Pädagogische Hochschule Dortmund: DOS - Dortmunder Studentenzeitung, Nr. 18, o. J. (1973)

15.01.1973:
Anfang bis Mitte dieser Woche gibt der AStA der PH Dortmund seine 'DOS' - Dortmunder Studentenzeitung Nr. 18 (vgl. 15.12.1972, 29.1.1973) mit elf Seiten DIN A 4 und folgendem Inhalt heraus:
1. Solidarität mit dem vietnamesischen Befreiungskampf
2. Bekanntmachung (Wahlaufruf zur Studentenkonferenz - vgl. 10.1.1973)
3. Zur Lage der DSKV

Im ersten Artikel heißt es:"
SOLIDARITÄT MIT DEM VIETNAMESISCHEN BEFREIUNGSKAMPF!

Seit dem 18.Dezember fliegen die USA die stärksten Angriffe gegen Nordvietnam, nachdem Nixon seine Zusage, das Neun-Punkte-Programm zu unterzeichnen, nicht gehalten hat. Nixon arbeitet also einem baldigen Frieden entgegen. So kam die entscheidende Wende auf einem Frieden hin auch nicht von Washington, sondern von Hanoi.

Als Nixon Berater Kissinger und das nordvietnamesische Politbüromitglied Le Duc Tho am 8.Oktober zu weiteren Friedensverhandlungen zusammentrafen, legte Tho einen neuen Plan vor, in dem Hanoi den Forderungen der USA in drei Punkten entgegenkommt.

- Nordvietnam verzichtet auf seine Forderungen nach Parallelverhandlungen über Waffenstillstand und politische Regelung.
- Auf den Rücktritt Thieus als Vorbedingung für eine Friedensregelung
- und auf eine südvietnamesische Koalitionsregierung unter Einschluß des Vietkong.

Diese Punkte entsprechen in großen Zügen dem Plan, den Nixon schon fünf Monate vorher vorgelegt hatte, der damals jedoch von Hanoi abgelehnt wurde. Vermutlich entstanden die Abstriche Hanois an seinen Forderungen unter dem Druck der Bombardements der USA und dem Bedürfnis den grausamen Krieg endlich beenden zu wollen.

Kissinger und Le Cuc Le Duc Tho benötigten nur noch wenige Tage, bis sie ein Neun-Punkte-Programm ausgehandelt hatten:

Vereinbarungen über die Beendigung des Krieges und die Wiederherstellung des Friedens in Vietnam. Die wichtigsten Punkte dieses Programms sind:

- Anerkennung der Unabhängigkeit, Souveränität, Einheit und territorialen Integrität Vietnams, Laos und Kambodschas.
- Die USA stellen die Bombardierung und Verminung Nordvietnams ein und ziehen innerhalb von 60 Tagen alle eigenen und verbündete Truppen aus Südvietnam ab.
- Alle Kriegsgefangenen werden parallel zum amerikanischen Truppenabzug freigelassen.
- In Südvietnam finden freie und geheime Wahlen statt unter internationaler Kontrolle. Organisiert werden die Wahlen von einem Versöhnungsrat, der sich zu gleichen Teilen aus Vertretern des Thieu-Regimes, des Vietkong und der Neutralisten zusammensetzt.
- Eine internationale Kontrollkommission überwacht das Abkommen.

Es wurde auch schon detailliert festgelegt, wann und wo die USA mit ihrem Abzug beginnen und nach welchem Flugplan die US-Gefangenen heimkehren sollen.

Der Unterzeichnungstermin des Friedensvertrages wurde auf den 31.Oktober festgelegt. So konnte Nixon mit der glaubhaften Versprechung der Frieden in Vietnam sei 'greifbar nahe' in den Wahlkampf ziehen. Gleichzeitig verstärkte die USA jedoch die südvietnamesischen Truppen.

Thieu leistete Nixon gute Schützenhilfe, indem er dem Programm nicht zustimmte.

Nach seinem Wahlsieg (vgl. S3.1*.1972,d.Vf.) zeigte Nixon jedoch keine Eile mehr das Abkommen zu unterzeichnen. Im Gegenteil er stellte neue Forderungen. Insgesamt stellten die Amerikaner 126 Änderungsanträge. Die entscheidenden Punkte waren folgende:

- Hanoi sollte sich verpflichten, seine auf 300 000 geschätzten Soldaten aus Südvietnam abzuziehen,
- die entmilitarisierte Zone entlang dem 17. Breitengrad sollte wiederhergestellt werden.
- Im geplanten Versöhnungsrat sollten die drei Parteien keineswegs gleichberechtigt vertreten sein.

