Die Dortmunder Prozesse sind kaum noch in Erinnerung. In Dortmund und in anderen Ruhrgebietsstädten machten vor allem junge Menschen Front gegen Fahrpreiserhöhungen der städtischen Nahverkehrsgesellschaften. Dortmund war ein zentraler Ort des Widerstandes. Als im Januar 1971 bekannt wurde, dass geplant sei, die Fahrpreise zu erhöhen, bildeten sich Aktionsgruppen heraus. Das bekannteste war das Aktionskomitee Roter Punkt, das eine Reihe von Unterorganisationen hatte. Bei den Besetzungen der Schienen in der Dortmunder Innenstadt kam es immer wieder zu Festnahmen durch die Polizei. Ein sogenannter „harter Kern“, darunter KPD/ML und DKP-Mitglieder, fielen durch besondere Hartnäckigkeit auf. Als sich oftmals die Situation eskalierte (vor allem im März/April), trug die Dortmunder Polizei mit dazu bei, durch eine erhebliche Verschärfung ihrerseits die Aktionen und Demonstrationen in die Nähe der Illegalität zu rücken.
Womöglich aus diesem Grunde, versuchte sie, einige der Aktionsteilnehmer als „Rädelsführer“ herauszustellen, um ihnen später den Prozess zu machen. Auf Xxxxxx XXXXX, Hans KLUTHE (DKP/SDAJ), aber vor allem KLAUS DILLMANN (KPD/ML-ZK, später KPD/ML-ZB) hatte sie es besonders abgesehen, weil sie teilweise führend an den Aktionen beteiligt waren. Sie wurden angeklagt und zu Strafen verurteilt. Der längste Rote Punkt Prozess war der gegen Klaus DILLMANN. Er wurde erst im September 1974 vom Dortmunder Landgericht beendet. Dieser Beitrag soll dazu beitragen, sich an diese bewegende Zeit zu erinnern.
Von der Staatsanwaltschaft Dortmund wurde am 2.6.1971 die Anklageschrift gegen Klaus Peter DILLMANN im Roten-Punkt-Verfahren verfasst. Danach ist er vor allem „wegen Nötigung, Widerstand gegen die Staatsgewalt“ und wegen „Rädelsführerschaft“ angeklagt, die er im „Zeitraum vom 12.3. bis 2.4.1971“ begangen haben soll. (Vgl.: Staatsanwaltschaft Dortmund: Anklageschrift gegen Klaus Peter Dillmann, Dortmund, 2.6.1971.) Am 8.12.1971 wurde der erste Prozesstermin gegen ihn in Dortmund angesetzt, der jedoch wieder verschoben wurde. (Vgl.: Dillmann, Klaus: Persönliche Notizen zum Roten-Punkt-Prozess gegen Klaus Dillmann, Dortmund, 11.10.1972.)
Laut „Persönlicher Notizen von Klaus DILLMANN” sollte am 26.4.1972 ein zweiter Prozesstermin gegen ihn in Dortmund im „Roter-Punkt-Verfahren“ stattfinden. Wiederum wird der Termin verschoben. (Vgl.: Dillmann, Klaus: Persönliche Notizen zum Roten-Punkt-Prozess gegen Klaus Dillmann, Dortmund, 11.10.1972.)
Die Anklagen gegen Klaus DILLMANN in diesem Prozess waren zu dieser Zeit nicht die einzigen gegen ihn. Er hatte sich auch im so genannten Spreti-Prozess „wegen öffentlicher Billigung eines Totschlages“ zu verantworten. Klaus DILLMANN hatte zusammen mit Norbert OTTE am 9.4.1970 als verantwortlicher Redakteur der „Bochumer Studentenzeitung“ (BSZ) einen Artikel verfasst, der Stellung bezog zu der Entführung des deutschen Botschafters in Guatemala, Graf von SPRETI, der von Guerilleros am 31.3.1970 entführt und später hingerichtet worden war.
Dort hieß es: „Uns erscheint es sehr wahrscheinlich, dass das guatemaltekische Regime der Forderung der Revolutionäre nicht entsprochen hat, weil es deren Kampfgenossen schon längst umgebracht hat. Die Guerilleros haben ihre Drohung wahrgemacht und den Grafen Spreti erschossen.
Schon einmal ist ein Bonner Geschäftsträger vom Vietkong erschossen worden. Wir wissen bis heute noch nicht, welche Rolle er in Saigon (in Südvietnam, d. Vf.) gespielt hat. Der Fall Spreti ist gewiss ein tragischer Fall. Wir wollen hier den Leser nicht mit Gefühlsduselei belasten und seine moralische Empörung steigern.
Die Massenmedien tun es und werden es zu gegebenen Anlässen weiterhin tun. Erfahrungsgemäß ruft die Ermordung einzelner (Privilegierter) mehr Empörung hervor, als die Ermordung ganzer Völker. Dieser Fall und viele andere Fälle sollten uns zu denken geben, wieso und warum die Unterdrückten zwangsläufig zu solchen Methoden greifen. Tatsache ist es, dass die Empörung der herrschenden Klasse und ihrer Handlanger von der Presse um so stärker sich äußert, je effektiver Und wirkungsvoller die Methoden sind, die die Unterdrückten entwickeln. Wir vergießen keine Krokodilstränen; von seiten der Guerilleros und für die Widerstandsbewegung in Lateinamerika war es eine Notwendigkeit, die Drohung wahr zumachen.“ (Vgl.: Landgericht Bochum: Urteil gegen Klaus Dillmann und Norbert Otte wegen öffentlicher Billigung eines Totschlags, 16 Ms, 2/71, Bochum, 24.9.1973, S. 8f, Bochumer Studenten-Zeitung, Nr. 58, Bochum, 9.4.1970.)
Im Mai 1970 stellte das Bochumer politische Kommissariat vermutlich deswegen eine Strafanzeige gegen DILLMANN und OTTE. Am 16.4.1971 eröffnete die Staatsanwaltschaft Bochum den Prozess gegen beide. DILLMANN und andere wurden in Bochum am 18.5.1972 zunächst freigesprochen. Der Prozess wurde im April 1973 wieder aufgerollt, am 20.9.1973 erneut in Bochum fortgesetzt. Das Urteil wegen „öffentlicher Billigung des Totschlages“ wurde am 24.9.1973 in Bochum verkündet. Klaus DILLMANN wurde u. a. zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten (die zu einer dreijährigen Bewährung ausgesetzt wurde) verurteilt. Da beide Prozesse in gewisser Weise zeitgleich abliefen, ist zu mutmaßen, dass das Exempel, das gegen ihn statuiert werden sollte, hier eindeutig verleumderischen Charakter hatte. Der Staatsanwaltschaft ging es vermutlich nicht mehr um die Findung eines gerechten Urteils im Roten-Punkt-Prozess, sondern um Vorverurteilung.
Ein Flugblatt mit Bezug auf den Spreti-Prozess und den RP-Aktionen in Dortmund vom März/April 1971, das vermutlich am 17.5.1972 als gemeinsames Flugblatt von KPD/ML-ZB und KPD/ML-ZK erschienen war, hatte den Wortlaut:
„KOMMUNISTEN-PROZESS IN BOCHUM!
Am DONNERSTAG, DEN 18. MAI UM 11 UHR 30 findet im Amtsgericht Bochum, Husemannplatz, Zimmer 132, ein politischer Prozess statt. Worum geht es? Den Beschuldigten wird vorgeworfen, 'gemeinschaftlich handelnd einen Mord „öffentlich gebilligt“ zu haben (Höchststrafe nach Paragraph 140 StGB: 5 Jahre), und zwar als Redakteure der Bochumer Studentenzeitung (BSZ), in der im April 1970 (vgl. 9.4.1970, 23.4.1970, d. Vf.) Stellung genommen wird zur Erschießung des westdeutschen Botschafters in Guatemala, Graf Spreti durch Guatemalas Volksbefreiungskämpfer.
Spreti war von den Revolutionären als Geisel festgenommen und erschossen worden, weil das von den US-Imperialisten eingesetzte Militärregime auf die Bedingung, namentlich genannte Freiheitskämpfer gegen ihn auszutauschen, nicht eingegangen war. ANZEIGE ERSTATTET HATTE vorher 'von Amts wegen' DIE POLITISCHE POLIZEI (K14), die besonders darauf hinwies, DASS ES SICH bei den Redakteuren UM ZUGEHÖRIGE DES SDS UND DER KPD/ML HANDELT. Daran zeigt sich, worum es geht. Es geht nicht bloß um diese Artikel, sondern es geht darum, die revolutionären Kräfte in Westdeutschland in den Griff zu bekommen. Die Entwicklung des Klassenkampfes in der Welt und auch hier hat die Kapitalistenklasse erschreckt. Darum setzen sie ihre Büttel in Bewegung, in diesem Fall die Rechtsabteilung ihres imperialistischen Staates in Form eines leitenden Oberstaatsanwaltes, Engwitz, der sich 'normalerweise' nur mit SCHWERVERBRECHERN befasst.
Der Prozess steht in einer Reihe mit weiteren Prozessen gegen die Marxisten-Leninisten, die sich in letzter Zeit häufen:
So wurden 7 Kommunisten der KPD/ML-ROTER MORGEN, in München, der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit schwerem Raub bezichtigt, weil sie einen Verfassungsschutzagenten in ihren Reihen entlarvt hatten und von ihm unterschlagene Parteigelder nachdrücklich zurückforderten. Die bürgerliche Presse diffamierte sie eiligst als 'Räuberbande der KPD/ML', noch im Gerichtssaal erwies sich die völlige Haltlosigkeit der Anklage. So wurde in HERNE gegen den Herausgeber der ROTEN FAHNE, Zentralorgan der KPD/ML-ROTE FAHNE, ein Prozess angestrengt, weil in der ROTEN FAHNE Strauß als Oberfaschist bezeichnet worden war. Die Klassenjustiz musste erst STRAUSS darum BEMÜHEN, seine 'Beleidigung' zur Kenntnis zu nehmen.
So wurde ein Marxist-Leninist in DORTMUND verurteilt, weil er für ein Flugblatt verantwortlich zeichnete, worin der Spitzeleinsatz und die Prügelei von gefangenen Demonstranten der Roten-Punkt-Aktionen durch Polizei als Gestapo-Methoden gebrandmarkt wurden.
In diese Reihe gehört der Spreti-Prozess!
Hierin soll, wie in einem gerichtlichen Gutachten ausgeführt wird, 'die Stellungnahme zu Vorgängen in Ländern mit bürgerkriegsähnlichen oder revolutionären Situationen unmöglich' gemacht werden, 'sobald daraus ein Schluss auf einzelne Fälle von Totschlag gezogen werden könnte'. Es wäre demnach verboten, z. B. den Völkermord des US-Imperialismus in Vietnam anzuprangern und Partei für die Volksbefreiungsstreitkräfte zu ergreifen ... Dem herrschenden Monopolkapital war schon immer der proletarische Internationalismus, die Solidarität mit den unterdrückten Völkern ein Dorn im Auge. So schoss ihre Polizei bei einer Demonstration gegen den Schah von Persien, einen Studenten über den Haufen.
So verbot ihr Staat den Heidelberger SDS, weil dieser gegen die 'Entwicklungshilfe' der Herren McNamara und Eppler eine Demonstration durchgeführt hatte.
PROLETARISCHER INTERNATIONALISMUS HEISST:
Die Proletarier aller Länder und die unterdrückten Völker vereinigen sich! Proletarischer Internationalismus der Tat aber wird die Todesstunde des Imperialismus sein. Daher muss der Imperialismus den gemeinsamen Kampf der Völker nach Kräften unterbinden und fängt daher schon bei der Propaganda an. Wie schon der ROTE-FAHNE-Prozess zeigt, wird auch im Spreti-Prozess ein Verbot der marxistisch-leninistischen Presse vorbereitet.
Dieser Schlag soll die ganze marxistisch-leninistische Bewegung treffen! Der einzig mögliche Weg Ausbeutung und Unterdrückung für immer abzuschaffen, nämlich der gewaltsame Sturz des kapitalistischen Staates und die Errichtung der Herrschaft der Arbeiterklasse und Bauern, der Diktatur des Proletariats, soll nicht mehr propagiert werden dürfen. Den Herren reicht es aber nicht mehr 'Gewalttäter' wie Angehörige der Baader-Meinhof-Gruppe (RAF, d. Vf.) zu erschießen, Brandt erklärt, auch 'Gewaltprediger dürften nicht auf einen 'schlappen' Staat hoffen. Bundesjustizminister Jahn möchte ein Gesetz durchbringen, wonach 'ÖFFENTLICHE VERHERRLICHUNG VON GEWALTTATEN' künftig mit wenigstens einem Jahr Gefängnis bestraft werden soll. GEGEN DIESE VERSUCHE, FORTSCHRITTLICHE KRÄFTE ZU UNTERDRÜCKEN, die den Befreiungskampf der Völker gegen den Imperialismus unterstützen, die den Befreiungskampf der Völker gegen den Imperialismus unterstützen und die Bourgeoisie im eigenen Land bekämpfen, MÜSSEN WIR DEN KAMPF AUFNEHMEN!
KAMPF DER KRIMINALISIERUNG DER MARXISTISCH-LENINISTISCHEN PRESSEARBEIT!
KAMPF DER VERBOTSDROHUNG GEGEN DIE MARXISTISCH-LENINISTISCHE BEWEGUNG!
KAMPF DER UNTERDRÜCKUNG DES PROLETARISCHEN INTERNATIONALISMUS!
FREIHEIT FÜR DIE MARXISTEN-LENINISTEN UND IHRE PRESSE!“
(Vgl.: KPD/ML-ZK, KPD/ML-ZB: Kommunisten-Prozess in Bochum, Bochum, o. J. (1972), N.N. (KPD/ML-ZB NRW): Prozess gegen Dillmann u.a. (BSZ-Spreti) in Bochum am 18.5.1972, o. O., 20. 5. 1972.)
Am 12.6.1972 erschienen bei Hoesch in Dortmund eine Ausgabe der Betriebszeitung „Rote Westfalenwalze“ der KPD/ML-ZB und des KJVD und eine des „Roten Schwungrades“ der KPD/ML-ZB Betriebsgruppe Phoenix mit einem identischen Text:
„FREISPRUCH FÜR KLAUS DILLMANN!
Der Genosse Klaus Dillmann soll am 21. dieses Monats vor dem Dortmunder Gericht abgeurteilt werden. Es dreht sich um den Kampf der Dortmunder Arbeiter, Werktätigen, Lehrlinge, Hausfrauen, Schüler und Studenten gegen die unverschämten Fahrpreiserhöhungen im vergangenen Jahr um 33% Der Genosse soll als Rädelsführer hauptverantwortlich gemacht werden. Die Anklage lautet auf Nötigung, Widerstand gegen die Polizei in Tateinheit mit Körperverletzung, Aufforderung zu strafbaren Handlungen. Als Zeugen treten ausnahmslos Polizisten und Geheimpolizisten gegen ihn auf, die in den bisherigen Roten-Punkt-Prozessen vom Gericht als besonders glaubwürdig eingestuft wurden.
Denn nach der Niederschlagung des Protestes rollte eine Welle von Verfahren auf die Demonstranten nieder, wobei besonders KPD/ML- und DKP-Mitglieder aufs Korn genommen wurden.
Kollegen, erinnern wir uns, was war voriges Jahr auf Dortmunds Straßen passiert. Der SPD-Stadtrat hatte die Fahrpreise um 33% erhöht. Die Antwort der Dortmunder Arbeiter, Werktätigen, Schüler und Studenten waren große machtvolle Demonstrationen und die über 5 Wochen lange Stillegung des gesamten Fahrbetriebs der Bahnen innerhalb der Stadt. Es wurde ein Auto-Mitfahrdienst organisiert. Immer mehr Dortmunder reihten sich in diese Kampffront ein. Tausende standen Tag für Tag auf den Schienen. In den Dortmunder Hütten und Zechen wurde der Ruf nach Streik immer lauter vernommen. 300 Union Arbeiter blockierten für eine längere Zeit auf der Rheinischen Straße den Fahrbetrieb.
Anschließend zogen sie zum Rathaus.
Auf diese breite Kampffront hatte die SPD-Stadtverwaltung in voller Übereinstimmung mit der CDU nur eine Antwort: auf Demonstranten und Passanten wurde eingeprügelt, über 500 wurden verhaftet. Dabei taten sich besonders getarnte Greifer hervor, die versuchten, die Führer der Bewegung zu verhaften.
Thälmann schrieb 1930: 'In den breitesten Massen der Werktätigen wächst die Empörung über das System des Hungers und der Ausbeutung. Der Kapitalismus ist nicht mehr im Stande, den Massen auch nur den lebensnotwendigen Unterhalt zu garantieren. Die Angriffe des Unternehmertums, des kapitalistischen Staatsapparates und der sozialfaschistischen Kettenhunde der Bourgeoisie auf die Arbeiterklasse stoßen immer stärker auf den wachsenden Kampfwillen der Massen. Je mehr die Krise des kapitalistischen Systems heranreift, je stärker sich auf der anderen Seite der beginnende revolutionäre Aufschwung entfaltet, umso brutaler greift die Bourgeoisie zu den Methoden des verschärften Justiz- und Polizeiterrors, um den Vormarsch des Proletariats aufzuhalten. Die kapitalistische Justizbarbarei entspringt nicht aus einer Stärke der Bourgeoisie, sondern der beginnenden Krise des Kapitalismus, der steigenden Bedrohung der bürgerlichen Herrschaft durch das Proletariat.'
Diese Sätze von Thälmann treffen genau auf heute zu, denn immer teurer werden die Lebensmittel und die öffentlichen Dienste, dagegen steigt jedoch nicht der Lohn, sondern er sinkt durch Lohndiktat und Lohnabbau.
Die Steuern steigen, Preise für Zugfahrkarten steigen, Straßenbahnen und Omnibusse werden in ganz Westdeutschland laufend teurer. Der Staat zieht dem kleinen Mann immer mehr Geld aus der Tasche. Warum das alles?
Immer mehr Geld gibt dieser Staat für die Aufrüstung aus, immer größere und teuere Panzer werden gebaut, immer mehr Arbeiterjugend in den Waffenrock gezwungen, alles nur, um die Bundeswehr aufzurüsten. Unsere sauer verdienten Groschen werden so wieder dazu verwendet, um einen neuen Krieg zu finanzieren und vorzubereiten. Doch genau wie voriges Jahr wehrt sich die Arbeiterklasse dagegen, voriges Jahr sah dieser Staat die Felle wegschwimmen, denn die Kampffront der Arbeiter und Werktätigen gegen die unverschämte 33%-Provokation wurde Immer größer.
Um die Aufrüstungspolitik zu sichern, erließ Weyer (FDP, d. Vf.) in NRW für Dortmund ein Demonstrationsverbot, deshalb wurden 500 verhaftet und viele durch den Polizeiknüppel verletzt.
Genau wie im vorigen Jahr versucht auch jetzt der imperialistische Staat die Kämpfe der Arbeiterklasse durch faschistische Maßnahmen zu zerschlagen: fortschrittliche Kollegen werden aus den Betrieben geworfen, bei Opel läuft ein Ausschlussantrag aus der IGM (später aufgrund der Unvereinbarkeitsbeschlüsse, d. Vf.) gegen 40 Kollegen, die auf Gegenlisten zu den Betriebsratswahlen (BRW in Bochum, d. Vf.) kandidiert haben. Nach dem Januar Streik bei Hoesch erhielten alle Hoesch-Arbeiter zwei Drohbriefe der Geschäftsleitung mitunterschrieben von Gewerkschaftsmitgliedern, in denen angedroht wurde, dass die sog. 'Rädelsführer' aus dem Betrieb fliegen würden.
Das alles sind Maßnahmen, um die Kämpfe zu unterdrücken. Und in der kommenden Woche sollen im Bundestag das Vorbeugegesetz, Bundesgrenzschutzgesetz (BGS, d. Vf.) und Waffengesetz beschlossen werden.
Durch dieses Gesetz soll der Bundesgrenzschutz eine Bürgerkriegstruppe werden, zum Zerschlagen von Streik und Aufständen. In Hannover (in Niedersachsen, d. Vf.) wurde dieses Jahr schon gegen die Rote Punkt Aktion der Bundesgrenzschutz eingesetzt. Um die Arbeiterklasse aber daran zu hindern gegen diesen Staat zu kämpfen, für Sozialismus und Frieden und für demokratische Rechte, will die SPD-Regierung in trauter Zusammenarbeit mit der CDU/CSU die marxistisch-leninistische Bewegung und besonders die KPD/ML und den KJVD verbieten.
Denn die Kommunistische Partei ist das Instrument für die Diktatur des Proletariats und auch der entschlossenste Kämpfer für mehr demokratische Rechte.
Die KPD/ML wird von immer mehr Kollegen als ihre Führung anerkannt, immer mehr Kollegen sehen, dass der Kampf nur erfolgreich sein kann, wenn er von Kommunisten geführt wird. So auch bei der Roten-Punkt-Aktion. Kommunisten standen in der 1. Reihe, und einer der entschlossensten Kämpfer, der Genosse Klaus Dillmann soll jetzt vor Gericht. Auch dieser Prozess ist ein Schritt dazu, das KPD-Verbot auf die KPD/ML anzuwenden. Kollegen, warum hat denn voriges Jahr die Rote Punkt Aktion keinen Erfolg gebracht?
Die Dortmunder Arbeiter, Werktätigen und Hausfrauen, Schüler und Studenten haben nicht deshalb aufgehört zu kämpfen, weil die Polizei immer brutaler vorging, weil Weyer das Demonstrationsverbot erlassen hat, nein, diese Maßnahmen der Herrschenden haben nur dazu geführt, dass sich immer mehr in die Kampffront einreihten, dass die Empörung gegen diesen Staat immer größer wurde.
Die Rote Punkt-Aktion ist verraten worden, an ihrer Spitze standen keine entschlossenen Kommunisten, sondern Verräter von der DKP. An allen Enden versuchten sie damals den Kampf von der Schiene zu bringen, einigten sie sich mit der Polizei, die Autobahnhöfe einzuschränken. Als die Polizei immer brutaler vorging, als Weyer das Demonstrationsverbot erließ, als zur gleichen Zeit Pfeiffer, Schrade und Werski im Betrieb die Empörung der Kollegen durch wilde Kommunistenhetze zu ersticken versuchten, da zeigte die Führung der DKP diese Maßnahmen nicht auf, zeigte nicht, dass nur eine Ausweitung der Kämpfe den Erfolg, den Nulltarif bringen würde. Sie versuchten den Kampf abzuwürgen, indem sie Briefe an Heinemann schrieben. Die Antwort von Heinemann: 'habt ihr einen Dukatenscheißer?'. Die Antwort der DKP-Führer blieb aus. Genauso wie damals führt die DKP auch heute keinen entschlossenen Kampf gegen die neuen Gesetze, sondern erklärt, die Arbeiterklasse könnte sich auf die SPD-Regierung verlassen.
Es fehlte der Bewegung damals die konsequente Führung. Wir, die KPD/ML hielten uns anfangs aus dem Kampf sektiererisch zurück, auch wir zeigten nicht den Verrat der DKP-Führer auf und zeigten nicht den richtigen Weg zum Erfolg.
Aber wir haben aus diesen Fehlern gelernt.
Dieser Staat fürchtet, dass in Zukunft keine Verräter mehr an der Spitze der Kämpfe der Arbeiterklasse stehen, sondern entschlossene Kommunisten aus der KPD/ML, wie z. B. der Genosse Dillmann. Deshalb will er die KPD/ML verbieten, deshalb soll Dillmann ins Gefängnis.
Kollegen!
Solidarisiert Euch mit dem Genossen Dillmann, zeigt dem Gericht, dass die Arbeiterklasse auf seiner Seite steht, dass der Richterspruch nicht im Namen des Volkes, sondern im Namen der Herrschenden gefällt wird. Wenn es nach dem Volke ginge, würden die auf der Anklagebank sitzen, die verantwortlich sind für die Fahrpreiserhöhungen und den brutalen Einsatz der Polizei, nämlich Sondermann, Samtlebe sowie die Landesregierung, die das Demonstrationsverbot erließ.
Macht das Gericht zu einem Tribunal des Volkes, zur Tribüne des Klassenkampfes. Kommt am 21.6. um 10 Uhr 30 zum Borsigplatz oder um 12 Uhr in den Gerichtssaal (Amtsgericht Gerichtsstraße 22 Zimmer 100).
Kollegen, wenn ihr nicht kommen könnt, schreibt Eure Meinung, damit wir sie der kapitalistischen Klassenjustiz entgegenschleudern können. Gebt Eure Unterschrift für den Freispruch des Kommunisten Dillmann.
Tragt Euch in die Unterschriftenlisten der KPD/ML ein. Sie werden von den Rote Fahne Verkäufern vor den Betriebstoren mitgeführt.“
Im Coupon heißt es: „Ich fordere:
Angekündigt wird - auch bei Phoenix - eine Kurzkundgebung mit Dillmann vor der Westfalenhütte.
„Kollegen, Solidarität mit dem Kommunisten Dillmann, das heißt Kampf gegen den Notstandskurs des Bonner Staates, Kampf gegen die Notstandsgesetze und seine Erweiterungsgesetze, dem Bundesgrenzschutzgesetz, dem Waffengesetz und dem Gesetz zur Vorbeugehaft.
Solidarität mit dem Kommunisten Dillmann, das heißt Kampf gegen das KPD- und FDJ-Verbot von Adenauer, was jetzt auf die KPD/ML angewandt werden soll, um dem Kampf der Arbeiterklasse die Spitze zu nehmen.
Kollegen, mit dieser Politik werden Genscher, Schiller, Brandt, Strauß und Barzel nicht durchkommen, wenn die Arbeiterklasse unter Führung der KPD/ML den Kampf aufnimmt unter folgenden Losungen:
Solidarisieren wir uns mit dem Kollegen Dillmann!
FREISPRUCH FÜR KLAUS DILLMANN IN ALLEN PUNKTEN
SCHLIESSEN WIR DIE GEMEINSAME KAMPFFRONT UND SCHAFFEN WIR EIN EINHEITSFRONTKOMITEE (EFK, d. Vf.) GEGEN DIE ANGRIFFE DER KAPITALISTEN UND DIE VERRÄTEREIEN DER SPD-STADTRÄTE!“
(Vgl.: Die Rote Westfalenwalze: Freispruch für Klaus Dillmann!, Dortmund, o. J., [Juni 1972].)
Das Flugblatt war aus mehreren Gründen interessant. Zum einen wurde einer der Protagonisten des Roten Punktes in Dortmund, der SDAJler Xxxxxx Xxxxx, explizit erwähnt, der ebenfalls in die Mühlen der Justiz gerät und der „von der Polizei bei seiner Festnahme wie viele andere brutal zusammengeschlagen wurde“, zum anderen ist die Erwähnung der Drohbriefe der Geschäftsführung Hoesch an einen Teil ihrer Mitarbeiter frappant. Denn hier wurde tatsächlich der Versuch unternommen, Belegschaftsmitglieder aufgrund ihrer Beteiligung an verschiedenen Aktionen (u. a. auch am Roten Punkt) einzuschüchtern.
Dass die KPD/ML hier selbstkritisch war und formulierte: „Es fehlte der Bewegung damals die konsequente Führung. Wir, die KPD/ML hielten uns anfangs aus dem Kampf sektiererisch zurück, auch wir zeigten nicht den Verrat der DKP-Führer auf und zeigten nicht den richtigen Weg zum Erfolg“, mag als übliches Gesäusel interpretiert werden. Die Sätze zeigten jedoch auf, dass diese Organisation beim Roten Punkt in Dortmund nicht dazu fähig war, eine Bewegung zu führen. Die Selbstkritik wird im gleichen Atemzug wieder negiert. Nun hieß es: „Die KPD/ML wird von immer mehr Kollegen als ihre Führung anerkannt, immer mehr Kollegen sehen, dass der Kampf nur erfolgreich sein kann, wenn er von Kommunisten geführt wird. So auch bei der Roten-Punkt-Aktion ...“ Dass der Prozess gegen DILLMANN ein Schritt dazu sei, „die marxistisch-leninistische Bewegung und besonders die KPD/ML und den KJVD verbieten“, war natürlich an den Haaren herbeigezogen. Die Agitation machte auch deutlich, woraus die inhaltlichen Positionen der KPD/ML-ZB bestanden: indem sie ihre Propaganda gegen die Sozialdemokratie verschärfte, war ihr auch jede Äußerung der SPD willkommen, um sie politisch in Misskredit zu bringen.
