Es wird hier nur direkt der Februarstreik 1973 bei Hoesch Dortmund behandelt, nicht seine Folgen oder seine Wahrnehmung anderswo. Auch 1973 war Hoesch mit diesem illegalen Streik wieder an der Spitze einer folgenden wilden Streikwelle, hunderte von Betrieben der Bundesrepublik mit illegalen klassenkämpferischen Aktionen überzog, wenn auch dieses Mal mit einer gewissen Verzögerung, aber oft auch deutlichem Bezug zu Hoesch.
07.02.1973:
Laut der GIM bei Hoesch Dortmund macht im Autrage der Betriebsleitung "Arbeitsdirektor Seiber einen Vorschlag für eine innerbetriebliche Lohnzulage, der eine Staffelung der Beträge nach einem Punktsystem zwischen 0 und 21 Pfennig beinhaltet. Bei dieser durchschnittlichen Lohnerhöhung von 5 Pfennig hätte die breite Masse der Kollegen so gut wie nichts, die oberen 5% der überdurchschnittlich Verdienenden bis zu 21 Pfennig mehr pro Stunde erhalten."
Für die Gewerkschaftsabteilung des ZK der KPD (vgl. März 1973) berichtet das RK Rhein/Ruhr der KPD (vgl. 11.1.1973, 8.2.1973), heute legt die Unternehmensleitung durch Vorstandsmitglied Sieber (Arbeitsdirektor) "dem Betriebsrat folgenden Vorschlag vor: Ab 1.1.1973 soll die Lohnerhöhung nach einem ausgeklüngelten Plan (Umrechnung der 46 Pfennig in Prozenten, Anhebung der oberen Punktzahlen) so aussehen, daß für die unteren Lohngruppen kein Pfennig über die 46 Pfennig mehr an Lohn herausspringen, für die Masse der Facharbeiter und angelernten Arbeiter wenige Pfennige, für die oberen Lohngruppen stufenweise bis zu 21 Pfennig. Im Betriebsrat der drei Werke wird dieser Vorschlag diskutiert. Es dringen Gerüchte ins Werk, daß der Vorschlag angenommen sei".
Die Zelle Hoesch Westfalenhütte Dortmund (vgl. 16.2.1973) erstattet den folgenden (vgl. 8.2.1973):"
STREIKBERICHT
7. Februar:
Die Unternehmensleitung legt durch Vorstandsmitglied Sieber (Arbeitsdirektor) dem Betriebsrat folgenden Vorschlag vor: Ab 1. 1. 1973 soll die Lohnerhöhung nach einem ausgeklüngelten Plan (Umrechnung der 46 Pfg. in Prozent, Anhebung der oberen Punktzahlen) so aussehen, daß für die unteren Lohngruppen kein Pfennig über die 46 Pfg. mehr an Lohn herausspringen, für die Masse der Facharbeiter und unangelernte Arbeiter wenige Pfennige, für die oberen Lohngruppen stufenweise bis zu 21 Pfg. Im Betriebsrat der drei Werke wird dieser Vorschlag diskutiert. Es dringen Gerüchte ins Werk, daß der Vorschlag angenommen sei.
Quellen: Kommunistische Arbeiterpresse Hoesch Nr. 21, Dortmund o. J. (16.2.1973), S. 4; Revolutionäre Gewerkschaftsopposition Nr. 2, Dortmund 1973, S. 23;Solidarität Sonderdruck Die Tarifbewegung 1972/73 und die Februarstreiks bei den HOESCH-WERKEN, Dokumentation, Analyse 2. Aufl., o.O. (Dortmund) o.J. (Apr. 1973), S. 6
08.02.1973:
Bei Hoesch Dortmund beginnt, laut KG (NRF) um 4 Uhr morgens ein Streik auf der Westfalenhütte, aus dem sich eine Demonstration aller 3 Werke zum Marktplatz entwickelt. Erkämpft wird eine Lohnerhöhung von 5 Pfennig.
Laut KB Bremen beginnt ein dreitägiger Streik, in dessen Folge es zu 8 Entlassungen kommt.