Daß Hanoi diese Forderungen nicht akzeptieren konnte, liegt auf der Hand. Denn Hanoi will nicht einen Frieden um des Friedens willen, sondern es will einen Frieden, der Freiheit und nationale Unabhängigkeit für ganz Vietnam garantiert. Am 13.Dezember wurden die Verhandlungen zwischen Le Duc Tho und Kissinger ergebnislos abgebrochen. Sorgsam vermied es die US-Regierung zu erwähnen, daß es die Amerikaner waren, die Änderungen an dem Neun-Punkte-Abkommen verlangt hatten und schoben die Schuld des Scheiterns auf Hanoi. Hier muß jedoch klar darauf hingewiesen werden, daß die Kompromißbereitschaft von Nordvietnam ausging und die US-Regierung das Friedensabkommen boykottierte. Nordvietnam will den Krieg beenden und die Bevölkerung durch freie Wahlen über die zukünftige Regierung entscheiden lassen.

Diese steht den Interessen Amerikas entgegen, das ein kommunistisches Vietnam verhindern und seine wirtschaftlichen und strategischen Interessen gewahrt sehen will. Durch die Nichtanerkennung der Souveränität Vietnams und des Versöhnungsrates zeigt sich deutlich, daß Amerikas Demokratieverständnis den Interessen der Herrschenden entspricht und nicht den Interessen der breiten Bevölkerung in Vietnam. Fänden freie Wahlen statt, dann würde das Thieu-Regime ausgeschaltet werden. Denn Thieu hat keine Basis in der Bevölkerung Südvietnams. Viele Persönlichkeiten, Senatoren, Buddhisten, Gläubige sind gegen Thieu. Thieu versucht durch Terrorakte das südvietnamesische Volk einzuschüchtern und unter Druck zu setzen. So werden in Saigon z.B. jede Nacht 200 bis 300 Personen unter dem Verdacht, Beziehungen zum Vietkong zu haben, festgenommen. Mehr als 300 000 Patrioten und Zivilisten sind in südvietnamesischen Gefängnissen eingesperrt. Weil die USA den Widerstand des vietnamesischen Volkes nicht brechen konnten, versucht Nixon nun, seine Niederlage durch eine Vernichtungsstrategie hinauszuschieben, deren Konsequenz jedoch die Vernichtung des vietnamesischen Volkes wäre. Der zukünftige Verteidigungsminister der USA, Clements, äußerte kürzlich (vgl. S4.**.197*,d.Vf.) sogar, daß die USA den Einsatz von nuklearen Waffen in Vietnam nicht ausschließen.

Nach Abbruch der Verhandlungen begannen die USA die stärksten Bombardements, die Nordvietnam seit Beginn des Krieges erlebt hat. Die USA sind zu Flächenbombardements übergegangen, bei denen ganze Stadtviertel in Hanoi durch Bombenteppiche dem Erdboden gleichgemacht werden. Vom 18. bis 25. Dezember wurden täglich 100 B-52 Bomber eingesetzt. Allein in der Vorweihnachtswoche fielen 40 000 Bomben auf die Gebiete Hanoi und Haiphong. In Hanoi gibt es täglich ca. 200 verletzte Zivilisten und vom 18. bis. 30.12. sind ca. 2 000 Zivilisten getötet worden. Strom- und Wasserzufuhr und Lebensmittelversorgung sind völlig ausgefallen. In Hanoi und in der Hafenstadt Haiphong sind bis zum 19.12. über 500 zivile Ziele angegriffen worden. Am 8.Januar wurden wieder neue Verhandlungen mit Nordvietnam aufgenommen. Doch es ist fraglich, ob noch irgendjemand ernsthaft an die Bekundung der USA glaubt, einen Frieden herbeiführen zu wollen. Denn die Flächenangriffe auf Nordvietnam sind keineswegs eingestellt worden.

Außerdem will die US-Regierung nicht von der Forderung, Vietnam bestehe aus zwei getrennten Staaten, abgehen.

Es ist die Pflicht aller Völker und friedliebenden Menschen, das vietnamesische Volk in seinem gerechten Kampf zu unterstützen. So haben in der ganzen Welt die US-Verbrechen Empörung verursacht. In Australien (vgl. S5.**.197*,d.Vf.) weigerten sich die Hafenarbeiter und die Seeleutegewerkschaft, amerikanische Schiffe, die Australien anlaufen, zu entladen. Sie haben Nixon ein Ultimatum gestellt, den Krieg zu beenden, sonst würden gegen alle US-Wirtschaftsinteressen in Australien, Industrieunternehmen und Waren ein totaler Boykott verhängt.

