Kommunistische Arbeiterpresse. Betriebszeitung der Zelle Westfalenhütte der KPD für die Hoesch-Arbeiter, Jg. 2, Nr. 11, 8. März 1972

08.03.1972:
Bei der Hoesch Westfalenhütte Dortmund gibt die Zelle der KPD ihre 'Kommunistische Arbeiterpresse' (KAP) Nr. 11 (vgl. 17.2.1972, 29.3.1972) mit sechs Seiten DIN A4 unter Verantwortung von M. Bergmann, Berlin 15, Postfach heraus. Eine Kontaktmöglichkeit besteht mittwochs von 17 bis 19 Uhr in den 'Borsigstuben' in der Borsigstr.51.

Aus dem Ausland wird berichtet vom Bergarbeiterstreik in Großbritannien (vgl. 15.1.1972), aus Bonn von einer Antifa-Kundgebung (vgl. 20.2.1972), aus Bochum von einem Flugblatt der IGM zu den Betriebsratswahlen (BRW - vgl. Feb. 1972) und der Aufstellung der BRW-Kandidaten auf der Westfalenhütte (vgl. 29.2.1972).

Zum Treffen der SPD-Betriebsräte mit der Bundesregierung (vgl. 20.1.1972) heißt es: "
Zur Besprechung der SPD-Betriebsräte mit Bundeskanzler Brandt fand sich auch Phoenix-Betriebsratsvorsitzender Tebbe ein, um sich nochmals auf den arbeiterfeindlichen Kurs der SPD-Regierung verpflichten zu lassen."

Neben einem Bild eines Bungalows heißt es: "
So lebt Arbeiterverräter Albert Pfeiffer. Ihm zahlen die Hoesch-Kapitalisten gern sein dickes Gehalt, leistet er ihnen doch dafür hervorragende Handlangerdienste. In den Septemberstreiks 1969 versuchte er, den Kollegen, die ihre Forderung schon längst auf 30 Pfg. erhöht hatten, einzureden, die erreichten 20 Pfg. seien schon ein großer Erfolg, man könne sich zufriedengeben. In der letzten Tarifrunde sprach Pfeiffer als einziger in der VL-Versammlung gegen die Aufstellung der 75 Pfg.-Forderung; in der großen Tarifkommission setzte er sich entgegen dem Auftrag der Kollegen für die Aufstellung der spalterischen 10%-Forderung ein. Doch Pfeiffer kann die Kollegen heute nicht mehr täuschen. Schon im letzten Streik hatte er ausgespielt. Am Tor Oesterholzstraße hatten sich weit über 1 000 Kollegen versammelt, um Rechenschaft von Pfeiffer zu fordern. Als dieser Arbeiterverräter dann auftrat, wurde er mit einem minutenlangen Pfeifkonzert empfangen und mit den Sprechchören 'Arbeiterverräter, Arbeiterverräter!'. Er darf unsere Stimme diesmal nicht kriegen!"

Gefordert wird: "
VOLLE BEZAHLUNG DER STREIKSTUNDEN!

Großartig werden in der letzten Hoesch-Zeitung 'Werk und Wir' (vgl. Feb. 1972, d.Vf.) die Errungenschaften für die Arbeiter der letzten Tarifrunde gepriesen. Sie schreiben sogar, daß die Arbeiter in Nord-Württemberg/Nord-Baden (NB/NW, d.Vf.) gestreikt haben, allerdings fällt kein Wort über die Streiks der Stahlarbeiter in Nordrhein-Westfalen. Warum? Die Hoesch-Kapitalisten hatten in ihren beiden Rundschreiben an alle Kollegen bereits darauf hingewiesen, daß die Streiks nicht 'rechtmäßig' gewesen seien, um es dann den Kollegen auf den Lohnabschnitten zeigen zu können. Die Streikstunden werden nicht bezahlt.