Die Marxisten-Leninisten (ML) Dortmund berichten heute, u.a. bei Hoesch vermutlich ab der Mittagsschicht:"
WEITERMACHEN
WESTFALENHÜTTE: SEIT 9 UHR STREIK! DIE MITTAGSCHICHT MUß SICH IN ALLEN WERKEN DEM STREIK ANSCHLIEßEN!
Seit heute früh, 9 Uhr streiken die Kollegen der Westfalenhütte: Der Grund, soweit er sich noch nicht rumgesprochen hat. Arbeitsdirektor Hölkeskamp hatte seinen Vorschlag für eine innerbetriebliche Zulage ausgeweitet: Schön gestaffelt, untere Lohngruppen (12-14 Pfennig) gar nichts, ab 15 Punkte EINEN Pfennig und dann so weiter bis zur höchsten Lohngruppe mit 21 Pfennig.
DIESE UNVERSCHÄMTHEIT KONNTE UND KANN SICH KEIN KOLLEGE BIETEN LASSEN!
Mit klaren Forderungen begann im neuen Kaltwalzwerk der Streik:
14 PFENNIG FÜR ALLE! BEZAHLUNG DER STREIKSTUNDEN!
Als sich eine Verhandlungskommission aus Vertretern aller drei Werke gebildet hatte, schlug der Vorstand 13 Uhr als Verhandlungstermin vor. Bis dahin sollte die Arbeit wieder aufgenommen werden.
EINMÜTIG WURDE DER VORSCHLAG ABGELEHNT: STREIK BIS 14 PFENNIG DURCHGESETZT SIND!"
Für die Marxisten-Leninisten (ML) Dortmund und die ML Castrop/Rauxel berichtet H. R. später (vgl. 16.2.1973):"
SELBSTÄNDIGER STREIK DER HOESCH-KOLLEGEN
Der Streik brach aus, als der Vorstand der Hoesch Ag bei den Verhandlungen über die betriebliche Zulage zu den 46 Pfg. des Tarifabschlusses einen Vorschlag machte, der den Interessen und Vorstellungen der Belegschaft vollkommen widersprach. Es sollten gestaffelt nach den betriebsinternen Punktesystem 0-21 Pfg. aufgeschlagen werden, was eine Umwandlung des linearen Abschlusses in einen prozentualen bedeutet hätte, der die Unterschiede zwischen den einzelnen Lohngruppen vergrößert.
Die Kollegen von Hoesch haben sich aber eindeutig seit der Festlegung der Tarifforderung für eine lineare Anhebung ausgesprochen. Weiterhin bedeutete der Vorschlag einen durchschnittlichen Zuschlag von 5 Pfg., während die Kollegen sich klar für insgesamt 60 Pfg., und das heißt eine Zulage von 14 Pfg. ausgesprochen hatten.
Da die Verhandlungskommission des Betriebsrats keine klare Front gegen das Unternehmerangebot bezog, legte die Belegschaft die Arbeit nieder, um ihr Ziel von 14 Pfg. durchzusetzen.
Der Betriebsrat unterstützte erst auf Druck der Streikversammlung diese Forderung und berief sich weiterhin auf seine Friedenspflicht nach dem BVG, zeigte er sich unwillig und auch nicht gewillt, den Kampf der Kollegen zu unterstützen. Es wurde ein SELBSTÄNDIGER ARBEITSKAMPF der Belegschaft, organisiert von einzelnen Initiativen Vertrauensleuten.
Da diese V-Leute kein arbeitsfähiges Gremium bildete und auch keine Streikleitung gewählt wurde, blieb die Organisierung des Streiks der Initiative einzelner überlassen, während er getragen wurde durch die BREITE MOBILISIERUNG DER GROßEN MEHRHEIT der Kollegen für ihre Forderung.
Hieraus müssen für die Zukunft zwei Lehren gezogen werden.