Mehr als 50 000 Menschen demonstrierten am 6.1. in Utrecht (in den Niederlanden,d.Vf.) gegen die amerikanische Politik in Vietnam. Sie forderten Nixon auf, Vietnam den Vietnamesen zu lassen und die Bombardierung einzustellen. Selbst der schwedische Regierungschef Olaf Palme (vgl. S5.**.197*,d.Vf.) hat sich gegen den Bombenterror der US-Regierung gewandt.

Auch in der BRD und Westberlin verurteilen große Teile der Bevölkerung die Verbrechen der USA. Dagegen hat sich 'unser Friedenskanzler' Brandt bisher noch nicht gegen den Völkermord der USA in Vietnam gewandt.

Die Bundesregierung verweigert sogar nach wie vor Vertretern der demokratischen Republik Nordvietnams und der Provisorischen Revolutionären Regierung der Republik Südvietnams die freie Einreise in die BRD. Damit wird verhindert, daß Informationen über die Lage in Vietnam an die Bevölkerung weitergegeben werden können. Außerdem bedeutet das eine klare Stellungnahme für das Marionetten-Regime in Südvietnam und Unterstützung der US-Politik.

Zu diesem Zeitpunkt kommt es darauf an, vor aller Welt und besonders der US-Regierung zu beweisen, daß die Mehrheit der Bevölkerung in der BRD die Bombardements der USA in Vietnam verurteilt und sich auf die Seite der DRV und PRV stellt. Dazu fand am 14.1. in Bonn eine zentrale Vietnamdemonstration statt, an der 20 000 Menschen teilnahmen.

Am 18.1. veranstaltet der Vietnamausschuß (VA des NVK der KPD,d.Vf.), der KSV (der KPD,d.Vf.), KSB/ML (der KPD/ML-ZK,d.Vf.), PGH, GEW-AG, MSB-Spartakus (der DKP,d.Vf.), GIM, AStA PH, und der AStA HPH einen Vietnamsolidaritätstag. Ab 14 Uhr können sich alle Studenten über die augenblickliche Lage in Vietnam und die internationale Protestbewegung informieren. Wir fordern alle Studenten und Dozenten auf, sich an diesem Solidaritätstag aktiv zu beteiligen.

SOFORTIGER BOMBENSTOP UND EINSTELLUNG ALLER ANGRIFFSHANDLUNGEN DER USA IN GANZ INDOCHINA!
SOFORTIGE UNTERZEICHNUNG UND ERFÜLLUNG DES 9-PUNKTE-ABKOMMENS!
SCHLUSS MIT DER ERMORDUNG DER POLITISCHEN GEFANGENEN IN SÜDVIETNAM UND DER LIQUIDIERUNG JEGLICHER OPPOSITION DURCH DAS THIEU-REGIME!
SCHLUSS MIT DER UNTERSTÜTZUNG DES US-KRIEGES IN VIETNAM DURCH DIE BUNDESREGIERUNG!"

Innerhalb dieses Artikels wird ein Schaubild beigefügt unter dem Titel 'Wenn Bonn Saigon wäre und München am Mekong läge…', das der 'Konkret' Nr.3 (vgl. 15.1.1973) entnommen ist.

Man äußert sich auch:"
ZUR LAGE DER DSKV

Mit dem Hochschulrahmengesetz (HRG,d.Vf.) kam auf die Hochschulen das Problem der Versicherung ihrer Studenten zu.

Auch an der PH Ruhr wurde eine Zwangsversicherung in der DSKV von seiten des WiMi angedroht. In dieser Lage blieben drei Möglichkeiten offen:

a) einen Gruppenvertrag mit einer beliebigen Krankenkasse, von dem man sich nicht befreien lassen kann, abzuschließen, oder

b) Abschluß eines Versicherungsvertrages mit der DSKV, der die Befreiungsmöglichkeit einschließt, oder

c) Abwarten der Zwangsversicherung des WiMi mit einem Zwangstarif, der die Befreiung ausschließt.

Der Senat der Abt. Dortmund entschied sich für den Abschluß eines Versicherungsvertrages mit der DSKV mit der Befreiungsmöglichkeit.

Im Klartext:
Ab SS 1973 ist jeder Student verpflichtet, einer Krankenversicherung anzugehören, und zwar entweder über seine Eltern, z.B. in der AOK oder Knappschaft oder in einer öffentlichen Ersatzkasse. Bei der AOK haben alle Versicherten für unterhaltsberechtigte Kinder Anspruch asuf Leistungen bis zum vollendeten 18.Lebensjahr. Ihre Leistungspflicht erstreckt sich DARÜBERHINAUS auch auf Kinder, wenn sie sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden.