Kollegen, wir haben der IGM-Führung und den Kapitalisten die richtige Antwort gegeben, als wir gemeinsam vor das DGB-Haus in Dortmund und vor die Hoesch-Hauptverwaltung marschierten, nachdem die Angebote klar auf die Schiller'schen Lohnleitlinien sich hin orientierten und die Tarifkommission gemeinsame Verhandlungen aufnahm, nachdem die Urabstimmung beschlossene Sache war. Die geheimen Verhandlungen zeigen deutlich, wie es die Arbeiterverräter und die Kapitalisten mit dem Recht halten!

Es ist klar, daß die Kapitalisten durch die Verweigerung der Bezahlung der Streikstunden uns einschüchtern wollen, uns einen Denkzettel für den sogenannten 'wilden Streik' erteilen wollen. Dieses Vorgehen kommt der Gewerkschaftsführung gelegen.

KOLLEGEN, WIR MÜSSEN DARAUF BESTEHEN:
VOLLE BEZAHLUNG DER STREIKSTUNDEN!
SOLIDARITÄT MIT ALLEN STREIKENDEN KOLLEGEN!"

Ein weiterer Artikel lautet: "
DIE POLITIK DER SPD-REGIERUNG
UNTER DEM DECKMANTEL DER 'INNEREN REFORMEN'

Kollegen, die SPD-Regierung ist mit dem Programm der 'inneren Reformen' angetreten. Dieses Programm soll über den Kern der Regierungspolitik hinwegtäuschen: Die bisherigen und zukünftigen Maßnahmen der SPD-Regierung richten sich durchweg gegen die Arbeiterklasse.

…ARBEITERFEINDLICHE MASSNAHMEN

Gerade die Arbeiterklasse hat den Klassencharakter dieser 'inneren Reformen' zu spüren bekommen: Die Verschlechterung der Lebensbedingungen der werktätigen Massen sind die Folgen der Lohnstop-Politik durch die Schiller'schen Lohnleitlinien, der Steuervorauszahlung, der indirekten Steuererhöhungen von Tabak, Branntwein, Kfz-Steuern und der Preiserhöhungen der staatlichen Versorgungs- und Verkehrsgesellschaften sowie der Bundespost und zahlreicher anderer Maßnahmen. Indirekter Lohnraub und Preistreiberei zur Sicherung der Monopolprofite, das ist der wahre Charakter der 'inneren Reformen'!

Diese Maßnahmen sind jetzt notwendig, weil sich das Monopolkapital aus der gegenwärtigen Krise nur durch Verschärfung der Ausbeutung, Lohnraub, Preistreiberei und durch die rücksichtlose Plünderung der Staatskasse retten kann.

Immer weitere Teile der Arbeiterklasse erkennen, daß es im Kapitalismus keine Sicherheit der Arbeitsplätze gibt, sind bereit, sich gegen die arbeiterfeindlichen Maßnahmen zu wehren. Umso dringlicher ist für das Monopolkapital die Schaffung von vorbeugenden Maßnahmen gegen die organisierten Abwehrkämpfe der Arbeiterklasse. Diese Aufgabe hat die SPD-Regierung übernommen. Seit ihrem Amtsantritt betreibt sie den Abbau der demokratischen Rechte der Arbeiterklasse und schafft die Bedingungen für die Zentralisierung der staatlichen Unterdrückungsapparate.

…ABBAU DER DEMOKRATISCHEN RECHTE UND ZENTRALISIERUNG DER STAATLICHEN UNTERDRÜCKUNGSAPPARATE

Je härter der Druck der Krise wird, je mehr das Monopolkapital zu schärferen Ausbeutungsmethoden übergeht, desto mehr wird das demokratische Mäntelchen gelüftet: hinter der Fassade des sozialen Rechtsstaats tritt der unversöhnliche Widerspruch zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten hervor. Das zeigt der Neuaufguß des reaktionären Adenauer-Betriebsverfassungsgesetzes (BVG - vgl. 19.1.1972, d.Vf.), daß die demokratischen Rechte im Betrieb einschränkt, das zeigen die Beschneidungen der politischen und beruflichen Tätigkeit von Kommunisten und Demokraten (Berufsverbote - BV, d.Vf.), alles Maßnahmen die der Arbeiterklasse und ihren Organisationen die Kampfesmöglichkeiten rauben sollen, Vorbereitungen zur Unterdrückung von Klassenkämpfen.