Für den 15.6.1972 rief die KPD/ML-ZB in Dortmund (Hoesch-Phoenix und Westfalenhütte) dazu auf, zu einer Versammlung zu kommen, auf der ein Aktionskomitee für den Freispruch von Klaus DILLMANN gegründet werden sollte. Zu diesem Treffen wurden eingeladen:
Der Aufruf hatte folgenden Wortlaut:
„KPD/ML-ZB und KJVD Ortsgruppe Dortmund rufen heute in einem Brief alle Dortmunder revolutionären und demokratischen Organisationen zur Aktionseinheit gegen die neuen Durchführungsgesetze des Notstandsrechts und zur Aktionseinheit Freispruch für Klaus Dillmann auf. Danach ist es „die Pflicht aller Kommunisten und aufrechter Demokraten, diesen Terrormaßnahmen (gemeint sind die Ausführungsgesetze zu den Notstandsgesetzen, BGS-Gesetz, Verfassungsschutzgesetz, Gesetz zur Vorbeugehaft, Waffengesetz, Gesetz zum Schutz des Olympischen Friedens, d. Vf.) einen entschlossenen Widerstand entgegenzusetzen. KPD/ML und KJVD rufen alle fortschrittlichen Menschen auf, unter folgenden Parolen für den Freispruch des Gen. Dillmann einzutreten:
(Vgl.: KPD/ML-ZB-OG Dortmund, KJVD-OG Dortmund: Brief an alle revolutionären und demokratischen Organisationen, Dortmund, 15.6.1972, Die Rote Westfalenwalze: Freispruch für Klaus Dillmann!, Dortmund, o. J. [Juni 1972], Das Rote Schwungrad: Freispruch für Klaus Dillmann!, Dortmund, o. J. [Juni 1972], KPD/ML-ZB, KJVD: Freiheit für den Roten Punkt - Polizisten leisten Meineid - Gerichtsverhandlung geplatzt, Dortmund, o. J. [Okt. 1972].)
Die angestrebte Aktionseinheit zum Roten Punkt und die Bildung eines Einheitsfrontkomitees „gegen die neuen Durchführungsgesetze des Notstandsrechts“ und zur Aktionseinheit „Freispruch für Klaus Dillmann“ musste unterschiedlich gewichtet werden. Zum einen ging es um die Aktionseinheit als solche, zum anderen wurde sie auf „die neuen Durchführungsgesetze des Notstandsrecht“ ausgeweitet. Die spätere Parole des Zentralbüros „Gegen Notstand, Aufrüstung und Revanchepolitik“ fand hier im übrigen schon eine wesentliche Entsprechung. Die Bündnisangebote an verschiedene Organisationen gehörten zum Alltag der MAO-Gruppen. Meist ergingen sie an befreundete Organisationen. Um das Spektrum nach oben offen zu halten, wurde, wie hier, das Bündnis erweitert, wobei die Falken ebenso vorkamen wie der DGB.
Eine Ausgabe der „Rutsche“, der Zeitung der Betriebsgruppe Minister Stein der KPD/ML-ZB und des KJVD, die vermutlich am 15.6.1972 in Dortmund erschienen war, ging auch auf den Roten Punkt ein. Dort hieß es:
„ROTER-PUNKT-AKTIONEN: GENOSSE KLAUS DILLMANN SOLL VON DER KLASSENJUSTIZ ALS 'RÄDELSFÜHRER' ABGEURTEILT WERDEN: REICHT IHM DIE HAND!
Am 21.Juni 1972 um 12 Uhr findet vor dem Schöffengericht in Dortmund (Gerichtsstr.22, Zimmer 100) ein politischer Prozess statt, der sich als Strafprozess tarnen will und das Ziel hat, das DEMONSTRATIONSRECHT EINZUSCHRÄNKEN. Es geht um die Protestaktionen gegen die Erhöhung der Straßenbahnfahrpreise vom März/April 1971 im Ruhrgebiet. Damals hatte Innenminister Weyer (FDP, d. Vf.), inzwischen besonders hervorgetreten durch die Großrazzia Ruhrschiene (vgl. NRW - 13.10.1971, d. Vf.) und seinen Ausspruch 'Die Bevölkerung muss sich an bewaffnete Polizeikontrollen ebenso gewöhnen wie ans Steuerzahlen' einfach das Demonstrationsrecht aufgehoben und damit der Polizei die Möglichkeit gegeben, mit Terrormethoden gegen die Demonstranten vorzugehen.
Allein in Dortmund wurden über 500 Menschen festgenommen und z. Teil unter Faustschlägen und Fußtritten erkennungsdienstlich (ED, d. Vf.) behandelt. Diese Maßnahmen sollen in dem Prozess für rechtens erklärt werden, der Widerstand dagegen zum Gewaltdelikt erklärt werden.
WAS IST DAS 'VERBRECHEN'?
Angeklagt ist ein Angehöriger der KPD/ML, der als 'Rädelsführer' hauptverantwortlich gemacht werden soll für die Schienenblockade, die in Dortmund über 5 Wochen lang täglich durchgeführt wurde. Die Anklage lautet auf Nötigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Körperverletzung, Aufforderung zu strafbaren Handlungen. Als Zeugen treten ausnahmslos Polizisten und Geheimpolizisten gegen ihn auf, die ja in den bisherigen Roten-Punkt-Prozessen vom Gericht als besonders glaubwürdig eingestuft wurden. Als Beweismaterial wird ein Bericht der politischen Polizei (K14, d. Vf.) zugrunde gelegt, in dem es heißt, die Blockaden seien von der KPD/ML angeleitet worden, während sich die DKP darum bemüht habe, die Demonstranten von den Schienen wegzuhalten. Natürlich wird in diesem Bericht das Vorgehen der Polizei, insbesondere der Bereitschaftspolizei der Polizeischule Bork, beschönigt. Es wird behauptet, vorher seien die Demonstranten vor Übergriffen der Polizei gewarnt worden. Von den brutalen Übergriffen, wie z. B. Wegnahme von Transparenten und roten Fahnen, Verprügeln von Demonstranten und Zuschauern, Einsatz von Spitzeln und zivilen Greiftrupps, kein Wort.
Das Gericht maß sich hier ein Urteil über die Dortmunder Bevölkerung an und will einen Einzelnen stellvertretend zu Gefängnis verurteilen. Das heißt doch nichts anderes, als dass in diesem Prozess die berechtigten Aktionen der Bevölkerung als Verbrechen verurteilt werden. Und das im Namen des Volkes! Hier zeigt sich wieder einmal, dass die Justiz mit ihren Gerichten nicht Recht für die Arbeiterklasse und die werktätige Bevölkerung spricht, sondern das Recht der Ausbeuterklasse, das Volk auszubeuten, mit allen Mitteln verteidigt.
DIE WAHREN FEINDE DES VOLKES
Verurteilt wird nicht etwa der Monopolbetrieb öffentlicher Nahverkehr, der tatsächlich die Fahrgäste' zu erhöhten Preisen genötigt hat. Verurteilt wird nicht etwa der SPD-Stadtrat Samtlebe, der die volksfeindlichen Maßnahmen beschlossen hat, und damit den Widerstand herausgefordert hat. Verurteilt wird nicht SPD-Sondermann, der die Bereitschaftspolizei einsetzte und, als er deswegen kritisiert wurde, heuchlerisch erklärte: 'Der Ältestenrat wünscht keine Eskalation der Gewalt. Er lehnt es allerdings auch ab, der Polizei Vorschriften zu machen, mit welchen Mitteln sie ihren Einsatz durchführt', und der damit der Polizei ausdrücklich freie Hand gab. Angeklagt wird erst recht nicht die SPD/FDP-Landesregierung, deren Minister Weyer sich zynisch über die Empörung des Volkes hinwegsetzte und die SPD-Stadträte ermutigte, gewaltsam den Protest zu zerschlagen, denn sie dürften jeder Unterstützung durch das Land gewiss sein. Angeklagt also werden nicht diejenigen, die die Bevölkerung ausplündern und gewaltsam unterdrücken.
Kollegen, auf die Anklagebank gehören die profitgierigen Monopolkapitalisten. Auf die Anklagebank gehören die sogenannten Volksvertreter, die bestochen und gekauft sich nicht scheuen, den ganzen kapitalistischen Machtapparat gegen das aufbegehrende Volk einzusetzen, die sich auch nicht scheuen werden, den Kampf in der Bergbautarifrunde mit Gewalt abzuwürgen. (...) Und auf die Anklagebank gehören auch Leute wie Obijou, Wenzelmann und Konsorten, die der Kampfbereitschaft der Kumpel gegen die Fahrpreiserhöhungen in den Rücken gefallen sind. Erinnern wir uns nur an die Protestnote auf der Belegschaftsversammlung (BV - vgl. März 1971, d. Vf.) an den SPD-Stadtrat.
SOLIDARITÄT MIT KLAUS DILLMANN
In diesem Prozess soll jemand, der t„glich zu den anwesenden Demonstranten und Zuschauern gesprochen hat, der sich in Diskussionen und Taten im Kampf gegen die Fahrpreiserhöhungen hervorgetan hat, zum Gewaltverbrecher erklärt werden. So versucht die herrschende Klasse jede demokratische Regung zu unterdrücken. Mit Hilfe ihrer Klassenjustiz wollen sie vor allen Dingen die Führer der Bewegungen vernichten.
Kollegen, angeklagt und getroffen in diesem Prozess ist nicht nur der Genosse Klaus Dillmann, sondern die gesamte Dortmunder Bevölkerung, besonders die, die sich im Kampf damals aktiv beteiligt haben. Lassen wir deshalb jetzt den Genossen Dillmann nicht allein. Setzen wir der Klassenjustiz unsere Solidarität entgegen.
Macht mit uns den Gerichtssaal zur Tribüne des Klassenkampfes; zeigt dem Gericht, dass es nicht im Namen des Volkes sprechen kann; kämpft mit uns um das demokratische Recht zu demonstrieren! Zwingen wir das Gericht, Farbe zu bekennen!
Freispruch für Klaus Dillmann!“
(Vgl.: Rutsche Bergbautarifrunde: Jetzt rechnen - jetzt handeln! , Dortmund, o. J., [Juni 1972].)
Es entsprach schon einer gewissen Komik, dass ausgerechnet der Bericht der Dortmunder politischen Polizei (siehe Dietmar KESTEN: „Der Rote Punkt in Dortmund“) von KPD/ML-ZB und KJVD als Beleg dafür angesehen wurde, mit ihr zu mutmaßen, dass „die Blockaden von der KPD/ML angeleitet worden wären, während sich die DKP darum bemüht habe, die Demonstranten von den Schienen wegzuhalten“.
Beides war unrichtig. Der Bericht der Dortmunder politischen Polizei hatte niemals behauptet, dass es die KPD/ML gewesen sei, die die „Blockaden geleitet“ hatte. Allerdings hatte sie deren Aktivitäten während dieser Aktionstage besonders erwähnt, wie im übrigen auch andere Organisationen. Zum anderen stand in diesem Bericht die DKP und ihre vielfältigen Aktionsformen im Vordergrund. Und ein Drittes war ebenso falsch. Die „gesamte Dortmunder Bevölkerung“ hatte sich nicht an diesem „Kampf“ beteiligt. Es waren primär Jugendliche, Studenten und Jungarbeiter, weniger die arbeitende Bevölkerung, die sich nicht spontan, wie öfter fälschlich behauptet, bei diese Aktionen in Massen beteiligte. Von ihnen gab es Proteste, die sich nicht über den gesteckten IGM-Rahmen hinausbewegten.
Am 19.6.1972 fand vermutlich vor der Hoesch Westfalenhütte Dortmund (Haupttor) eine Kundgebung mit Klaus DILLMANN (mittags) gegen seinen Prozess statt. (Vgl.: Die Rote Westfalenwalze: Freispruch für Klaus Dillmann!, Dortmund, o. J., [Juni 1972], Das Rote Schwungrad: Freispruch für Klaus Dillmann!, Dortmund, o. J., [Juni 1972].)
Das „Rote Schwungrad“ der KPD/ML-ZB bei Phoenix in Dortmund vom 20.6.1972 beschäftigte sich ausführlich mit den Dortmunder Aktionen vom Vorjahr:
„Kollegen, Genossen!
WEG MIT DEM VORBEUGEHAFTGESETZ!
In dieser Woche will der Bonner Bundestag EINE REIHE VON GESETZEN über die Bühne bringen, die den Widerstand gegen die volksfeindlichen Maßnahmen der Regierung noch mehr einschränken sollen. Vorgesehen ist ein VORBEUGEHAFTGESETZ, so ähnlich wie es die Nazis hatten, wonach sog. SERIENTÄTER INS GEFÄNGNIS gesteckt werden können, auch wenn man ihnen nichts nachweisen kann. VOR 3 JAHREN wurde schon mal der VERSUCH unternommen, scheiterte aber damals am Widerstand breiter Volksschichten. Jetzt meinen die Bonner Kapitalistenvertreter, der Zeitpunkt sei besonders günstig, einmal weil einige besonders Befürworter wie Benda und Hirsch jetzt VERFASSUNGSRICHTER sind, zweitens wegen der BOMBENATTENTATE der letzten Zeit.
Genscher machte extra darauf aufmerksam, dass es darum geht, alle die zu fassen, die Gewalt predigen. Gemeint sind damit wir Kommunisten, weil wir Euch genau sagen, dass man eine bis an die Zähne bewaffnete Kapitalistenklasse nicht auf friedlichem Wege wegbekommt. Gemeint sind aber auch sog. RÄDELSFÜHRER, die z.B. in einer Streikleitung sind oder bei einer
Roten-Punkt-Demonstration durchs Megaphon den Leuten sagen, was zu tun ist, wie es der Genosse K. Dillmann getan hat. Denn Streiks und Demonstrationen sind für die westdeutschen Gerichte NÖTIGUNG, d.h. GEWALT. Mit dem Vorbeugehaftgesetz will man also solche Leute auf Nummer sicher hinter Schloss und Riegel bringen.
WEG MIT DEM BUNDESGRENZSCHUTZGESETZ!
Ein weiteres wichtiges Gesetz, das in dieser Woche verabschiedet werden soll, ist das BUNDESGRENZSCHUTZGESETZ. Danach soll der Bundesgrenzschutz (BGS, d. Vf.) künftig auch eingesetzt werden, wie es so schön heißt, 'in Fällen besonderer Bedeutung, soweit das Landesrecht es vorsieht und die Polizei ... ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht ... erfüllen kann.’
SOLIDARISIEREN WIR UNS MIT DEN KUMPELS IM BERGBAU!
Ein Streik im Bergbau steht jetzt vor der Tür. Dagegen kann der Bundesgrenzschutz eingesetzt werden. Nach PARAGRAPH 88 STGB wird bestraft, wer 'Unternehmen, die der öffentlichen Versorgung mit ... Wärme dienen' lahmgelegt. DIE POLIZEI muss also STREIKBRECHER UNTERSTÜTZEN. Wenn sie das nicht schafft, kann also der Bundesgrenzschutz in Aktion treten.
Für diesen Fall haben die Kapitalisten schon längst Vorsorge getroffen, indem sie auf zahlreichen Fabrikgeländen LANDEPLÄTZE für Großhubschrauber gebaut haben, so bei Gneisenau, wo 5 Kampfhubschrauber mit je 100 Mann auf einmal landen können. Ihr wisst auch, dass der Bundesgrenzschutz SCHON LÄNGER ÜBUNGEN zur Zerschlagung von Streiks abhält und dass er z. B. bei der ROTE-PUNKT-DEMONSTRATION IN HANNOVER einsatzbereit war.
WEG MIT DEM VERFASSUNGSSCHUTZGESETZ UND DEM WAFFENGESETZ!
Ein weiteres Gesetz, das die Bonner Brandt-Regierung und die CDU/CSU miteinander ausgeknobelt haben, sieht vor, dass der VERFASSUNGSSCHUTZ mehr Rechte bekommt.
Er soll künftig völlig legal mit nachrichtendienstlichen Mitteln gegen, wie es so schön heißt, 'politische Bestrebungen links- oder rechtsextremer ... Gruppen' und dabei besonders gegen AUSLÄNDER vorgehen können. Wer die BILD-Zeitung zur Festnahme von Baader gelesen hat, der weiß, dass im Führungsstab dieser Gruppe (RAF, d. Vf.) ein Verfassungsschützer saß, denn das gab sie offen zu. Was für eine Rolle der bei der Bombenlegerei gespielt hat wissen wir nicht, aber wir können es uns lebhaft denken.
Denn wir wissen, dass gerade beim Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst (BND, d. Vf.) sehr viele alte Nazis untergekommen sind. Z.B. Reinhard Gehlen, der den Bundesnachrichtendienst aufgebaut hat, war so ein Nachrichtenspezialist der Faschisten. In derselben Bildzeitung konnte man auch lesen, dass der Verfassungsschutz erklärt hat, eine Gefahr von rechts sei kaum vorhanden. Wo er da eingesetzt ist, dürfte also klar sein. Das Gesetz gestattet ihm ausdrücklich, Leute zu bespitzeln, die im Verdacht stehen, 'Vorbereitung von Gewalttaten in fremden Staaten vom Bundesgebiet aus' zu betreiben. Jeder griechische Kollege, der gegen die Faschisten eingestellt ist, darf also damit offiziell beschattet werden. Verfolgt werden sollen nämlich auch 'Bestrebungen von Ausländern, die geeignet sind ... auswärtige Belange der BRD zu beeinträchtigen.' Wenn z. B. der Schah von Persien (Iran, d. Vf.) der BRD droht, kein Erdöl mehr zu liefern, solange Bonn nichts gegen oppositionelle Perser in Westdeutschland unternimmt, so will sich die Bundesregierung hier das gesetzliche Mittel dazu schaffen. Sie bekämpft damit die INTERNATIONALE SOLIDARITÄT der Arbeiter und aller fortschrittlichen Menschen.
Das neue WAFFENGESETZ will den Privatbesitz an Waffen erheblich einschränken. künftig sollen nur noch Barone und andere hohe Herrschaften Waffen besitzen. Der Frau Harders wird wohl keiner zu Leibe rücken, weil sie eine Pistole hat. Die braucht sie ja, um sich gegen 'wildgewordene' Arbeiter zu verteidigen. Anders dagegen wenn ein Sozialrentner wie Girod in Oberhausen Waffen hat. Da muss man dann eine Hundertschaft Polizei bis an die Zähne bewaffnet und mit Tränengas und Gasmasken ausgerüstet losschicken, um ihn und seine und 5 Kinder auszuräuchern. Und dann, als der sich auf seine Weise wehrt und dabei 3 Polizisten über den Haufen schießt, hat man die willkommene Propagandamöglichkeit, so ein Gesetz zu verabschieden. Das sind die Methoden, wie dieser Staat arbeitet. ... Darum die Einführung solcher Gesetze, die wir von Hitler her ja schon gut kennen.
Nur macht das diesmal vor allem die SPD, weil sie BEI VIELEN KOLLEGEN noch ALS FORTSCHRITTLICH oder zumindest als KLEINERES ÜBEL angesehen ist. Sie war schon vor 1933 kräftig daran beteiligt. So bereitet sie auch den neuen Faschismus wieder vor, einträchtig Hand in Hand mit Strauß und Barzel. Euch dagegen wird im Bundestag eine Show vorgezaubert, als wäre die CDU grundsätzlich gegen die ach so friedlichen Ostverträge. Ihr dürft dann sogar mal streiken, was Euch bei Tarifverhandlungen sehr Übel genommen wird.
Zugleich aber haben diese Herrschaften Angst vor Eurem Streik, denn da könntet Ihr ja erkennen, wie sie Euch bescheißen. Darum diese Gesetze.
NOCH EIN WEITERES GESETZ
Sie wollen DEMONSTRATIONEN zu den OLYMPISCHEN SPIELEN verbieten. Damit wird das DEMONSTRATIONSRECHT BESCHNITTEN. Genauso wie es Weyer voriges Jahr bei den RP-AKTIONEN (Roter Punkt Aktionen gegen die Fahrpreiserhöhungen, d. Vf.) machte. Er erließ einfach ein Demonstrationsverbot und erlaubte damit der Polizei, brutal gegen die Demonstranten vorzugehen. Jetzt soll in einem Prozess gegen Klaus Dillmann das für rechtens erklärt werden. Den Genossen wollen sie als RÄDELSFÜHRER heranziehen, weil er durchs Megaphon den Widerstand ermutigt hat, weil er den Leuten erzählt hat, warum wir kämpfen und in welchem Rahmen die volksfeindlichen Tariferhöhungen zu sehen sind, nämlich in dem Rahmen, dass der Staat das Volk schröpfen muss, um die Kriegskassen zu füllen. Das erleben wir ja auch jetzt wieder mit der Post, die ab 1. Juli ihre Tarife erhöht. Der Staat wälzt diese Gemeinschaftsaufgaben auf das Volk ab, weil er die Steuern, die er vom Volk kassiert, für die Rüstung nach innen und außen braucht.
Darum auch letztes Jahr die Tariferhöhungen und das Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten. Dem Gen. Klaus Dillmann wollen sie jetzt als Rädelsführer der KPD/ML Nötigung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, absichtliche Körperverletzung von Polizeibeamten und Aufforderung zu strafbaren Handlungen anhängen.
SOLIDARISIEREN WIR UNS MIT DEM GENOSSEN K. DILLMANN! TRAGEN WIR UNS IN DIE UNTERSCHRIFTENLISTEN EIN!
K. Dillmann wollen sie also stellvertretend für die Bevölkerung und für alle, die auf den Schienen standen, verknacken. Und dann hätte die Stadt, die ja diese unverschämte Fahrpreiserhöhung verursacht hat, sogar das Recht, von ihm Schadensersatz zu fordern. So stellen sich die Herren Samtlebe und Co. Das vor, die den Knüppeleinsatz angeordnet haben. Samtlebe ist ja auch bei Hoesch ein hohes Tier und hat seinen Einfluss geltend gemacht, dass die Stadt die Fusion mit Hoogovens unterstützte. Samtlebe hat seine schmutzigen Finger mit drin bei dem Versuch, die Meinberg-Siedlung weg zu 'sanieren', damit Hoesch bessere Profite machen kann. Denn: Wenn Hoesch hustet, niest der Stadtrat. Diese Herren sollen also Recht haben, die Demonstranten dagegen Gewalttäter sein! Zugleich hat man dann einen billigen Vorwand, um K. Dillmann künftig in Vorbeugehaft zu nehmen, denn als Kommunist ist er für den Kapitalistenstaat BESONDERS GEFÄHRLICH. Er fürchtet ja nichts so sehr wie eine klare FÜHRUNG der Aktionen des Volkes, und das ist ja gerade unsere Pflicht. Dafür dient auch das KPD-Verbot, wonach wir Kommunisten als 'kriminelle Vereinigung' (Paragraph 129 StGB) behandelt werden können. Die Justiz ist schon kräftig dabei, es gegen uns zusammenzubasteln. Mit all diesen Maßnahmen zeigt sich deutlich, wem die Gerichte dienen. Sie dienen nicht dem sondern den Kapitalisten.
Im Prozess gegen K. Dillmann z. B. treten nur Polizeizeugen gegen ihn auf, das Volk hat nichts zu sagen. Im Sozialismus ist das anders. Da werden die Gerichte vom Volk gewählt und die Zuschauer helfen bei der Rechtsfindung aktiv mit, während sie hier die Schnauze halten müssen.
Wer der Ansicht ist, dass K. Dillmann freigesprochen werden muss, der trage sich in die UNTERSCHRIFTENLISTE ein. Freispruch wegen erwiesener Unschuld heißt: das Demonstrationsrecht wird verteidigt, und sinngemäß damit auch das Streikrecht, da ja beides unter 'Gewalt' eingereiht werden soll. Freispruch wegen erwiesener Unschuld heißt auch: alle übrigen Rote-Punkt-Prozesse müssen abgebrochen werden, Verurteilungen von Demonstranten müssen aufgehoben werden. Darum geht es. Darum ist der Prozess wichtig. Kollegen, kommt zum Prozess ...“ (Vgl.: Das Rote Schwungrad: Kollegen, Genossen! Weg mit dem Vorbeugehaftgesetz, Dortmund, o. J. [Juni 1972].)
Bekannt gegeben wurde, dass der Prozesstermin gegen Klaus Dillmann kurzfristig abgesetzt worden sei. Aufgerufen wird zur Demonstration in Dortmund am 24.6.1972 in Dortmund-Eving, die aber nicht stattfindet. Das „Rote Schwungrad“ brachte den Prozess gegen DILLMANN in Verbindung mit den Maßnahmen des Staates zur Erhaltung der „öffentlichen Ordnung“. Dazu zählte nach dieser Meinung das Vorbeugehaftgesetz, das Bundesgrenzschutzgesetz, das Verfassungsschutzgesetz und das Waffengesetz. Hier sei besonders, so das „Rote Schwungrad“, der Terminus der „Rädelsführerschaft“ von Bedeutung.
Insgesamt dienten die neuen Gesetze auch dazu, den „Frieden“ währen der Olympischen Spiele in München (September 1972) zu erhalten: „Darum diese Gesetze. NOCH EIN WEITERES GESETZ Sie wollen DEMONSTRATIONEN zu den OLYMPISCHEN SPIELEN verbieten. Damit wird das DEMONSTRATIONSRECHT BESCHNITTEN.“ In diesen Tagen wurde während der Olympischen Spiele ein Demonstrationsverbot verhängt. Die KPD/ML-ZB/ZK und viele andere Gruppen demonstrierten trotz Verbot unter der Parole „Straße frei für die Kommunistische Partei“ am 2. September 1972 in München.
Laut der KJVD Jugendbetriebsgruppe Minister Stein/Fürst Hardenberg in Dortmund, sollte an diesem Tag (20.6.) eine Veranstaltung gegen die Rote Punkt Prozesse mit Klaus DILLMANN stattfinden. (Vgl.: Jugend-Rutsche: Unser der Sieg - Durch Einheit im Kampf, Dortmund, o. J. [Juni 1972].)
Ebenfalls sollte an diesem Tag (20.6.) laut Ortsgruppe Dortmund der KPD/ML-ZB ein gemeinsames Flugblatt einer „Aktionseinheit Freispruch für Klaus Dillmann“ verteilt werden. (Vgl.: KPD/ML-ZB-OG Dortmund, KJVD-OG Dortmund: Brief an alle revolutionären und demokratischen Organisationen, Dortmund, 15.6.1972.)
Die Betriebsgruppe Minister Stein Dortmunder der KPD/ML-ZB kündigt ab dem heutigen Tag (20.6.) Aktionen gegen die „drohende Verurteilung“ im Dortmunder Roten Punkt Prozess an. An diesem Tag sollte zur Spätschicht DIMMANN vor dem Haupttor vor Hardenberg über seinen politischen Prozess sprechen. Gleichzeitig sollen Unterschriften für seinen Freispruch gesammelt worden sein. (Vgl.: Rutsche Bergbautarifrunde: Jetzt rechnen - jetzt handeln! Dortmund, o. J. [Juni 1972].)
Am 21.6. sollte laut KPD/ML-ZB ein „Prozess vor dem Dortmunder Schöffengericht“ wegen der Aktion Roter Punkt (ARP) gegen die Fahrpreiserhöhungen im März/April 1971 stattfinden. Angeklagt ist ein damaliges Mitglied der KPD/ML-ZK, Klaus DILLMANN, der nun wegen „Nötigung, Aufforderungen zu strafbaren Handlungen und Widerstand gegen die Staatsgewalt“ angeklagt wurde.