Einer besonderen Anmeldung bei der Krankenkasse bedarf es nicht. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist jeweils bei Eintritt des Versicherungsfalles bzw. bei Inanspruchnahme der Krankenkasse nachzuweisen.

Der einzige Unterschied zu den Bedingungen der AOK besteht bei der BUNDESKNAPPSCHAFT darin, daß sie Leistungen bei Schul- oder Berufsausbildung lediglich bis zur Vollendung des 25.Lebensjahres gewährt.

Bei der Immatrikulation legt er (?,d.Vf.) eine entsprechende Bescheinigung vor, und ist dann vom DSKV Tarif von 115 DM befreit.

Privatkassen sind von der Befreiung ausgeschlossen, der Student gilt dann an der PH als versicherungslos. Wird diese Bescheinigung nicht vorgelegt, ist der Student Versicherungsteilnehmer der DSKV und muß pro Semester 115 DM auf den Tisch des Hauses legen. Das sind 5% oder 19,16 DM pro Monat bei einem BAFöG-Höchstsatz von 420 DM. Dazu kommt, daß ab WS 1973/1974 eine weitere Beitragserhöhung auf 145 DM ins Haus steht. Das heißt 24,16 DM pro Monat oder 6,2% beim genannten bis 1975 festgeschriebenen BAFöG-Satz.

Umso bedauerlicher ist es, daß durch die unqualifizierte Politik des VDS dieser Erhöhung kaum entgegengearbeitet wird. Der VDS ließ immerhin in der DSKV-MV (vgl. S10**197*,d.Vf.) eine Resolution vom Stapel, in der festgestellt wird, 'daß die DSKV nicht mehr in der Lage ist, den Studenten einen ausreichenden Versicherungsschutz zu sozial tragbaren Beitragssätzen anzubieten'.

Der VDS hat zwar die Forderung der Pflichtversicherung aller Studenten in der gesetzlichen Krankenkassenversicherung aufgestellt, aber eine Realisierung dieser Forderung steht in weiter Ferne.

Letztlich ist somit jeder Student der DSKV mit ihren ungesicherten und mangelnden Leistungen ausgeliefert, wenn er sich nicht anderweitig versichert.

WIR EMPFEHLEN EUCH DAHER:
- Tretet in die öffentlichen Ersatzkassen ein, die einen Studententarif von derzeit 11 DM pro Monat anbieten.
- Bei diesem Tarif kommen Euch die Leistungen zu, die jeder Versicherungsteilnehmer auch in Anspruch nimmt.
- Besorgt Euch vor Eintritt in die Kassen eine Arbeitsbescheinigung; es ist bereits passiert, daß Studenten ohne Arbeitsbescheinigung die Leistungen verweigert werden.
- Folgende Kassen haben Studententarife:
1. Barmer Ersatzkasse (BEK,d.Vf.)
2. Techniker Krankenkasse ((TK,d.Vf.) beschränkte Aufnahme)
3. Deutsche Angestelltenkrankenkasse (DAK,d.Vf.)
4. Kaufmännische Krankenkasse (KK,d.Vf*)
5. Hamburg-Münchener Ersatzkasse (HMEK,d.Vf*)
- Studenten in anderen Kassen sollten prüfen:
a) ob die Befreiung garantiert ist,
b) bei Versicherung über die Eltern, bis zu welchem Alter versichert wird.
WEITERE AUSKÜNFTE IM SOZIALREFERAT!"

In einem Kasten ist noch folgende Meldung des AStA zu lesen:"
Auf der SV am 20.12.1972 wurde zu einer Spendenaktion für die streikenden Studenten in Kiel aufgerufen, denen vor einigen Monaten die BAFöG-Zahlungen entzogen wurden. Insgesamt wurde ein Betrag von 106,62 DM gesammelt, der vom AStA der PH für die sofortige Unterstützung der betroffenen Studenten zur Roten Hilfe 'Kiel' überwiesen wurde."

Aus der im Faksimile abgebildeten Überweisung geht hervor, daß die Überweisung auf ein Konto der Stadtsparkasse Bochum vorgenommen wurde, es sich also vermutlich um ein Konto der Roten Hilfe (RH) Bochum handelt. Tag der Einzahlung ist der 12.1.1973.
Q: DOS Nr. 18, Dortmund o. J. (Jan. 1973)


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