Das hier vollständig vorgestellte 'Info' erschien nach dem Verbot der offiziellen Schülerzeitung der Domschule. Zu den einzelnen Ausgaben des 'Info' schreibt uns eines der Mitglieder des Schülerkollektivs:"
Ausgabe 1 (Juni 1969)
Im Juni, also kurz vor dem Ende des Schuljahres, eskalierte die Situation an der Domschule. Direktor Dr. Martens wollte die eigentlich geplante Ausgabe der Schülerzeitung "Wir" zensieren. Das war der Auslöser für die Gründung einer neuen unabhängigen Schülerzeitung, nämlich des "Info". Herausgeber war der Student der Politologie an der Christian-Albrechts-Universität Kiel, Hartmut Schröder. Das deutet schon auf eine wichtige Quelle für die Radikalisierung der Schülerschaft an der Domschule hin: den PAS - Politischer Arbeitskreis an Schulen (Schleswig-Holsteins), dessen Sprecher Hartmut Schröder gewesen war. Auch Klaus Bichel, als Domschüler ein wichtiger Motor für die Gründung und Entwicklung des Schülerkollektivs in Schleswig, war Vorstandsmitglied des PAS. In seinem Artikel macht er deutlich, dass sich das Schülerkollektiv nicht nur mit schulischen Angelegenheiten, "sondern zugleich auch auf die gesamte Gesellschaft und die Familie" ziele (z.B. "Vermittlung der Anti-Baby-Pille).
Weiterer Ausdruck der Verschärfung der Gegensätze in der Schule war die Auflösung der SMV (Schülermitverantwortung / -verwaltung) als sinnloses Instrument zur Beschwichtigung oppositioneller Tendenzen der Schülerschaft.
Außerhalb der Schule sorgte die Bemalung eines Abbruchhauses neben der Turnhalle der Domschule mit Parolen wie "Untertanenfabrik" mit Hinweispfeil auf die Domschule für Aufregung. Das fand auch der Verkehrs- und Verschönerungsverein Schleswig überhaupt nicht gut!
Ausgabe 2 (August 1969)
Kurz nach den Sommerferien erschien bereits die 2. Ausgabe mit einem Grußwort des Herausgebers und den Gratulationen eines "Ehemaligen" der Domschule, der u.a. zu einer Erzwingung eines unzensierten Schwarzen Bretts auf dem Klagewege rät. Sein Vorschlag für die Veränderung der Gesellschaft lautet: "langsame Unterwanderung aller Institutionen".
Das "Kollektiv" formuliert einige Ziele und bittet um Unterstützung bei der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten für Diskussionen etc.
Die "projektgruppe sex-pol" richtet sich, offensichtlich inspiriert durch Wilhelm Reich, gegen die Umleitung "positiver sexueller Aggressionen" in die Brutalisierung des Wettbewerbs, wie er im Sportunterricht stattfinde, und der der Abrichtung der Menschen gegen die von den Mächtigen vorgegebenen Feinde diene.
Ausgabe 3 (September 1969)
Damals erlebte die 1964 gegründete NPD einen Höhenflug, der sie in 7 Landtage einziehen ließ. 1969 wollte sie die Entwicklung mit einem Einzug in den Bundestag krönen. Das Schülerkollektiv rief dagegen zu einem Teach-In auf dem Jahnplatz (nach 1000-jähriger Gewohnheit immer noch "Thingplatz" genannt) auf. Wie schon mit der Beteiligung an der Demonstration gegen die Zerschlagung des "Prager Frühlings" im August 1968 wurden hier deutlich die engen Grenzen der Schulpolitik überschritten. Man sieht sich klar als Teil der "revoltierenden Studenten, Schüler(n), Lehrlinge(n) und Arbeiter(n)".
Daneben werden einige Lehrkräfte (Paysen-Petersen, Stüber) speziell aufs Korn genommen.
Ausgabe 4 (Dezember 1969)
Im Dezember 1969 wurden bei einem Einbruch in die Domschule 26 der insgesamt 27 Klassenbücher entwendet. Kurz nach diesem Ereignis erschien die neue Info-Ausgabe mit dem Aufmacher "exklusiv Klassenbücherklau". Es sollte der Eindruck erweckt werden, das dafür ein Artikel "Bebensee - noch leben se …" gestrichen worden sei. Harter Tobak! Allerdings hatte sich dieser Lehrer vorher kontinuierlich mit Erfolg zur Zielscheibe der Schülerkritik gemacht.
Dass das Schreiben des Artikels zum Klassenbücherklau den Info-Leuten "diebischen" Spaß gemacht haben muss, kann man heute, nach genau 50 Jahren, noch deutlich merken.