Schon die Notstandsgesetze (NSG - vgl. 30.5.1968, d.Vf.) der Großen Koalition sicherten dem Staat die Möglichkeit des Eingriffs mit militärischen Mitteln zur Beseitigung von Streik- und Koalitionsfreiheit. Die SPD versucht jetzt, den Unterdrückungsapparat im Hinblick darauf zu organisieren:

- Am 19.1. passierte in erster Lesung der Entwurf des neuen Gesetzes über den Bundesgrenzschutz das Parlament. Damit sind die Maßnahmen des Innenministeriums zur gesetzlichen Absicherung einer militärischen Eingreifreserve abgeschlossen
- Die Polizeiapparate werden zentralisiert, 'Spezial'- und 'Eliteeinheiten', besonders Scharfschützen werden ausgebildet,
- Das Bundeskriminalamt (BKA, d.Vf.) soll zu einem bundesdeutschen FBI werden.

Die Behauptung der SPD-Regierung, diese Maßnahmen sollten der Bekämpfung von Kriminellen oder der Verfolgung aufgebauter Popanze wie Baader/Meinhof-Bande (RAF, d.Vf.) dienen, können die wahre Zielrichtung dieser Maßnahmen nicht verdecken:

Das Absperren ganzer Wohnbezirke, Durchkämmen von Straßen, systematische Hausdurchsuchungen sind klassische Methoden zur Niederschlagung von Arbeiterunruhen. Die terroristischen Maßnahmen der Polizei erreichten in den letzten Tagen einen vorläufigen Höhepunkt. Die Erschießung von Weisbecker (vgl. Augsburg - 2.3.1972) und eines Lehrlings in Stuttgart (vgl. Herrenberg - 1.3.1972, d.Vf.) bei einer Ausweiskontrolle, der Mordversuch an Grashoff (vgl. S4.*.1972, d.Vf.), sollen die Öffentlichkeit an den Polizeiterror gewöhnen und dessen Legalisierung rechtfertigen und vorbereiten und dienen der Einübung der Scharfschützen. Gleichzeitig sollen sie der Arbeiterklasse vor Augen halten, mit welchen Mitteln der Staatsapparat den Kapitalisten zur Seite steht.

Kollegen, wenn wir sagen, die SPD-Regierung ist eine Agentur der Monopole, heißt das: Unter Vorspiegelung einer fortschrittlichen Politik der 'inneren Reformen' den Ausbeutern bessere Unterdrückungsinstrumente in die Hand zu geben.

…'LINKER FLÜGEL': ABWIEGELUNG UND SPALTUNG IM INTERESSE DER MONOPOLBOURGEOISIE

Es ist kein Zufall, daß die SPD gerade in einer Zeit an die Regierung kam, in der das Monopolkapital wirtschaftlichen und politischen Schwierigkeiten gegenübersteht. Denn die SPD soll Teilen der Arbeiterklasse und des übrigen Volkes glauben machen, daß sie ihre Interessen vertritt, um die Interessen der Monopolbourgeoisie besser durchsetzen zu können. Dabei stützt sich die SPD auf ihren 'linken Flügel', um ihre arbeiterfeindliche Politik in den Betrieben und in den Gewerkschaften besser durchsetzen zu können. Überall dort, wo kampfbereite und fortschrittliche Arbeiter sich gegen das Kapital wehren, treiben diese Phrasendrescher ihr Spaltungswerk. Die letzte Tarifrunde und die Streiks im Januar zeigten uns die Rolle dieser Verräter ganz deutlich: sie sprachen große Worte von Entschlossenheit und Kampf, lähmten jedoch jede Opposition gegen die Manöver der IGM-Spitze; sie suchten die Kollegen immer wieder zu vertrösten und die Empörung von der IGM-Spitze abzulenken. So lieferten sie schließlich die Kollegen der durch die Lohnleitlinien der SPD-Regierung vorgezeichneten Verrats-Strategie der IGM-Führung aus.