1.) Es hat sich gezeigt, daß Tausende von Kollegen geschlossen und einheitlich vorgehen können und daß sie dabei eine bedeutende Kraft darstellen. Als der Streik begann, gerieten die Vertreter des Kapitals in helle Aufregung. Die bürgerlichen Zeitungsschreiber sorgten sich, daß der Funke überspringen könne aufs gesamte Ruhrgebiet, die IG Metall-Führung um Loderer beschwerte sich über den 'wilden' Streik ohne ihre Genehmigung und BR-Vorsitzender Pfeiffer beklagte sich, daß er ja noch gar nicht richtig mit den Verhandlungen begonnen habe und der Streik deshalb zu früh käme. Alle erkannten eins: welche Gefahr darin liegt, wenn die Arbeiter ihre INTERESSEN ERKENNEN und die DURCHSETZUNG SELBST IN DIE HAND NEHMEN.
Doch die Macht von Tausenden Kollegen kam nicht zum tragen. Es wurden keine Belegschaftsversammlungen planmäßig und organisiert durchgeführt, die die Basis des Streiks hätte weiter verbreiten können.
Eine permanente Streikversammlung konnte nur an der Westfalenhütte durchgeführt werden, da hier die Basis des Streiks am größten war und eine alte Kantine als Versammlungsraum besetzt war.
Das ermöglichte die Entfaltung einer breiten, proletarischen Demokratie, bei der die Aufgaben von allen diskutiert und die Beschlüsse und Aktionen immer von der großen Mehrheit der Kollegen getragen wurde. Diese Mehrheit hätte jedoch verbreitert werden müssen durch das Einbeziehen der Kollegen der anderen Dortmunder Werke, um zu einer noch größeren Kraft zu werden, und sie hätte gesichert werden müssen durch den Kampf um die Sympathie der Dortmunder Bevölkerung, wie es uns die Velberter Kollegen beispielhaft vorgemacht haben.
2.) Diese Aufgaben hätten entscheidend vorangetrieben werden können, wenn eine organisierte Kraft dagewesen wäre. Eine gewählte Streikleitung hätte zum Beispiel die Initiative der fortschrittlichen klassenbewußten V-Leute zu einer geballten Kraft werden lassen. Diese Leitung hätte dafür gesorgt, daß der Streik nicht abgewürgt wird und versandet, sondern daß die Verhandlungskommission solange mit dem Vorstand am Tisch sitzen bleibt, bis die 14 Pfg. und die Streikschichten bezahlt würden, und daß bis zur Erfüllung dieser Forderung keine Arbeit angefaßt wird. Eine der wesentlichen Aufgaben für die Leitung liegt jedoch in der Organisierung des Streiks in allen Werken, d.h. in der Durchführung von Demonstrationen durch die noch arbeitenden Betriebe; in der Bekanntgabe aller Informationen und die Zurückweisung von Gerüchten und Verleumdungen, um die Kampffront nicht spalten zu lassen (so verbreiteten Betriebsräte auf der Hütte die Dummheit, die Kollegen des Phönix-Werkes hätten ein eigenes Nationalbewußtsein und würden deshalb nicht streiken, worauf ein Kollege richtig entgegnete: 'Es gibt nur eine Arbeiterklasse.' Die nationale und örtliche Gewerkschaftsleitung faßte den Streik ganz richtig auch als eine Aktion gegen sich und ihren Tarifabschluß auf und verurteilte den 'wilden' Streik. Schließlich würgten sie mit Hilfe einiger der Kollegen in den Rücken fallender V-Leute den Streik ab, indem sie behaupteten, der Streik habe keine Basis mehr und man müsse jetzt den BR stärken, und dann drehten sie das Mikrophon ab. Genauso argumentierte am darauffolgenden Tag auch die DKP-Betriebsgruppe, die ihre Aufgabe darin sah, nicht die fortschrittlichen V-Leute zu unterstützen und den Kampf der Kollegen zu organisieren, sondern zur Unterstützung derjenigen aufzurufen, die diesen Kampf permanent hintertreiben: BR und Gewerkschaftsführung!
