statt, die eine weitere Kundgebung gegen die Notstandsgesetze (NSG – vgl. 9.5.1968) beschließt und einen neuen Aktionsausschuss, nun "unter Federführung des AStA" einsetzt.

Über den Streik am 15.5.1968 findet keine Einigung statt, da SDS und der linke Flügel für Barrikadenbau und Streikposten sowie Demonstrationen in der Innenstadt sind, während der AStA, die meisten Fachschaften und der restliche SHB lediglich Informationsveranstaltungen durchführen wollen. Es findet keine Entscheidung statt.
Q: Partisan Nr.2,Hamburg o. J.,S.55ff

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09.05.1968:
An der Universität Hamburg wurde durch die studentische Vollversammlung (vgl. 6.5.1969) eine Kundgebung auf der Moorweide gegen die Notstandsgesetze (NSG) zur Vorbereitung des bundesweiten Sternmarsches (vgl. 11.5.1968) beschlossen. Die Vorbereitungen für die Kundgebung beginnen aber so langsam, dass die Redner absagen.
Q: Partisan Nr.2,Hamburg o. J.,S.55

09.05.1968:
Der AStA der Universität Hamburg gibt seine 'Zur Sache' Nr.2 (vgl. 25.4.1968) heraus. Die Hamburger SPD-Druckerei Auerdruck verweigerte dem 'Hamburger Extrablatt' (vgl. 22.6.1967) den Druck, woraufhin die Redakteure endgültig resignierten. 'Zur Sache' werde aber deren Anliegen weiterverfolgen.

Aufgerufen wird zum Sternmarsch gegen die Notstandsgesetze (NSG - vgl. 11.5.1968). Die NSG sollen auch an die Stelle der alliierten Vorbehaltsrechte, d.h. des "Dschungelrecht in Westeuropa" treten.

Berichtet wird u.a. vom 1. Mai, vom Prozeß gegen den Studentenjournalisten Oehrens sowie vom NPD-Erfolg in Baden-Württemberg, der den Studenten angelastet werde.

Bei den Osterdemonstrationen habe Innenminister Benda die Länderhoheit verletzt. Helmut Schmidt von der SPD wolle Mitbestimmung nur für Arbeitgeber. Festgestellt wird: "Arbeiter sind nicht dümmer".
Q: Zur Sache Nr.2,Hamburg 9.5.1968

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11.05.1968:
Zum Sternmarsch gegen die Notstandsgesetze (NSG) wurde auch in Hamburg aufgerufen (vgl. 9.5.1968).
Q: Zur Sache Nr.2,Hamburg 9.5.1968,S.1; Partisan Nr.2,Hamburg o. J.,S.55

15.05.1968:
An der Universität Hamburg heute gegen die Notstandsgesetze (NSG) gestreikt, laut Detlev Albers (vgl. Dez. 1968), teils mit, teils ohne 'technische Hilfsmittel'. Abends findet eine Informationsveranstaltung des AStA mit Politikern und Gewerkschaftern im überfüllten Audimax statt. Eine studentische Verhandlungskommission aller linken Hochschulgruppen und des AStA soll das vom örtlichen DGB-Vorsitzenden Höhne versprochene Bündnis mit dem DGB Hamburg vorbereiten (vgl. 21.5.1968).

Laut Wolfgang Krohn (vgl. 24.6.1968) missglückt der Streik. Der Philosophenturm sei statt wie um 22 Uhr bereits zwischen 17 und 19 Uhr gesperrt worden, wozu es u.a. hinsichtlich Jürgens Riegers heißt:"
Kein Schlägertyp wie Herr Rieger vom RSD schwang seinen Knüppel, kein eloquenter Verteidiger seines Rechts, Seminare und Dozenten zu besuchen, fand sich vor den Türen des Turmes. Alle, die sich gegen die politisch motivierten Maßnahmen der Studenten wandten, nahmen die unmotivierten Verwaltungsmaßnahmen hin wie das Wetter."
Q: Partisan Nr.2,Hamburg o. J.,S.55; Auditorium Nr. 55,Hamburg Juni/Juli 1968,S.2

