Pädagogische Hochschule Dortmund: DOS - Dortmunder Studentenzeitung, Nr. 17, o. J. (1972)

11.12.1972:
Der AStA der PH Dortmund gibt vermutlich Anfang dieser Woche die Nr. 17 seiner 'DOS' - Dortmunder Studentenzeitung' (vgl. 1.12.1972, 15.12.1972) mit 15 Seiten DIN A 4 heraus.

Bekanntgegeben werden folgende regelmäßigen Termine:
Montags 18 Uhr Diskussionstreff der GEW-AG im AStA
Dienstags 20 Uhr 'Treff' ESG-Heim Lindemannstr.68
Mittwochs 18 Uhr Grundlagen der politischen Ökonomie - Mandel: Einführung in die marxistische Wirtschaftstheorie - Seminargruppe des PGH. ESG-Center
Mittwochs 20 Uhr Grundlagen der Bildungsökonomie - Aufsatz F. Huisken: 'Anmerkung zur Klassenlage der pädagogischen Intelligenz' - Seminargruppe des PGH. ESG-Center
Donnerstags 19 Uhr Arbeitskreis Heilpädagoggen Stockumer Str.325
Donnerstags 20 Uhr Politische Ökonomie. Schulung der GEW-AG. Ort: Werner Zenker/Königslow, DO-Barop, Mentlerstr.1

Der erste Artikel fordert:"
FÜR EIN FORTSCHRITTLICHES TUTORENPROGRAMM!

Im Rahmen der Hochschulreform wurde nun auch in Dortmund ein erster Schritt zur Errichtung einer Gesamthochschule unternommen (zum GHS-Entwicklungsgesetz empfehlen wir die nochmalige Lektüre von DOS Nr. 14 - im AStA erhältlich).

Vielen Kommilitonen, die sich durch den Umzug in die neue PH eine Verbesserung ihrer Studienbedingungen erhofft hatten, zeigte sich, daß dies nicht der Fall war. Nicht nur, daß die PH mitten in die Landschaft gesetzt wurde, fern von Wohnstätten und Kommunikationszentren, daß Hörsäle erst für 1975 vorgesehen waren und Studentenvollversammlungen in der Mensa (!) stattfinden müssen, weil keine geeigneten Räume für studentische Aktivitäten vorhanden sind etc., kennzeichnen die gegenwärtige Situation, sondern auch die Tatsache, daß die unhaltbare Überfüllung vieler Veranstaltungen trotz mannigfaltiger Versprechungen, daß im Neubau alles besser werde, bisher nicht aufgehoben wurde. Stattdessen wurden insbesondere die Studenten in den Einführungsveranstaltungen mit den neuen Pfaden der Hochschuldidaktik konfrontiert. Da in den größten Seminarräumen nur 120 Plätze vorhanden sind, viele Veranstaltungen aber bis zu 400 (!) interessierte Studenten aufweisen, wurden kurzerhand Fernseher in den anderen Räumen aufgestellt, um den betreffenden Studenten die Möglichkeit zu geben, 'ihren' Prof einmal live auf der Flimmerkiste erleben zu können.

Was steckt dahinter?

1. Mit dem Fehlen eines geeigneten Raumes für studentische Versammlungen setzt die Hochschulbürokratie einen ersten Meilenstein zur Zerschlagung der verfaßten Studentenschaft (VS,d.Vf.) an der PH Dortmund. Da die verfaßte Studentenschaft im Zuge der neuen Hochschulgesetzgebung sowieso zerschlagen werden soll, um einen reibungslosen Ablauf des Ausbildungsbetriebs zu gewährleisten - wozu sollen da noch Räume für die Studenten zur Verfügung gestellt werden??!

2. Die Fernsehveranstaltungen ermöglichen es nicht nur, die Lehrinhalte UNDISKUTIERT und UNREFLEKTIERT in die Köpfe der Studenten einzutrichtern, sie ermöglichen es auch, Kosten zur Qualifizierung unserer Arbeitskraft einzusparen. Der Einsatz des Fernsehens ist bereits integraler Bestandteil der Rationalisierungstendenzen im Ausbildungssektor, die die Kosten für eine Ausbildungsreform im Interesse des Kapitals möglichst gering halten sollen, da jede Mark, die vom Standpunkt des Kapitals aus zuviel in die Ausbildung investiert wird, Kapital ist, das verschwendet wird und somit die Profitrate verkürzt.

DIE ANTWORT DER STUDENTEN:

Gleich auf der ersten SVV (vgl. 15.11.1972,d.Vf.) wurden die Konsequenzen und Probleme, die sich aus dem Umzug ergaben, diskutiert und eine Resolution verabschiedet, in der die umgehende Einrichtung einer Großraumbaracke gefordert wurde, die in erster Linie studentischen Angelegenheiten zur Verfügung stehen sollte. Um die Situation in den überfüllten Seminaren zu verbessern, wurde die Einstellung von bezahlten Tutoren gefordert und eine Arbeitsgruppe konstituiert, die die Aufgabe hatte, ein fortschrittliches Tutorenprogramm zu erarbeiten.