So wird es die Aufgabe der Kollegen selbst sein, ein klares Wort zu sprechen über ihre Interessenvertretung, wenn sie die Lehren aus diesem Streik ziehen. Sie werden bei den anstehenden V-Leute-Wahlen (VLW - vgl. S2.*.1973, d.Vf.) die Kollegen unterstützen, die KONSEQUENT DEN ARBEITSKAMPF GEFÜHRT haben und sich dabei NACH DEN INTERESSEN DER ARBEITERKLASSE AUSRICHTEN. Der Aufbau eines klassenbewußten V-Leute-Körpers ist zur Zeit die einzige Möglichkeit für die Arbeiter im Betrieb, der klassenverräterischen Politik der Gewerkschaftsführung eine fortschrittliche Politik entgegenzusetzen."
Auch laut SAG beginnt der Streik um 4 Uhr morgens an der Feineisenstraße der Westfalenhütte, so daß bis 8 Uhr die ganze Westfalenhütte steht. Auch die Werke Phoenix und Union schließen sich an (vgl. 9.2.1973). Dies geschieht laut RFO Saarland am Vormittag. Gefordert worden seien 14 Pfennig. Laut KJO Spartacus streiken 15 000 bei Hoesch Dortmund.
Berichtet wird auch durch Spartacus B/L und die ASS Herne sowie von den ABG, u.a. in Regensburg im IGM-Bereich (vgl. 26.2.1973), bei Siemens (vgl. 23.2.1973) und so bei AEG (vgl. 26.2.1973):"
Zwei Tage ruhte in den Hoesch-Hüttenwerken Dortmund die Arbeit. Viele tausend Arbeiter zogen, trotz strömenden Regens, wie im Herbst 1969 durch die Straßen und forderten 14 Pfg. mehr. Gegen den unerbittlichen Widerstand der Stahl- Bosse und trotz der Weigerung von Loderer und der IGM-Führung, diesen Streik zu unterstützen, konnten die Hoesch-Stahlwerker sich 5 Pfg. mehr erkämpfen."
Laut der GIM bei Hoesch Dortmund stößt der Vorschlag "der Betriebsleitung auf Empörung und die Erinnerung an den September 1969 wird wieder wach. Um 4 Uhr früh treten die Kollegen der Westfalenhütte in den Streik. Binnen weniger Stunden dehnt er sich auf das ganze Werk aus. Im Laufe des Vormittags schließen sich die Kollegen von Union und Phoenix der Arbeitsniederlegung an. Die Forderung lautet unmißverständlich: 14 Pfennig mehr für alle."
Anläßlich des heute beginnenden sechzigstündigen Streiks bei den Dortmunder Hoeschwerken wirft die KPD den ML Dortmund vor verspätete und teilweise falsche Kommentare zu verbreiten. Die KPD/ML-ZK nahe Gewerkschaftsoppositionsgruppe (GOG) habe heute ihre Betriebszeitung herausgegeben, in der "kein Wort zum Streik stand", was ja eigentlich nicht verwunderlich ist.
In den folgenden Flugblättern aber habe die GOG im Großen und Ganzen richtig informiert. Die KPD/ML-ZK aber sei nicht als Avantgardepartei aufgetreten. Sie verteilte ein Flugblatt "Kollegen - bildet die Vorhut".
Laut dem Gewerkschaftlichen Maikomitee 1974 der KPD streiken "die Hoesch-Arbeiter. 1 500 forderten: 14 Pfennig mehr für alle! Bezahlung aller Streikstunden! 3 Tage lang stand die Front. Dann gelang es den Kapitalisten im Verein mit der reaktionären IGM-Führung, die den Streik für illegal erklärt hatte, den Kampf abzuwürgen! Das Ergebnis: 5 Pfg. mehr. Keine bezahlte Streikstunde. Die Abwiegler sind es, die heute die Kollegen aus der Gewerkschaft ausschließen (aufgrund der UVB, d.Vf.), die klar sagen, daß wir nicht mit Verhandlungen, sondern nur durch Streik höhere Löhne bekommen - auch gegen den Willen der Gewerkschaftsführung. Diese Bonzen sind es, die die spontane Kampfbereitschaft der Belegschaft seit dem Februarstreik immer mehr unterdrücken. Doch die Forderungen der Kollegen nach höheren Löhnen bestehen weiterhin; denn durch Preistreiberei, niedrige Tarifabschlüsse und Steuerprogression bringen die Arbeiter immer weniger Geld nach Hause".