Die Artikel "Kontaktausschuss" und "Betriebsgemeinschaft Schwarzes Brett" zeigen, dass es vonseiten einiger Lehrer und Schüler durchaus Bemühungen gab, wieder Frieden in die Mauern der Domschule einziehen zu lassen.
NPD - EIN PAPIERTIGER macht deutlich, dass die NPD nicht eben gelassen auf ein antifaschistisches Flugblatt des Schülerkollektivs reagierte.
"Hader um Haschisch" erhellt, dass der Konsum dieser Droge inzwischen auch in der Kleinstadt Schleswig angekommen war. Als die Schülerkollektivisten allerdings wenig später feststellten, dass die versprochene Bewusstseinserweiterung sich dadurch nicht einstellte, wurde beschlossen die revolutionäre Arbeit hinfort unbenebelt fortzusetzen, was dann auch konsequent eingehalten wurde.
Die Rolle der Polizei bei der Verteidigung von Recht und Ordnung mit Gummiknüppel und Tränengas nimmt der letzte Artikel aufs Korn.
Ausgabe 5 (April 1970)
Hier erscheint jetzt die bereits in der letzten Ausgabe drastisch angekündigte Abrechnung mit dem "Nicht-Pädagogen" Bebensee, gefolgt durch eine Anrede an den Direktor ("..wollen wir Sie nicht anklagen … Wir wollen nur einen anderen Direktor.
Der körperlichen Gewalt von Lehrern gegen Schüler wird der Kampf angesagt ("Ab morgen wird zurückgeschlagen"), verbunden mit der rechtlichen Aufklärung "…, daß den Lehrern nur bis zur 8. Klasse 'körperliche Züchtigung' … erlaubt ist." Der im nächsten Artikel veröffentlichte Beschluss der Schülervollversammlung, nach der alle Schüler sich auf dem eigentlich der Oberstufe vorbehaltenen (mit Raucherlaubnis) aufzuhalten, und die Ankündigung, diesen Beschluss auch durchzusetzen, kündigen schon ein Ereignis an, das in der Dokumentation "Schluß mit der Spaltung der Schülerschaft" vom Mai 1970 beschrieben wird. Es kam nämlich zu einer Art "Massenschlägerei" zwischen Schülern und Kollegium.
Dass sich die NPD durch den Artikel in der Ausgabe 4 des "Info" schwer getroffen fühlte, wird dann dokumentiert.
Schließlich wird die "psychologische Kriegführung" der Schulleitung gegen das Schülerkollektiv in Form zweier Briefe an die Eltern dokumentiert, die beweisen, dass die Schülerzeitung "Info" das Kollegium der Domschule ganz schön in Wallung gebracht hat."
Juni 1969:
Das Schülerkollektiv der Domschule Schleswig gibt sein 'Info' Nr. 1 (vgl. Aug. 1969) heraus mit dem Inhalt:
- "Zur Lage" bzw. der Herausgabe des 'Infos', da die geplante Ausgabe der Schülerzeitung 'Wir' durch die Schulleitung nicht erlaubt wurde, von der Projektgruppe Info;
- "Warum löste sich die SMV an unserer Schule auf?";
- "Mauerparolen und Kollektive", worüber die 'Schleswiger Nachrichten' am 9.6.1969 berichteten;
- "Genossen!", ein Aufruf zum Kampf;
- "Gedanken während einer Klassenreise nach Berlin";
- "Jubiläum des Terrors" zu einem Artikel in der 'Wir';
- "Danke Genosse Schubert oder eine unsachliche Entgegnung auf Argumente von gestern & vorgestern", die in der letzten 'Wir' erschienen;
- "Culture against nature oder: wo kommen die kleinen Polypen her?" zur Polizei;
- "Schuldsprechung", ein Gedicht;
- "Der finstere März", ein Gedicht;
- "Vermittlung der Anti-Baby-Pille", ein Beitrag der Projektgruppe Sex-pol.
Quelle: Schülerkollektiv der Domschule Schleswig: Info Nr. 1, Rendsburg Juni 1969
August 1969:
Das Schülerkollektiv der Domschule Schleswig gibt sein 'Info' Nr. 2 (vgl. Juni 1969, 15.9.1969) heraus mit dem Inhalt:
- "Hausmitteilung" des Herausgebers;
- "Aufruf an die Genossen" gegen eine Neugründung der SMV, vom Schülerkollektiv;
- "Offener Brief an den Direktor der Domschule" vom Aktionsausschuß Schwarzes Brett;
- "Sportunterricht als Repression" von der Projektgruppe Sex-Pol;
- "'Selbstbezichtigung'";
- ein Leserbrief eines ehemaligen Abiturienten aus Berlin;
- "Nachrichten aus dem Kollektiv";
- - "1. Unser Ziel?";
- - "2. Arbeit der Projektgruppen", von denen es bisher die PG Info und die PG Sex-Pol gibt, eine PG Unterrichtsanalyse solle gegründet werden, als Grundlage für ein Hausgabenkollektiv;
- "Zensuren als Gesellschaftszwang" von der PG Unterrichtsanalyse.