„Es geht in diesem Verfahren darum, den Genossen als einen Teilnehmer der Rote Punkt Aktionen im März 1971 in Dortmund zu verurteilen, wobei man ihn noch als Rädelsführer bezeichnet ... Dieser Prozess stellt die KPD/ML und andere marxistisch-leninistische Organisationen vor die Notwendigkeit, den Kampf zur Verteidigung der Marxisten-Leninisten zu führen: denn in diesem Prozess wird es der Bourgeoisie darum gehen, einen weiteren Schritt zum Verbot der Marxisten-Leninisten zu machen ... Die KPD/ML und der KJVD werden versuchen, für diesen Prozess eine möglichst breite Front von demokratischen und marxistisch-leninistischen Kräften zusammenzuschmieden." (Vgl.: KPD/ML-ZB und KJVD Dortmund: Freiheit für den Roten Punkt, Dortmund, 25.9.1972, Kommunistischer Nachrichtendienst, Nr. 40, Bochum, 7.6.1972, Rote Fahne, Nr.12, Bochum, 12.6.1972, KPD/ML-ZB-OG Dortmund, KJVD-OG Dortmund: Brief an alle revolutionären und demokratischen Organisationen, Dortmund, 15.6.1972, Das Rote Schwungrad: Kollegen, Genossen! Weg mit dem Vorbeugehaftgesetz, Dortmund, o. J. [Juni 1972].)
Gegen den Prozess hatte vermutlich eine Kundgebung der KPD/ML-ZB und des KJVD Ortsgruppe Dortmund am Dortmunder Borsigplatz mit anschließender Demonstration zum Amtsgericht stattgefunden. Der Prozess wurde jedoch erneut verschoben und neu auf den 13.9.1972 festgesetzt; denn der Rechtsanwalt von Klaus DILLMANN suchte damals um Verschiebung nach, da sein Mandant „verhindert sei“. Gegen den Prozess agitierte die KPD/ML-ZB u. a. im IGM-Bereich bei Hoesch und im IGBE-Bereich auf der Schachtanlage Minister Stein/Hardenberg, wo auch der KJVD zur Solidarität aufrief. Aus einem Papier von Klaus Dillmann geht hervor, dass sich die OG Dortmund der KPD/ML-ZB darum bemühte, auch ein Bündnis mit der KPD/ML-ZK zum Roten-Punkt-Prozess herzustellen.
„Statt sich jedoch an entsprechenden Verhandlungen zu beteiligen, zogen die Genossen der Partei es damals vor, schwache Leute aus unseren Reihen (den Reihen der ZB-Organisation) in Einzelgesprächen herauszubrechen, wobei ihnen teilweise das Blaue vom Himmel versprochen wurde ... Zu den Bündnisgesprächen (zu denen stets rechtzeitig eine Einladung vorlag, wenngleich nicht direkt an die Adresse des Ortsgewaltigen, den wir ja nicht kannten) erschien die Partei nicht und hatte hinterher immer irgendwelche Ausflüchte, wobei sie versuchte, uns den Schwarzen Peter zuzuschieben.“ (Vgl.: Dillmann, Klaus: Roter Punkt Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Dortmund, Dortmund, 16.7.1974.)
In einem Schreiben von Rechtsanwalt Michael Galinsky aus Mainz in Rheinland- Pfalz wird die KPD/ML-ZB dazu aufgefordert, in der Strafsache DILLMANN für die Kosten in Höhe von 600 DM aufzukommen. Aus dem Schreiben geht hervor, dass das ZB diesen Rechtsanwalt mit der Verteidigung von DILLMANN betraut hatte. Handschriftliche Notizen auf diesem Schreiben ließen erkennen, dass das ZB auf die Zuständigkeitsbereich AStA/Rote Hilfe Bochum und Dortmund verwies. Zusätzlich sollte für Dillmann in NRW gesammelt werden. (Vgl.: Galinsky, Michael: An das ZB der KPD/ML, Mainz, 21.6.1972.)
Der AStA der PH Dortmund bzw. die dortige Studentenkonferenz berichtete vermutlich am 20.6. über Klaus DILLMANN:
„Klaus Dillmann sollte am 21. des Monats vor dem Dortmunder Gericht verurteilt werden. Ihm wird Rädelsführerschaft, Nötigung, Widerstand gegen die Polizei in Tateinheit mit Körperverletzung und Aufforderung zur strafbaren Handlung vorgeworfen. Es handelt sich dabei um eine der vielen Anklagen im Zusammenhang mit dem Kampf der Dortmunder Bevölkerung gegen die unverschämte Fahrpreiserhöhung der Dortmunder Stadtwerke vor einem Jahr. Durch den Prozess gegen Dillmann und andere soll der berechtigte Kampf der Bevölkerung zur kriminellen Handlung abgestempelt werden. Als Widersprüche in der Anklageschrift auftauchten, vertagte man kurzfristig den Prozess auf September (Semesterferien) mit der offiziellen Begründung, die zwei Hauptbelastungszeugen - zwei Polizisten - seien unerreichbar im Urlaub. Die Prozesse gegen die Demonstranten sind im Zusammenhang zu sehen mit den verschärften Bonner Notstandsgesetzen, die einen Eingriff in die demokratischen Rechte des Volkes bedeuten.“ (Vgl.: AStA PH Dortmund: AStA-Information Gegen die Bonner Notstandsgesetze, Dortmund, o. J. [Juni 1972], Dillmann, Klaus: Persönliche Notizen zum Roten-Punkt-Prozess gegen Klaus Dillmann, Dortmund, 11.10.1972.)
Dieser Bericht zum Roten Punkt Prozess deckte sich in etwa mit einem Flugblatt der „Asta-Informationen“ der Pädagogischen Hochschule in Dortmund, das am 22. 6. erschienen war, Im Wortlaut:
„GEGEN DIE BONNER NOTSTANDSGESETZE.
Der Genosse Klaus Dillmann sollte am 21. des Monats vor dem Dortmunder Gericht verurteilt werden. Ihm wird Rädelsführerschaft, Nötigung, Widerstand gegen die Polizei in Tateinheit mit Körperverletzung und Aufforderung zur strafbaren Handlung vorgeworfen. Es handelt sich dabei um eine der vielen Anklagen im Zusammenhang mit dem Kampf der Dortmunder Bevölkerung gegen die unverschämte Fahrpreiserhöhung der Dortmunder Stadtwerke vor einem Jahr.
Durch den Prozess gegen Dillmann und andere soll der berechtigte Kampf der Bevölkerung zur kriminellen Handlung abgestempelt werden. Als Widersprüche in der Anklageschrift auftauchten, vertagte man kurzfristig den Prozess auf September mit der offiziellen Begründung, die zwei Hauptbelastungszeugen - zwei Polizisten - seien unerreichbar im Urlaub.
Die Prozesse gegen die Demonstranten sind im Zusammenhang zu sehen mit den verschärften Bonner Notstandsgesetzen, die einen Eingriff in die demokratischen Rechte des Volkes bedeuten. Diese Gesetze sollen im Bonner Parlament bis zum 23. 6. verabschiedet werden.
Dass man damit rechnet, in dieser knappen Zeit alle fünf Gesetze durchzubringen, zeigt, dass in diesen Punkten zwischen den im Parlament vertretenen Parteien kein Unterschied festzustellen ist.
Was beinhalten diese Gesetze?
1) DAS BUNDESVERFASSUNGSSCHUTZGESETZ soll die Möglichkeit zur Bespitzelung fortschrittlicher Organisationen erweitern und dem Verfassungsschutz größere Vollmachten zur Überprüfung' der Beschäftigten im öffentlichen Dienst geben. Dazu wird sogar das Grundgesetz geändert. Außerdem wird das Verbot einer Reihe fortschrittlicher Organisationen vorbereitet.
2) DIE VORBEUGEHAFT, die 1969 wegen des großen demokratischen Widerstands im Volk nicht durchgesetzt werden konnte, soll jetzt wieder gesetzlich verankert werden, um neue Möglichkeiten zu haben, Widerstand gegen den Bonner Staat zu unterdrücken. Einzelne können auch ohne Gerichtsverfahren eingesperrt werden.
3) DAS OLYMPIA-GESETZ regelt unter dem Deckmantel des olympischen Friedens ein umfassendes Demonstrationsverbot.
4) WAFFENGESETZ: Zu diesem Gesetz bestehen noch keine genauen Untersuchungen. Nach dem 1968 verabschiedeten Waffengesetz dürfen Beamte des Bundes Waffen führen, die Anlagen oder Gegenstände sichern, die hoheitlichen Aufgaben dienen. Damit ist die Möglichkeit des bewaffneten Behördenschutzes gegeben, der z.B. bei Streiks in öffentlichen Betrieben einschreiten kann.
5) DAS BUNDESGRENZSCHUTZGESETZ soll den BGS zu einer 'Sonderpolizei' des Bundes machen, die gegen Streiks und Demonstrationen eingesetzt werden kann. Streiks sind jetzt nach dem Gesetz kriminelle Handlungen in Betrieben, die die sogenannte lebenswichtige Versorgung sichern, z. B. öffentlicher Verkehr, Strom und Wasser. Diese Sonderpolizei erhält das Recht, Bürger vorzuladen und 'erkennungsdienstlich' behandeln zu können. Nach diesem neuen Gesetz soll jeder Wehrpflichtige auch gegen seinen Willen zu dieser Bürgerkriegstruppe eingezogen werden können! Dieses Gesetz versucht, den Arbeitskampf der Bergleute, Stahlarbeiter zu verhindern. Es erhält einen aktuellen Bezug durch die gespannte Lage im Bergbau, die sich durch die unbefriedigenden Tarifverhandlungen ergeben hat. Ein großer Teil der Bergleute fordert Urabstimmung und nicht Schlichtung durch Arbeitsminister Figgen (SPD, d. Vf.) und die Gewerkschaftsführer. Dass man mit einem Streik rechnet, zeigt, dass sich die Hauptabnehmer der Zechen rechtzeitig mit genug Kohle eingedeckt haben. Sobald die Gesetze verabschiedet sind, ist in solcher Streik nicht legales Mittel, sondern krimineller Akt.
Diese neuen Gesetze betreffen in besonderem Masse die Arbeiter, aber auch andere Teile der Bevölkerung.
Für die Studenten wird diese Gesetzgebung Bedeutung erlangen, wenn sie demnächst gezwungen sind, gegen die Zerschlagung der verfassten Studentenschaft zu demonstrieren, und hat - gerade für Lehrerstudenten - schon Bedeutung erlangt durch den Ministerpräsidentenerlass gegen 'Radikale' im öffentlichen Dienst.
Deshalb muss der Kampf gegen die Notstandsmaßnahmen ein solidarischer Kampf aller Teile der Bevölkerung sein. Kommt zur Demonstration am Samstag, den 24. 6.1972 in Bochum-Hordel um 16 Uhr, Platz zwischen Barbarastraße, Finefraustraße Sonnenscheinstraße.
WEG MIT DEM BUNDESGRENZSCHUTZGESETZ - DEM NEUEN BÜRGERKRIEGSTRUPPENGESETZ!
WEG MIT DER WIEDEREINFÜHRUNG DER VORBEUGEHAFT!
WEG MIT DEM BUNDESVERFASSUNGSSCHUTZGESETZ - DEM NEUEN SPITZELGESETZ!
WEG MIT DEM DEMONSTRATIONSVERBOT ZU DEN OLYMPISCHEN SPIELE!
WEG MIT DEM KPD-VERBOT! FREISPRUCH FÜR KLAUS DILLMANNUND ALLE DEMONSTRANTEN DER ROTE-PUNKT-AKTION.“
(Vgl.: AStA PH Dortmund: AStA-Information Gegen die Bonner Notstandsgesetze, Dortmund, o. J. [Juni 1972], DOS-Sondernummer: Einführung in das PH-Studium, Dortmund, o. J. [1972].)
Das Flugblatt befand sich im Einklang mit den bisher geäußerten Meinungen zum Roten Punkt Prozess. Die „neuen Bonner Notstandsgesetze“ wurden hier in Verbindung mit dem Beginn einer „Zerschlagung der verfassten Studentenschaft“ gebracht. Sie würden zudem noch in Verbindung zum Erlass des „Ministerpräsidentenerlass gegen „Radikale im öffentlichen Dienst“ stehen.
Zum 14.8.1972 gab die KPD/ML-ZB bei Hoesch Dortmund eine gemeinsame Ausgabe ihres „Roten Schwungrades“ für Phoenix und ihrer „Roten Westfalenwalze“ für die Westfalenhütte heraus.
„AUFURF: DEMONSTRATION GEGEN DAS KPD-VERBOT
Bochum, 17. 8.1972, 19 Uhr, Treffpunkt: Goldhammerstraße Ecke Normannenstraße.
Dortmund 18 Uhr, Treffpunkt: Stahlwerkplatz
17 JAHRE KPD-VERBOT 17 JAHRE UNTERDRÜCKUNG
Am Donnerstag, dem 17. August, jährt sich das KPD-Verbot zum 17 Mal. Dieses Verbot der KPD von Seiten Adenauer unter aktiver Mithilfe der rechten SPD-Führer war ein schwerer Schlag gegen die westdeutsche Arbeiterbewegung. Denn durch das Verbot der KPD wollten Adenauer und Schumacher erreichen, dass der Kampf der westdeutschen Arbeiter gegen Aufrüstung, für mehr Demokratie und für mehr Lohn unterdrückt wird.
Dies wird aus folgendem Zitat aus der Gerichtsverhandlung gegen die KPD deutlich: 'Nach dem Grundgesetz beschränkt sich die Willensbildung des Volkes darauf, Abgeordnete zu wählen ... sobald durch außerparlamentarische Aktionen unmittelbar und fortgesetzt Einfluss auf das Parlament ausgeübt wird, ist die ... freiheitliche Demokratie gefährdet ... wir betrachten es als eine schwere Verletzung der freiheitlich demokratischen Grundordnung, den wirtschaftlichen und sozialen Ausgleich auf dem unfreiheitlichen Wege des revolutionären Klassenkampfes erzwingen zu wollen.' Das sagte der Vertreter der Regierung.
Die KPD wurde also verboten, weil sie es war, die breite Teile der werktätigen Bevölkerung zum Kampf führte.
Das Verbot hatte dann auch zur Folge, dass diese Kämpfe unterdrückt wurden. Denken wir nur an unseren alten Betriebsrat. Das waren keine Leute wie Pfeiffer, sondern Kommunisten, die mit gekämpft haben. Nach dem Verbot konnten sie entlassen werden. Viele Kommunisten und andere fortschrittliche Arbeiter wurden aus der Gewerkschaft entlassen.
All das ist keine ferne Geschichte, noch immer existiert das KPD-Verbot und die SPD-Regierung, deren führende Leute immer schon das KPD-Verbot unterstützt haben, bereiten vor, jetzt die KPD/ML und weitere fortschrittliche Organisationen zu verbieten. Das KPD-Verbot soll auf die KPD/ML angewandt werden. Das sind die Taten der SPD-Regierung. Kommunisten werden unterdrückt, und die Faschisten werden mit Staatsgeldern unterstützt.
Ungehindert dürfen die Faschisten ihre schmutzigen Blätter in Westdeutschland verkaufen, aber die kommunistische Presse wird unterdrückt. So steht der Verantwortliche der RF ('Rote Fahne' der KPD/ML-ZB, d. Vf.), Michael Schulte, am 25. Aug. zum zweiten Mal vor Gericht (in Bochum, d. Vf.). Kläger ist F.J. Strauß.
So werden Kommunisten, welche sich für die Rechte der Werktätigen eingesetzt haben, mit Zuchthaus bestraft. So steht Klaus Dillmann am 9. Sept. vor Gericht. Kläger ist die Stadt Dortmund, weil Genosse Dillmann sich als Rädelsführer bei den Rote-Punkt-Aktionen betätigt hätte.
So wurden auf den letzten DGB Tagen Verbotsanträge gegen 'Maoisten' (sprich KPD/ML) beschlossen.
Auch die Ortsverwaltung Dortmund legte einen solchen Antrag vor. Weiterhin werden Kommunisten wie früher aus der Gewerkschaft geschmissen, so bei Opel Bochum, wo 40 Kollegen, darunter Kommunisten, auf Gegenlisten kandidiert haben.
Weiterhin liegt ein Antrag im Jugendausschuss der IGM Dortmund vor, dass KJVD Mitglieder nicht in der IGM sein dürften.
DIE REAKTION WILL DIE ARBEITERBEWEGUNG UNTERDRÜCKEN!
Wozu alle diese Maßnahmen, muss man sich doch fragen? Die KPD wurde deswegen verboten, weil die Kämpfe der Arbeiterklasse unterdrückt werden sollten und das gleiche hat die Regierung und haben die Kapitalisten auch jetzt wieder vor. Denn immer mehr Kollegen sehen, dass man ohne Kampf keinen Schritt weiter kommt, dass der Lohn dann aber sinkt, statt zu steigen. Deswegen gehen immer mehr auf die Straße. So streikten in den letzten 4 Wochen folgende Stahlwerke an der Ruhr: Westfalenhütte, Krupp-Rheinhausen, Thyssen-Hoag, Hasper Hütte Hagen, Mannesmann Duisburg, Krupp Bochumer Verein vor 2 Wochen und nun bereits wieder seit Freitag.
Alle diese Streiks gingen gegen Stillegung und für mehr Lohn. Diese Bewegung fürchten die Kapitalisten, denn wir halten nicht mehr still und es wird immer schwerer zu verhindern, dass die Stahlarbeiter bis 1973 nicht stillhalten.
Harders und sein Freund Pfeiffer mussten bei der WH schon mit schweren Geschützen auffahren, um die Weiterführung des Streiks bei uns zu verhindern. Sie konnten den Streik jetzt erst noch einmal hinausschieben, indem sie die Voll-Belegschaftsversammlung verhindern und stattdessen spalterische Abteilungsversammlungen abhalten, im Kalt-Walzwerk noch nicht einmal das. Sie wollen verhindern, dass wir alle zusammenkommen, denn Pfeiffer weiß, auf der Voll-Belegschaftsversammlung hat er nichts zu bestellen, da reden die Hoesch-Arbeiter. Bei Phoenix ist noch nicht einmal eine Belegschaftsversammlung noch Abteilungsversammlung geplant. Sie unterdrücken unsere Kämpfe deswegen, weil sie Ruhe in Westdeutschland brauchen. Sie wollen in aller Ruhe die Bundeswehr aufrüsten und die Arbeiterjugend in die Bundeswehr pressen. Immer schon wurden die Kommunisten und die Kämpfe der Arbeiter deswegen unterdrückt, damit die Kapitalisten ihren Staat in Ruhe aufrüsten können und damit neue Kriege vorbereitet werden können.
So 1914 vor dem 1. Weltkrieg, Karl Liebknecht kam in das Zuchthaus - Streiks wurden zerschlagen, so 1933 Kommunisten verboten, die Gewerkschaften zerschlagen, Thälmann ermordet, das Ziel war der 2. Weltkrieg. So wurden 1956 FDJ und KPD wurden verboten, Adenauers Ziel, die Bundeswehr wieder aufbauen, die Notstandsgesetze durchzusetzen. So auch jetzt, wieder sollen die Kommunisten verboten werden, wieder werden Gesetze bereit gehalten (NS-Gesetze), nach denen Streiks zerschlagen werden können.
Wieder ist das Ziel Ruhe im Land, für Aufrüstung und verschärfte Ausbeutung. In all diesen Jahren, wie auch jetzt, waren es die Kommunisten, die an der Spitze der Arbeiterbewegung gegen Aufrüstung, Revanchepolitik und für mehr Demokratie und mehr Lohn gekämpft haben.
So auch die KPD/ML, sie ist die einzige Partei, die ohne Verrat die Aufrüstung bekämpft, die versucht, die Hoesch-Arbeiter zusammenzuschließen zum Kampf für die Belegschaftsversammlung, zum Kampf gegen Stillegung und für mehr Lohn.
Deswegen soll die KPD/ML verboten werden.
Machen wir den Reaktionären einen Strich durch die Rechnung.
Demonstriert mit der KPD/ML und anderen demokratischen Organisationen gegen das KPD-Verbot am Donnerstag in Bochum.
Kämpfen wir weiter unter der Parole: KEIN STILLHALTEN BIS 1973
Kämpfen wir weiter für die Vollbelegschaftsversammlung.
Nutzen wir die Abteilungsversammlungen aus, auf mehreren Abteilungsversammlungen auf der WH wurden Forderungen nach mehr Lohn und gegen Arbeitshetze vorgelegt. Auf einer Abteilungsversammlung nahmen drei Kollegen von Phoenix teil. Doch die Betriebsräte verschweigen diese Forderungen. Sie wollen uns spalten. Stellen wir deswegen weiterhin Lohnforderungen auf.
LEGT DORT RESOLUTIONEN GEGEN DAS KPD-VERBOT VOR!
WEG MIT DEM KPD-VERBOT
KEIN STILLHALTEN BIS 1973
FÜR VOLL-BELEGSCHAFTSVERSAMMLUNGEN
MEHR LOHN! KEINE STILLEGUNG! KEINE ENTLASSUNGEN!
VERSETZUNGEN NUR OHNE LOHNEINBUSSEN! BOYKOTT DER ARBEITSHETZE!“
(Vgl.: Die Rote Westfalenwalze/Das Rote Schwungrad: Aufruf: Demonstration gegen das KPD-Verbot, Dortmund, o. J. [Aug. 1972].)
Die „Rote Westfalenwalze“ vom 14.8. war vermutlich die letzte uns bekannt gewordene Ausgabe, da sich zumindest Teile der Betriebsgruppe Westfalenhütte der KPD/ML-ZB der KPD/ML-ZK anschließen und in der Folge die Zeitung „Stählerne Faust“ herausgeben. Aufgerufen wurde zu einer Demonstration gegen das KPD-Verbot am 17. 8. in Bochum. Auch hier gibt es wieder die Verbindung KPD-Verbot, Verbotsprozesse, gegen Notstand, Aufrüstung und Revanchepolitik.
Für den 13.9.1972 war erneut der Prozess gegen DILLMANN angesetzt. Erneut wurde er verschoben, auf den 11.10.1972. Die Begründung war, dass „wichtige Zeugen an diesem Tag nicht zu vernehmen“ seien. Die Zeugen seien „nach München zum Schutz des olympischen Friedens abkommandiert worden“. (Vgl.: Dillmann, Klaus: Kritik an der Partei im Zusammenhang mit den Prozessen gegen mich sowie der Vernehmungen in Arnsberg, o. O. [Dortmund], 16.10.1973.)
Von der Ortsgruppe Dortmund der KPD/ML-ZK, wurde laut DILLMANN eine geringe Bereitschaft gezeigt, „am Zustandekommen eines Solidaritätskomitees“ zum Roten-Punkt-Prozess mitzuwirken. Aktivitäten sollen davon abhängig gemacht worden sein, dass Dillmann bezüglich der KPD/ML-ZK erklärte, „dass die Partei wirklich die Partei sei“. Und weiter: „Ich sollte erst Selbstkritik üben, weil ich in einem Flugblatt (Bündnisplattform) gewagt hatte, diese Unverfrorenheit nur Anzudeuten ... Erst dann wollte man sich geneigt zeigen, sich für die Sache (die doch angeblich eine Sache der Partei war!) einzusetzen.“
Diese Scharmützel zwischen DILLMANN und der KPD/ML-ZK waren erklärbar, denn DILLMANN, der sich über die „Bolschewistische Linie in der KPD/ML“ der KPD/ML-ZB angeschlossen hatte, konnte, obwohl er ja im März/April 1971 für die KPD/ML-ZK auf den Dortmunder Schienen stand, nicht mehr (oder nur noch in einem geringen Masse) auf die KPD/ML-ZK zählen. DILLMANN selbst brachte das auf den Punkt: „Ich sollte erst Selbstkritik üben“ und erklären „dass die Partei wirklich die Partei sei“.
Die Unverfrorenheit, mit der die KPD/ML-ZK hier einen ihrer Gesinnungsgenossen behandelte, sprach Bände. Insgesamt ist das Lavieren um die Prozesstermine schon ein Possenspiel. Die eine Seite (staatlichen Organe) wollte nach Möglichkeit, die Anklage gegen DILLMANN wasserfest machen, die andere (Rechtsanwalt, Bündnisse, KPD/ML-ZB und KJVD) aus dem Versuch, DILLMANN eine Rädelsführerrolle anzudichten, eine politische Agitation gegen den Bonner Staat. Dem sollte auch die Broschüre „Freiheit für den Roten Punkt. Zum Prozess gegen Klaus Dillmann“ dienen, die ein Schlag gegen die „bürgerliche Klassenjustiz“ sein sollte, und die den Kampf gegen die „Verbotsvorbereitungen gegen die KPD/ML-ZB“ unterstützen wollte.
Vermutlich erschien deshalb am 25.9.1972 die von den Ortsverbänden Dortmund der KPD/ML-ZB und des KJVD herausgegebene Broschüre: „Freiheit für den Roten Punkt. Zum Prozess gegen Klaus Dillmann.“ Enthalten waren dort u. a.: Dokumente aus dem Bericht der Politischen Polizei Dortmund von 1971, aus den internen Organ der DKP „Praxis Nr. 4“ und der Artikel: „Helft ihm. Freiheit für Klaus Dillmann!“.
„Kollegen! Wir beginnen unsere Kampagne gegen die Klassenjustiz aus Anlass des Roten-Punkt-Prozesses am 11. Oktober mit einem Rückblick auf die Roten-Punkt-Aktionen in Dortmund März/April 1971. Warum? Bisher liegen nur zwei größere Berichte vor, die der Öffentlichkeit jedoch nicht zugänglich sind.
Einmal der Polizeibericht, der zeigt, dass die Polizei in den Marxisten-Leninisten die Hauptgefahr erkannt hat. Dieser Bericht verschweigt natürlich alles, was die Polizei ins richtige Licht rücken kann. Kein Wort von den brutalen Überfällen, kein Wort vom Raub der Transparente und roten Fahnen. Zugleich ist er peinlich bemüht, zu behaupten, die Polizei habe vorher die Massen aufgefordert, die Schienen zu verlassen - was nicht stimmt.
Leichtfertig geht er auch um mit der Behauptung, alle, die bei der KPD/ML mitgemacht haben, seien auch bei ihr organisiert. Wenn das der Fall wäre, sähe es heute anders aus in Dortmund. Diesen nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Bericht bekamen wir zugespielt von fortschrittlichen Kräften, die es auch bei der Dortmunder Polizei gibt. Einen weiteren Bericht hat die DKP in ihrem internen Organ PRAXIS vorgelegt, das angeblich 'Erfahrungen des Kampfes für Frieden, Demokratie und Sozialismus' enthält. Sie tut darin so, als hätte sie diese Blockade angeleitet, und polemisiert gegen die Junge Union (JU der CDU, d. Vf.), die sich von der Blockade eilfertig distanziert hat, und gegen den Arbeitskreis Nahverkehr, der sein Heil in Verhandlungen suchte. Beides tat sie selbst. Den Marxisten-Leninisten, die sie als 'anarchistische Studentengruppe' diffamiert, wirft sie vor, nur mal eben aus Bochum angereist zu sein und die Arbeiter mit ihrem 'Geschwätz von den Gewerkschaftsbonzen' geärgert zu haben. Von Monopolen sei nicht die Rede gewesen.
Wir werden als Linksrevisionisten bezeichnet, die nur eine reaktionäre Rolle spielen ... Während die KPD/ML (Rote Fahne und Roter Morgen) (KPD/ML-ZB und KPD/ML-ZK, d. Vf.) in ihren Flugblättern immer wieder die Lohnraubpolitik der SPD-Regierung im Dienste der Monopolkapitalisten gebrandmarkt hat, und gezeigt hat, wie die rechten Führer der Gewerkschaften genau diese Politik mit allen Mitteln unterstützen, findet sich in der DKP-Propaganda über diesen Verrat an den Lebensinteressen der Werktätigen kein Wort! Natürlich verliert die DKP auch kein Wort über die Kriegsvorbereitungen des Bonner Staates - und das soll eine Erfahrung des Kampfes für Frieden, Demokratie und Sozialismus sein! Die DKP bietet sich praktisch nur als eine bessere SPD an und ist bestrebt, ihre Treue zum Staat der Monopole auch im internen Organ PRAXIS unter Beweis zu stellen ... Kurz aus beiden Berichten können die Arbeiter und Werktätigen nichts lernen, was am Roten-Punkt und den Aktionen richtig und was falsch war.“ (Vgl.: Dillmann, Klaus: Roter Punkt Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Dortmund, Dortmund, 16.7.1974, KPD/ML-ZB und KJVD Dortmund: Freiheit für den Roten Punkt, Dortmund, 25.9.1972.)