19.05.1968:
Zu den Notstandsgesetzen (NSG) beschließt, laut Detlev Albers (vgl. Dez. 1968), der DGB-Bundesvorstands heute die Beeinflussung der Bundestagsabgeordneten und weiter heißt:"
Wie bisher wird der DGB alle Maßnahmen in eigener Verantwortung durchführen und sich nicht von anderen Gruppen in unkontrollierbare Aktionen drängen lassen."
Q: Partisan Nr.2,Hamburg o. J.,S.56

21.05.1968:
In Hamburg soll heute zur Vorbereitung der 3. Lesung der Notstandsgesetze (NSG), laut Detlev Albers (vgl. Dez. 1968), das Treffen der studentischen Verhandlungskommission mit dem örtlichen DGB-Vorsitzenden Höhne und den Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften stattfinden. Diese aber verweigern sich aufgrund des Beschlusses des DGB-Bundesvorstands (vgl. 19.5.1968) der Zusammenarbeit. Daraufhin bildet sich der Hamburger Arbeiter- und Studenten-Ausschuss (HASA), der schon nach zwei Tagen 35 Betriebsräte großer Firmen als Unterzeichner seines Flugblattentwurfs gewinnen konnte und bald 50 Mitglieder umfaßte, die eine Demonstration bzw. später eine Kundgebung für den 28.5.1968 vorbereiten.
Q: Partisan Nr.2,Hamburg o. J.,S.56

27.05.1968:
In Hamburg scheitert, laut Detlev Albers (vgl. Dez. 1968), der Versuch der Durchführung einer weiteren studentischen Vollversammlung (vgl. 6.5.1968) zum Protest gegen die Notstandsgesetze (NSG), da das Präsidium des Studentenparlaments "nicht für die geringste Ankündigung gesorgt hatte."
Q: Partisan Nr.2,Hamburg o. J.,S.60

28.05.1968:
In Hamburg findet heute aufgrund der morgigen 3. Lesung der Notstandsgesetze (NSG), laut Detlev Albers (vgl. Dez. 1968), eine Kundgebung mit mehr als 10 000 Menschen statt, die sich zum Zug durch die Bannmeile entschließen, wobei die Nachhut versuchte, die Staatsoper zu besetzen. Abends wird im Audimax eine weitere Demonstration am nächsten Tag beschlossen.
Q: Partisan Nr.2,Hamburg o. J.,S.57

29.05.1968:
In Hamburg findet aufgrund der heutigen 3. Lesung der Notstandsgesetze (NSG – vgl. 28.5.1968, 30.5.1968), laut Detlev Albers (vgl. Dez. 1968), eine Demonstration durch Barmbek statt, für die der HASA die Verteilung von neuen, noch in der Nacht erstellten, Flugblättern im Hafen und vor den Fabriken organisierte. Der Zug wächst von 8 00 auf 2 500 Menschen an.

Im Schauspielhaus betreten, laut Agnes Huffner und Peter Schütt (vgl. 24.6.1968), mehrere hundert Demonstranten während der Pause das Foyer um mit dem Publikum zu diskutieren, nach der abgebrochenen Vorstellung findet ein mehrstündiges Teach-In statt.
Q: Partisan Nr.2,Hamburg o. J.,S.57; Auditorium Nr. 55,Hamburg Juni/Juli 1968,S.19

30.05.1968:
In Hamburg findet aufgrund der gestrigen 3. Lesung der Notstandsgesetze (NSG – vgl. 28.5.1968, 30.5.1968), laut Detlev Albers (vgl. Dez. 1968), eine Demonstration durch Altona statt mit nur noch 600 bis 800 Leuten.

