Günther Jacob: "Materialien zur Lage der Arbeiterklasse in der Kopiergeräte-Industrie und zur Situation auf dem Kopiergeräte-Weltmarkt. Beispiele aus einer Betriebszeitung für eine Fabrik xerographischer Geräte in Hamburg (Juni 1979-August 1981)" und: "Umwälzung der Kommunikationsmittel: Vom Papyrus zur Xerographie".

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Dietmar Kesten, Gelsenkirchen, 5.6.2022

Vermutlich im Mai 1981 veröffentlichte der KBW Hamburg eine von Günther Jacob zusammengestellte Dokumentation über seine zweijährige Betriebsarbeit in der Hamburger Kopiergeräte-Fabrik Lumoprint, wo er als Informationselektroniker beschäftigt war. Lumoprint wurde 1979 vom Pelikan-Konzern übernommen. Ende 1982 wurde die Fabrik wegen Insolvenz geschlossen. (Vgl. Juni 1979)

Die Dokumentationen enthalten wichtige Artikel aus der Betriebszeitung (1979-1981) für Lumoprint, darunter auch Materialien zu Jacobs fristloser Entlassung und dem Kampf um seine Wiedereinstellung sowie zur Betriebsratswahl 1981, zu der erstmals die oppositionelle Liste "Frischer Wind" antrat. Die KVZ-Betriebsausgabe enthielt überdies eine Technikgeschichte zur Umwälzung der Vervielfältigungstechnologie bis zur Fotokopier-Maschine. Diese Serie wurde vom August bis Oktober 1981 auch in der KBW-Zeitschrift "Revolutionäre Volksbildung" veröffentlicht (Vgl. 20. Mai 1981)

In der Vorbemerkung zu den "Materialien" heißt es: "Diese Artikelsammlung dokumentiert unter bestimmten Gesichtspunkten den Versuch, mithilfe des wissenschaftlichen Sozialismus an die wirklichen Kämpfe einer Belegschaft in einer Fabrik xerographischer Geräte anzuknüpfen. Durch Kritik sollte die soziale Wahrheit entwickelt werden, sollte gezeigt werden, warum gekämpft wird und so die Einsicht herausgearbeitet werden, dass der Widerspruch von Lohnarbeit und Kapital die Grundlage vieler kleiner und größerer Auseinandersetzungen und schließlich des unversöhnlichen Klassengegensatzes in der kapitalistischen Gesellschaft ist. Die Dokumentation beschränkt sich auf solche Artikel, die sich mit dem unmittelbaren Arbeitsprozess, seinem stofflichen Inhalt und seiner Form beschäftigen, mit den konkreten Verhältnissen einer ganz bestimmten Produktion also. Das wird dann einigermaßen allseitig behandelt, wie die Inhaltsgliederung zeigt. Nicht dokumentiert sind alle Artikel zu weltpolitischen oder innenpolitischen Ereignissen. (…)

Die hier behandelte Hamburger Fabrik xerographischer Geräte gehört zum Maschinenbau. Die arbeitsrechtlichen und tariflichen Bedingungen unterscheiden sich natürlich nicht von den in der übrigen Industrie, speziell der Metallindustrie. Abgesehen von Betriebsvereinbarungen und von der Tatsache, dass die Eigentümer in diesem Fall nicht dem Kapitalistenverband angehören. Aber über die Verwirklichung gesetzlicher und tariflicher Garantien wie auch über eventuelle Bestrebungen, darüber hinauszugehen, entscheidet letztlich die soziale Realität. Politische Unterdrückung gelingt leichter, wo die Einstufung in untere Lohngruppen den Preis für Widerstand im Luxusbereich ansiedeln."

In der Vorbemerkung zur Technikgeschichte heißt es: "Diese Serie wurde in der Zeit vom Oktober 1980 bis Januar 1981 veröffentlicht. (…) Die Serie enthielt angesichts des Platzmangels keine Fußnoten und Quellenhinweise. Als Quellen dienten verschiedene geschichtliche Nachschlagewerke. Vor allem aber wurden mehrere hundert Artikel aus Bürofachzeitschriften und Wirtschaftszeitungen sowie ebenfalls über zwei Jahre hinweg gesammelte Prospekte und Werbematerial verwendet. Das war nötig, weil es keine zusammenhängende Darstellung der Geschichte und Vorgeschichte der Xerographie gibt. Es existiert keine Darstellung der naturwissenschaftlich-technischen Entwicklung und erst recht existiert keine Darstellung des Zusammenhangs zwischen technischer und gesellschaftlicher (ökonomischer, politischer und ideologischer) Entwicklung.