Bei den kommenden Betriebsratswahlen versucht die SPD-Führung die Unzufriedenheit unter den Arbeitern für ihre Zwecke auszunützen. Durch SPD-bestimmte IGM-Listen versucht sie, ihren Einfluß in den Betrieben zu verstärken, um für die nächste Bundestagswahl und für die erwarteten Klassenauseinandersetzungen alle organisatorischen und institutionellen Hebel in der Hand zu haben. Selbst einige Kollegen, die erkannt haben, daß die SPD-Führung im Lager der Kapitalisten steht, lassen sich durch die 'linken' SPD'ler noch täuschen, die uns weismachen sollen, daß man innerhalb der SPD noch eine Arbeiterpolitik durchsetzen könne.

WIE FÜHRT DIE KPD DEN KAMPF GEGEN DEN ABBAU DEMOKRATISCHER RECHTE DER ARBEITERKLASSE?

Durch den Abbau demokratischer Rechte, durch die Zentralisierung und den Ausbau staatlicher Unterdrückungsapparate schafft die SPD-Regierung die Bedingungen für die politische Unterdrückung der Arbeiterklasse in den kommenden verschärften Klassenauseinandersetzungen. Sie gibt der Monopolbourgeoisie wirksame Mittel in die Hand, um organisierten Abwehrkämpfen gegen die Verschärfung der Ausbeutung, Lohnraub und Preistreiberei zu begegnen.

Wir Kommunisten sind uns darüber im klaren, daß eine wirkliche Demokratie für die werktätigen Massen nicht anders abgesichert werden kann, als dadurch, daß die Arbeiterklasse selbst die politische Macht erobert. Wirkliche Demokratie kann es unter den Bedingungen der Ausbeutung durch die Monopolbourgeoisie nicht geben. Dennoch müssen wir jede demokratische Rechtsposition mit aller Kraft verteidigen, müssen wir den Kampf gegen den Abbau der demokratischen Rechte der Arbeiterklasse führen um uns bessere Kampfbedingungen zu sichern.

DIE KPD HAT DAHER DEN KAMPF GEGEN DAS ARBEITERFEINDLICHE BETRIEBSVERFASSUNGSGESETZ AUFGENOMMEN UNTER DEN FORDERUNGEN:

FÜR UMFASSENDE REDE- UND VERSAMMLUNGSFREIHEIT DER WERKTÄTIGEN UND IHRER ORGANISATIONEN IM BETRIEB UND AUF DER STRASSE!

WEG MIT DER FRIEDENS- UND SCHWEIGEPFLICHT!

GEGEN DIE ZENTRALISIERUNG UND DEN AUSBAU STAATLICHER UNTERDRÜCKUNGSAPPARATE FORDERN WIR:
WEG MIT DEM BUNDESGRENZSCHUTZ (BGS, d.Vf.)!
KEINE MILITARISIERUNG DER POLIZEI!

Wir verbinden mit dem Kampf gegen den Abbau demokratischer Rechte keinerlei Illusionen über Mitbestimmung im Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft, die nur den Kapitalisten nützen. Kommunisten kämpfen daher gegen den Abbau demokratischer Rechte unter der Parole:

FÜR SCHUTZRECHTE DER ARBEITERKLASSE ALS BASTION IM KLASSENKAMPF!"

Zitiert wird aus dieser Ausgabe u.a. durch die 'Rote Fahne' (RF - vgl. 24.3.1972) der KPD. Kritisiert wird diese Zeitung durch die KPD/ML-ZB (vgl. 13.3.1972).
Q: Kommunistische Arbeiterpresse Hoesch Westfalenhütte Nr. 11, Dortmund 8.3.1972; Rote Fahne Nr. 39, Dortmund 24.3.1972, S. 3;Die Rote Westfalenwalze Klassenkämpferische Kollegen an die Front!, Dortmund o.J. (März 1972), S. 1f

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