…UND DIE REAKTION DER HOCHSCHULBÜROKRATIE:

Um den Kampf der Studenten von vorneherein abzuwürgen, setzte die Hochschulbürokratie die Fernsehveranstaltungen kurzerhand ab, pferchte die Studenten in die zu kleinen Seminarräume und/oder vertröstete sie auf's nächste Semester. Doch wir dürfen nicht glauben, daß damit die Fernsehveranstaltungen für immer und ewig auf Eis gelegt worden sind. SIE KÖNNEN JEDERZEIT WIEDER EINGESETZT WERDEN, SOLANGE WIR KEINE ALTERNATIVE ERKÄMPFT HABEN (nach zuverlässigen Informationen sollen SPÄTESTENS mit Fertigstellung der GHS die Fernsehveranstaltungen zu einem Instrument der hiesigen Hochschulausbildung werden.)!

WARUM FüR EIN FORTSCHRITTLICHES TUTORENPROGRAMM KÄMPFEN? (…)

Über ein Tutorenprogramm haben sich allerdings nicht nur die Studenten an unserer PH, sondern auch die Kultusministerkonferenz (KMK,d.Vf.) Gedanken gemacht. Ihre Vorstellungen haben sie in den 'Richtlinien für die Durchführung der Tutorenprogramme der Länder' vom 27.5.1971 dargelegt und ausgeführt. Aufgabe DIESER Tutoren soll es sein 'dem Studenten innerhalb der Lehrveranstaltungen vor allem in den ersten Semestern in vermehrtem Umfange Unterricht in kleinen Gruppen zur intensiven Erarbeitung, Vertiefung und Ergänzung des Lehrstoffes anzubieten… Als Aufgabe der Tutoren kommen insbesondere im Betracht:

- Anleitung zum Studium
- Einführung in die Arbeit mit wissenschaftlicher Literatur
- Anleitung zur Technik des wissenschaftlichen Arbeitens
- Anleitung zum wissenschaftlichen Gespräch
- Anregung zur selbständigen Beschäftigung mit wissenschaftlichen Fachfragen
- Vertiefung und Ergänzung des in den Lehrveranstaltungen gebotenen Stoffes
- Vorbereitung auf den in künftigen Lehrveranstaltungen gebotenen Stoff (auch in der vorlesungsfreien Zeit)

Neben der Vermittlung von formalen Techniken sollen diese Tutoren nach dem Wunsch der Kultusbürokratie den Auftrag haben, den Lehrstoff zu INTENSIVIEREN und inhaltlich zu vertiefen. Bekanntlich ist dies in kleineren Gruppen nun eher möglich als in Großseminaren, wo der größte Teil der Studenten teilnahmslos herumsitzt und mehr oder weniger aufmerksam zuhört.

Welche Aufgabenstellung der Tutoren hier VÖLLIG unter den Tisch fällt - wohl nicht ganz zufällig - ist die KRITISCHE AUSEINANDERSETZUNG, die INHALTLICHE AUFBEREITUNG DES SEMINARSTOFFES.

Weiter heißt es in den Richtlinien des KMK:
'Der studentische Tutor nimmt seine Aufgaben unter Anleitung, Betreuung und Verantwortung eines Hochschullehrers wahr. Zu seinen Aufgaben gehört auch die Vorkorrektur von Arbeiten seines Tutoriums.

Der studentische Tutor ist für die von ihm durchgeführten Tutorien gegenüber dem betreuenden Hochschullehrer verantwortlich' (Punkt 4b und 4c).

Somit wird dem Tutor eine Handlangerfunktion des Profs zugeordnet. Als studentischer Miniprof soll er - von den Wünschen und Interessen des Oberprofs abhängig - dessen Vorstellung von Pädagogik, Psychologie, Philosophie etc. den Studenten verbraten. Nicht uns, den Studenten, soll der Tutor verantwortlich sein für seine Tätigkeit, sondern seinem Herrn und Meister. Dementsprechend soll der Tutor nach den Vorstellungen der Kultusbürokraten auch nicht - entgegen unseren Vorschlägen - von den studentischen Interessenvertretern gewählt werden, sondern die nach Landesrecht zuständige Stelle bzw. die von ihr gewählte Kommission soll den Tutor wählen… und das sind in der Regel die Profs, die damit jeden mißbeliebigen Studenten von vornherein ausschalten können.