Im Artikel „Kampf dem bürgerlichen Klassengericht! Zum Roten-Punkt-Prozess am 11.10. um 11 Uhr gegen den Genossen Klaus Dillmann“ wurde u.a. berichtet: „Genosse Klaus Dillmann, der damals als Angehöriger der KPD/ML (Roter Morgen) täglich mit seinen Genossen auf den Schienen gestanden und übers Megaphon Demonstranten und Passanten aufgefordert hat, über den politischen Zusammenhang dieser Maßnahmen ihre Ansichten vorzutragen und die Blockade solange weiterzuführen, bis der SPD-Stadtrat sich dem Willen des Volkes unterwarf. Er hat insbesondere dargelegt, dass die SPD zur Zeit wegen des unverdienten Vertrauens, das sie noch bei den Massen genießt, der beste Garant des Kapitalismus ist, besser als die CDU, die ja bei den fortschrittlichen Menschen eindeutig nichts zu bestellen hat.
Er hat gezeigt, dass die Fahrpreiserhöhungen wie viele andere Erhöhungen der Preise gerade für die von den breiten Massen benötigten Gebrauchsgüter und Lebensmittel nicht nur Ausdruck der verschärften Ausplünderungen des Volkes durch die Monopolkapitalisten sind, sondern unmittelbar zusammenhängen mit den Kriegsvorbereitungen des westdeutschen imperialistischen Staates: Mehrwertsteuer.
Auf Kosten der Ausgaben für Schulen, Verkehr, Gesundheit und Umweltschutz wird der Kriegshaushalt des Bonner Staates immer mehr erhöht. Die Anklageschrift macht dem Genossen, der als 'Rädelsführer der KPD/ML' bezeichnet wird, zum Vorwurf, dass er zum Kampf gegen den Kapitalismus und zur Unterstützung der KPD/ML aufgerufen hat.
In einem Bericht der politischen Polizei wird ausdrücklich festgestellt, dass im Gegensatz zur DKP, die versucht hat, eine Blockierung der Schienen zu verhindern, die KPD/ML (Roter Morgen) an der Spitze derjenigen zu finden war, die t„glich die Straßenbahnen behindert haben ... Bei all den Maßnahmen dieser Herrschaften war ein hauptsächliches Ziel der Vertreter der herrschenden Klasse, die Kommunisten von den Massen zu trennen, um den Massen auf diese hinterhältige Weise die revolutionäre Führung und damit die Aussicht auf Erfolg ihres Kampfes zu rauben. So hob NRW-Polizeiminister Weyer (FDP) eigens das Demonstrationsrecht auf, um so der Blockade einen illegalen Anstrich zu geben und den Menschen Angst davor einzujagen, gegen die Gesetze der herrschenden Klasse zu verstoßen.
So setzte der Sozialfaschist Sondermann, unterstützt von allen drei Fraktionen des Stadtrates, Bereitschaftspolizei aus dem Münsterland (Polizeischule Bork, die regelmäßig die Zerschlagung von Demonstrationen und Streiks probt und jetzt auch in München mit mehreren Scharfschützen dabei war) gegen die Demonstranten und besonders gegen die Kommunisten unter ihnen ein, ließ ihre Transparente und rote Fahnen rauben, um so ihre Massenwirkung zu untergraben ... Die Bereitschaftspolizei schlug denn auch wie wild auf Demonstranten und Passanten ein und nahm im Verlauf der 5 Wochen über 500 Menschen allein in Dortmund fest.
Die SDAJler und DKP-Mitglieder Kluthe und Xxxxx erwiesen sich als willfährige Knechte des SPD-Stadtrates, denn sie versuchten, die Massen vom Widerstand gegen die Polizei abzuhalten ... All diese Maßnahmen des offenen Kampfes hatten jedoch zur Folge, dass sich im Verlauf der Wochen immer mehr Menschen mit den Demonstranten und auch mit den Marxisten-Leninisten solidarisierten und die Kampffront auf den Schienen von Tag zu Tag stärker wurde. Nur mit Drohungen und Lügen seitens einiger Betriebsratsbonzen gelang es, die Arbeiter von Hoesch und Minister Stein davon abzuhalten, die Arbeit geschlossen niederzulegen und sich massenhaft an den Aktionen zu beteiligen. Dabei taten sich besonders der damalige IG-Metall-Ortsbevollmächtigte Troche sowie der Betriebsratsvorsitzende der Westfalenhütte Pfeiffer hervor, die von kriminellen Aktionen, Provokateuren und dergleichen mehr redeten. Insbesondere Pfeiffer erklärte sich damals mit den Fahrpreiserhöhungen voll einverstanden ... Auch Tebbe, Betriebsratsvorsitzender von Phoenix, stellte sich auf einer Belegschaftsversammlung von Phoenix und Union auf den Standpunkt, es sei illegal, sich an den Roten-Punkt-Aktionen zu beteiligen. ähnlich war es bei Minister Stein, ja auch bei den Stadtwerken selbst war die Streikstimmung groß ... Trotz dieser Abwürgungsmaßnahmen haben viele Kollegen von Hoesch, Minister Stein, Hansa und einigen Kleinbetrieben sich an der Blockade beteiligt. Etwa hundert Kollegen haben beispielsweise eines Morgens auf eigene Faust an der Dorstfelder Brücke für mehr als 3 Stunden sämtliche Bahnen gestoppt. Als der Unmut in den Betrieben kaum noch zu bändigen war, durften einige hundert Vertrauensleute der Westfalenhütte ersatzweise auf den Schienen demonstrieren und zum Stadthaus ziehen. Sie dachten nicht daran, die übrigen Kollegen zum Mitgehen aufzufordern ... Die Polizei, die sonst immer drauflosgeknüppelt hatte, benahm sich dann, wenn viele Arbeiter auf den Schienen standen, äußerst zurückhaltend und sogar höflich, aus lauter Angst, die Stahlwerker oder Bergleute könnten streiken. Auch die Zeitungen waren bemüht, zwischen den sonstigen Demonstrationen und denen, wo die Arbeiter auf den Schienen standen, einen Unterschied zu machen, indem sie den Arbeitern besondere Disziplin bescheinigten.
Das half ihnen aber nicht daran vorbei, dass an einem Samstag rund 300 Hoescharbeiter auch vor die Gebäude der Ruhr-Nachrichten und Westfälische Rundschau zogen und riefen: 'Lügner, Hetzer!' ... In der bürgerlichen Zeitung konnte man ständige Hetztiraden gegen die KPD/ML lesen, die plötzlich für die Herren 'Volksvertreter' zum Hauptfeind geworden waren.
Die Ruhr-Nachrichten versuchten, Kommunisten und Anarchisten in einen Topf zu werfen, die Westfälische Rundschau behauptete, Hoescharbeiter hätten den Marxisten-Leninisten die roten Fahnen und Transparente entrissen, während es in Wirklichkeit Sondermanns Polizei war ... Troche, Pfeiffer und Co. fühlten sich offenbar terrorisiert. Werski strengte ein Beleidigungsverfahren gegen die ROTE WESTFALENWALZE, Betriebszeitung der KPD/ML bei der Westfalenhütte, an, weil er als Arbeiterverräter bezeichnet worden war.“ (Vgl.: Dillmann, Klaus: Roter Punkt Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Dortmund, Dortmund, 16.7.1974, KPD/ML-ZB und KJVD Dortmund: Freiheit für den Roten Punkt, Dortmund, 25.9.1972.)
Zur KPD/ML-ZK wurde erklärt: „Die KPD/ML (Roter Morgen) hat es nicht verstanden, eine kluge Bündnispolitik auch mit den Kräften zu machen, die nicht voll ihren Standpunkt teilten. So gelang es ihr nicht, beispielsweise die von der DKP aufgegebenen Autobahnhöfe zu übernehmen und die Megaphone vor dem Zugriff der Polizei zu schützen ... Während im Schnellverfahren die meisten Festgenommenen der Roten-Punkt-Aktion bald abgeurteilt waren (Geldstrafen bis zu 600 DM) und auch die SDAJ-Führer Xxxxx und Kluthe in einem gegen sie gemeinsam durchgeführten Verfahren nicht wie Kommunisten auftraten und folglich auch nicht so behandelt wurden, ließ der Prozess gegen den 'Rädelsführer der KPD/ML', Klaus Dillmann, auf sich warten.
Offenbar hat das Gericht Schwierigkeiten mit der Beweisführung, denn es weiß ja, das Kommunisten sich nicht so einfach einschüchtern lassen und ihre Taten nicht wirklich nach bürgerlichen Rechtsnormen messbar sind. So konnte man der Anklageschrift entnehmen, der Angeklagte habe die Beweisführung erschwert, weil er sich, 'wie bei Rädelsführern üblich', meist rechtzeitig durch die Flucht dem Polizeizugriff entzogen habe. Zugleich aber soll er (bei seiner ersten Festnahme) festgenommen worden sein, weil er nach Aufforderung, die Schienen zu verlassen, als einziger auf den Schienen stehen geblieben sei und zwei Polizisten mutwillig attackiert habe ... Die KPD/ML stellte jedoch in ihrem Zentralorgan ROTE FAHNE sowie in ihren Betriebszeitungen RUTSCHE (Minister Stein), ROTE WESTFALENWALZE (Westfalenhütte) und ROTES SCHWUNGRAD (Phoenix) den Zusammenhang her zwischen diesem Prozess und den am 22. Juni verabschiedeten Notstandsgesetzen, insbesondere das Vorbeugehaftgesetz. Der angeklagte Genosse sollte vor der Westfalenhütte und auf dem Borsigplatz darüber zu den Kollegen sprechen. Da wurde der Prozess erneut vertagt, mit der Begründung, die Hauptbelastungszeugen seien in Urlaub ... Neuer Termin: 13. 9.1972. Zu diesem Termin aber konnte er ebenfalls nicht stattfinden, weil die Zeugen nach München abkommandiert worden waren, zum 'Schutz des olympischen Friedens' - obwohl die Spiele da schon zwei Tage zuende waren.
Dieser Friedensschutz bestand, wie schon beschrieben, im Knüppeln auf Antikriegsdemonstranten, von denen 11 noch in U-Haft sind, darunter außer Mitgliedern der KPD/ML ein Mitglied des Bundesvorstandes der Naturfreundejugend (NFJ, d. Vf.) sowie ein Jugendvertreter bei MAN-Gustavsburg ... So stellen beide Verfahren, das zum Roten Punkt sowie die demnächst stattfindenden Prozesse wegen 'Landesfriedensbruch und versuchten Totschlags' gegen die Münchener Eingekerkerten eine Einheit dar, beide dienen der Anwendung des KPD-Verbots auf die KPD/ML und andere marxistisch-leninistische Organisationen.
Beim Roten-Punkt-Prozess dürfen wir nicht vergessen, die Forderung nach Freilassung und Straffreiheit der Eingekerkerten zu propagieren.“ (Vgl.: Dillmann, Klaus: Roter Punkt Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Dortmund, Dortmund, 16.7.1974, KPD/ML-ZB und KJVD Dortmund: Freiheit für den Roten Punkt, Dortmund, 25.9.1972.)
Bedenkt man, dass diese Dokumente zum Ende des Monats September formuliert worden waren, so wurde deutlich, dass die Zielrichtung darin bestand, den Prozess gegen Klaus DILLMANN nicht nur mit den bereits erwähnten Maßnahmen der „Kriegsvorbereitungen des Bonner Staates“ in Verbindung zu bringen, sondern ihn auch vor allem mit der Münchener Antikriegstagsdemonstrationen vom 2. September 1972 der KPD/ML-ZB/ZK und anderer marxistisch-leninistischer Organisationen, die sich damals an diesen Aktionen beteiligt hatten, zu verknüpfen. Das wurde deutlich an der Aussage: „So stellen beide Verfahren, das zum Roten Punkt sowie die demnächst stattfindenden Prozesse wegen 'Landesfriedensbruch und versuchten Totschlags' gegen die Münchener Eingekerkerten eine Einheit dar, beide dienen der Anwendung des KPD-Verbots auf die KPD/ML und andere marxistisch-leninistische Organisationen.“
Dem Prozess gegen Klaus DILLMANN kam in diesem Zusammenhang dann auch eine besondere Bedeutung zu. Er sollte nämlich auch dazu benutzt werden, die Mär vom Verbot der marxistisch-leninistischen Organisationen, insbesondere der KPD/ML-ZB, die sich bereits zu diesem Zeitpunkt auf dem absteigenden Ast befand, zu schüren; denn die putschistischen und sinnlosen Aktionen in München („Straße frei für die Kommunistische Partei“) sollten nicht verpuffen und noch einmal für Zündstoff sorgen. Das auseinanderbrechende Zentralbüro bzw. die Reste dieser Organisation, versuchten den erklärten Zusammenhalt mit der Broschüre „Freiheit für den Roten Punkt. Zum Prozess gegen Klaus Dillmann“ noch einmal zu toppen.
Generelle Forderung für den Roten Punkt Prozess war: „Freispruch für Klaus Dillmann“. Gleichzeitig wurde erklärt, dass dieser Forderung nur im Zusammenhang „mit dem Kampf gegen die Verbotsvorbereitungen gegen KPD/ML und andere marxistisch-leninistische Organisationen“ Erfolg haben könne. Sie musste verbunden sein „mit dem Kampf gegen das KPD-Verbot“. Das wiederum setzte eine „Aktionseinheit“ voraus, die sich auf zwei Ebenen zu bilden hätte: 1. Zum Roten Punkt Prozess und 2. übergreifend zum Kampf gegen das KPD Verbot. Die „Aktionseinheit“ selbst sollte über eine Bündnisplattform geschaffen werden, die wiederum ein sog. Bündnisangebot an verschiedene Gruppierungen enthielt. Es galt in der Regel: Freiheit der Parolen, gemeinsamer kleinster politischer Nenner (z. B. wir sind gegen diesen Prozess!), Freiheit in der Agitation.
Am 29.9. unterbreiteten die Ortsverbände Dortmund der KPD/ML und des KJVD anlässlich des Roter-Punkt-Prozesses gegen Klaus DILLMANN „einer Reihe von Organisationen, die an den Roten-Punkt-Aktionen 1971 beteiligt waren“, ein Bündnisangebot, und riefen dazu auf, sich „heute zu einem Gespräch darüber zusammenzufinden“. (Vgl.: Dillmann, Klaus: Roter Punkt Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Dortmund, Dortmund, 16.7.1974, KPD/ML-ZB und KJVD Dortmund: Freiheit für den Roten Punkt, Dortmund, 25.9.1972.)
Am 3.10.1972 wurde die Bündnisplattform für den Roten-Punkt-Prozess in einer Sonderausgabe der „Rutsche“ vorgestellt und vor allen Hoesch und Zechenbetrieben in Dortmund zur Verteilung gebracht. Dort hieß es:
„FREIHEIT FÜR DEN ROTEN PUNKT - KAMPF DEM BÜRGERLICHEN KLASSENGERICHT!
ZUM ROTE-PUNKT-PROZESS IN DORTMUND AM 11.10. UM 11 UHR GEGEN DEN GENOSSEN KLAUS DILLMANN.
BÜNDNISPLATTFORM
Am 11. Okt. um 11 Uhr findet im Amtsgericht Dortmund der Prozess gegen den Genossen Klaus Dillmann (KPD/ML) statt. Der Genosse ist als Haupträdelsführer angeklagt, die Aktionen gegen die Fahrpreiserhöhungen der Dortmunder Stadtwerke maßgeblich angeleitet zu haben und damit angeblich strafbare Handlungen begangen zu haben.
Die unterzeichnenden Organisationen und Einzelpersonen stellen dazu fest: Der Genosse Klaus Dillmann hat in mutigem Einsatz für die berechtigten Interessen der Dortmunder Arbeiter und Werktätigen gekämpft. Tausende Arbeiter und Werktätige waren sich einig: Die Fahrpreiserhöhungen waren und sind ein Anschlag auf die Lebensinteressen der werktätigen Bevölkerung. Das staatlich verordnete Lohndiktat der SPD-Regierung, die ständig steigenden Ausgaben für die Kriegsvorbereitungen des Bonner Staates, Steuererhöhungen, der Abbau des Realeinkommens, Inflation und Preissteigerungen auf breitester Ebene - das war es, wogegen sich der berechtigte Protest der Dortmunder Bürger wandte. Der Bonner Staat, allen voran die rechten SPD-Führer, fürchteten und fürchten bis auf den heutigen Tag diese Proteste und Kämpfe der Massen. Zur Absicherung der ständig anwachsenden Militarisierung aller Lebensbereiche, zur Durchführung der revanchistischen Kriegsvorbereitungen bedient sich die Kapitalistenklasse ständig sich verschärfender Maßnahmen gegen die Arbeiter und Werktätigen und alle fortschrittlichen Kräfte. Im Sommer wurden die verschärften Notstandsgesetze (NSG - vgl. 22.6.1972, d. Vf.) und das faschistische Ausländergesetz verabschiedet.
Ein ständig anwachsendes reaktionäres Klima der Hetze gegen alle fortschrittlichen und revolutionären Kräfte ist die schauerliche Begleitmusik der bürgerlichen Parteien bei der Durchführung dieser Maßnahmen. Demonstrations- und Streikverbote wie in München am Antikriegstag (RAKT) stehen auf der Tagesordnung - Polizeiüberfälle auf Parteibüros, Ausweisung revolutionärer und demokratischer Ausländischer Kollegen und Genossen häufen sich, die Zusammenarbeit mit den faschistischen Geheimdiensten ihrer Länder wird immer offener und unverfrorener.
Verbotsdrohungen gegen kommunistische und fortschrittliche Organisationen nehmen zu. Kommunistische Widerstandskämpfer wie Fiete Schulze dürfen bereits offen als Mörder beschimpft werden, Nazigerichte werden als 'ordentlich' anerkannt.
Das ist die Situation, in der Genosse Klaus Dillmann vor Gericht gezerrt wird! Durchgesetzt werden soll hier, dass der Polizeiterror gegen die Dortmunder Bevölkerung und das Demonstrationsverbot des NRW-Polizeiminister Weyer (FDP, d. Vf.) als rechtens anerkannt wird, der Widerstand dagegen soll zum Verbrechen erklärt werden. Wir aber sagen es den herrschenden Kräften ins Gesicht: Vor Gericht gehört nicht der Genosse Klaus Dillmann, eben sowenig wie andere Rote-Punkt-Demonstranten, eben sowenig wie auch z. B. die in München am Antikriegstag verhafteten Kollegen und Genossen! Vor ein Gericht des Volkes gehört die westdeutsche Klassenjustiz, die die Unterdrückung des demokratischen Rechtes auf Demonstrations- und Streikfreiheit mitverantwortet. Vor Gericht gehören Polizeiminister Weyer und Polizeiherr Sondermann (SPD, d. Vf.). Vor Gericht gehören 'Volksvertreter' wie Samtlebe (SPD, d. Vf.) und Ladage, die den Knüppeleinsatz in Dortmund befürwortet haben. Abgeurteilt werden muss der reaktionäre, volksfeindliche Bonner Staat, der die arbeitenden Menschen schröpft, um seine Kriegskassen zu füllen! Frieden, Demokratie und soziale Sicherheit - das versprachen die reaktionären SPD-Führer bei ihrem Machtantritt! Rationalisierungsmaßnahmen in den Betrieben, Inflation, Lohnabbau, verstärkte Kriegsvorbereitungen, Erhöhung des Rüstungshaushalts, Knebelung des Volkes und Verbot fortschrittlicher und kommunistischer Organisationen, Polizeiterror, Faschisierung - das ist die Bilanz von 3 Jahren SPD-Regierung.
Widerstand und Kampf - das muss die Antwort der werktätigen Bevölkerung sein!
Im Falle dieses Roten-Punkt-Prozesses heißt das: Verhandeln kann man mit den herrschenden Kräften nur von einer Position der Stärke aus, nicht hinter verschlossenen Türen, sondern unter den Augen der Werktätigen, die jeden Verrat zurückweisen werden. Die werktätige Bevölkerung hat auf den Schienen gekämpft. Nun muss dieser Kampf im Gerichtssaal fortgesetzt werden. Es darf nicht, wie in bisherigen Roten-Punkt-Prozessen, zurückgewichen werden. Wir müssen schon heute daran denken, dass demnächst erneut Rote-Punkt-Aktionen notwendig werden können. Pläne zur erneuten Fahrpreiserhöhung werden im Dortmunder Stadtrat schon diskutiert.
Die unterzeichnenden Organisationen und Einzelpersonen verpflichten sich, im Geistes dieser Plattform, alles zu unternehmen, um der Klassenjustiz den Freispruch für Klaus Dillmann abzutrotzen. Sie werden im gemeinsamen Vorgehen in Flugblättern und auf mündlichem Weg die Dortmunder Bevölkerung über den Versuch, den Genossen abzuurteilen und ins Gefängnis zu werfen, aufklären.
Sie werden ihre Solidarität durch Spenden unter Beweis stellen. Sie werden am Tage des Prozesses der Klassenjustiz in gemeinsamer, solidarischer Aktion zeigen, auf welcher Seite die Dortmunder Bevölkerung steht. Sie werden auch dort fordern, dass die in München inhaftierten Kollegen und Genossen freigelassen werden, und versichern sie ihrer vollen Solidarität.
FREISPRUCH FÜR KLAUS DILLMANN!
NIEDER MIT DER REAKTIONÄREN KLASSENJUSTIZ!
SCHLUSS MIT DEN ROTER-PUNKT-PROZESSEN!
ENTSCHÄDIGUNG DER VERURTEILTEN!
KAMPF DER AUSHÖHLUNG UND BESEITIGUNG DER DEMOKRATISCHEN RECHTE!
FÜR VOLLE STREIK- UND DEMONSTRATIONSFREIHEIT!
FÜR FREIE POLITISCHE BETÄTIGUNG IN BETRIEB UND SCHULE!
WEG MIT DEM KPD-VERBOT!
Diese Plattform wird als Bündnisangebot an folgende Organisationen gerichtet, deren Mitglieder wir auffordern, sie zu diskutieren. Alle sollten dafür sorgen, dass das demokratische Recht auf freie Straße verteidigt wird und damit verräterischern Führern ein Schlag versetzt wird.
Kollegen der Dortmunder Betriebe und andere Werktätige, KPD/ML (Roter Morgen), (KPD/ML- ZK, d. Vf.), KPD, KJV, Liga gegen den Imperialismus, KSV, Marxisten-Leninisten (ML, d. Vf.) Dortmund, Lehrlingsgruppe Hörde, AStA Bochum (RUB, d. Vf.) und von PH und Uni Dortmund, SMV Berufsschulen, Betriebsgruppen der DKP, SDAJ, Spartakus (MSB, d. Vf.), ESG, CAJ, Jusos (der SPD, d. Vf.), Jungdemokraten (Judos der FDP, d. Vf.), V-Leute-Körper, VVN, VK, IdK, GEW, Gewerkschaftsjugend (DGB-Jugend, d. Vf.).“ (Vgl.: KPD/ML-ZB: Freiheit für den Roten Punkt - Kampf dem bürgerlichen Klassengericht, Dortmund, o. J. [1972], Rutsche: Prämienpunktsystem? Nein!, Dortmund, o. J. [Okt. 1972].)
Die Bündnisplattform war ein Aufruf gegen den Bonner Staat und gegen die politischen Maßnahmen der SPD, die sich, wie das ZB es gerne ausdrückte, in „sozialfaschistischer Verwaltung der Arbeiterklasse“ übte. Sie sei zu ersehen in dem „staatlich verordnete Lohndiktat“, den „ständig steigenden Ausgaben für die Kriegsvorbereitungen des Bonner Staates“, den „Steuererhöhungen“ dem „Abbau des Realeinkommens, Inflation und Preissteigerungen auf breitester Ebene“. Diesem ständig anwachsenden Klima „der reaktionären Hetze gegen alle fortschrittlichen und revolutionären Kräfte“ muss begegnet werden, indem „der Verrat zurückgewiesen“ und „gekämpft“ wird. „Widerstand und Kampf - das muss die Antwort der werktätigen Bevölkerung sein“.
Drei Jahre SPD-Regierung sei ein Debakel für „Frieden, Demokratie und soziale Sicherheit“. Ihre Bilanz: „Rationalisierungsmaßnahmen in den Betrieben, Inflation, Lohnabbau, verstärkte Kriegsvorbereitungen, Erhöhung des Rüstungshaushalts, Knebelung des Volkes und Verbot fortschrittlicher und kommunistischer Organisationen, Polizeiterror, Faschisierung“. Das war wieder das ganze Bündel der politischen Anwürfe. Man bekam bei dieser Plattform eher den Eindruck, dass sie noch einmal als theoretische Leitlinie funktionieren sollte; denn der Rote Punkt Prozess und das Verfahren gegen DILLMANN trat an die zweite Stelle.
Das alles war sicherlich auch nur vor dem Hintergrund der Ausländerdemonstration zu verstehen, die am 8.10.1972 in Dortmund mit weit über 10.000 Menschen stattfand, die gegen die Ausländergesetze demonstrierten und wo das Zentralbüro eigentlich die letzte Chance wahrnehmen musste, sich zu profilieren.
Die Plattform wurde auch den neugegründeten Dortmunder Ortsgruppen der KPD, KJV, Liga gegen den Imperialismus, KSV und den Marxisten-Leninisten Dortmund, einer Abspaltung der KPD/ML-ZK auf dem außerordentlichen Parteitag im Dezember 1971 zugestellt. Zusätzlich wurde noch zu einer Bündnisveranstaltung am 4.10.1972 aufgerufen. Dass Vertreter der DKP, laut Betriebsgruppe Minister Stein der KPD/ML die Annahme des Aktionseinheitsaufrufs ablehnten, fiel nicht mehr ins Gewicht; denn das war landläufig von der DKP bekannt. Etwa zur gleichen Zeit standen XXXXX und KLUTHE, die der DKP bzw. der SDAJ angehörten, ebenfalls vor Gericht und die sich ebenfalls wegen „Rädelsführerschaft“ zu rechtfertigen hatten.
Dass sich die Dortmunder Politische Polizei immer noch nicht damit zufrieden gab, Handlangerdienste während der Aktionen für den Staat geleistet zu haben und womöglich auch weiter aktive Spitzeldienste leistete, ging aus einem Bericht eines Beteiligten hervor, der am 3.10.1972 zu Protokoll gab:
„Am Dienstag Mittag verteilte ich vor Minister zwei Flugblätter: zur Demonstration (bei dem Flugblatt handelt es sich vermutlich um das bundesweite Flugblatt der Aktionseinheit zum 8.10.1972, d. Vf.) in Dortmund, auf der über 10 000 gegen die Ausländergesetze protestierten und zum ROTER-PUNKT-Prozess gegen Klaus Dillmann. Es dauerte nicht lange, als ein Polizist auf einem Moped angefahren kam und ein Flugblatt verlangte. Während bei früheren Angriffen der Polizei angeblich immer das Verkaufen der ROTEN FAHNE verboten war, sollte diesmal das Flugblatt-Verteilen verboten sein, behauptete der Polizist. Das war jedoch eine glatte Lüge, denn ich weiß, dass diese Drohungen nur den Vorwand bieten sollen, die Personalien für die 'Verbrecherkartei' des K14 (Politische Polizei) festzustellen - meine hat er natürlich gleich aufgeschrieben. Und siehe da: gleich war ein Ziviler von K14 zur Stelle, der 'rein zufällig' mit seinem Wagen in der Nähe war. Der versuchte es auf die Anbiederungstour mit 'Guten Tag' und 'Wer wird denn gleich von Verbot reden'.
Das zog aber bei mir nicht, und ich verlangte sofort das schriftliche Verbot für Verteilen zu sehen. Der Zivile stellte befriedigt fest, dass er meine Personalien ja hätte und zog ab. Inzwischen hatte ich die Kumpel durch laute Rufe auf den Vorfall aufmerksam gemacht und sie aufgefordert, mir zu helfen, denn Verteiler-Verbot ist ein Angriff auf alle Kollegen und auf das Recht, seine Meinung frei zu „äußern und sich politisch zu betätigen. Das aber passte dem Uniformierten gar nicht. 'Das richtet sich nicht gegen diese Leute hier, sondern der KPD/ML soll's ans Leder!' schrie er und scheute auch nicht vor der Lüge zurück, er habe nichts von Verbot gesagt, sondern er wolle sich bei seinem Vorgesetzten erkundigen, ob Verteilen erlaubt sei. Schnell verzog er sich, denn mehrere Kumpels waren gekommen, die das Vorgehen der Polizei und ihrer Hintermänner verurteilten, weil die demokratischen Rechte des Volkes hier mit Füßen getreten werden sollen. Sie waren auch bereit, die Beschlagnahme zu verhindern, wenn es dazu kommen sollte. Doch erst als ihr Bus kam und die Kumpels abgefahren waren, wagte sich der Polizist wieder her. Er brüllte herum, ich solle mit 'Polemisieren' und 'Reklame gegen die Polizei' aufhören, sonst wäre Feierabend. Und er spielte sich als Unschuldsengel auf. Ich ließ mir das nicht gefallen, klärte die neu hinzugekommenen Kumpel über diesen Angriff auf. Dem gemeinsamen Protest aber fühlte er sich nicht gewachsen. Mit der Bemerkung, dass meine Personalien an K14 gehen, brauste er wutschnaubend davon.“ (Vgl.: Rutsche: Prämienpunktsystem? Nein!, Dortmund, o .J. [Okt. 1972].)