Das Schauspielhaus wird, laut Agnes Huffner und Peter Schütt (vgl. 24.6.1968), von der Polizei abgeriegelt, es kann keine Diskussion stattfinden, eine Woche später aber laden Franz-Josef Degenhardt und Wolfgang Neuß 50 SDS-Mitglieder auf die Bühne ein, führen ihr Programm mit einem Teach-In über die Aufgaben von Kunst, Literatur und Theater nach der Verabschiedung der Notstandsgesetze fort.
Q: Partisan Nr.2,Hamburg o. J.,S.57; Auditorium Nr. 55,Hamburg Juni/Juli 1968,S.19

24.06.1968:
Der AStA der Universität Hamburg gibt sein 'Auditorium – Hamburger Studentenzeitung' Nr. 55 (vgl. Mai 1968, Nov. 1968) für Juni / Juli vermutlich in dieser Woche in einer Auflage von 10 000 heraus. Das Titelbild widmet sich dem Hochschulgesetz. Wolfgang Krohn befasst sich in "Von der Schwierigkeit zu streiken" mit dem Streik gegen die Notstandsgesetze (NSG) am 15.5.1968, Agnes Huffner und Peter Schütt berichten in "Theaterdonner" vom NSG-Protest im Schauspielhaus (vgl. 29.5.1968). Auf S. 11 heißt es zu den NSG-Protesten von unbekannten Verfassern auch: "
Die gedämpfte Stimmung, wenn nicht gar Resignation, die sich nach den Aktionen gegen die Notstands-Gesetzgebung in der APO allenthalben ausbreitet, kann durch Selbstkritik und Strategiediskussion überwunden werden".

Von Jens Litten erscheint "Das Hamburger Universitätsgesetz. Bemerkungen zur Pathogenese der Hochschulreform", wobei auch der CDU- und der SPD-Entwurf zum UniG teilweise dokumentiert werden, von Helga Bauer kommt dazu auch der Beitrag "Politische Conferenciers. Kommentar zur Entstehung des Senatsentwurfs". Reinhold dJ Oberlercher äußert sich "Zur Dialektik von Forschung und Lehre". Sven G. Packe verfasste den Artikel: "Revolutionäre Reform? Aspekte der Mitbestimmung". Von Stefan Leibfried erscheint der Teil 2 von "Autonomie und Anpassung". Michael Altenburg schildert die "Metamorphosen des Herrn Ipsen. Vom Dilemma eines Staatsrechtslehrers".

Ulfert Krahé berichtet in "… hat es doch Methode!" über die Notwendigkeit des gepflegten Äußeren und der Kritiklosigkeit für das erfolgreiche Bestehen des Philosophikums. Richard E. Otto kritisiert in "Nicht revidiert" das Gemeinschaftskundebuch des Prof. Dr. Caesar Hagener vom Pädagogischen Institut (PI), Beata v. Uexküll berichtet aus Schweden (vgl. 24.5.1968), Gerd Hoerder in "Wider die 'Universität als Zuchtanstalt'. Aktionsziele der amerikanischen Studentenbewegung" aus den USA.

Berichtet wird auch vom OSI der FU Berlin sowie vom Verkauf des Kindler und Schiermeyer Verlags.

Rezensiert werden Rolf Seeliger: "Die außerparlamentarische Opposition", Wilhelm Reich: "Die sexuelle Revolution", Poul M. Faergemann: "Perversität, Pornographie und Entrüstung", Georg Lukacs: "Schriften zur Ideologie und Politik" sowie Antonio Montaner (Hrg.): "Geschichte der Volkswirtschaftslehre". Auf der Rückseite erscheinen zwei Gedichte von Beate Löffler.
Q: Auditorium Nr. 55,Hamburg Juni/Juli 1968

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25.08.1968:
Dieter Schütt gibt in Hamburg seinen ersten 'Roten Brief' (vgl. 29.8.1968) heraus.
Q: Rote Briefe Nr.1 und 2,Hamburg 25.8.1968 bzw. 29.8.1968; Der Funke Nr.19,Hamburg 1979,S.5