AUS DEM BISHER GESAGTEN LASSEN SICH VIER SCHLUSSFOLGERUNGEN ZIEHEN:

1. Die in trautem Einklang von SPD- und CDU-Ministern erarbeiteten Richtlinien entsprechen in keiner Weise unseren Interessen, sie stehen ihnen diametral entgegen.

2. Die Vorstellungen dieser Minister entsprechen dem Interesse des Kapitals nach maximaler Qualifikation bei gleichzeitigem Interesse, die Kosten für diese Qualifikation möglichst gering zu halten. Ein studentischer Tutor dürfte wohl kaum das Gehalt eines Profs bekommen (siehe dagegen den entsprechenden Punkt UNSERES Tutorenprogramms!)!

3. Die Richtlinien ermöglichen es, fortschrittliche, d.h. an den Interessen der Studenten und der arbeitenden Bevölkerung orientierte Tutoren zu disziplinieren.

4. Somit reihen sich diese Richtlinien ein in die ganzen Maßnahmen wie HRG, GHEG etc., mit dem Ziel, den Ausbildungssektor den Bedürfnissen einiger Weniger entsprechend umzustrukturieren.

Der Kampf gegen diese Richtlinien ist notwendig und muß im Zusammenhang mit diesen Gesetzen gesehen werden!

Obwohl die Richtlinien der KMK bald verwirklicht werden sollen, haben sie BISHER NOCH KEINE GÜLTIGKEIT. DAS HEISST FÜR UNS KONKRET, DASS DER KAMPF FÜR UNSER TUTORENPROGRAMM NOCH GEFÜHRT WERDEN KANN UND GEFÜHRT WERDEN MUSS!

WIE DEN KAMPF FÜHREN?

Sowohl die Erfahrungen mit der Arbeit in den Gremien (Fächergruppe, Sprecherrat etc.) generell, als auch die jetzige Arbeit zur Durchsetzung des Tutorenprogrammes zeigen, daß es nicht möglich ist, GRUNDLEGENDE INTERESSEN DER STUDENTEN durchzusetzen ohne eine breite Solidarität und Mobilisierung der Studenten. Nur gemeinsam und nicht im individuellen Kampf in den Gremien wird uns das möglich sein.

GEMEINSAM SIND WIR STARK!
BETEILIGT EUCH AN DEN AKTIONEN DES ASTA!
KOMMT ZUR FÄCHERGRUPPENSITZUNG AM 13.12. UM 16 UHR, Raum 1.211!
AUF DER FÄCHERGRUPPENSITZUNG SOLL DEN FORDERUNGEN DER STUDENTEN NACHDRUCK VERLIEHEN WERDEN!
KOMMT ZUR ABTEILUNGSKONFERENZ AM 20.12."

Es folgen ein "Entwurf eines Tutorenprogramms" (vgl. 29.11.1972), zwei Resolutionen der SVV vom 15.11.1972 zur Mensa bzw. zur politischen Unterdrückung und Berichte über die Sitzung des Sprecherrats (vgl. 6.12.1972), der Fächergruppe I (vgl. 29.11.1972) und der Fachgruppe Psychologie (vgl. 29.11.1972, 7.12.1972) sowie vom Studentenwerk Dortmund (StW - vgl. 4.12.1972).

In einem weiteren Artikel heißt es:"
SANIERUNGSWOHNUNGEN IN DORSTFELD

Der AStA berichtete in der letzten DOS über den Stand der Diskussion zwischen dem Studentenwerk und der Treuhand bzw. der Stadt Dortmund.

Um weitere Aktionen von seiten des AStA einleiten zu können, soll nun eine Umfrage gemacht werden.

Studenten, die bisher eine Bude unter unzumutbaren Zuständen und Bedingungen bewohnen, bzw. noch eine suchen und Wohngemeinschaften, die noch größere Wohneinheiten brauchen, sollen sich an den AStA oder das Sozialreferat wenden.

Das Sozialreferat wird eine Liste zusammenstellen, in die alle wohnungssuchenden Studenten unter Berücksichtigung ihrer Wohnbedürfnisse aufgenommen werden sollen.

Mit dieser Kurzanalyse, die aus diesen Ausgaben erstellt werden soll, wird der AStA den Forderungen der Studenten nach mehr Wohnraum im Studentenwerk Nachdruck verleihen und die Verhandlungen zu beschleunigen wissen.

Allein die Chance, kurzfristig genügend Wohnraum zu vernünftigen sprich tragbaren Mieten zu bekommen, sollten wir uns durch das StW nicht nehmen lassen.

KOMMT DESHALB IN DEN ASTA UND TRAGT EUCH IN DIE WOHNUNGSLISTE EIN!"
Q: DOS Nr. 17, Dortmund o.J. (Dez. 1972)


[ Zum Seitenanfang ]   [ vorige Ausgabe ]   [ nächste Ausgabe ]   [ Übersicht ]   [ MAO-Hauptseite ]