Der Bericht stand für sich.
Zusammen mit den Marxisten-Leninisten Dortmund erschien vermutlich am 5. 10. das von KPD/ML-ZB und KJVD herausgegebene Flugblatt „Freiheit für den Roten Punkt-Kampf der bürgerlichen Klassenjustiz“, das auch als „Gemeinsame Erklärung“ formuliert war. U. a. fordert sie, der „der Klassenjustiz den Freispruch für Klaus Dillmann abzutrotzen“ und „in gemeinsamen solidarischen Aktionen zu zeigen, auf welcher Seite die Dortmunder Bevölkerung steht“. Die unterzeichnenden Organisationen würden sich verpflichten auch dafür zu kämpfen, „dass die in München inhaftierten Kollegen und Genossen freigelassen werden, und versichern ihnen ihre volle Solidarität“.
Weiter formulierten damals die Verfasser: „Freispruch für Klaus Dillmann! Nieder mit der reaktionären Klassenjustiz! Schluss mit den Roten-Punkt-Prozessen! Entschädigung der Verurteilten! Kampf der Aushöhlung und Beseitigung der demokratischen Rechte! Für volle Streik- und Demonstrationsfreiheit! Für freie politische Betätigung in Betrieb, Armee und Schule! Weg mit dem KPD-Verbot! Weg mit dem Verbot von GUPS und GUPA (Generalunion palästinensischer Studenten bzw. Arbeiter, d. Vf.)! Freiheit für die politischen Gefangenen!“
KPD und KJV unterstützen die Erklärung, sahen sich aber wegen einer Kampagne gegen den BRD-Imperialismus außerstande, praktische Verbindlichkeiten zuzusichern. Die KPD/ML (Roter Morgen) (KPD/ML-ZK, d. Vf.) war zu sämtlichen Gesprächen eingeladen, erschien jedoch zu keinem Termin. Begründung: die Einladung sei zu kurzfristig erfolgt und habe nicht den offiziellen Weg genommen. In ihrer Hoeschzeitung „Stählerne Faust“ rechnet sie die Rote-Punkt-Blockade sich selbst als Verdienst zu.“ (Vgl.: KPD/ML-ZB, KJVD, ML Dortmund: Freiheit für den Roten Punkt - Kampf dem bürgerlichen Klassengericht - Gemeinsame Erklärung, Dortmund, o. J. [Okt. 1972].)
Die Marxisten-Leninisten Dortmund, eine Gruppierung um das ehemalige KPD/ML-Mitglied Reinhart WAGNER, die sich nach dem außerordentlichen Parteitag der KPD/M-ZK konstituiert hatten, arbeiteten als eigenständige Organisation in Dortmund. Als Organ gaben sie auch „Die Rote Front“ und das theoretische Organ „Klassenkampf und Programm“ heraus. Die Gruppierung, die im Februar 1973 mit dem Neuen Roten Forum sympathisierte, nannte sich spätestens im August 1973 zur Kommunistischen Fraktion im Ruhrgebiet für den Wiederaufbau der KPD um.
Im November 1973 trat sie dem KBW bei und gab als Zelle Hoesch die Zeitung „Roter Hoesch Arbeiter“ heraus Sie entschloss sich vermutlich auch aus den Gründen der Loyalität gegenüber Klaus DILLMANN dazu, sich an dieser „Gemeinsamen Erklärung“ zu beteiligen. Die KPD/ML-ZK war ihnen aus ihren eigenen Erfahrungen heraus wohl suspekt geworden. Und so könnte man mutmaßen, das auch aus diesen Gründen eine kurzfristige Liaison mit KPD/ML-ZB und KJVD möglich war.
Wiederum gab es eine Reihe von Forderungen, die sich mehr oder weniger mit dem Roten Punkt deckten. Allerdings ging die Forderung „Weg mit dem Verbot von GUPS und GUPA“ (Generalunion palästinensischer Studenten bzw. Arbeiter, d. Vf.) weit über die Rote Punkt Politik hinaus.
Ob die „Stählerne Faust“ (ehemals „Rote Westfalenwalze“) die vor allem zu Beginn des Jahres 1978 mit der Agitation für die Revolutionäre Gewerkschaftsopposition und der intensiven Propaganda für die beiden RGO-Kandidaten Norbert BÖMER und Hartmut SIEMON begann, „die Rote-Punkt-Blockade sich selbst als Verdienst zuschrieb“, kann im nachhinein nicht mehr beurteilt werden. Es war aber klar, dass die Streitigkeiten zwischen der KPD/ML-ZK und Klaus DILLMANN teilweise schon groteske Formen angenommen hatten. So wurde der „Parteifeind“ des öfteren unsanft aus Versammlungen gedrängt, was nun gerade auch nicht die feine englische Art war.
Am 9.10. wurde bekannt, dass die KPD/ML-ZB in Dortmund planten, bei Minister Stein und Hoesch die Broschüre zum Roter Punkt Prozess gegen Klaus DILLMANN zu verkaufen. (Vgl.: KPD/ML-ZB, KJVD, ML Dortmund: Freiheit für den Roten Punkt - Kampf dem bürgerlichen Klassengericht. Gemeinsame Erklärung, Dortmund, o. J. [Okt. 1972].)
Laut „Anklageschrift“ gegen Klaus DILLMANN, der sich am 11.10. vor dem Amtsgericht Dortmund zu verantworten hatte, fand an diesem Tag seine Einlassung statt. Von diesem Prozesstag berichteten die KPD/ML-ZB und der KJVD Dortmund:
„POLIZISTEN LEISTEN MEINEID - GERICHTSVERHANDLUNG GEPLATZT.
Der Prozess gegen den 'Rädelsführer der KPD/ML' (laut Anklageschrift) Klaus Dillmann wegen seiner Teilnahme an den Boykottmaßnahmen der Dortmunder Bevölkerung gegen die Fahrpreiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr vom März/April 1971 sollte der krönende Abschluss einer langen Reihe von Prozessen gegen Rote-Punkt-Demonstranten werden. Ziel der bürgerlichen Klassenjustiz ist es, die Aktionen Tausender von Arbeitern, Schülern, Hausfrauen und Studenten für illegal zu erklären, das damalige Demonstrationsverbot des NRW- Polizeiministers Weyer (FDP, d. Vf.) und den Polizeiterror, zu dem der Dortmunder Stadtrat und sein Oberbürgermeister Sondermann (SPD) gegriffen hatten, zu rechtfertigen, kurz: das Volk sollte für kriminell erklärt werden, indem die, die an seiner Spitze kämpfen, verurteilt werden. Das wurde den Herrschaften zunächst einmal versalzen.
Nach mehrmaligen Verschiebungen fand die Hauptverhandlung wegen 'Nötigung, Aufforderung zu strafbaren Handlungen, Widerstand gegen die Staatsgewalt und vorsätzlicher Körperverletzung' am 11.Oktober vor dem Schöffengericht Dortmund in erster Instanz statt. Im Juni war der Prozess kurzfristig abgesetzt worden, weil angeblich die Hauptbelastungszeugen, zwei Bereitschaftspolizisten, in Urlaub waren. Einer davon befand sich jedoch, wie ein Telefonanruf ergab, am Abend des vorgesehenen Verhandlungstermins in seiner Dortmunder Wohnung. Offensichtlich waren Anklagevertretung und Gericht durch eine Versammlung, zu der die KPD/ML eingeladen hatte, in Schrecken versetzt worden: ein dort anwesender Polizeispitzel hatte mitbekommen, wie der beschuldigte Genosse die Widersprüche in der Anklageschrift aufdeckte und nachwies, dass sie auf Lügen aufgebaut ist. Ein weiterer Termin, 13. September, kam nicht zustande, weil sämtliche Belastungszeugen zu diesem Zeitpunkt nach München abkommandiert waren, zum 'Schutz des olympischen Friedens'.
ROTER PUNKT - GERECHTER WIDERSTAND DES VOLKES!
Die Rote-Punkt-Aktionen gegen die unverschämten Fahrpreiserhöhungen wurden von der Mehrheit der Dortmunder Bevölkerung gebilligt. Tausende standen damals auf den Schienen. Auch heute noch stehen die Massen voll dahinter, zumal sich gezeigt hat, dass auf bloßem Verhandlungswege nichts zu holen ist.
Insofern hat das Volk sein Urteil längst gesprochen. Das bürgerliche Gericht, das sich hier anmaßt, ein Urteil zu finden, steht damit von vornherein im Widerspruch zum Volk, in dessen Namen es sich erdreistet zu richten. Der angeklagte Genosse hat den Prozess, als er zur Sache sprach, so charakterisiert: Ankläger ist er, Richter ist das Volk, repräsentiert durch die große Zahl der Zuschauer, darunter viele Arbeiter (der überwiegende Teil der Besucher wurde vom Vorsitzenden des Gerichts wegen angeblich mangelnder Sitzgelegenheiten vom Prozess ferngehalten), angeklagt ist hier das Gericht, das versucht, die volksfeindlichen Maßnahmen des Polizeiministers und SPD-Stadtrats zu decken, ein Gericht, das nicht den Willen des Volkes vertritt, sondern eine Agentur des westdeutschen Großkapitals und seiner politischen Handlanger ist: denn die Fahrpreiserhöhungen müssen im Zusammenhang gesehen werden mit den zahlreichen anderen Preiserhöhungen, Steuererhöhungen und anderen Maßnahmen der Lohnraubpolitik des Bonner Staates, der das Volk ausplündert, um seine Kriegskassen zu füllen. Gerade die sozialdemokratischen Führer, Funktionäre und Abgeordneten haben sich als willige Vollstrecker der Politik des Großkapitals überall breit eingenistet und genießen als Schmarotzerbürokratie ein Faulenzerdasein auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung: so ist es z. B. nicht verwunderlich, dass das Bonner Schieberparlament nur 10 Minuten benötigte, - ohne Gegenstimme versteht sich -, den Abgeordneten die Diäten auf mindestens 6 000 DM pro Monat zu erhöhen (Brandt, Wehner, von Hassel usw. erhalten sogar das Dreifache). Für diesen Judaslohn sind die SPD-Führer natürlich bestrebt, in trauter Eintracht mit den anderen Parteien der Hochfinanz den aufbegehrenden Massen ein demokratisches Recht nach dem anderen zu rauben. So bereiten sie mit Notstandsgesetzen (NSG, d. Vf.) Schießerleichterungen für die Polizei, Ausländerabschiebungsgesetzen, Verbotsvorbereitungen gegen fortschrittliche und kommunistische Organisationen den Faschismus vor. Die Gerichte sollen diese Politik juristisch absichern.
Dagegen trat der Genosse Klaus Dillmann entschlossen auf: 'Die Kapitalistenklasse nimmt das Recht in Anspruch, willkürlich die Preise zu erhöhen. Wenn wir uns dagegen wehren, ist das Nötigung. Sie nimmt das Recht für sich in Anspruch, gegen die Gegenwehr des Volkes Polizei einzusetzen. Wenn wir dieser nicht weichen, ist das Widerstand gegen die Staatsgewalt. Wenn wir andere auffordern, mit uns solidarisch zu sein, ist das Aufforderung zu strafbaren Handlungen. Wenn wir uns nicht einfach festnehmen lassen wollen, sondern uns dagegen wehren, ist das Körperverletzung. Körperverletzung ist es aber nicht, wenn so ein Polizist uns eins mit dem Gummiknüppel über den Schädel haut. Wir sehen: es ist kapitalistische Klassenjustiz, die hier geübt werden soll.
Diese Anklage des Genossen gegen den kapitalistischen Klassenstaat und seine Justiz wurde vom Beifall der Zuschauer unterstützt. Der Richter drohte mehrfach, den Saal räumen zu lassen, beschimpfte die Anwesenden (einige PH- Studenten waren gemeint, als er ausrief: 'Armes Deutschland!') und versuchte, den Genossen daran zu hindern, seine Anklage offen vorzutragen, indem er ihn unterbrach mit der Bemerkung, er solle aufhören, da er selbst (der Richter) immun dagegen sei. In einer Verhandlungspause versuchten die Saalschützer vom Dienst, einen Zuschauer, der den übrigen den bisherigen Verhandlungsverlauf erklärte, gewaltsam zu entfernen, angeblich weil er den Angeklagten und dessen Rechtsanwalt störe, sie scheiterten aber am entschlossenen Widerstand der übrigen Zuschauer. Der Richter draußen zu seinem Gehilfen, der bedauerte, keine rechtliche Handhabe für den Rauswurf des Volkes zu haben: 'Warten Sie nur, die kriegen wir noch raus!' Er weigerte sich, feststellen zu lassen, wer die widerrechtliche Maßnahme gegen die Zuschauer angeordnet hatte, sondern behauptete, das Rechtsgefühl der Saalschützer sei offenbar verletzt worden.
POLIZEIZEUGEN VERWICKELN SICH IN WIDERSPRÜCHE:
Da der beschuldigte Genosse sich dagegen verwahrte, einen Polizisten vorsätzlich verletzt zu haben, kam es zu einer Zeugenkonfrontation zwischen den beiden Polizeizeugen und zwei Demonstranten, die den Vorgang der Festnahme des Genossen beobachtet hatten. Erstere behaupteten: der Angeklagte sei nach Aufforderung, die Schienen zu verlassen, allein auf den Schienen geblieben, und habe dann, als sie ihn abdrängen wollten, um sich geschlagen. Auf den Schienen hätten etwa 10 bis 15 Personen gestanden, die der Aufforderung nachgekommen seien, während der Angeklagte trotz persönlicher Aufforderung stehen geblieben sei und sich der Festnahme gewaltsam widersetzt habe. Dabei verwickelten sie sich, trotz eifriger Mimik des Richtergehilfen, in Widersprüche. So behauptete einer, von gezieltem um sich schlagen könne keine Rede sein, verletzt worden sei er auch nicht, vielmehr habe der Angeklagte nur sich losreißen wollen. Der andere dagegen, der etwa 3 Wochen nach der Festnahme auf Empfehlung der politischen Polizei Anzeige wegen Körperverletzung erstattet hatte, redete von gezielten Schlägen und Fußtritten, die bei ihm Prellungen verursacht hätten. Da er kein ärztliches Attest vorweisen konnte, musste er einräumen, dass diese Prellungen nur einige blaue Flecken gewesen seien. Obwohl der Richter versuchte, ihm aus den Akten Hilfestellung zu geben, behauptete er, die Anzeige sofort erstattet zu haben. Die Demonstranten dagegen sagten aus, dass keinerlei Aufforderung an die Demonstranten ergangen ist, dass vielmehr der Genosse gezielt herausgegriffen wurde, ohne sich gegen den Angriff noch wehren zu können. Außerdem bestritten sie entschieden, dass nur eine Zahl von 15 Personen auf den Schienen gestanden habe, es seien mindestens 150 bis 200 gewesen (der Polizeibericht über diesen Vorgang schreibt sogar von 500 Personen und dass die Schienen erst Stunden später geräumt werden konnten). Angesichts der offensichtlichen Widersprüche versuchte der Richter, den Staatsanwalt davon zu überzeugen, dass man sich auf vorsätzliche Körperverletzung schlecht einigen könne, dieser aber bestand darauf. Alle vier Zeugen wurden vereidigt, die Polizisten leisteten eindeutig einen Meineid. Als der Rechtsanwalt des Genossen Dillmann weitere Zeugen benannte, sah sich die Verteidigung der Polizei, nämlich der Anwalt des Bonner Staates, erster Staatsanwalt Koch, gezwungen, ebenfalls weitere Polizeizeugen zu benennen, die jedoch nicht anwesend waren. Diese sollten bestätigen, dass auch der Polizist, der selbst zugegeben hatte, gar nicht geschlagen worden zu sein, vom Angeklagten geschlagen worden sei. Die klar auf der Hand liegenden Lügen der Polizisten forderten die Ankündigung eines Meineidsverfahrens heraus, was durch eine entsprechende Gegendrohung des Staatsanwalts beantwortet wurde, der sich das Recht herausnahm, die Zeugen des Genossen nach deren Parteizugehörigkeit zu fragen, aber zu feige war, seine eigene zuzugeben. So hoffnungslos in die Enge getrieben, vertagte der Gerichtsvorsitzende den Prozess.
Dass zahlreiche Arbeiter, Werktätige und Lernende sich mit dem Angeklagten im Gerichtssaal solidarisiert haben, zeigt: nicht die Marxisten-Leninisten, seien sie zahlenmäßig auch noch schwach, sind eine kleine Clique, wie es immer wieder die bürgerliche Presse behauptet, sondern das ist vielmehr die Bourgeoisie, die das Volk gegen sich hat. Aus Angst, dass sich die Kommunisten weiter im Volk verankern und sich so wissenschaftlicher Sozialismus und Bewegung der Arbeiter und Werktätigen verbinden, wofür die Roten-Punkt- Aktionen ein Beispiel sind, versucht die Klassenjustiz, die Kommunisten zu verbieten. ZDF-Hetzer Löwenthal (CDU) forderte vor kurzem. da KPD/ML und andere marxistisch-leninistische Organisationen die eigentlichen Hintermänner des Überfalls auf das israelische Olympialager seien - eine nicht einmal sonderlich geschickte Lüge der Bourgeoisie -, seien sie noch gefährlicher als die Anarchisten, da eine organisierte Partei im Untergrund. Genscher (FDP, d.Vf.), von Löwenthal dazu befragt, teilte offen dessen 'Sorgen' und ließ Taten prompt folgen: so wurde jetzt nach etlichen anderen Prozessen und Polizeiaktionen gegen Parteibüros der KPD/ML Anklage erhoben gegen zwei leitende Funktionäre der KPD/ML, den Herausgeber der Roten Fahne, Michael Schulte, und den presserechtlich für die Betriebspresse verantwortlichen Genossen Norbert Oßwald wegen 'Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung' und 'Rädelsführerschaft'. So soll das Adenauersche KPD-Verbot auf die Marxisten-Leninisten angewandt werden.
Im Roten-Punkt-Prozess gegen den Genossen Dillmann wird es nach wie vor darum gehen, diesen Bestrebungen eine deutliche Abfuhr zu erteilen. Es wird nach wie vor darum gehen, dass vor Gericht nicht die Demonstranten und die, die sie angeleitet haben, gehören, sondern der Stadtrat, der für die unverschämten Erhöhungen verantwortlich ist und sie mit dem Knüppel durchgesetzt hat, und der Polizeiminister Weyer, der einfach das Demonstrationsrecht außer Kraft setzte. Es wird weiter darum gehen, das Gericht als das zu entlarven, was es ist: eine Agentur der Flick, Krupp und Thyssen und ihres Staates.“ (Vgl.: KPD/ML-ZB, KJVD: Freiheit für den Roten Punkt - Polizisten leisten Meineid - Gerichtsverhandlung geplatzt, Dortmund, o. J. [Okt. 1972], Die Rote Front, Nr. 1, Dortmund, Oktober 1972, Das Rote Schwungrad: Der Kampf um höhere Löhne in der Tarifrunde, Dortmund, o. J. [Oktober 1972], KPD/ML-ZB und KJVD Dortmund: Freiheit für den Roten Punkt, Dortmund, 25.9.1972, Der Kampf der Arbeiterjugend, Nr. 10, Bochum, November 1972, Rutsche: Prämienpunktsystem? Nein!, Dortmund, o. J. [Okt. 1972].)
Klaus DILLMANN meinte zu seiner Verteidigungsrede zur KPD/ML-ZK: „Sie war es also, die am konsequentesten die Interessen der Bevölkerung wahrnahm. Sie hatte sich 'insbesondere auch an den Blockierungen beteiligt ... Sie reden von Rädelsführertum, weil sie sich davor fürchten, dass die Massen nicht mehr nur einen unorganisierten, sondern einen organisierten Widerstand leisten könnten. Unter einer klaren Führung 'Rädelsführer der KPD/ML', d.h. die KPD/ML wird als kriminelle Vereinigung betrachtet, weil sie den Interessen des Volkes, nicht aber den Interessen seiner Ausbeuter dient ... Rädelsführerschaft ist genau der Vorwurf, den die Bourgeoisie erhebt, wenn es den Kommunisten gelingt, in den Aktionen der Massen die Führung zu übernehmen.“ (Vgl.: Amtsgericht Dortmund: Strafbefehl gegen Klaus Dillmann, Dortmund, 11.10.1972, Dillmann, Klaus: Persönliche Notizen zum Roten-Punkt-Prozess gegen Klaus Dillmann, Dortmund, 11.10.1972, Dillmann, Klaus: Kritik an der Partei im Zusammenhang mit den Prozessen gegen mich sowie der Vernehmungen in Arnsberg, o. O. (Dortmund), 16.10.1973, Dillmann, Klaus: Roter Punkt Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Dortmund, Dortmund, 16.7.1974, N.N. (Klaus Dillmann): Dortmunder Schöffengericht: Roter-Punkt-Prozess gegen K. Dillmann, o. O., o. J.,[1973].)
Das Amtsgericht Dortmund berichtete: „Im Zuge längerer Ausführungen vor dem Gericht erklärten Sie vor mit etwa 35 - 40 Zuhörern voll besetzten Zuhörerbänken wörtlich: 'Das Gericht ist eine Agentur des Räuberstaates Bundesrepublik'. Ferner sprachen Sie mehrfach in Bezug auf Die Bundesrepublik Deutschland von 'Kriegsvorbereitungen dieses Staates'. Diese Äußerungen erfolgten nicht zu ihrer Rechtsverteidigung, sondern nur, um Ihrer Feindschaft gegen die Bundesrepublik Deutschland und ihre verfassungsmäßige Ordnung Ausdruck zu geben.“ (Vgl.: Amtsgericht Dortmund: Strafbefehl gegen Klaus Dillmann, Dortmund, 11.10.1972, Dillmann, Klaus: Persönliche Notizen zum Roter-Punkt-Prozess gegen Klaus Dillmann, Dortmund, 11.10.1972.)
Der Bericht der KPD/ML-ZB und des KJVD spiegelte die ideologischen Traditionen wider, in denen sie sich befanden. Hier wurde nach alter KPD Manier der Aufhänger (kapitalistischer Staat) für eine erfolgreiche Propaganda gesucht. Wieweit das ging, war den Sätzen zu entnehmen: „Aus Angst, dass sich die Kommunisten weiter im Volk verankern und sich so wissenschaftlicher Sozialismus und Bewegung der Arbeiter und Werktätigen verbinden, wofür die Rote-Punkt-Aktionen ein Beispiel sind, versucht die Klassenjustiz, die Kommunisten zu verbieten.“ Was der „wissenschaftliche Sozialismus“ eigentlich war, konnten KPD/ML-ZB und KJVD niemals erklären und auch die „Bewegung der Arbeiter und Werktätigen“, die sich mit ihm in den „Roten Punkt Aktionen verbinden“ würden, gehörte in Dortmund zu jenem Mythos, der nicht nur hier verbreitet wurde, sondern der die eigentliche Basis der Geschichte der marxistisch-leninistischen Bewegung war.
Klaus DILLMANN wurde für seine Rede vor Gericht nach Paragraph 90a Abs. 1 Nr. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 600 DM, ersatzweise zu je 30 DM ein Tag Freiheitsstrafe verurteilt.
In den „Ruhrnachrichten“ vom 12. 10. erschien ein Artikel zum Roten Punkt Prozess. Dort wurde angemerkt:
„ROTER PUNKT: POLIT-SHOW IM GERICHT
Vor der Strafjustiz erster Instanz sollte gestern der Schlusspunkt unter die Rote-Punkt-Schienenblockade als Protest gegen die Fahrpreiserhöhungen im Frühjahr 1971 gesetzt werden. Das Vorhaben misslang. Nach zweistündiger Verhandlung, die zeitweise in ein wildes Spektakel ausartete und die vom Angeklagten wie von seinen 50 Sympathisanten im Zuhörerraum offensichtlich zu einem Tribunal umfunktioniert werden sollte, stellten Verteidiger und Staatsanwalt Beweisanträge auf Vernehmung weiterer, bisher nicht geladener Zeugen. Das Gericht gab den Anträgen statt und vertagte das Verfahren gegen den 33jährigen Pädagogikstudenten Klaus D. Noch vor dem Gerichtsgebäude stimmten sich die politischen Extremisten aus dem Zuhörerraum - KPD/ML- Kolonnen - auf die Neuauflage des Verfahrens ein. 'Das müssen wir besser vorbereiten', peitschte ihnen der Wortführer ein. Was darunter zu verstehen ist, kann man sich nach der gestrigen Polit-Show ohne viel Phantasie ausmalen. der Angeklagte, bei den seinerzeitigen Demonstrationen nach eigenen Angaben immer in vorderster Linie 'für das Wohl der werktätigen Massen kämpfend', behauptete, er sei Vertreter des Volkes, nicht der vorsitzende Richter. Das Gericht stempelte er zu einer Agentur des 'Räuberstaates Bundesrepublik'. den Verfassungsgrundsatz, nach dem alle Gewalt vom Volk ausgehe, bezeichnete er als 'glatte Lüge'. Bei jedem seiner Ausfälle klatschte ihm der Zuhörerraum Beifall. Als der Vorsitzende androhte, im Wiederholungsfall den Saal räumen zu lassen, belehrte ihn der Lehramtskandidat D.: 'Das können Sie gar nicht, Sie sind hier der Angeklagte!' Der Vorsitzende, sichtlich bemüht, sich nicht provozieren zu lassen, und die Verhandlung in einer Atmosphäre der Sachlichkeit zu führen, überzog das vertretbare Maß an Langmut.
Noch in keinem in Dortmund geführten Prozess mit politischem Hintergrund ist es einem Angeklagten gelungen, in derart massiver Weise, wie es D. tat, Propagandareden mit härtesten Ausfällen gegen Staat, Gericht, Polizei und kommunale Vertreter zu halten.“ (Vgl.: Ruhr-Nachrichten, Dortmund, 12.10.1972.)
Klaus DILLMANN bemerkte später dazu in einem Rückblick am 24.1.1973: „So weit dieser Bericht, der insgesamt gesehen doch recht positiv für mich ist. Allerdings bedarf er einiger Erklärungen. Da, wo es sich um den Standpunkt der KPD/ML handelt, wird so berichtet, als hätte ich das alles nur für meine Privatperson beansprucht, z. B. Vertreter des Volkes zu sein. Ich nahm es für mich als Kommunist in Anspruch. Da, wo man von den natürlichen Reaktionen der anwesenden Zuhörerschaft auf meine richtigen Ausführungen und auf die Unverschämtheiten des Herrn Thomas, Gerichtsvorsitzender, hätte berichten müssen, ernennt man die Anwesenden zu KPD/ML-Kolonnen, wobei man mit dem Antikommunismus der CDU-Leser dieses famosen Blattes rechnen kann.
Obgleich der Vorsitzende sich deutlich als Parteigänger des Staatsanwalts erwiesen hat und auf jede noch so verrückte Finte desselben bereitwillig einging, wird ihm Sachlichkeit und zu große Langmut bescheinigt, er wird aufgefordert, noch klarer die Partei des Bonner Staates zu ergreifen, um künftig härteste Ausfälle gegen diesen zu unterbinden und so einen Schlusspunkt unter die Protestaktionen im Sinne der Kapitalistenklasse zu setzen. Es stand nicht einmal drin, weswegen ich überhaupt angeklagt bin, so uninteressant ist das offenbar für die Leser dieses Blattes. Auch die Sache mit den Zeugen wird von den Ruhr-Nachrichten so dargestellt, als sei der Amtsgerichtsrat Thomas um Objektivität bemüht gewesen.