Für die Gewerkschaftsabteilung des ZK der KPD (vgl. März 1973) berichtet das RK Rhein/Ruhr der KPD (vgl. 7.2.1973, 9.2.1973), wobei auch die Zelle Hoesch-Westfalenhütte (vgl. 16.2.1973) den detaillierten Streikbericht verbreitet
Am 8.Februar dieses Jahres reichte es den Dortmunder Stahlarbeitern von Hoesch. Nach 15 Monaten ansteigender Produktion und verschärftem Arbeitstempo, nach 15 Monaten immer schneller steigender Preise, nach Brandts Lohnstopp-Appellen und Ankündigung von Steuererhöhungen, nach über einem Jahr, in dem nicht das kleinste Lohnzugeständnis gemacht worden war, machte der 46 Pf.-Tarifabschluß im Januar und ein provozierender Vorschlag der Kapitalisten zur innerbetrieblichen Lohnerhöhung das Maß voll.
15 000 Hoesch-Arbeiter ließen sich 3 Tage lang durch nichts von ihrer Forderung nach 14 Pfennig mehr für alle und Bezahlung der Streikstunden abhalten, weder durch Entlassungs- und Polizeidrohungen, noch durch die Kampfansage der IGM-Spitze vom 9. und 10. Februar. Der Streik endete mit einer Niederlage. Wenn uns aber eins an diesen 3 Tagen zuversichtlich macht, dann das: die Arbeiterklasse denkt nicht daran, Brandts arbeiterfeindliches 'Stabilitäts'konzept zu schlucken. Auf's Ruhrgebiet kommt, wenn uns nicht alles täuscht, ein 'heißer Sommer' 1973 zu."
Berichtet wird vom Streik, zunächst tragen Vertrauensleute und Betriebsräte "die Information über das Angebot der Unternehmensleitung unter die Kollegen der Nachtschicht. Der Vorschlag ruft bei den Kollegen Wut und Empörung hervor.
4 Uhr: Die Kollegen der Feineisenstraße auf der Westfalenhütte legen die Arbeit nieder.
6 Uhr: Mit Beginn der Frühschicht beginnen kämpferische Vertrauensleute und einzelne fortschrittliche Kollegen im ganzen Werk die Parole 'Streik!' zu verbreiten. Die Eisenbahner legen geschlossen die Arbeit nieder. Aus den Kranfahrern der Kaltwalzwerke, den Schlossern verschiedener Abteilungen, aus einzelnen kämpferischen Kollegen bilden sich kleine Trupps streikwilliger Kollegen, die durch die Abteilungen ziehen und zum Streik aufrufen. 'Streik!' Treffpunkt alte Kantine! Versammlung vorm Haupttor!', lauten die Parolen. Zuerst vereinzelt und zögernd, nach und nach in ganzen Kolonnen schließen sich die Kollegen dem Streik an und marschieren zur alten Kantine. In verschiedenen Abteilungen versuchen Vorarbeiter und Meister, die Kollegen am Streik zu hindern, doch die Kollegen setzen sich durch, in einzelnen Fällen, wie in der Mechanischen Hauptwerkstatt, mit Gewalt.
10 Uhr: Die Arbeit in den wichtigsten Abteilungen des ganzen Werks ruht. Die Kollegen dringen in die alte Kantine ein, die damit für die nächsten 58 Stunden zum Streiklokal wird und halten eine Streikversammlung ab. Die beiden Hauptforderungen des Streiks werden beschlossen:
14 PFENNIG FÜR ALLE!
BEZAHLUNG DER STREIKSTUNDEN!
Ca. 1000 Kollegen finden sich vorm Haupttor ein und fordern in Sprechchören: 14 PFENNIG!
Gleichzeitig beginnt der Streik auf die Werke Union und Phoenix überzugreifen. Das Blockwalzwerk auf Union, das Blechwalzwerk auf Phoenix stehen still.
11.30 Uhr: Betriebsratsvorsitzender Albert Pfeiffer kommt in die alte Kantine, wo nach wie vor 1 000 Kollegen in kleinen Diskussionsgruppen stehen und sitzen.