29.08.1968:
Dieter Schütt gibt in Hamburg seinen zweiten 'Roten Brief' (vgl. 25.8.1968, 5.9.1968) heraus.
Q: Rote Briefe Nr.2,Hamburg 29.8.1968

September 1968:
Laut SALZ und KAB Hamburg wird Ernst Aust aus der Gruppe Roter Morgen (GRM) Hamburg ausgeschlossen, da er "zur Befriedigung seines Geltungsbedürfnisses eine Partei gründen wollte" (so die Gruppe). Konsequenz aus einer für die Gruppe "verfrühten Parteigründung" ist eine Erklärung (vgl. 26.9.1968).
Q: SALZ und KAB Hamburg:Was sind die Superlinken und wie schaden sie der Sache des Proletariats?,Hamburg 1971,S.6

05.09.1968:
Dieter Schütt gibt in Hamburg seinen 'Roten Brief' Nr.4 (vgl. 29.8.1968, Jan. 1969) heraus, aus dem hervorgeht, daß Mitglieder des späteren Initiativausschusses (u.a. Krennrick), die zum Teil der ehemaligen KPD angehörten, die Zeitschrift 'Partisan' herausgeben.
Q: Rote Briefe Nr.4,Hamburg 5.9.1968

12.09.1968:
Es beginnt in Frankfurt die 23. ordentliche Delegiertenkonferenz des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS). Sie dauert bis zum 18.9.1968.

Laut 'Bochumer Studenten Zeitung' zeigt die DK, "daß der Verband in den nächsten Monaten seine bisherige Struktur überwinden muß, da diese durch die politische Praxis der einzelnen Gruppen überholt und in offenem Widerspruch zu einer qualitativ neuen Arbeit getreten ist. Der Ausschluß der fünf Genossen, die der Politik der KPD nahestehen (vgl. 10.8.1968,d.Vf.), konnte über die Organisationsproblematik nicht hinwegtäuschen. Der Hauptgrund für den Ausschluß war, daß die KP-Fraktion die Aktionseinheit des SDS zu zerstören drohte (in Köln z.B. entfernten Mitglieder des rechten Flügels von den Antiautoritären errichtete Barrikaden). Das Verhalten der fünf ausgeschlossenen Mitglieder in Sofia wurde als konsequente Fortführung ihrer Politik in Westdeutschland interpretiert … Ihr Ausschluß soll nach intensiver Diskussion über die Organisationsfrage zu einer Neubestimmung der SDS-Politik führen, die nicht mehr von der Bündnispolitik nach rechts beeinflußt sein wird. Nach der Ausschlußfrage standen folgende Punkte zur Diskussion:
Anti-Bundeswehr-Kampagne, Hochschule und Technologie. Zwei Gruppen (Hamburg und Frankfurt) arbeiten z.B. an dem Bundeswehrprojekt. Ihre Diskussionsbeiträge:
a) Intensivierung und Zusammenarbeit mit Lehrlingen und Jungarbeitern und die in Ansätzen vorhandene Aktionseinheit zu festigen.
b.) Der SDS muß versuchen, die Repressionen des Bundeswehr-Offizierskorps gegen Soldaten zur Politisierung der Soldaten fruchtbar zu machen … Die Hamburger, Bochumer und Münsteraner SDS-Gruppen streben eine Organisation auf Projekt-Gruppen-(Räte-) Basis mit regionalen Räten und einem Zentralrat an".