Kein Wort davon, dass die Anklage sich auf Bereitschaftspolizisten stützt, die zeitweise als zivile Greifer sich unter die Menge gemischt hatten, aus Angst, rechtzeitig entlarvt zu werden.
Kein Wort von den offensichtlichen Lügen dieser Herrschaften, obwohl es doch so leicht gewesen wäre, mal nachzuschauen, was man selbst damals dazu geschrieben hat!“ (Vgl.: Freiheit für alle politischen Gefangenen!" Dortmunder Schöffengericht: Roter-Punkt-Prozess gegen K. Dillmann, o. O., o. J. [1973], Dillmann, Klaus: Kritik an der Partei im Zusammenhang mit den Prozessen gegen mich sowie der Vernehmungen in Arnsberg, o. O. [Dortmund], 16.10.1973, Dillmann, Klaus: Roter Punkt Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Dortmund, Dortmund, 16.7.1974, N.N. (Klaus Dillmann): Dortmunder Schöffengericht: Roter-Punkt-Prozess gegen K. Dillmann, o. O., o. J. [1973].)
Laut einem Papier von Klaus DILLMANN beteiligt sich die OG Dortmund der KPD/ML-ZK bezüglich nicht an einer Agitation und Propaganda zu diesem Prozess. Ebenfalls soll sich die Verhandlungstaktik der Genossen bei den Solidaritätskomitees, die zur Gründung anstehen, bisher nicht geändert haben. Über den weiteren Verlauf äußerte er sich an anderer Stelle: „Die Gespräche liefen in der Regel über zwei Personen ab: mich als Vertreter der ZB-Organisation, X. als Vertreter der KPD/ML. Wir einigten uns auch darauf, dass solch ein Komitee natürlich nicht nur meinen Fall aufgreifen dürfe, und so hieß es denn bald ‚Komitee für alle politischen Verfolgten'. Es wurde dann im Verlauf des Jahres 1973 in die 'Rote Hilfe Dortmund' (RH, d .Vf.) umgetauft.“ (Vgl.: Dillmann, Klaus: Kritik an der Partei im Zusammenhang mit den Prozessen gegen mich sowie der Vernehmungen in Arnsberg, o. O. [Dortmund], 16.10.1973.)
Wie schon gemutmaßt, wurde es hier Fakt. Nach DILLMANN hatte sich Ortsgruppe der KPD/ML-ZK strikt geweigert, ihren Ex-Genossen zu unterstützen. Der ideologische Bruch ging eben soweit, ihm jede Solidarität zu entziehen. Insofern war es ein eklatanter Vertrauensbruch, zumal DILMMANN im Dortmunder Roten Punkt die Fahnen der AUST-Partei vertrat und damaliges Mitglied war.
Die Marxisten-Leninisten (ML) Dortmund berichteten:
„FREIHEIT FÜR DEN ROTEN PUNKT
Die meisten Kollegen werden die Rote-Punkt-Aktion gegen die unverschämten Fahrpreiserhöhungen im Frühjahr 1971 noch in Erinnerung haben.
Mutig hatten sich damals Demokraten, Kommunisten und fast die gesamte Arbeiterjugend auf die Schienen gestellt, um gegen den unerhörten Beschluss des Stadtrates zu protestieren. Nun soll einem Genossen, der mit uns damals auf den Schienen gestanden hat, der Prozess gemacht werden. Am Mittwoch, dem 11.10. wurde der Prozess eröffnet. Man hat dort den Genossen Klaus Dillmann als 'Haupträdelsführer' angeklagt, der die 'Aktion gegen die Fahrpreiserhöhungen maßgeblich angeleitet hat und damit angeblich strafbare Handlungen begangen haben soll'. In einer gemeinsamen Erklärung stellen die Marxisten-Leninisten Dortmunds mit der KPD/ML (Rote Fahne) und dem KJVD fest: 'Der Genosse Klaus Dillmann hat im mutigen Einsatz für die berechtigten Interessen der Dortmunder Arbeiter und Werktätigen gegen die unverschämten Fahrpreiserhöhungen gekämpft. Tausende Dortmunder -Arbeiter, Schüler, Studenten, Werktätige - waren sich einig: Die Fahrpreiserhöhungen der Stadt waren und sind ein Anschlag auf die Lebensinteressen der Dortmunder Bevölkerung. ... Vor Gericht gehört nicht der Genosse Klaus Dillmann. Vor ein Gericht des Volkes gehört die westdeutsche Klassenjustiz, die die Unterdrückung des demokratischen Rechts auf Demonstrations- und Streikfreiheit mit verantwortet.
Vor Gericht gehören Polizeiminister Weyer (FDP-NRW, d. Vf.) und Polizeiherr Sondermann (SPD, d. Vf.). Vor Gericht gehören 'Volksvertreter' wie Samtlebe (SPD-Bürgermeister, d. Vf.) und Lagade die den Knüppeleinsatz in Dortmund mit befürwortet haben. Abgeurteilt werden muss der reaktionäre volksfeindliche Bonner Staat, der die arbeitenden Massen schröpft, um die Profite der Monopole zu sichern. Der Prozess am Mittwoch wurde unterbrochen. Kämpfen wir gemeinsam für den Freispruch von Klaus Dillmann! Schluss mit dem Roten-Punkt Prozessen! Entschädigung der Verurteilten! Für freie politische Betätigung in Betrieb, Armee und Schule!“ (Vgl.: Die Rote Front, o. O., o. J. [Dortmund, 1972].)
Der Bericht der Marxisten-Leninisten Dortmund war ein seltenes Dokument in jenen Dortmunder Tagen, da er sich uneingeschränkt auf die Seite des Angeklagten stellte und sich gegen die Brutalität während der Roten Punkt Aktionen stellte.
In der ersten Ausgabe (Nr. 1) der Zeitung vom 12.10.1972 „Die Rote Front - Organ der Marxisten-Leninisten (ML) Dortmund“ erschien auch ein Artikel zum Roten Punkt Prozess.
Zum 16.10.1972 gab die noch existierende Betriebsgruppe Minister Stein der KPD/ML-ZB ihre „Rutsche“ heraus. Dazu sei angemerkt, dass die Betriebsgruppen der KPD/ML, die einst „wie Pilze aus dem Boden schossen“ (Peter WEINFURTH) dem Niedergang geweiht waren. Das war zum einen der einsetzenden Illegalitätsphase der KPD/ML-ZB zuzuschreiben, zum anderen der Tatsache, dass im ideologischen Kampf mit der KPD/ML-ZK es für viele Mitglieder keine andere Alternative gab, als zur AUST-Partei zu wechseln.
Bestehende Betriebsgruppen gingen in den Bestand der KPD/ML-ZK über oder benannten sich um. So wurde z. B. aus der „Roten Westfalenwalze“, die „Stählerne Faust“ für die Dortmunder Hoesch Betriebe. Die „Rutsche“ gehörte mit dem „Roten Schwungrad“ (Hoesch Phoenix) in Dortmund zu denjenigen ZB-Betriebszeitungen, die etwa noch bis zum Jahresende 1972 herausgegeben wurde. Dieser Ausgabe war noch ein Flugblatt zum Roten Punkt Prozess gegen Klaus DILLMANN angeheftet. Dort hieß es:
„OFFENER BRIEF AN DIE DKP-BETRIEBSGRUPPE!
Genossen!
Vor zwei Wochen richtete der Ortsverband Dortmund der KPD/ML einen Aufruf zur Aktionseinheit an die Betriebsgruppe Minister Stein/ Hardenberg der DKP sowie an weitere Betriebsgruppen Eurer Partei, an SDAJ und Spartakus (MSB, d. Vf.) und an marxistisch-leninistische, fortschrittliche und demokratische Organisationen in Dortmund. Die KPD/ML rief Euch auf, Eure Solidarität mit dem Genossen Klaus Dillmann unter Beweis zu stellen, der als 'Rädelsführer' der Roter-Punkt-Aktionen vor Gericht gezerrt worden ist. Dieser Aufruf sollte Euch in Eurem Büro am Borsigplatz zugeleitet werden.
Kommentar von Rudi Skott: 'Nehmt den Kram doch gleich wieder mit!' - Genossen, wir von der KPD/ML meinen: So wie sich führende Kreise Eurer Partei gegenüber der Frage der Einheit im Kampf gegen die Klassenjustiz verhalten, so verhalten sich keine Kommunisten!
Der SDAJ-Führer Xxxxx (ebenfalls DKP-Mitglied) erklärte: 'Für Klaus Dillmann können wir nichts tun!' Dies sagt derselbe Xxxxx, der während der Roten-Punkt-Aktionen gemeinsam mit dem gegenwärtigen DKP-Bundestagskandidaten Kluthe das Herunterreißen und Verbrennen von roten Fahnen, die die KPD/ML mitführte, billigte und unterstützte. Damals platzte selbst dem DDR-Fernsehen der Kragen, das dazu kommentierte: 'Antikommunistische Elemente versuchten, den Kommunisten die roten Fahnen zu entreißen.' Herr Xxxxx dagegen 'argumentierte': 'Ihr lockt mit euren roten Fahnen nur die Polizei her!' - Allerdings, Herr Xxxxx, auch wenn es ihnen unangenehm ist: Wir Kommunisten wissen, dass die rote Fahne das Symbol der unversöhnlichen Feindschaft zum Bonner Staat der Monopolkapitalisten und Kriegstreiber ist!
Genossen! Die Betriebsgruppe Minister Stein/Hardenberg der KPD/ML fordert Euch auf, zu diesen, eines jeden Kommunisten unwürdigen Haltungen Stellung zu nehmen! Ferner meinen wir, dass in diesem Zusammenhang ein klärendes Wort auch zu anderen Fragen notwendig ist.“
Am Antikriegstag (2.9.1972, d. Vf.), dem Kampftag gegen den imperialistischen Krieg, führten die KPD/ML und ihr Jugendverband gemeinsam mit anderen Organisationen - auch eine ganze Reihe von SDAJ-, Naturfreunde- (NFJ, d. Vf.) und IdK/DFG-Mitgliedern marschierten mit - in München eine große Kampfdemonstration durch. Entgegen dem Demonstrations- und Streikverbot, das gemeinsam von der SPD-Regierung in Bonn, der CSU-Regierung in Bayern und der Münchener SPD-Stadtspitze erlassen worden war, erkämpften sich die demonstrierenden Antimilitaristen das Recht auf freie Straße, machten sie deutlich, dass sie den weiteren Abbau der demokratischen Rechte des Volkes nicht hinnehmen wollen! Die UZ, Euer Zentralorgan, hatte für diesen gerechten Kampf in ihrem Extrablatt nur antikommunistische Hetze übrig. Sie schrieb, 'maoistische Krawallmacher' hätten den 'olympischen Frieden' gestört und forderte verstärkte Sicherheitsmaßnahmen. Ist das die Sprache von Kommunisten? Ist es die Sache von Kommunisten, die imperialistische Reaktion, ihren Todfeind, aufzufordern, die 'Sicherheits'organe zu verstärken? Genossen, wir fordern alle ehrlichen Kommunisten in Euren Reihen auf, zu diesen konterrevolutionären Positionen der UZ Stellung zu nehmen! Es kommt weiter darauf an, die Verantwortlichen in Eurer Betriebsgruppe zur Rechenschaft zu ziehen, die diese Stimmungsmache billigen und aktiv vorantreiben! Denn wie kommt es sonst, dass seitens einiger Eurer Leute bei Minister und Hardenberg damit hausiert wird, die KPD/ML werde von Strauß (FJS - CSU, d. Vf.) ausgehalten? Dies ist eine billige und unverschämte Lüge, die ebenfalls eines Kommunisten unwürdig ist! Doch vielleicht wollen wir uns nachher anschauen, wer dem Faschisten Strauß wirklich in die Hände arbeitet:
Bekanntlich ist es die sozialfaschistische SPD-Führung gewesen, die gemeinsam mit dem Adenauer-Regime das Verbot der KPD forderte. Angesichts der von der KPD organisierten Volksabstimmung gegen die Wiederaufrüstung, bei der sich 9 Millionen Arbeiter und Werktätige für Frieden und Entmachtung der Rüstungsmagnaten aussprachen, erklärte der 'Antifaschist' und schwedische Achtgroschenjunge Wehner im Bonner Bundestag: 'Dies ist illegal - dies muss verboten werden.' Bekanntlich billigten die sozialfaschistischen SPD-Führer die Stationierung von Atomwaffen auf deutschem Boden – zusammen mit Adenauer und Strauß. Bekanntlich peitschten Brandt und Wehner - zusammen mit Kiesinger und Strauß - die Faschistischen Notstandsgesetze (NSG, d. Vf.) im Bundestag durch. Bekanntlich verabschiedeten Brandt und Wehner zusammen mit Barzel und Strauß die verschärfenden neuen Notstandsgesetze diesen Sommer im Bundestag. Es ist ebenfalls bekannt, dass die Bonner SPD-Regierung unter dem Beifall von Strauß das Ausländergesetz, ein durch und durch faschistisches Gesetz anwendet: GUPS und GUPA wurden verboten (vgl. 3.10.1972, d. Vf.)! Das alles und noch viel mehr ist bekannt. Das alles hindert Kurt Bachmann aber nicht daran, in Mannheim zu verkünden: 'In dieser Situation erklärt die DKP ihre Bereitschaft ALLE Meinungsunterschiede im Interesse des gemeinsamen Kampfes gegen Barzel und Strauß zurück zustellen.' Und zu wem sollen alle Meinungsverschiedenheiten zurückgestellt werden? Zu derselben SPD der Wiederaufrüster, Notstandspolitiker und Verbotseinpeitscher! Der SPD, die mit Barzel und mit dem Faschisten Strauß in einer Front marschiert! Mit dieser SPD, einschließlich ihrer Kumpane Barzel und Strauß, möchte Herr Bachmann liebend gern unter einer Decke stecken! Genossen, könnt Ihr das als Kommunisten gutheißen? - Hören wir dazu Ernst Thälmann, den unbeugsamen Kämpfer gegen Faschismus und Sozialfaschismus: 'Unser Kampf um die Eroberung der Mehrheit des Proletariats ..., diese strategische Hauptaufgabe kann nur gelöst werden, wenn wir es verstehen, der Sozialdemokratie die Maske vom Gesicht zu reißen, wenn wir es verstehen, die sozialdemokratischen Betrugsmanöver zu zerschlagen, wenn wir es verstehen, den wirklichen Charakter der bürgerlichen, kapitalistischen, FASCHISTISCHEN Politik der SPD vor den Massen klar zu enthüllen.' (Thälmann, Der revolutionäre Ausweg und die KPD, S. 39).
Wer steckt also wirklich mit Strauß unter einer Decke? Wer den Weg der sozialfaschistischen SPD-Führer gehen will, oder wer dagegen kämpft? Herr Bachmann oder die KPD/ML - wer spielt dem Faschisten Strauß wirklich in die Hände?
Wer wird von Strauß ausgehalten? Derjenige, der gegen das KPD-Verbot kämpft? Oder derjenige, der nicht im entferntesten mehr daran denkt? - Tatsache ist, dass die KPD/ML am diesjährigen Jahrestag des KPD-Verbotes die einzige Partei war, die zu Demonstrationen gegen dieses faschistische Verbot aufgerufen hat. Tatsache ist, dass die rechten DKP-Führer keinen Finger dafür gekrümmt haben! Und eine Tatsache ist weiter, dass die KPD/ML verboten werden soll - mit der Billigung der rechten DKP-Führer! So unterstützte das DKP-Mitglied Lukrawka zusammen mit anderen DKP-Mitgliedern den Antrag zum Verbot neonazistischer UND 'MAOISTISCHER' Organisationen auf dem IG-Metall-Tag, der mehrheitlich angenommen wurde! Genossen, kein ehrlicher Kommunist kann solch eine konterrevolutionäre Politik unterstützen!
Genossen! Auch auf betrieblicher Ebene kann kein aufrechter Kommunist dem Treiben rechter Kräfte in der DKP mehr tatenlos zuschauen. Wo ist die Unterstützung der von der KPD/ML geforderten 2. Liste (zur Betriebsratswahl, BRW - vgl. 18.4.1972, d. Vf.), einer wirklichen Liste des Klassenkampfes geblieben - und wer hat diese Unterstützung bei Euch unterbunden? Wer hat die Urabstimmung nicht unterstützt - und wer hat Euch davon abgehalten? Aus wessen Munde kommt ein klägliches JEIN zu dem neuen spalterischen und arbeiterfeindlichen Punktesystem - wer würgt bei Euch, wie unlängst auf Eurer Veranstaltung die Diskussion darüber ab? Genossen, das sind Fragen, die beantwortet werden wollen! Wir fordern Euch hiermit zu einer öffentlichen Stellungnahme dazu auf!
Genossen! In der DKP gärt es! Viele Genossen fragen sich, ob das die Partei Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts, die Partei Ernst Thälmanns ist. Unsere Haltung ist klar: Die rechten DKP-Führer haben den Marxismus-Leninismus längst verraten. Diese Einsicht setzt sich gerade jetzt angesichts des schamlosen Verhaltens von Xxxxx und anderen im Falle Klaus Dillmann bei so manchem aufrichtigen Genossen durch. Noch im Gerichtssaal warf ein DKP-Genosse sein Parteibuch hin. Weitere Genossen verurteilten klar diesen verräterischen Kurs.
Die KPD/ML und der KJVD - das sind die marxistisch-leninistischen Organisationen der westdeutschen Arbeiterklasse und ihrer Jugend, die den Kämpfen der Arbeiterklasse Ziel und Richtung geben, die konsequent und unbeirrbar den Kampf um die Tagesforderungen führen und sie mit dem Ziel, dem sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat verbindet. - Die KPD/ML und der KJVD sind nicht wie die DKP- und SDAJ-Führer den SPD- und Gewerkschaftsführern und damit dem imperialistischen Staat verpflichtet, sondern ausschließlich den Interessen der Arbeiterklasse und ihrer Jugend!
Verlasst die DKP!
Stärkt die KPD/ML!
ROTFRONT!
BG Minister Stein/Hardenberg der KPD/ML.“
(Vgl.: Rutsche; Prämienpunktsystem? Nein!, Dortmund, o. J. [Okt. 1972].)
Zum beigehefteten Flugblatt und einem Verteilerbericht über einen Polizeieinsatz vor Minister Stein hieß es:
„SCHON WIEDER POLIZEI VOR MINISTER!
Kollegen! Wer den folgenden Bericht über den ROTER-PUNKT-Prozess gegen den Genossen Klaus Dillmann liest, der sieht, wie die Kapitalistenklasse und ihre Staats- und Justizmacht darangehen, jede Opposition im Land zu zerschlagen und die Marxisten-Leninisten, auch die KPD/ML, als 'kriminelle Vereinigung' zu verbieten.
Innenminister Genscher kündigte vor vier Wochen den Ausbau des Verfassungsschutzes an, der 'die nötigen Informationen besorgen' soll. Schon längst sind diese Worte Wirklichkeit geworden.
Kollegen! Verbot und Verfolgung der KPD/ML treffen nicht nur uns Kommunisten. Sie treffen Euch alle, Arbeiter und Werktätige, Kumpels! Die Staatsbüttel wollen 'Rädelsführer', um den Widerstand und Kampf in den Betrieben und auf der Straße zu brechen. Aber wir werden uns nicht verkriechen. Im Gegenteil - wir werden tun, was diese Herren am meisten fürchten: neue Mitkämpfer gewinnen für den Kampf zur Erhaltung der demokratischen Rechte, gegen Ausplünderung und Kriegsvorbereitungen, FÜR SOZIALISMUS UND FRIEDEN!
KUMPELS, ÜBT PRAKTISCHE SOLIDARITÄT! KOMMT AM NÄCHSTEN FREITAG, D. 20.10. um 19 Uhr zur VERANSTALTUNG DER KPD/ML
Ort: HAUS GOEBBELN, Schützenstraße.“
(Vgl.: KPD/ML-ZB und KJVD Dortmund: Freiheit für den Roten Punkt, Dortmund, 25.9.1972, Die Rote Westfalenwalze/Das Rote Schwungrad: Aufruf: Demonstration gegen das KPD-Verbot, Dortmund, o. J. [August 1972].)
Die DKP/SDAJ in Dortmund hatte sicher ein besonderes Verhältnis zur KPD/ML. Natürlich ging es auch um die Frage, wer die wahren Kommunisten sind. Doch auch darum, dass die KPD/ML versuchte, ihr das Terrain streitig zu machen. Vor allem im Betriebsrat und Vertrauensleutekörper der Hoesch Betriebe war die DKP relativ stark und hatte einen nicht zu unterschätzenden Einfluss (vgl. auch Septemberstreiks 1969). Die KPD/ML in Dortmund, die zunächst aus Zugereisten bestand, stand schon in der öffentlichen Kritik, bevor sie mit der „Roten Westfalenwalze“, oder der „Rutsche“ die DKP Presse „Heisse Eisen“ herausforderte. Auch durch ihre Terminologie „sozialfaschistische Verräter“ oder „verräterischen und revisionistischen Kurs“ (siehe Flugblatt), trug sie nicht dazu bei, dass sich das Verhältnis zu ihr verbesserte. Klaus DILLMANN konnte deshalb nicht auf ihre Unterstützung rechnen.
Zum 20. 10. 1972 riefen in Dortmund KPD/ML-ZB und KJVD zu einer Veranstaltung „Solidarität mit Klaus Dillmann“ um 19 Uhr im Haus Goebbeln in der Schützenstraße auf. In diesem Aufruf hieß es: „Wir fordern alle fortschrittlichen und demokratischen Menschen in Dortmund auf, sich mit Klaus Dillmann zu solidarisieren und für seinen Freispruch zu kämpfen. Meldet euch als Zeugen, spendet auf das Konto Stadtsparkasse Dortmund ... Schreibt eure Meinung an Klaus Dillmann, 463 Bochum, Blankensteiner Str. 28, kommt zur Veranstaltung am Freitag, 20. Oktober um 19 Uhr.
FREISPRUCH FÜR KLAUS DILLMANN!
SCHLUSS MIT DEN ROTER-PUNKT-PROZESSEN!
AUFHEBUNG ALLER URTEILE GEGEN ROTER-PUNKT-DEMONSTRANTEN UND ENTSCHÄDIGUNG DER VERURTEILTEN!
HÄNDE WEG VOM DEMONSTRATIONS- UND STREIKRECHT!
WEG MIT DER ANWENDUNG DER NOTSTANDSGESETZE IM BETRIEB UND AUF DER STRASSE!
DEM VOLK DAS RECHT AUF FREIE STRASSE!
FREIE POLITISCHE BETÄTIGUNG!
WEG MIT DEM KPD-VERBOT!
FREIHEIT FÜR DIE MARXISTEN-LENINISTEN!
STELLT DER KLASSENJUSTIZ DER MONOPOLE DAS URTEIL DES VOLKES ENTGEGEN.“
(Vgl.: KPD/ML-ZB, KJVD: Freiheit für den Roten Punkt - Polizisten leisten Meineid - Gerichtsverhandlung geplatzt, Dortmund, o. J. [Oktober 1972], Das Rote Schwungrad: Der Kampf um höhere Löhne in der Tarifrunde, Dortmund, o. J. [Oktober 1972], Rutsche: Prämienpunktsystem? Nein!, Dortmund, o. J. [Oktober 1972].)
Diesem Aufruf entsprach in etwa auch ein Flugblatt eines „Regionalen Koordinationsausschusses NRW zum Kampf gegen die reaktionären Ausländergesetze und die politische Unterdrückung“, das vermutlich am 25.10.1972 erschien und sich an diese Forderungen anlehnte. Dieses Flugblatt war einer Ausgabe des „Roten Schwungrads“ (für Hoesch Phoenix) angeheftet. Dort hieß es zum Roten Punkt Prozess:
„In unserem Flugblatt 'Freiheit für den Roten Punkt' haben wir am 20. Oktober auf die geplatzte Gerichtsverhandlung hingewiesen. Um die Weiterführung des Prozesses zu ermöglichen, müssen wir den Genossen Klaus Dillmann vor allen Dingen auch finanziell unterstützen. Spendet auf das Spendenkonto ...
FREIHEIT FÜR DEN ROTEN PUNKT
FREIHEIT FÜR KLAUS DILLMANN“.
Enthalten ist auch ein Bestellschein für ein Abonnement der „Roten Fahne“ der KPD/ML-ZB. (Vgl.: Das Rote Schwungrad: Der Kampf um höhere Löhne in der Tarifrunde, Dortmund, o. J. [Oktober 1972].)
Die „finanzielle Hilfe“, die hier noch vom alleinigen Träger KPD/ML-ZB und KJVD organisiert wurde, wurde später der Roten Hilfe übertragen. Die Roten Hilfen, seit der Weimarer Zeit der KPD bekannt, sollten die angeklagten Mitglieder der Partei materiell und rechtlich unterstützen sowie Kampagnen vorbereiten. Es gab in den K-Gruppen viele Rote Hilfen, teilweise sogar Schwarze Hilfen (etwa bei den Anarchisten). In der KPD (ehemals KPD/AO) war sie eine ihrer Unterorganisation.
Dort hieß sie Rote Hilfe e.V. mit dem Zentralorgan „Rote Hilfe“. 1970 wurde in Berlin die erste Rote Hilfe gegründet. Getragen war sie von den verschiedenen Flügeln der APO. Rote Hilfen gab es in vielen Städten. Etwa in: München, Frankfurt/M., München, Köln, Nürnberg, Erlangen, Würzburg, Heilbronn, Kiel, Flensburg. Den Roten Hilfe(n) gelang es z. B. nach dem Tode von Holger MEINS in Westberlin etwa 8.000 Demonstranten auf die Straße zu bringen. Zum Höhepunkt ihrer Entwicklung 1974 gelang es ihr in München, Franfurt/M. oder in Westberlin locker bis an 2.000 Leute zu ihren Veranstaltungen zusammen zu bringen. Ab 1977 beginnt ihr Niedergang. Knastgruppen oder Rote Hilfen gab es nur noch Westberlin und München.
Auch die KPD/ML gründete eine Rote Hilfe, die Rote Hilfe Deutschlands. Am 22. März 1975 wurde sie in Hamburg aus der Taufe gehoben. Der Gründung waren zahlreiche ideologische Auseinandersetzungen vorausgegangen, die sich etwa auf einem Kongress im Bochum am 12./13. April 1974 herauskristallisierten.
Aus dem Januar 1973 wurde laut „Bochumer Studentenzeitung“ bekannt, dass sich in Dortmund das „Solidaritätskomitee Freiheit für alle politischen Verfolgten“ konstituiert hatte. „Anlass der Konstituierung ist der Rote-Punkt-Prozess in Dortmund, in dessen Verlauf Klaus Dillmann (im März 1971 Mitglied der KPD/ML-ZK) wegen Nötigung, Aufforderung zur strafbaren Handlung, Widerstand gegen die Staatsgewalt und fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 900 DM verurteilt wurde.“ (Vgl.: Bochumer Studenten Zeitung, Nr.105, Bochum 1973.)
Der „Bochumer Studentenzeitung“ gehörte Klaus DILLMANN als verantwortlicher Redakteur des SDS, später des SDS/ML an (siehe oben). Das Solidaritätskomitee dürfte spätestens am 2.1.1973 seine Arbeit aufgenommen haben, was aus einem Flugblatt hervorging, dass vermutlich am 2.1.1973 laut der Initiative für ein Solidaritätskomitee - Freiheit für alle politischen Gefangenen bekannt wurde. Es rief dazu auf, „ein Komitee gegen politische Verfolgung“ zu konstituieren und zur Veranstaltung des Solidaritätskomitees am 3.1.1973 in Dortmund zu kommen.“ (Vgl.: Initiative für ein Solidaritätskomitee - Freiheit für alle politischen Gefangenen: Flugblatt ohne Titel (Aufruf zum 3.1.1973), Dortmund, o. J.)
Am 22.1.1973 erschien in Dortmund das Flugblatt der Initiative für ein Solidaritätskomitee Freiheit für alle politisch Verfolgten: Der „geplatzter Roter-Punkt-Prozess“ sollte danach am 24.1. fortgesetzt werden. Das Flugblatt rief dazu auf, “Solidarität zu üben, und zum Amtsgericht Dortmund zu kommen“. Weiter wurde gefordert: „Freispruch für Klaus Dillmann, Schluss mit der Verfolgung von Rote-Punkt-Demonstranten, für Demonstrations- und Streikfreiheit.“ Außerdem wurde dazu aufgerufen, am Tag des Prozesses (24.1., abends) zu einer Veranstaltung in Dortmund zu kommen. (Vgl.: Initiative für ein Solidaritätskomitee - Freiheit für alle politisch Verfolgten: Geplatzter Roter-Punkt-Prozess wird fortgesetzt, Dortmund, o. J. [Jan.1973].)
