In Bochum erscheint im Oktober 1969 von einem "Wohlfahrtsausschuss " eine Broschüre zur Berufungspolitik an einer westdeutschen Universität. Sie beschäftigt sich u. a. mit der Geschichte der sozialwissenschaftlichen Abteilung der RUB.
Oktober 1969:
Von einem "Wohlfahrtsausschuss" an der Bochumer Ruhr-Universität eingeleitet und herausgegeben, erscheint die Broschüre: "Berufungspolitik an einer westdeutschen Universität aufgezeigt am Beispiel der sozialwissenschaftlichen Abteilung an der Ruhr-Universität Bochum - eine Dokumentation - (Streng vertraulich!)".
In der "Einleitung " heißt es unter "1. Die Abteilung für Sozialwissenschaft als Interessenvertretung der herrschenden Klasse": "Die Geschichte der sozialwissenschaftlichen Abteilung dieser Universität ist die Geschichte einer solchen praktischen Durchführung (angelehnt an ein Zitat von Biedenkopf, dass 'die Ortsbestimmung der Universität in der Industriegesellschaft sich zwar theoretisch konzipieren (lässt), wirklich bewältigen kann sie aber nur die praktische Durchführung', d. Verf.). Sie ist eine zynische Interpretation jener rektoralen Phrase.
Diese Geschichte in all ihren Einzelheiten nachzuzeichnen, ist heute noch nicht möglich. Zu viele Dokumente sind den Studenten noch verschlossen. Aber die bereits vorliegenden lassen in wichtigen Zügen erkennen: Die Konzeption einer modernen 'integrierten Sozialwissenschaft' innerhalb einer 'Reform-Universität' schon auf Grund der Zusammensetzung des Gründungsausschusses in Frage gestellt, lief in ihrer Entwicklung auf eine reaktionäre Professorenclique hinaus, die daran ging, durch eine bewusste Personalpolitik die Grundlagen für eine 'wissenschaftliche' Lenkung der Studenten im Sinne der Interessen des Kapitals zu legen.
Diesen Zusammenhang gilt es herauszuarbeiten. Gerade Berufungen geben darüber Auskunft, wie bestimmte ideologische Interessen in die personale Zusammensetzung einer Abteilung eingehen, und dass eben nicht nur professorale Nepotismus bei Berufungen den Ausschlag gibt, so sehr auch dieser Aspekt beim Durchlesen der Gutachten deutlich wird. Doch Berufungen sind nur Symptom. Ihre Bedeutung kann erst dann vollständig erfasst werden, wenn man sie gleichzeitig mit der Gesinnungsfront, wie sie sich in der Abteilung herausgebildet hat, verbindet".
Neben vielen anderen Dokumenten, etwa zu Kesting oder Ronneberger, ist natürlich die Auseinandersetzung um den griechischen Rechtsaußen, Professor und Dekan Papalekas, von einer gewissen Bedeutung, wozu es in einem Flugblatt der "Basisgruppe Sozialwissenschaften": "An alle! An alle! An Alle" heißt: "Die Studenten haben außerdem dokumentiert, dass ein Faschist wie Papalekas nichts mehr bei ihnen zu suchen hat. Sie haben deshalb seine Bücher auf den Flur getragen. Unser lieber Rektor Biedenkopf eilte herbei und sprach von Gewalt. Außerdem bezweifelte er, dass es Kriterien gäbe für die Wissenschaftlichkeit eines Professors. Er bewies hier zum ersten Mal, dass das Gerede von der politischen Verantwortung der Wissenschaft in der Präambel der neuen Verfassung nur eine hohle Phrase ist. Wie sonst kann er einem Faschisten wie Papalekas zubilligen, das Recht auf Freiheit der Wissenschaft in Anspruch zu nehmen? … Wir müssen jetzt radikal die Abteilungsstrukturen verändern, wir müssen solange kämpfen, bis Papalekas, Kesting & Co. nicht mehr 'lehren' können, bis wir über Berufungen entscheiden, bis wir einige Seminare machen können …" (verm. Mitte September 1969).
Artikel der Broschüre sind:
"A. Einleitung
B. Liste der Lehrenden an der Abt. für Sozialwissenschaft mit Anmerkungen
C. Zu den Berufungsdokumenten
I. Charakterisierung der Gutachten
II. Zur Geschichte der Berufungsverhandlungen
D. Anhang: Dokumente
I. Zur politischen Ausrichtung der Hochschullehrer der Abt.
1. Zu Rüdiger Altmann: Aufsatz von R. Opitz: 'Elf Feststellungen zur Formierten Gesellschaft'
2. Dokumentation zur Berufung von Hanna Kesting
3. Paper: 'J. Chr. Papalekas ungebrochenes Verhältnis zur Herrschaft'
4. F. Ronneberger: Artikel aus dem 'Völkischen Beobachter'
5. Über R. Schnur: Artikel aus den 'Ruhr-Reflexen'
6. B. Külp: 'Gedanken zur Hochschulreform'
7. Einige Briefe von Papalekas an seine 'Freunde'
II. Die Gutachten
III. Protokolle der Sitzungen der Berufungskommission und einige Fakultätsprotokolle
IV. Einige ausgewählte Flugblätter, Papers usw.
1. Zu den Berufungen und zum Fall Papalekas
2. Papiere aus dem Streik vom WS 1968/69: Ansätze zu einer Neukonzeption von Sozialwissenschaft".
Quelle: Wohlfahrtsausschuss: Berufungspolitik an einer westdeutschen Universität aufgezeigt am Beispiel der sozialwissenschaftlichen Abteilung an der Ruhr-Universität Bochum - eine Dokumentation - (Streng vertraulich!), Bochum, Oktober 1969.
Letzte Änderung: 04.11.2019