Er erklärt der Versammlung, daß die Unternehmensleitung für 13 Uhr Verhandlungen angeboten hat, daß sie aber nicht bereit sei, unter Druck zu verhandeln und deshalb die Kollegen auffordert, die Arbeit wieder aufzunehmen. Ein einziges Pfeifkonzert ist die Antwort der Kollegen. VK-Leitungsmann Borchert ruft unter dem Beifall der Anwesenden durchs Mikrofon: 'Der Druck wird nicht von uns, sondern von dem Angebot des Vorstands ausgelöst. Wir streiken weiter bis die 14 Pfennig zugestanden sind.'
12 Uhr: Ein Kollege teilt über das Mikrofon mit, daß im Siemens-Martin-Werk 3 die Kollegen noch arbeiten und ruft dazu auf, zum SM 3 hinzuziehen. Spontan ziehen ca. 300 Kollegen durch das Kaltwalzwerk zum SM 3. Wo noch vereinzelt Kollegen arbeiten, ruft der Trupp ihnen zu: 'Stop! Stop! Stop!', und überzeugt sie, die Arbeit niederzulegen.
Ein Trupp jüngerer Kollegen springt auf eine werkseigene Draisine und fährt winkend und rufend dem Zug voraus. Im SM 3 verteilen sich die Kollegen zunächst unschlüssig über die ganze Halle und suchen nach den noch arbeitenden Kollegen. Nach und nach stoßen sie auf die einzelnen Kollegen, die den Trupps erklären, daß sie gerne streiken würden, aber Angst haben, allein dem scharfen Vorarbeiter als Streikender gegenüberzutreten. Gemeinsam ziehen die Kollegen zum Vorarbeiter.
Um 13.30 Uhr wird ein Notdienst für die Stahlöfen eingerichtet, die übrige Abteilung legt die Arbeit nieder.
14 Uhr: Schichtwechsel. Die Parteizelle verteilt ein Flugblatt, das die Kollegen der Mittagschicht über den Streik und seinen bisherigen Verlauf informiert und sie zur Weiterführung des Streiks auffordert. Viele Kollegen der Frühschicht kommen vors Tor, diskutieren mit den Flugblattverteilern und mit den ankommenden Kollegen. Viele Kollegen kommen gleich mit in die alte Kantine. Andere gehen an ihre Arbeitsplätze und organisieren dort den Streik. Die Mittagschicht der Westfalenhütte nimmt fast geschlossen die Arbeit nicht auf. Gegen Mittag fahren Genossen der KPD nach Velbert, informieren den Ausschuß der Akkordarbeiter über den Streik bei Hoesch und fordern den Ausschuß auf, den streikenden Hoesch-Kollegen eine Solidaritätsadresse zu überbringen.
16.45 Uhr: Betriebsratsvorsitzender Pfeiffer teilt der Streikversammlung das Ergebnis der Verhandlungen mit: 'Die Werksleitung hält an ihrem Vorschlag fest. Keinerlei Zugeständnisse an die Streikenden.' Borchert und Kett vom VK fordern die Kollegen auf, weiterzustreiken. 'Kollegen, die Dockarbeiter von London haben mehrere Monate gestreikt, ein paar Wochen werden wir auch noch durchhalten!' Vollständig einheitlich stimmt die Versammlung der Fortführung des Streiks zu.
17 Uhr: Ein Teil der Versammlung zieht zur Hauptverwaltung. Ca. 100 Kollegen stürmen ins Haus (reißen die Türen des leeren Sitzungssaales auf, lachen über Plüsch und Marmor). Der Hauptvorstand ist allerdings im Haus nicht mehr anzutreffen. Mitglieder der VK-Leitung stellen sich vor den Eingang und sagen: 'Kollegen, das Haus ist leer, hier sind nur noch Putzfrauen, das hat doch alles keinen Sinn.'
Die nachströmenden Kollegen kehren daraufhin zur alten Kantine zurück, die im Haus befindlichen Kollegen kommen wieder zurück.