Das Flugblatt konnte als Ankündigung für die eigentliche Konstituierung des Solidaritätskomitees Freiheit für alle politischen Verfolgten verstanden werden, dass sich endgültig am 24. 1. 1973 (nach Angaben von Klaus DILLMANN: vgl. auch Dillmann, Klaus: Roter Punkt Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Dortmund, Dortmund, 16.7.1974) in Dortmund konstituierte, ohne dass Angaben über die Beteiligung gemacht wurden.
Laut einer persönlichen Notiz von Klaus Dillmann waren für den Verhandlungstermin KPD/ML-ZB und KPD/ML-ZK darüber einig, „dass gemeinsam dazu Agitprop und Vorbereitungen stattzufinden haben“. Weiter hieß es:
„Schon beim Plattformentwurf im September hatten sie (die KPD/ML-ZK, d. Vf.) da ihre Einwendungen, ebenso wie die KPD, die das ja eineinhalb Jahre danach heftigst bestritt, die jedoch damals wegen dieser Frage und weil wir von Faschisierung redeten, Solidarität verweigerte. Die ML Dortmund zogen sich diesmal damit aus der Affäre, dass ich in der geplatzten Oktoberverhandlung nur revisionistischen Plunder von mir gegeben habe und sie keine Revisionisten unterstützen konnten.
Der AStA PH, ESG usw. wurden zwischen diesen Fronten immer hin- und hergerissen, waren selbst gutwillig und leisteten manche nützliche Kleinarbeit, aber blickten nicht durch. Von einer Agitprop der ZB-Organisation konnte jedoch wegen der internen Schwierigkeiten keine Rede Mehr sein.
Blieb die Agitprop der KPD/ML. Und die sah dann so aus, dass ich hinterher beargwöhnt wurde, zur KPD/ML übergelaufen zu sein, wodurch meine Position im ideologischen Kampf innerhalb der ZB-Organisation zeitweilig geschwächt wurde.“ (Vgl.: N.N. (Klaus Dillmann): Dortmunder Schöffengericht: Roter-Punkt-Prozess gegen K. Dillmann, o. O., o. J. [1973], Dillmann, Klaus: Roter Punkt Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Dortmund, Dortmund, 16.7.1974, Solidaritätskomitee Freiheit für alle politisch Verfolgten: Roter-Punkt- Prozess: Demonstrant für kriminell erklärt, Dortmund, o. J. [1973], Landgericht Dortmund: Anklageschrift gegen Klaus Dillmann, Dortmund, 1974, Amtsgericht Dortmund: Anklageschrift gegen Klaus Dillmann, Dortmund, 30.1.1973, Dillmann, Klaus: Kritik an der Partei im Zusammenhang mit den Prozessen gegen mich sowie der Vernehmungen in Arnsberg 16.10.1973, o. O., o. J. [1973].)
Wie aus diesem Dokument hervorgeht, bekam die Solidarität zwischen dem Angeklagten und den verschiedenen ml-Gruppierungen einen argen Knacks. Teilweise war hier Verbitterung herauszulesen, die sich auch in folgendem Dokument niederschlug.
Laut einem Papier von Dillmann gab es von der OG Dortmund der KPD/ML-ZK „keine nennenswerten Vorschläge für eine Prozessführung. „Stattdessen jedoch entwickelte sich ein heftiger Streit um die im wesentlichen von mir verantwortete Bündnispolitik. In diesem Zusammenhang hätte es eine Parteigenossin beinahe fertiggebracht, in einem Putsch mich aus dem Komitee, das sich um meinen Prozess kümmern wollte, hinauszusäubern, weil sie - und hinter ihr stand offenbar die Mehrheit der Partei am Ort - nicht in der Lage war, meine Vorstellungen zur Bündnispolitik der DKP gegenüber zu verstehen.“ (Vgl.: N.N. (Klaus Dillmann): Dortmunder Schöffengericht: Roter-Punkt-Prozess gegen K. Dillmann, o. O., o. J. [1973], Dillmann, Klaus: Roter Punkt Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Dortmund, Dortmund, 16.7.1974, Solidaritätskomitee Freiheit für alle politisch Verfolgten: Roter-Punkt- Prozess: Demonstrant für kriminell erklärt, Dortmund, o. J. [1973], Landgericht Dortmund: Anklageschrift gegen Klaus Dillmann, Dortmund 1974, Amtsgericht Dortmund: Anklageschrift gegen Klaus Dillmann, Dortmund, 30.1.1973, Dillmann, Klaus: Kritik an der Partei im Zusammenhang mit den Prozessen gegen mich sowie der Vernehmungen in Arnsberg 16.10.1973, o. O., o. J. [1973].)
Laut Amtgericht Dortmund verurteilte das Schöffengericht Dortmund Klaus DILMMANN am 24.1.1973 „wegen Nötigung zu einer Geldstrafe von 900 DM“ mit der Begründung: „Der Angeklagte wird wegen fortgesetzter gemeinschaftlicher Nötigung in einem Fall in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und fahrlässiger Körperverletzung und in einem Fall in Tateinheit mit einer Aufforderung zu strafbaren Handlungen - Vergehen nach Paragraphen 270, 113, 111, 230, 232, 47, 73 StGB - zu einer Geldstrafe in Höhe von 900 DM verurteilt. Für den Fall, dass die Geldstrafe nicht beigetrieben werden kann, tritt an die Stelle von je 50 DM je ein Tag Freiheitsstrafe“. (Vgl.: Amtsgericht Dortmund: Anklageschrift gegen Klaus Dillmann, Dortmund, 30.1.1973.)
Klaus DILLMANN legte dagegen allerdings Berufung ein. Zu diesem Prozesstermin wurde auch die Verteidigungsrede von ihm: „Dortmunder Schöffengericht: Roter Punkt Prozess gegen Klaus Dillmann“ vom 24. Januar bekannt, die auch im Solidaritätskomitee Verbreitung fand.
„Der Angeklagte hatte zuvor beantragt, dass das Protokoll der letzten Verhandlung vom Oktober 1972 verlesen werden solle, um das Verfahren abzukürzen. Er begründete das damit, dass erstens zahlreiche neue Zuschauer im Raum sitzen, die den Gang der Verhandlung noch nicht kennen, zweitens neue Schöffen da sind, die ebenfalls unterrichtet werden müssten. Zudem wäre es notwendig, zu überprüfen, ob das Protokoll den Verlauf richtig wiedergibt, insbesondere ob die Äußerungen, die der Gerichtsvorsitzende Thomas gemacht hatte und deren Aufnahme ins Protokoll vom Angeklagten verlangt worden war, auch wirklich darin ständen. Angesichts der Tatsache, dass das Gericht ihm einen Rechtsbeistand verwehre, sei das besonders wichtig.
Richter Thomas bestritt dem Angeklagten das Recht zu erfahren, was in dem Protokoll stände. Er wies auch einen Antrag, den Prozess zu vertagen, zurück. Argument: Überlastung des Gerichts und Interesse an einer zügigen Behandlung.
Er wollte wissen, was denn in dem Protokoll stehen solle. Der Angeklagte: Z.B. die über das Publikum gemachte verächtliche Bemerkung: 'Armes Deutschland' sowie die Behauptung, die Ordnungskräfte, die versucht hatten, während der Verhandlungspause einen Zuschauer gewaltsam zu entfernen, hätten auf eigenen Antrieb und aufgrund ihres gesunden Rechtsgefühls gehandelt. Richter Thomas bestritt, diese Äußerung getan zu haben. Daraufhin bestand der Angeklagte darauf, in seiner Erklärung zur Sache zunächst die Verhandlung vom 11. Oktober 1972 zu schildern, was der Richter zu verwehren suchte. Jedoch gab er dann nach.
Klaus Dillmann: 'Das Gericht misst von vornherein mit zweierlei Maß und zeigt deutlich, dass es auf Seiten der Anklage steht. Ich möchte daran erinnern, dass der Amtsgerichtsrat Thomas diesen Prozess wiederholt vertagte, wenn es der Anklage in den Kram passte, z. B. wegen eines Urlaubs der Belastungszeugen Hill und Wilke, z. B. weil die Belastungszeugen, sämtlich Bereitschaftspolizisten, zum sog. Schutz des olympischen Friedens nach München abkommandiert waren, obwohl die Spiele da schon vorbei waren, z. B. auch weil ein Polizeizeuge in der Polizeischule Erich Klausener die Zerschlagung von Demonstrationen und Streiks üben musste. Das waren alles äußerst gewichtige Gründe. Dem Angeklagten dagegen wird in zwei Fällen eine Terminverschiebung verwehrt, als sein Rechtsbeistand durch andere Verfahren abgehalten war. So im Juni, wo der Vertagungsantrag drei Wochen vorher gestellt worden war, ihn das Gericht aber mit eben jener Begründung 'aus Überlastung des Gerichts und aus Interesse einer zügigen Behandlung' ablehnte, jedoch dann kurzfristig umdisponierte, weil die genannten Zeugen der Anklage einen Spanienurlaub hatten, der nach den Unterlagen sogar schon früher feststand. Beim Zeugen Hill jedoch war dieses Argument nicht stichhaltig, denn am Abend des vorgesehenen Termins war er in seiner Dortmunder Wohnung. Kurz vorher jedoch hatte eine öffentliche Veranstaltung stattgefunden, bei der die Anklageschrift in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit entlarvt worden war. Offenbar musste die Anklage erst Zeit gewinnen. Ich will nur auf einen Punkt eingehen.
Laut Anklageschrift soll ich einerseits ständig, 'wie bei Rädelsführern üblich', mich durch rechtzeitige Flucht dem Zugriff der Polizei entzogen haben, andererseits aber soll ich so tollkühn gewesen sein, trotz Aufforderung, die Schienen zu verlassen, als einziger auf den Schienen stehen geblieben zu sein und die Beamten, die mich abdrängen wollten, mit gezielten Fausthieben und Fußtritten vorsätzlich verletzt zu haben. Klar, dass man sich da versichern wollte, dass die Polizeizeugen bei ihrer Aussage blieben! Nun, weil mir hier das Recht verwehrt wird, das Protokoll der letzten Verhandlung zu lesen und zur Kenntnis der Anwesenden zu bringen, werde ich hier meinen Standpunkt dazu und meine Sicht dieser Verhandlung vortragen.
Herr Thomas hat dann immer noch die Möglichkeit, sich zu rechtfertigen. Ich mache das am besten, indem ich ein Flugblatt der KPD/ML (KPD/ML-ZB, d. Vf.), das damals erschienen ist und diesen Prozess beschreibt, verlese.“
Unter der Überschrift „Polizisten leisten Meineid“ hieß es da: „Der Prozess gegen den Rädelsführer der KPD/ML - laut Anklageschrift – Klaus Dillmann wegen seiner Teilnahme an den Boykottmaßnahmen der Dortmunder Bevölkerung gegen die Fahrpreiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr vom März/April 1971 sollte der krönende Abschluss einer langen Reihe von Prozessen gegen Rote-Punkt-Demonstranten werden. Ziel der bürgerlichen Klassenjustiz ist es. ...“
Richter Thomas unterbrach hier mit der Feststellung, er kenne den Inhalt des Flugblattes, es solle zu den Akten gegeben werden. Der Angeklagte bestand darauf, es zu verlesen, da es die Anwesenden nicht alle kennen. Thomas: 'Das sind doch ihre Gesinnungsfreunde!' Dillmann: 'Woher wissen Sie das eigentlich? Außerdem geht es auch um die Schöffen, die ruhig erfahren sollen, was sie für einer sind!' Nach einigem Hin und Her ließ Richter Thomas weiterlesen, unterbrach später noch einige Male, einmal mit der törichten Bemerkung, meine politische Meinung interessiere ihn nicht, ein anderes Mal, der Angeklagte solle nicht alles ablesen, es handle sich doch um eine mündliche Verhandlung, um ein Gespräch. Außerdem wolle er wissen, warum der Angeklagte sich nicht an ihn, sondern an die Zuschauer wende, worauf Dillmann erwiderte: 'Mein wirklicher Richter sind nicht Sie, sondern das Volk, repräsentiert durch die Zuschauer.' Er durfte schließlich fortfahren, als er erklärte, dass er, wenn ihm das Recht zu reden verweigert werde, sich gezwungen sehe, das Verfahren wegen Befangenheit des Richters abzubrechen.“
Es folgte der weitere Text des Flugblatts: „So ist es z. B. nicht verwunderlich, dass das Bonner Schieberparlament ...“ Erneut unterbrach Richter Thomas, um die Äußerung Schieberparlament wiederholen zu lassen. Er verfügte, dass sie ins Protokoll aufgenommen wurde, und wollte wissen, ob das tatsächlich die Meinung des Angeklagten sei.
Zugleich redete er von Beleidigung der BRD. Der Angeklagte erläuterte, dass es sich um ein Parlament handle, in dem Beraterverträge offenbar als Kavaliersdelikt betrachtet werden, dessen Abgeordnete mit nur einer Gegenstimme die erweiterten Notstandsgesetze wie Vorbeugehaftgesetz, Spitzelgesetz, Ausländerabschiebungsgesetz und das Recht des Bundesgrenzschutzes (BGS, d. Vf.), auf Demonstranten und streikende Arbeiter zu schießen, verabschiedet hat, was seinen volksfeindlichen Charakter mehr als deutlich mache. (Diese Erläuterung versuchte der Richter zu unterbinden, doch der Angeklagte ließ sich nicht unterbrechen. In diesem Zusammenhang wollte Richter Thomas wissen, was der Angeklagte gegen den Bonner Staat habe. der Angeklagte: dass er nicht das Volk, sondern das Großkapital vertritt, was den Richter veranlasste, zu fragen, wie er das mit seiner Tätigkeit als Lehramtsanwärter, der einen Eid auf die Verfassung geleistet habe, vereinbaren könne. Dillmann: 'ich bringe den Kindern bei was dem Volk nützt, nicht, was der Staat der Monopole mir vorschreiben will.' Diese Äußerungen wurde ebenfalls protokolliert, was den Angeklagten zu der Frage veranlasste: 'Ich denke, meine politische Meinung interessiert Sie nicht. Wieso sind Sie jetzt plötzlich so scharf darauf?' Die Antwort des ehrenwerten Dorfrichter Adam: 'Aus Hobby!' Er wollte den Angeklagten noch später zu einem Bekenntnis der Ablehnung des Bonner Staates veranlassen, weil ihm diese Äußerungen wohl noch nicht deutlich genug waren. Dillmann: 'Sicher kämpfe ich hier gegen den Bonner Staat, den Sie und Ihr Komplize, der Anwalt des Bonner Staates, hier vertreten. An Ihnen hat sich dieser Staat deutlich blamiert, und an den Zeugen, die er gegen mich mobilisiert hat. Sie zeigen sein wahres Gesicht.' Der Richter sah sich zu einem Bekenntnis zu 'unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung' veranlasst und ließ die Äußerung des Angeklagten ebenfalls notieren. Nach einigem Hin und Her konnte Dillmann seine Rede fortsetzen, die noch mehrfach durch Mätzchen des Richters unterbrochen wurde: „also unter den angegebenen Umständen ist es nicht weiter verwunderlich, dass das Bonner Schieberparlament - ich bleibe dabei - nur 10 Minuten benötigte“. Es folgt wiederum der weitere Text des Flugblattes bis zum Ausruf von Thomas, ‚Warten Sie nur, die kriegen wir noch raus!’. Hier zu hieß es: „Erneut unterbrach Richter Thomas. Er wollte wissen, woher der Angeklagte seine Äußerung habe. Dillmann: Dafür gibt es Zeugen. Sie waren so unvorsichtig, im Flur darüber zu sprechen. 'Wer soll denn der Gehilfe sein?' Dillmann: 'Der Herr, der letztens schräg hinter Ihnen saß und den Polizeizeugen heimlich Zeichen gab, wie sie aussagen sollten. Sie meinen wohl, dass ich das nicht bemerkt habe?'
Da der Richter nichts mehr sagte, fuhr der Angeklagte fort: „Sie weigerten sich, feststellen zu lassen, wer die widerrechtliche Maßnahme gegen die Zuschauer angeordnet hatte. Als ich Sie ersuchte, den Saalschützern Einhalt zu gebieten, da es sich um eine Verhandlungspause handle, wo ich nicht gestört worden wäre, sagten Sie, die Ordner sollten aufhören. Auf meine Frage, wer denn diese Maßnahme angeordnet hat, redeten Sie vom gesunden Rechtsgefühl der Saalschützer, das offenbar verletzt worden sei. Ich habe beantragt, das protokollieren zu lassen, aber das kann ja hier nicht überprüft werden, Sie Dorfrichter Adam! Nun, die Verhandlung spitzte sich zu um die Behauptung vorsätzlicher Körperverletzung.“
Weiter hieß es: „An diese Erklärung schloss sich eine längere Debatte über die Rolle des Bonner Staates an, wo Herr Thomas eifrig Notizen machen ließ. Schließlich erklärte er, der Angeklagte solle sich nun endlich konkret zu den ihm gemachten Vorwürfen äußern. Er wollte per Frage- und Antwortspiel den Angeklagten festnageln, doch Dillmann schnitt ihm diese Absicht ab, indem er erklärte: „Gut, ich beginne am besten, indem ich mit einem Artikel anfange, der in den Ruhr-Nachrichten vom 12. Oktober 1972 stand, zu dem ich anschließend Stellung nehme. Dieser Artikel fasst die Verhandlung von damals unter bürgerlichem Blickwinkel zusammen. Da der Richter hier nicht gewillt ist, selbst was zu sagen, bringen ich diesen Standpunkt vor.“
Es folgte der Artikel nebst Kommentar. „Der Bonner Staat der Monopole betreibt ein Krisenmanagement auf Kosten des Volkes. Damit die Stahlbosse nicht in Absatzschwierigkeiten geraten, vergibt er von unseren Steuern Rüstungsaufträge, die er für den Neuaufbau einer westdeutschen Kriegsmacht braucht. Dies verschlingt einen immer größeren Teil des Bundeshaushalts. Infolgedessen werden Länder und Gemeinden stärker zur Kasse gebeten. Infolgedessen geraten sie immer mehr in die roten Zahlen und sparen besonders bei den Sozialleistungen. So auch beim öffentlichen Nahverkehr. Da sich das Volk dagegen aber zur Wehr setzt, muss der Bonner Staat seinen Unterdrückungsapparat auch nach innen ausbauen, was noch mehr kostet. So läuft er zwangsläufig auf den Bankrott zu. Es wird ihm eines Tages nichts anderes übrig bleiben als abzudanken oder andere Staaten zu überfallen, weil er seine Schulden nicht mehr aus dem deutschen Volk pressen kann.
Aus diesem Grund muss er schon heute die Preiserhöhungen beim Nahverkehr mit brutaler Gewalt durchsetzen und sogar sein eigenes Grundgesetz über den Haufen werfen, indem er das Recht zu demonstrieren mit Füßen tritt. Er zeigt damit, was das Grundgesetz ihm selbst wert ist. Es ist deshalb heuchlerisch, wenn dieses Gericht, das eine solche Politik juristisch absichern soll, sich darauf beruft, im Namen des Volkes zu sprechen und gemäß dem Verfassungsgrundsatz aufzutreten, dass alle Gewalt vom Volke ausgeht. Weder die Polizeigewalt vor zwei Jahren noch die richterliche Gewalt heute können für sich das Recht beanspruchen, im Namen des Volkes zu handeln, d.h. Organe einer Demokratie zu sein. Die Demokratie dagegen, nicht das Grundgesetz, das z.B. die Einverleibung der DDR fordert und daher ein Instrument des westdeutschen Revanchismus ist, ist nicht das Grundgesetz, das ein Beamtentum nach hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (woher denn wohl gebracht?) für den öffentlichen Dienst fordert, erst recht nicht das Grundgesetz von Vorbeugehaft, Ausländerdiffamierung, Bundeswehr- und Bundesgrenzschutzermächtigung, nicht das Grundgesetz des unkontrollierbaren 'Gewissens' von 'Volks'vertretern und des zu beschneidenden Gewissens von Kriegsdienstverweigerern (KDV, d. Vf.), sondern die Demokratie der von den Kapitalisten Ausgebeuteten und von ihrem Staat Unterdrückten verteidigen dagegen wir Kommunisten.
Wenn mir dieses Gericht hier Nötigung vorwirft, so schweigt es sich darüber aus, wen ich genötigt haben soll, d.h. wenn ich mit verwerflichen Mitteln mit einem empfindlichen Übel bedroht habe. Dazu steht in dem Machwerk von Anklageschrift kein Wort drin! Genau so dunkel bleibt der Sachverhalt, der mir als Aufforderung zu strafbaren Handlungen vorgeworfen wird. Kein Wort davon, was denn an meinen Aufforderungen strafbar gewesen sein soll. Dementsprechend dürftig ist auch die Argumentation zum Vorwurf Widerstand gegen die Staatsgewalt. selbst der Paragraph 111 StGB kennt einen Unterschied zwischen rechtmäßigem und unrechtmäßigem Vorgehen des Staates.
Nach dem Erlebnis der faschistischen Diktatur des Finanzkapitals konnte es der kapitalistische westdeutsche Staat dem Volk gegenüber bisher noch nicht wagen, sich selbst wieder zum Maß aller Dinge zu setzen. Also auch hier: ausweisen, meine Herren, ob der Polizeieinsatz gerecht war! Ich als Kommunist sage: nein, es war Terror gegen das Volk! Der Hinweis auf das Spitzelwesen soll als Beleg erst einmal genügen. Es gibt noch drastischere!
Da die Anklage offenbar selbst begreift, dass das alles noch nichts bringt, hat sie sich auch zugespitzt auf die Behauptung, ich hätte die beiden Polizisten, die mich festnahmen, vorsätzlich verletzt. Und da sind wir beim springenden Punkt. Hier wird nämlich deutlich, dass es gar nicht um mich als Person geht, sondern um uns Kommunisten. Das ehrenwerte Gericht soll seinen Beitrag leisten zum beabsichtigten Verbot der KPD/ML! Hier soll ein Pseudobeweis zusammengebastelt werden, dass diese Partei und zugleich natürlich alle sog. Maoisten Gewalttäter und ihre Organisationen kriminelle Vereinigungen sind. Schon jetzt heißt es im Vorweggriff auf ein solches Verbot in der Anklageschrift 'Rädelsführer der KPD/ML', ein Wink mit dem Zaunpfahl Paragraph 129 StGB! Und dass es tatsächlich darum geht und um sonst gar nichts, zeigt ein Blick in den internen Polizeibericht, wo es unter dem 20.3.1971, dem Tag meiner Festnahme heißt:
'Am 20.3.1971 ab 11 Uhr wurden in der Dortmunder Innenstadt die Straßenkreuzungen bzw. Haltestellen Hansastraße/Kleppingstraße und Reinoldikirche von Demonstranten blockiert ... An diesen Blockaden waren wiederum Angehörige der KPD/ML, die rote Fahnen mitführten, beteiligt. Im Fußgängerbereich an der Reinoldikirche hielten sich zeitweise 500 Personen auf, die den Aktionen zuschauten und untereinander diskutierten. Bei Straßenbahnblockaden wurde an diesem Tag eine Person festgenommen, die als Rädelsführer angesehen werden kann und offensichtlich der KPD/ML führend angehört. Ab 14 Uhr 10 verlief der Straßenbahnverkehr in der Innenstadt wieder störungsfrei.'
Von irgendwelchen Verletzungen von Polizeibeamten, wovon sonst dieser Bericht immer Auskunft gibt, ist an diesem Tag nicht die Rede. Dabei hält er, was die Polizei angeht, selbst solche Kleinigkeiten wie Beschmutzungen von Uniformteilen fest! Ich will es mir auch ersparen, auf so manche Schönfärberei dieses 'Berichts' n„her einzugehen, wie von der ständigen Wiederholung, man habe vorher zum verlassen der Schienen aufgefordert, oder das Verschweigen der Zivilgreifer. Auch über die Zahl der Demonstranten wird hier kein Wort verloren, obwohl ja 500 Zuschauer nicht für ein Häufchen von 15 Mann gekommen sein dürften! Interessant ist die Feststellung, dass man stolz berichtet, einen Rädelsführer, der offensichtlich der KPD/ML führend angehört, festgenommen zu haben.
Ich habe den Herren von der politischen Polizei (K14, d. Vf.) dergleichen nicht erzählt, wie ja aus den Akten ersichtlich sein wird. Also haben sie es ja wohl selbst ermittelt - und mich auch deswegen festgenommen! Und da weder Herr Hill noch Herr Wilke, meine beiden Greifer, von sich aus auf die Idee verfielen, gegen mich eine Anzeige wegen Körperverletzung zu erstatten, offenbar doch wohl, weil sie davon nichts gemerkt haben, musste ihnen die politische Polizei noch auf die Sprünge helfen.
Die Anzeige des Bereitschaftspolizisten Hill erfolgte denn auch erst drei Wochen später, Herr Wilke erließ keine Anzeige. Nun, diese Anzeige sollte denn auch die eigentliche Grundlage der Anklage gegen mich bilden, um so die Partei der Arbeiterklasse anklagen zu können! Nachdem nun bei der Verhandlung im Oktober diese beiden Kronzeugen des Bonner Staates sich in Widersprüche verwickelt haben und sich als taube Nüsse erwiesen, der eine von gezielten Schlägen gar nichts gemerkt haben will, der andere immerhin zugeben musste, dass von Prellungen keine Rede sein konnte, und nachdem diese Herren ebenso wie meine Zeugen vereidigt waren, geriet die Partei des Bonner Staates, nämlich Staatsanwalt und Vorsitzender, in recht arge Verlegenheit, als den Polizisten mit Meineidsverfahren gedroht wurde. Der Staatsanwalt wusste sich nicht anders zu helfen als nach zwei weiteren Polizeizeugen zu schreien, die bezeugen sollten, dass ich BEIDE Greifer vorsätzlich traktiert haben soll. Weiß Gott, ich muss ja wohl sehr trainiert gewesen sein, dass ich zwei Herrschaften, die sogar zum sog. Schutz des olympischen Friedens nach München abkommandiert waren, habe eine auswischen können! Wie dem auch sei: der Vorsitzende dieses bürgerlichen Klassengerichts sah nun eine willkommene Gelegenheit, die Verhandlung zu vertagen. Er hatte die Fäden nicht mehr in der Hand, und auch ein Einlenkmanöver, den Vorsatzvorwurf fallen zu lassen, konnte ihn nicht retten, zumal der Staatsanwalt hart blieb, auf seinem Unsinn beharrte und dadurch den Vorsitz wieder auf Linie brachte. So weit zum bisherigen Verlauf.'
Dem Richter reichte diese Stellungnahme noch nicht aus, er wollte noch beschrieben haben, wie die Festnahme vor sich ging und ob der Angeklagte täglich auf den Schiene gestanden und die Menschen zur Solidarisierung aufgefordert habe. Der Angeklagte wiederholte daher einige seiner Erklärungen, womit sich der Richter nur widerwillig zufrieden gab, immer bemüht, Formulierungen zu finden, um den Angeklagten in Widersprüche zu verwickeln. der Staatsanwalt machte nicht einmal den Versuch, eine Frage zu stellen, er wusste, dass er keine Antwort bekommen hätte.