Darin kommt auch die Tatsache zum Ausdruck, dass nicht planmäßig und bewusst für den gesellschaftlichen Bedarf produziert wird. In der Fabrik, wo diese Serie gelesen wurde, gibt es nur wenig Beschäftigte, denen die naturwissenschaftlich-technischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge der Xerographie einigermaßen bekannt sind. Das gilt nicht nur für ungelernte Arbeiterinnen und Facharbeiter. Auch Abteilungsvorgesetzte oder Ingenieure haben nur wenige Kenntnisse von der geschichtlichen oder neueren Entwicklung oder gar Marktsituation. Nicht Desinteresse ist die Ursache dieser Situation. Den ungelernten Arbeiterinnen werden bei der Einweisung nicht die minimalsten Kenntnisse über die prinzipielle Funktionsweise der Xerographie vermittelt. Die Facharbeiter erhalten neben dem Training in Schnellreparatur eine knappe Darstellung der physikalischen Grundlagen der Xerographie und der wesentlichen Unterschiede der von der Firma vertriebenen Gerätetypen.

Mit dieser gewaltsamen Trennung von Hand- und Kopfarbeit findet sich aber kaum jemand freiwillig ab. Schon der ständige Kampf gegen die Intensivierung der Arbeit durch das Kapital drängt den Gedanken auf, durch Eingriffe in den Arbeitsprozess selbst Widerstand zu leisten: durch tarifliche oder betriebliche Reglementierung von Taktzeiten, durch Forderung nach Ausdehnung des Tätigkeitsbereiches und damit Erhöhung der Lohngruppe. Das aber erfordert Kenntnisse.

Ebenso weckt der Kampf gegen geplante Verlagerung, gegen Kurzarbeit und Entlassungen das Interesse an Kenntnissen über die wirkliche Marktsituation und die Marktgesetze. Wer die Produktionsverhältnisse kritisieren will, braucht klare Vorstellungen von der stofflichen Seite der Produktion, wie auch von der Form, in der sich die Regelung der Produktion vollzieht.

Verschiedene Diskussionen und Bemerkungen sowie eine steigende Zahl von Lesern zeigen, dass es an all dem ein Interesse gibt. In der Serie wird versucht, möglichst alle Seiten des Themas zumindest anzusprechen: Die naturwissenschaftlich-technische Seite, die politisch-ökonomische Seite, das Kapitalinteresse wie das Interesse der Beschäftigten im Bürosektor - und das Ganze im geschichtlichen Zusammenhang. Lediglich zwei Seiten sind in dieser Serie ausgespart und stattdessen in anderen Artikeln behandelt worden: Die Situation der Arbeiter in der Kopiergeräteindustrie selbst und die Situation auf dem Kopiergerätemarkt".

Günther Jacob wird bei Lumoprint wegen seiner Tätigkeit als Vertrauensmann und durch sein Eintreten für die Belange seiner Kollegen, am 6. Mai 1980 von der Geschäftsführung fristlos und mit Hausverbot entlassen. Trotz des damaligen Unvereinbarkeitsbeschlusses der IG Metall: Mitglieder marxistisch-leninistischer Gruppen werden aus der Gewerkschaft geworfen, initiiert die Hamburger Metallgewerkschaft eine Kampagne zur Wiedereinstellung des Vertrauensmanns, die nach 6 Monaten auch erfolgreich ist. (Vgl. 6. Mai 1980)

Im Verlauf der zweijährigen kommunistischen Betriebsarbeit

- bildet sich erstmals in dieser Fabrik ein Vertrauensleutekörper

- entsteht eine internationale linke Betriebsgruppe

- tritt 1981 gegen den korrupten Betriebsrat eine oppositionelle Liste an, die erst einige Tage vor der Wahl von der IGM anerkannt wurde

Auszug aus der Datenbank "Materialien zur Analyse von Opposition" (MAO)