Q: Schülerkollektiv der Domschule Schleswig: Info Nr. 2, Rendsburg Aug. 1969
15.09.1969:
Das Schülerkollektiv der Domschule Schleswig gibt sein 'Info' Nr. 3 (vgl. Aug. 1969, Dez. 1969) für September vermutlich in dieser Woche heraus mit dem Inhalt:
- "Hausmitteilung" zur NPD-Wahlveranstaltung am 18.9.1969, vor der die Projektgruppe Rechtsextremismus um 17 Uhr 30 auf dem Jahnplatz ein Teach-In durchführt;
- "Offener Brief an den Direktor der Domschule" zum Verbot der Schülerzeitung 'Wir' und der Verweigerung eines Schwarzen Bretts, aber auch der Unterschlagung der Post an die Schülerschaft bzw. des Briefes der Bürgerinitiative gegen Rechtsextremismus vom 5.9.1969, vom Schülerkollektiv;
- "Die Notwendigkeit der Verfolgung und Ermordung des deutschen Schulsystems paradigmatisch dargestellt an hand einiger Äußerungen des 'Pädagogen' und 'Naturwissenschaftlers' G. G. Paysen-Petersen";
- "Genossen!", ein Aufruf zur Solidarität, vom Schülerkollektiv;
- "Studienrat Stüber oder Sorge um die Gebärmutter";
- "NPD", ein Auszug aus den 'Informationen der ADF' Nr. 4;
- "Warum wir Widerstand leisten";
- "Literaturhinweise" zur NPD.
Q: Schülerkollektiv der Domschule Schleswig: Info Nr. 3, Rendsburg Sept. 1969
Dezember 1969:
Das Schülerkollektiv der Domschule Schleswig gibt sein 'Info' Nr. 4 (vgl. 15.9.1969, Apr. 1970) heraus mit dem Inhalt:
- "Schleswiger Untergrundorganisation schlägt zu!" zum Klassenbuchklau des Zentralrats der Schleswiger Rebellen, der sich laut einem telefonischen Interview als marxistisch-leninistische Kampforganisation versteht;
- "Kontaktausschuss";
- "Betriebsgemeinschaft Schwarzes Brett - Schubert und Lehmann bleiben am Ball!!";
- eine Information zum vom Schülerkollektiv geplanten Schülerkongreß;
- "Sexualität und Gesellschaft";
- - "NPD - ein Papiertiger" zur Veranstaltung am 18.9.1969;
- - "Die neue Scheisse" zu den Toiletten;
- "Hader um Haschisch";
- "Polizei - Vorkämpfer für Recht und Ordnung" zur Polizeischule.
Q: Schülerkollektiv der Domschule Schleswig: Info Nr. 4, Kiel Dez. 1969
April 1970:
Das Schülerkollektiv der Domschule Schleswig gibt sein 'Info' Nr. 5 (vgl. Dez. 1969) heraus mit dem Inhalt:
- "Z. B. Bebensee", Lehrer für Griechisch und Latein;
- "Dr. Martens!" zum Direktor;
- "Ab morgen wird zurückgeschlagen!?" zum gewalttätigen Vorgehen des Lehrers Schubert gegen die Störung einer Klassenarbeit und anderen Lehrern;
- "Vollversammlungsbeschluß: 'Rauchen'" zum Raucherplatz;
- "Repressionen gegen progressive Schüler und das Info" wegen dem Artikel "NPD - ein Papiertiger" zur Veranstaltung am 18.9.1969, mit dem Briefwechsel zwischen Herausgeber und Rechtsanwälten der NPD;
- "Bußgeldverfahren gegen das Info" weil im Impressum nur ein Herausgeber, aber kein Drucker und verantwortlicher Redakteur genannt wurden;
- "Kripoverhör wegen Klassenbücherklau";
- "Repressive Lehrertaktik - der neueste Trick";
- ein Schreiben an die Eltern der Klasse UIm zu einer Hausaufgabe mit einer Erklärung der Klassenkonferenz;
- ein Brief der Lehrer an die Eltern zum Schülerkollektiv bzw. dem 'Info'.
Q: Schülerkollektiv der Domschule Schleswig: Info Nr. 5, Kiel Apr. 1970
Letzte Änderung: 23.12.2019