„Im Verlauf der Zeugenbefragung (acht Polizisten, vier Zeugen des Genossen) behauptete der Richter, von Polizeiterror sei ja keine Rede gewesen, so dass Dillmann sich genötigt sah, bei der Befragung der Polizeizeugen einen Artikel aus der WAZ zu verlesen, um eine Stellungnahme dazu zu provozieren. In dem WAZ-Artikel war von Zivilgreifern die Rede, die sich unter die Demonstranten mischten, um beim Auftauchen von Überfallkommandos Rädelsführer zu ergreifen. Des weiteren war von brutaler Behandlung von Festgenommenen die Rede, obgleich diese sich nicht gewehrt hatten. Dazu hätten die Demonstranten 'Sieg Heil!' und 'Ge-Sta-Po!' gerufen. Der WAZ-Artikel stellte fest, dass die empörte Menschenmenge überwiegend auf Seiten der Demonstranten stand. Dillmann befragte die Polizeizeugen danach, wie sie sich erklärten, dass die Blockade über fünf Wochen gedauert hat, und was sie sich bei ihrem Einsatz gedacht haben, wenn sie bei den Massen auf Ablehnung stießen. Wenn jemand behauptete, die Massen hätten die Polizei unterstützt, die Gegenfrage: 'Und warum dann in Zivil?' Bei diesem Frage- und Antwortspiel versuchte der Richter Thomas, den Zeugen die Antwort vorzusagen bzw. die Frage als unerheblich abzuwenden. Als ein Polizist behauptete, die Demonstranten seien bezahlte Funktionäre gewesen, und die Frage kam, von wem bezahlt?, ließ Herr Thomas diese Frage als Gesinnungsfrage nicht zu. Insbesondere seinen Kronzeugen Hill suchte er mit allen Mitteln vor unliebsamen Fragen zu schützen. In den Akten fand er das wichtige Beweisstück, dass die politische Polizei ihn zum Strafantrag bewogen hatte, nicht wieder, der Angeklagte durfte die Akten selbst aber nicht einsehen. Wie bei den Fragen, das Verhältnis zwischen Polizei und Volk betreffend, schwammen die Polizeizeugen auch bei Fragen über das Demonstrationsrecht. Es zeigte sich, dass die Tatsache, dass jemand demonstrierte, bereits als kriminell betrachtet wurde, was der Richter immer wieder zu verwischen bemüht war. Umgekehrt suchte er, die Zeugen von Dillmann bei ihrer Aussage zu behindern und von ihrer eigentlichen Aussage wegzulocken. Da schließlich alles nichts mehr half, 'entdeckte' er schließlich, dass es der Zeugen gar nicht bedurft hätte, da ja der Angeklagte alles 'gestanden' habe.“
Richter Thomas lehnte die Ladung des Zeugen Willy Weyer (FDP, d. Vf.), Polizeiminister von NRW, ab. Angeblich war sie für den Prozess unerheblich, wobei die Wahrheit der Punkte, weswegen er befragt werden sollte, unterstellt wurde. Begründet worden war die Vorladung seitens des Angeklagten so: „In einem Interview mit der Fernsehredaktion 'Zwischen Rhein und Weser' hatte Weyer am 30.3.1971 - zehn Tage NACH der ersten Festnahme des Angeklagten - folgendes geäußert: „Wir haben geglaubt, dass eine gewisse Protestwelle als Demonstrationswelle zunächst einmal gegeben sei, dann aber abklingen würde, wenn eine gewisse Öffentlichkeitsarbeit aus den jeweiligen Städten oder den Stadtwerken vorliegen würde. Das ist nicht der Fall. Es ist eindeutig erkennbar, dass kommunistische Gruppen nunmehr die Federführung übernommen haben, in Dortmund, in Gelsenkirchen und auch in Düsseldorf, die SDAJ und die Kommunistische Partei, zum Teil auch die roten Gruppen der Maoisten- Leninisten. Ich habe deswegen in einem Erlass nach dem Gespräch heute mit den Polizeipräsidenten gewisse Auflagen gemacht für die Demonstrationen: Keine Demonstrationen mehr zur Hauptverkehrszeit, keine Demonstrationen auf den Schienen mehr, um sicherzustellen, dass der Verkehr nunmehr wieder flüssig vonstatten geht.
Frage: Wie wollen Sie diese Maßnahmen jetzt durchführen, vielleicht mit Gewalt?
'Ja, Nötigung ist ja ein Teil der Gewalt, also eine Gewalt von Seiten der Demonstranten. das ist offenbar auch die erklärte Absicht der Kommunisten. Die Polizei kann sich nicht dahinter verstecken und sagen, wir nehmen diese Gewalt hin und tun unsererseits gar nichts. Wir werden also mit polizeilichen Maßnahmen dafür Sorge tragen müssen, das ist unterschiedlich, je nach dem Zustand, örtlichen Zustand, mit polizeilichen Mitteln die Schienen zu räumen.'
Frage: Mit Schlagstöcken und Wasserwerfern?
'Das braucht nicht der Schlagstock zu sein, das braucht nicht der Wasserwerfer zu sein. Es sind andere polizeiliche Maßnahmen möglich, z. B.: Wir werden nicht mehr zulassen, dass Megaphone gebraucht werden, mit denen dann die Demonstranten aufgefordert werden zu gewissen Handlungen, Aufforderungen zu strafbaren Handlungen.'
Aus diesem Interview geht hervor:
1. Land und Städte haben von vornherein zusammengearbeitet und mit dem Widerstand des Volkes gerechnet. Die Bemerkung von der Öffentlichkeitsarbeit ist ein reines Feigenblatt, denn was auf diesem Gebiet geleistet wurde, lässt sich leicht als Lug und Trug entlarven.
2. Laut Weyer wurden erst ab 30. 3. die Blockaden verboten. Die Polizei - aus ganz NRW! - war aber bereits seit den ersten Märztagen in Dortmund mit aller Brutalität aktiv geworden. (Der später nach Leugnung des Polizeiterrors durch Richter Thomas anlässlich der Befragung eines Polizeispitzels vom Angeklagten verlesene WAZ-Artikel, der die Brutalität der Polizei beschreibt, stammt bereits vom 12.3.1971.) Weyer soll sich dazu äußern, wieso er als Polizeiminister einfach das Demonstrationsrecht außer Kraft setzen konnte.
3. Weyer hat selbst betont, dass es darauf ankommt, insbesondere gegen die Kommunisten vorzugehen, was genau der Teile-und-herrsche-Politik der bürgerlichen Politiker entspricht. Man will nicht wahrhaben, dass das Volk empört ist, man konstruiert Anstifter.
Richter Thomas lehnte auch die Vorladung des Dortmunder Polizeichefs Riwotzki ab. Riwotzki hatte in einer Rundfunkansprache gesagt, es gehe nicht um die DKP, die sei ja legal, sondern um die KPD/ML. Damit hatte er zu verstehen gegeben, dass die KPD/ML von ihm - und seiner Partei (SPD, d. Vf.) - als bereits verbotene Organisation behandelt wurde, der im Gegensatz zu legalen Gruppen das Demonstrationsrecht nicht zustand. Des weiteren soll Riwotzki aussagen, wie die Polizei vorgehen sollte - er hatte davon gesprochen, dass nur noch der Knüppel helfe - und warum er Zivilgreifer für angebracht hielt. Ferner: ab wann Bereitschaftspolizei aus anderen Gebieten von NRW eingriff. Damit sollte das Komplott gegen das Volk bewiesen werden.“
(Vgl.: N.N. (Klaus Dillmann): Dortmunder Schöffengericht: Roter-Punkt-Prozess gegen K. Dillmann, o. O., o. J. [1973], Westfälische Rundschau-Lokalteil Dortmund, Dortmund, 30.8.1973, Dillmann, Klaus: Roter Punkt Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Dortmund, Dortmund, 16.7.1974, Solidaritätskomitee Freiheit für alle politisch Verfolgten: Roter-Punkt- Prozess: Demonstrant für kriminell erklärt, Dortmund o .J. [1973], Landgericht Dortmund: Anklageschrift gegen Klaus Dillmann, Dortmund 1974, Amtsgericht Dortmund: Anklageschrift gegen Klaus Dillmann, Dortmund, 30.1.1973, Dillmann, Klaus: Kritik an der Partei im Zusammenhang mit den Prozessen gegen mich sowie der Vernehmungen in Arnsberg 16.10.1973, o.O., o. J. [1973].)
Was am Prozessverlauf deutlich wurde, war die Tatsache, dass versucht wurde, dem Angeklagten „Rädelsführerschaft“ (Widerstand und Nötigung, Aufforderung zu einer strafbaren Handlung) und „Körperverletzung“ nachzuweisen. Der damaligen Widergabe der Verhandlung vor dem Schöffengericht durch Klaus DILLMANN bedarf keiner weiteren Erläuterung mehr.
Der Rundfunk in Nordrhein Westfalen informierte am 24.1.1973 seine Hörer über den Prozess: „Seiner (gemeint war Klaus DILLMANN, d. Vf.) etwa 40 Mann starken Anhängerschaft konnte er während dieser Verhandlung seine politische Überzeugung auseinandersetzen und Kritik an der 'herrschenden Klasse' üben. Etwa so: 'Das Gericht ist eine Agentur des Räuberstaates Bundesrepublik!' Er wurde nach seiner Auffassung missverstanden. Denn der Staatsanwalt wertete diesen Satz als Beschimpfung der Bundesrepublik, er selbst wollte ihn als Sozialkritik verstanden haben.“ (Vgl.: Radiokommentar des Westdeutschen Rundfunk vom 24.1.1973.)
Zum 29.1.1973 wurde durch ein Flugblatt des Solidaritätskomitees für alle politische Verfolgten bekannt, dass im Roten-Punkt-Prozess „Demonstrant für kriminell erklärt“ wurden. Klaus DILLMANN sei „zum Rädelsführer der KPD/ML ernannt“ worden. Das Schöffengericht habe ihn für schuldig erklärt, „Nötigung, Aufforderung zu strafbaren Handlungen mit Erfolg, Widerstand gegen die Staatsgewalt, fahrlässige Körperverletzung“ begangen zu haben". Gefordert wurde: „Freispruch für Klaus Dillmann!“ Aufgerufen wurde auch, zu einer Veranstaltung des Solidaritätskomitees am 2. Februar in Dortmund zu kommen. (Vgl.: Solidaritätskomitee Freiheit für alle politisch Verfolgten: Roter-Punkt-Prozess: Demonstrant für kriminell erklärt, Dortmund, o. J. [1973].)
Dem entsprach eine „Pressemitteilung der Roten Hilfe Dortmund“ (RH) vom 20.8.1973. Danach fand am 11.10.1972 und am 24.1.1973 „Vor dem Schöffengericht Dortmund der Roter-Punkt-Prozess gegen den 'Rädelsführer der KPD/ML' (laut Anklageschrift) Klaus Dillmann statt, der zu einer Verurteilung wegen Nötigung, Aufforderung zu strafbaren Handlungen, Widerstand gegen die Staatsgewalt und fahrlässiger Körperverletzung (ein ärztlich nicht beglaubigter blauer Fleck) zu 900 DM Geldstrafe geführt hat. Die Berufungsverhandlung steht noch aus. Im Verlauf des Prozesses hatte Klaus Dillmann zur Begründung seines mutigen Auftretens gegen die Fahrpreiserhöhungen ausgeführt, dass die BRD kein Geld für soziale Belange hat, weil sie die von den Lohnabhängigen erhobenen Steuern in die Rüstung steckt.
Das Gericht hatte er als Agentur des Räuberstaates Bundesrepublik angegriffen. Wegen dieser Äußerung soll ihm nun der Prozess gemacht werden, wegen Verunglimpfung der BRD (Paragraph 90a StGB). Der Angeklagte ist Lehrer und wird mit dem Berufsverbot (BV, d. Vf.) bedroht. Die Rote Hilfe ruft alle fortschrittlich gesinnten Menschen auf, zum Prozess am Mittwoch, den 29. August, um 12 Uhr 30 zum Amtsgericht Dortmund, Gerichtsstraße 22, Zimmer 200 zu kommen.
Am darauffolgenden Tag um 9 Uhr findet in Bochum (II. Strafkammer, Viktoriastraße 14, Zimmer 40) gegen Klaus Dillmann und andere ein weiteres Verfahren wegen öffentlicher Billigung eines Mordes am ehemaligen Botschafter der BRD in Guatemala, Graf Spreti' (Paragraph 140 StGB) statt. Es geht um einen Artikel, den er 1970 als Redakteur verantwortete. Die Rote Hilfe erklärt sich mit dem Angeklagten solidarisch. Unterstützt Klaus Dillmann durch Solidaritätsadressen an Klaus Dillmann ...Spendet für die Prozesskosten ...“ (Vgl.: RH Dortmund: Pressemitteilung, Dortmund, o. J. [Aug. 1973].)
Klaus DILLMANN hatte sich nun auch an einer weiteren Front zu verantworten, nämlich im Spreti-Prozess (siehe oben).
In der Verhandlung vom 29.8.1973 wurde Klaus DILLMANN vom Amtsgericht Dortmund nach Paragraph 90 a Abs. I Nr. 1 StGB „zu einer Geldstrafe von 100 DM, ersatzweise 5 Tagen Freiheitsstrafe“ verurteilt. Begründung des Amtsgerichtes: „Am 11. Oktober 1972 fand vor dem Schöffengericht in Dortmund eine Hauptverhandlung gegen den Angeklagten statt. Gegenstand des Verfahrens waren Vorfälle, die sich im Rahmen einer 'Rote-Punkt-Aktion' aus Anlass der Erhöhung der Straßenbahntarife in Dortmund ereignet hatten. Während der Hauptverhandlung kam es mehrfach zu Störungen. Auf den Zuschauerbänken saßen vorwiegend jugendliche Personen, die offenbar die politischen Ansichten des Angeklagten teilten und seine Ausführungen mit Beifallskundgebungen begleiteten. Während seiner umfangreichen Einlassung fielen u. a. die Worte 'das Gericht ist eine Agentur des Räuberstaates Bundesrepublik'. Im Verlaufe seiner Ausführungen sprach der Angeklagte auch zweimal von 'Kriegsvorbereitungen dieses Staates'. Die Verhandlung wurde schließlich vertagt, weil weitere Beweiserhebungen notwendig waren. Eine Ordnungsstrafe ist gegen den Angeklagten nicht verhängt worden. Das Verfahren wurde nach einer neuen Hauptverhandlung in erster Instanz durch Urteil abgeschlossen.
Der Angeklagte wurde wegen Nötigung, Körperverletzung, Widerstandes Gegen Vollstreckungsbeamte und Aufforderung zur strafbaren Handlung zu einer Gesamtgeldstrafe von 900 DM verurteilt. Gegen das Urteil hat der Angeklagte Berufung eingelegt. Das Berufungsverfahren ist bisher noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Dieser Sachverhalt beruht auf der Einlassung des Angeklagten und den glaubhaften eidlichen Aussagen der Zeugen Greiser und Thomas. Der Angeklagte ließ sich im wesentlichen dahin ein, seine Äußerungen seien sozialkritisch gemeint und dienten seiner Rechtsverteidigung.
Diese Einlassung ist nicht geeignet, den Angeklagten zu entlasten. Der Angeklagte hat nach den getroffenen Feststellungen öffentlich, nämlich in einer Gerichtsverhandlung während einer öffentlichen Sitzung die Bundesrepublik Deutschland beschimpft, indem er diese als 'Räuberstaat' bezeichnete. Diese Äußerung diente nicht der Rechtsverteidigung. Auch wenn sich der Angeklagte möglicherweise in erster Linie durch diese Redewendung gegen das Gericht wenden wollte, worauf die Bezeichnung Agentur hindeuten könnte, so hat er doch die Beschimpfung der Bundesrepublik durch die Bezeichnung 'Räuberstaat' zumindest billigend in Kauf genommen. Der Angeklagte hat somit auch schuldhaft, nämlich vorsätzlich gehandelt. Dagegen konnte mit Sicherheit festgestellt werden, dass sich der Angeklagte auch dadurch einer Verunglimpfung der Bundesrepublik schuldig gemacht hat, dass er von 'Kriegsvorbereitungen dieses Staates' gesprochen hat. Aus dem Wortlaut und dem Zusammenhang kann nicht mit Sicherheit geschlossen werden, dass der Angeklagte mit dieser Redewendung die Bundesrepublik Deutschland verunglimpfen wollte.
Möglicherweise wollte der Angeklagte sich durch diese Wendung nicht gegen den Staat als solchen richten, wenn er auch das Wort Staat verwandt hat. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte auch dann das Wort Staat verwendet, wenn er Personen oder Einrichtungen meint, die für den Staat handeln.
Bei der Strafzumessung war zu ungunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass die Bezeichnung der Bundesrepublik als 'Räuberstaat' an sich eine grobe Beschimpfung der Bundesrepublik darstellt. Andererseits war zugunsten des Angeklagten zu bewerten, dass er bisher noch nicht vorbestraft ist und dass die Verunglimpfung im Rahmen seiner sachlichen Verteidigung in einem umfangreichen Verfahren vor dem Schöffengericht erfolgt ist, bei dem neben den Verfahrensbeteiligten im wesentlichen nur Zuschauer vorhanden waren, welche die umfangreichen Ausführungen des Angeklagten mit Beifallskundgebungen begleiteten.
Bei Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umständen erschien daher eine Geldstrafe von 100 DM, ersatzweise fünf Tagen Freiheitsstrafe angemessen!“ (N.N.: Dortmund: Prozess wegen Beleidigung der Bundesrepublik, o. O., o. J. [1973], Amtsgericht Dortmund: Strafsache gegen den Lehramtsanwärter Klaus Dillmann, Dortmund, 29.8.1973.)
Der Prozess erfuhr eine spürbare Wende. Das Strafmaß wurde herabgesetzt. Und das Gericht begründete dies mit den Worten: „Bei der Strafzumessung war zu ungunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass die Bezeichnung der Bundesrepublik als 'Räuberstaat' an sich eine grobe Beschimpfung der Bundesrepublik darstellt. ... Bei Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umständen erschien daher eine Geldstrafe von 100 DM, ersatzweise fünf Tagen Freiheitsstrafe angemessen.“
Dies lief vermutlich auf eine Konzession hinaus, da die Herstellung der Öffentlichkeit gerade in diesem Prozess Staatsanwälten und Richtern nicht angenehm sein konnte, da ihre Namen dauernd erwähnt worden waren. Schließlich handelte es sich damals ja nicht um eine klassische Räubergeschichte, sondern um einen Prozess gegen einen Mitwirkenden bei den Rote Punkt Aktionen.
Die „Westfälische Rundschau“ berichtete am 30.8.1973 davon, dass der Rote Punkt Prozess ein „gerichtliches Nachspiel vor einem Einzelrichter“ hatte. „Die Anhängerschaft von Klaus D, war schon leicht geschrumpft, hielt sich auch mit Beifallskundgebungen sehr zurück, obgleich er umfassend und weitschweifig darzulegen versuchte, warum er die BRD Räuberstaat genannt hatte. Daraus folgerte der Staatsanwalt, Klaus D. sei ein Staatsfeind und müsse mit einer 600 DM Strafe belegt werden. Doch der Richter schloss sich weder Meinung noch Antrag an: 100 DM Geldstrafe wegen Beschimpfung der BRD“. (Vgl.: Westfälische Rundschau-Lokalteil Dortmund, Dortmund, 30.8.1973.)
Interessant war, dass die „Westfälische Rundschau“ hier von einem „Staatsfeind“ sprach, obwohl das Amtsgericht diese explizite Formulierung niemals benutzt hatte.
Am 30.4.1974 wurde im übrigen auch vom Landgericht Dortmund dem Presseverantwortlichen der „Roten Fahne“ der KPD/ML-ZB, Michael SCHULTE, untersagt, als „Verteidiger des Angeklagten“ aufzutreten. Die ihm vorab vom Gericht erteilte Genehmigung wurde widerrufen. Hauptsächliche Begründung des Gerichts: „Grundsätzlich können vor Gericht nur Rechtsanwälte und Rechtslehrer deutscher Hochschulen als Verteidiger auftreten.“ (Vgl.: Landgericht Dortmund: Beschluss zur Strafsache gegen Klaus Dillmann wegen Nötigung, Dortmund, 30.4.1974.)
Am 17.9.1974 begann in Dortmund vor der VI großen Strafkammer des Landgerichtes Dortmund die Berufungsverhandlung von Klaus DILLMANN wegen Nötigung, die am 20.9.1974 fortgesetzt wurde. (Vgl.: N. N.: Bericht über Landgerichtsprozess gegen einen Roten-Punkt-Demonstranten, o. O., o. J. [1974], Landgericht Dortmund: Anklageschrift gegen Klaus Dillmann, Dortmund 1974.)
Endgültig wurde Klaus DILLMANN am 20.9.1974 vom Landgericht Dortmund im Roten-Punkt-Prozess zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Monaten und 10 Tagen verurteilt.
Begründung des Gerichts: „Aus dieser Strafe (gemeint ist die vormals verhängte Geldstrafe gegen ihn in Höhe von 900 DM war unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Landgerichts Bochum vom 24. September 1973 eine Gesamtstrafe zu bilden.
Bei der Bemessung ihrer Höhe hat die Kammer die Strafzuermessungsgründe aus dem Urteil des Landgerichts Bochum berücksichtigt (gemeint war seine Verurteilung im sog. Spreti-Prozess, d. Vf.) noch einmal alle für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen und die Persönlichkeit des Angeklagten als eines Menschen, der uneinsichtig ist gegenüber der Rechtsordnung des Staates, in dem er lebt, abschließend beurteilt. Danach erschien eine Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Monaten und 10 Tagen als angemessen, erforderlich und ausreichend. Gründe, keine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden, sondern auf die Geldstrafe des vorliegenden Verfahrens gesondert zu erkennen, liegen nicht vor.“
Der Endpunkt eines über 3 Jahre dauernden Prozesses ging mit der Feststellung des Gerichts zu Ende, dass der Angeklagte „uneinsichtig ist gegenüber der Rechtsordnung des Staates, in dem er lebt“.
Viele bezeichneten damals den Richterspruch als „Gesinnungsurteil“. Mit anderen Worte: hier sollte die ideologische Überzeugung des Angeklagten zum Vorwand genommen werden, um ihn abzuurteilen. Ein Vorwurf, der auf das Gericht zurückfiel, weil Klaus DILLMANN bereits seit seinem Zeitungsartikel zur Entführung Spretis den Staatsschützern negativ aufgefallen sein dürfte. Und das Gericht benutze auch seine Verurteilung in diesem Prozess für die Bemessung des Urteils am 20.9.1974. An diesem Urteil war frappant, dass es nicht abgewogen war, sondern den Angeklagten auf eine Stufe mit Kriminellen stellte; denn auch diese sind „uneinsichtig gegenüber der Rechtsordnung des Staates“. Hier ging es auch darum, die Rolle des modernen Staates zu rechtfertigen, ihn zu verteidigen.
Der Prozess gegen Klaus DILLMANN war in den siebziger Jahren ein „Klassiker“, der später unterging. Ihm wurde auch nicht die Aufmerksamkeit zu teil, die er hätte haben müssen. So brachte es z. B. der Kommunistische Bund Westdeutschland es nicht fertig, bei seinen Auseinandersetzungen mit dem Frankfurter Magistrat (1974) sich an die Auseinandersetzungen in Dortmund und speziell an das Schicksal von Klaus DILLMANN zu erinnern. Der ganze Prozessverlauf entsprach einer Veranstaltung, eine Abrechnung mit dem persönlichen Geschick des Angeklagten, der auch zwischen den ML-Fronten hin- und hergerissen schien.
Der Schilderung vergangener Ereignisse sind Grenzen gesetzt. Zum einen ist niemand mehr bereit, sich an diesen Prozess zu erinnern und Auskunft zu geben. Zum anderen sind hier viele Berichte subjektiv gefärbt. Aus verschiedenen Aussagen, die mit meinen Kommentaren unterlegt sind, kristallisiert sich aber deutlich das Bild heraus, was sich tatsächlich abgespielt hat. Es bleiben Fragen, Zweifel, Widersprüche. Doch die Bilanz für ein Eintreten gegen Fahrpreiserhöhungen und staatlicher Willkür sollte sich nicht in einem Urteilsspruch niederschlagen, dass die Verhältnismäßigkeit weit überschreitet.
Weit überschritten wäre dann auch, was nach einem anonymen Bericht dem Angeklagten weiter drohte:
Laut einem anonymen Bericht „wird der Genosse verschärft verurteilt, wobei eine Vorstrafe einbezogen wurde: 4 Monate und 10 Tage Freiheitsentzug auf Bewährung, ferner 1 000 DM Geldbuße. Künftig muss er jeden Wohnort- und Arbeitsplatzwechsel dem Amtsgericht mitteilen“. (Vgl.: N. N. Bericht über Landgerichtsprozess gegen einen Roter-Punkt-Demonstranten, o. O., o. J. [1974], Landgericht Dortmund: Anklageschrift gegen Klaus Dillmann, Dortmund 1974.)
Unter dem Strich bleibt festzuhalten: der Prozess gegen Klaus DILLMANN erwies sich als das berühmte „Exempel Statuieren“. Wie in anderen politischen Prozessen, so war es die Zugehörigkeit zur KPD/ML, die vor Gericht stand. Warum diese unwillkürlichen Feindbilder vom Gericht genannt wurden, bleibt einem auch nach mehr als 30 Jahren verschlossen. Und warum sie auf so fruchtbaren Boden fallen mussten, ebenso.
Auf der Suche nach den Wurzeln für dieses Urteil stößt man schnell auf den Antikommunismus, der sich in einer Art historischen Kontinuität seit dem Adenauer-Staat blind fortzusetzen schien. In den siebziger Jahren erreichte er in der BRD einen gewissen Höhepunkt. Und nicht nur DILLMANN wurde gnadenlos abgeurteilt. Der Rechtsgedanke des Staates basierte praktisch darauf, dass man mir nichts, dir nichts zum „Verfassungsfeind“ erklärt wurde, was prinzipiell der Richterspruch vom 20.9.1974 auch verdeutlichte. Die „Gesinnung“ von Klaus DILLMANN ließ dies vermuten. Seine „staatsfeindliche Tätigkeit“ gipfelte doch nur in den Aktionen auf den Schienen im März/April 1971. Das Festhalten an den Gedankengängen des ADENAUER-Zuschnittsstaates muss heute einem modernen Staat konträr gegenüber stehen. Was heute Unrecht ist, war damals Recht. Das Urteil gegen Klaus DILLMANN war oberflächlich, parteiisch, unmenschlich genug. Und es war absolut nicht vertretbar.
ARP.......Aktionskomitee Roter Punkt ARP.......Aktionsrat Roter Punkt AStA......Allgemeiner Studentenausschuss AK........Aktionskomitee Bogestra..Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahn AG BSZ.......Bochumer Studentenzeitung CAJ.......Junge Christliche Arbeitnehmerschaft CSU.......Christlich Soziale Union CVJM......Christlicher Verein Junger Männer DFU.......Deutsche Friedens Union DGB.......Deutscher Gewerkschaftsbund DKP.......Deutsche Kommunistische Partei DruPa.....Industriegewerkschaft Druck und Papier ESG.......Evangelische Studentengemeinde FDP.......Freie Demokratische Partei FDJ.......Freie Deutsche Jugend FSJ.......Freie Sozialistische Jugend IdK.......Internationale der Kriegsdienstgegner JA........Junge Arbeitnehmerschaft JU........Junge Union JUSOS.....Jungsozialisten (der SPD) KBW.......Kommunistischer Bund Westdeutschlands KFR.......Kommunistische Fraktion im Ruhrgebiet für den Wiederaufbau der Kommunistischen Partei K-Gruppen.Kommunistische Gruppen KJVD Kommunistischer Jugendverband Deutschlands KND.......Kommunistischer Nachrichtendienst KPD.......Kommunistische Partei Deutschlands (ehemals Aufbauorganisation). KPD/ML-ZB.Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten-Zentralbüro (auch: Rote Fahne) KPD/ML-ZK.Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten-Zentralkomitee (auch: Roter Morgen) KSV.......Kommunistischer Studentenverband Liga......Liga gegen den Imperialismus MLDo......Marxisten-Leninisten Dortmund NRF.......Neues Rotes Forum (Heidelberg) PCE.......Kommunistische Partei Spaniens PEF.......Patriotische Einheitsfront der Türkei PH........Pädagogische Hochschule RUB.......Ruhruniversität Bochum RF........Rote Fahne RG........Rote Garde RGO.......Revolutionäre Gewerkschaftsopposition RM........Roter Morgen RP........Roter Punkt RP........Roter Punkt RP/GE.....Roter Punkt Gelsenkirchen RP/Do.....Roter Punkt Dortmund SDAJ......Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend SJD.......Sozialistische Deutsche Jugend- Die Falken SPD.......Sozialdemokratische Partei Deutschlands UB........Unterbezirksvorstand WAZ.......Westdeutsche Allgemeine Zeitung WR........Westfälische Rundschau
Alle wesentlichen Dokumente sind der Datenbank Dietmar Kesten/Jürgen Schröder: „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO) entnommen.
Letzte Änderung: 04.11.2019