Juni 1979:
Von Günther Jacob erscheint ab Juni 1979 bis April 1981 eine Zusammenstellung aus einer Betriebszeitung für das Hamburger Kopierwerk "Lumoprint" mit dem Themenschwerpunkt: "Materialien zur Lage der Arbeiterklasse in der Kopiergeräte-Industrie und zur Situation auf dem Kopiergeräte-Weltmarkt. Beispiele aus einer Betriebszeitung für eine Fabrik xerographischer Geräte in Hamburg (Juni 1979-August 1981)". Hinweis des Verfassers: Diese Doku beinhaltet die Seiten 15-59.
Artikel sind:
- "Materielle und politisch-rechtliche Arbeitsbedingungen"
- "Bürogerätesektor als Anlagesphäre für Kapital"
- "Gewerkschaftliche und politische Bestrebungen"
- "Betriebsratswahl: Wen soll man wählen?"
- "Programm der Frischen Liste"
- "Was wollen die drei Listen?"
- "Nach den Betriebsratswahlen bei Pelikan: IG Metall leitet Untersuchungsverfahren gegen Betriebsräte ein"
- "Tintenkulis"
Q: Günther Jacob: Materialien zur Lage der Arbeiterklasse in der Kopiergeräte-Industrie und zur Situation auf dem Kopiergeräte-Weltmarkt. Beispiele aus einer Betriebszeitung für eine Fabrik xerographischer Geräte in Hamburg (Juni 1979-August 1981), Hamburg, 1981.

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Juni 1979:
Von Günther Jacob erscheint ab Juni 1979 bis April 1981 eine Zusammenstellung aus einer Betriebszeitung für das Hamburger Kopierwerk "Lumoprint" mit dem Themenschwerpunkt: "Umwälzung der Kommunikationsmittel: Vom Papyrus zur Xerographie". Hinweis des Verfassers: Diese Doku beinhaltet die Seiten 1-13.
Artikel sind:
- "Die Umwälzung der Kommunikationsmittel. Vom Papyrus zur Xerographie (I)"
- "Die Umwälzung der Kommunikationsmittel. Vom Papyrus zur Xerographie (II)"
- "Die Umwälzung der Kommunikationsmittel. Vom Papyrus zur Xerographie (III)"
- "Die Umwälzung der Kommunikationsmittel. Vom Papyrus zur Xerographie (IV)"
- "Die Umwälzung der Kommunikationsmittel. Vom Papyrus zur Xerographie (V)"
- "Die Umwälzung der Kommunikationsmittel. Vom Papyrus zur Xerographie (VI)"
- "Die Umwälzung der Kommunikationsmittel. Vom Papyrus zur Xerographie (VII)"
- "Die Umwälzung der Kommunikationsmittel. Vom Papyrus zur Xerographie (VIII)"
- "Die Umwälzung der Kommunikationsmittel. Vom Papyrus zur Xerographie (IX)"
- "Die Umwälzung der Kommunikationsmittel. Vom Papyrus zur Xerographie (X)"
Quelle: Günther Jacob: Die Umwälzung der Kommunikationsmittel. Vom Papyrus zur Xenographie, Hamburg, 1981.

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06.05.1980:
Nachdem G. Jacob bei "Lumoprint" in Hamburg von der Geschäftsführung fristlos entlassen wurde, startet die IG Metall Hamburg eine Aktion zu seiner Wiedereinstellung. Dazu erscheint ein Flugblatt: "Skandal bei Lumoprint. IG-Metall Mitglied fristlos entlassen". Aufgerufen wird zu einer Mitgliederversammlung am 20. Mai 1980. Dazu heißt es: "Wir werden uns über den Entlassungsskandal unseres Kollegen und über den Stand der Vertrauensleutewahl unterhalten sowie weitere Probleme unserer gewerkschaftlichen Arbeit, über aktuelle betriebliche Fragen beraten. Wir fordern die sofortige Weiterbeschäftigung von Günther Jacob.
Q: IG Metall Hamburg: Skandal bei Lumoprint: IG-Metall Mitglied fristlos entlassen, Hamburg, 6. Mai 1980.

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15.12.1980:
Es erscheint eine Betriebsausgabe der KVZ für die Belegschaft von Lumoprint: "Scharfer Konkurrenzkampf auf dem Kopiermarkt. Zentralisation/Unsicherheit der Lohnabhängigen". Die Ausgabe knüpft an die Umwälzung der Kommunikationsmittel durch neue Verfahren und Geräte an und beschäftigt sich mit dem Konkurrenzkampf auf dem Kopiermarkt.
Q: KVZ Betriebsausgabe für die Belegschaft von Lumoprint, Hamburg, 15. Dezember 1980.

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25.06.1981:
Die "Revolutionäre Volksbildung" des KBW veröffentlicht in ihrer Nummer 6 vom 25. Juni 1981 einen Artikel von Günther Jacob: "Vom Papyrus zur Xerographie".
Q: KBW: Revolutionäre Volksbildung, Nr. 6, Frankfurt/M., 25. Juni 1981.

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Letzte Änderung: 07.06.2022