Laut 'apo press' München wird u.a. von den Gruppen Frankfurt und Berlin ein CSSR-Antrag vorgelegt, der versucht, den Eingriff der UdSSR als "sozialimperialistischen Eingriff der Sowjetunion" darzustellen:"
Dieser Begriff provozierte Genossen, insbesondere aus der Marburger Gruppe zur Verleugnung der Ausbeutung aller Satellitenstaaten über ungleiche Handelsverträge durch die UdSSR … In der Diskussion über die Bundeswehrkampagne stellte sich heraus, daß bisher lediglich sporadische Arbeitsansätze gemacht wurden (Frankfurt, Hamburg), die in der nächsten Zeit von der Hamburger Gruppe zusammengefaßt, verarbeitet und allen anderen Gruppen vermittelt werden. Die Strategie des SDS in Bezug auf Kriegsdienstverweigerung (KDV,d.Vf.) wird sich nicht mehr auf den abstrakten Appell zur Verweigerung beschränken, sondern darauf hinzielen, in der Bundeswehr selbst oppositionelle Kerne zu bilden".
Q: apo press Nr.18,München 30.9.1968,S.2ff; Bochumer Studenten Zeitung Nr.29,Bochum 19.9.1968,S.29

26.09.1968:
Laut KFR wird eine Erklärung eines Teils der Gruppen Roter Morgen Hamburg, Mannheim, Karlsruhe und Tübingen, die sich nicht an der späteren Gründung der KPD/ML beteiligen verfaßt. Laut Knut Mellenthin und MLPD wird von der GRM Hamburg zur Bildung einer ML-Liga aufgerufen, wobei sich später die anderen Gruppen anschliessen (vgl. 13.10.1968).
Laut SALZ und KAB Hamburg entsteht die Erklärung erst am 28.9.1968.

In der Erklärung bzw. dem Rundschreiben heißt es:"
Die Auf den Roten Morgen orientierten Gruppen sind weder organisatorisch noch ideologisch (dazu) in der Lage, eine Partei zu gründen. Beweis dafür ist einerseits die innere Zerrissenheit der Gruppen, andererseits die meist persönlich motivierten Machtkämpfe zwischen einzelnen Gruppen. Wir sehen darin einen klaren Ausdruck mangelnder politischer Reife. Würde dennoch eine Gründung vollzogen, so würde dadurch der Sache der Arbeiterklasse unabsehbarer Schaden zugefügt. … Die Bildung einer marxistisch-leninistischen Partei, die diesen Namen auch verdient, kann nur das Ergebnis eines langen Prozesses sein. Die Gründung muß genau zu dem Zeitpunkt vollzogen werden, wenn alle subjektiven und objektiven Bedingungen dafür herangereift sind, und nicht schon in einem Moment, der aus irgendwelchen anderen Gründen opportun erscheinen mag."

Laut SALZ und KAB Hamburg schlug die Gruppe auch vor, die Diskussion um eine Reorganisierung der westdeutschen Marxisten-Leninisten zu eröffnen. Eine programmatische Erklärung zur Bildung einer marxistisch-leninistischen Liga wird gefordert.
Q: SALZ und KAB Hamburg:Was sind die Superlinken und wie schaden sie der Sache des Proletariats?,Hamburg 1971,S.6; Mellenthin,Knut:Einige Bemerkungen zur Vorgeschichte der KPD/ML,o.O. o.J.,S.2; MLPD-ZK:Geschichte der MLPD,I.Teil,Stuttgart 1985; Klassenkampf und Programm Nr.3,Dortmund Apr. 1973,S.40f

Dezember 1968:
Vermutlich im Dezember erscheint in Hamburg durch das Anarchokollektiv der 'Partisan' Nr.2. Von Detlef Albers erscheint der Artikel "Ansätze unmittelbarer Demokratie in der Studentenbewegung – ein Beitrag zur Rezeption des Rätegedankens". Berichtet wird im zweiten Teil auch über den "Verlauf der Aktionen in Hamburg" u.a. über den Aktionsausschuss 1. Mai und den 1. Mai 1968 sowie den Protest gegen die Notstandsgesetze (NSG).
Q: Partisan Nr.2,Hamburg o. J.

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