18.30 Uhr: Der Streik bei Phoenix und Union hat sich ausgedehnt, erfaßt aber längst nicht alle Abteilungen. Hartnäckig hält sich auf der Westfalenhütte das Gerücht, Phoenix und Union würde wieder voll arbeiten und würden dem Streik in den Rücken fallen. Spontan brechen verschiedene Kollegen auf um nach Phoenix zu fahren. Es gibt widersprüchliche Berichte einzelner Kollegen und Vertrauensleute. Nach wie vor ist klar, daß verschiedene Abteilungen weiterarbeiten.
Die Kollegen von der Hütte werden vom Werksschutz aus dem Werk Phoenix herauskomplimentiert.
21 Uhr: Ein Vertreter des Akkordarbeiter-Ausschusses der streikenden Velberter Arbeiter von HuF trifft in Dortmund ein. Obwohl sich einige VK-Mitglieder dagegen aussprechen, spricht er unter dem Beifall der Kollegen vor der Streikversammlung.
22 Uhr: Schichtwechsel. Die Nachtschicht schließt sich voll dem Streik an. Bis auf Hochofen 7 steht auf der Hütte alles still. Die ganze Nacht über halten sich bis zu 500 Kollegen in der alten Kantine auf. Die Genossen der Zelle diskutieren mit den Kollegen über den Streik, über die Erfahrungen der Septemberstreiks, über die Politik der Gewerkschaftsführung. Kollegen, die kurz in die anderen Werke und Abteilungen fahren, berichten: 'Alles steht!'
Erst gegen Morgen leert sich die Versammlung. Die Kollegen gehen - nach der Aufforderung durch die VK-Leitung - in die Kauen, um der Frühschicht den Auftrag zu übergeben: 'Weiterstreiken!'"
Der KSV der KPD (vgl. März 1973) berichtet (vgl. 9.2.1973):"
WIE KAM ES ZU DEM STREIK UND WIE IST DIESER SCHEINBARE WIDERSPRUCH ZU ERKLÄREN?
Die ROTE FAHNE schreibt zur Vorgeschichte des Streiks:
'Seit Monaten wuchs bei Hoesch die Unzufriedenheit und Kampfbereitschaft der Kollegen. Bei massiv steigenden Produktionsziffern wurden im letzten Jahr 1200 Arbeitsplätze eingespart, d. h. unerträglich steigende Arbeitshetze zusätzlich zu dem zermürbenden Drei- und Vierschichtbetrieb.
Löhne, die bei der Masse der Hoesch-Kollegen ohne Überstunden netto ca. 900 DM ausmachen, d. h. ständiger Zwang zu Überstunden. Diese Situation führte in den letzten Monaten zu verschiedenen Streiks, die aber allesamt erfolglos verliefen. Eine Ausweitung wurde jedesmal mit dem Versprechen verhindert, die laufenden Verhandlungen mit der Werkleitung würden Veränderungen in der Lohnsituation ergeben.' (RF Nr. 7/1973).
Nachdem schon der verräterische Tarifvertragsabschluß der Gewerkschaftsspitze von 46 Pfg. in der Urabstimmung bei Hoesch eine eindeutige Abfuhr bekommen hatte (in der Westfalenhütte über 80% Nein-Stimmen), gab der Ausschlag für den Streik ein vom Arbeitsdirektor ausgearbeiteter Plan 'für Lohnerhöhungen', der für die unteren Lohngruppen keinen Pfennig Lohnerhöhungen über die tariflichen 46 Pfg., für die Masse der Facharbeiter und ungelernten Arbeiter wenige Pfennige, dafür aber für die oberen Lohngruppen stufenweise bis zu 21 Pfennig Lohnerhöhungen vorsah.
Aus Wut und Empörung über diesen so offen auf Spaltung der Kollegen ausgerichteten Plan legen anfangs die Arbeiter der Feineisenstraße und die Eisenbahner und schließlich - nachdem durch Trupps kämpferischer Vertrauensleute und einzelner fortschrittlicher Kollegen die Streikparole in die anderen Abteilungen getragen worden ist - die wichtigsten Abteilungen des ganzen Werkes Westfalenhütte die Arbeit nieder.
Die Forderungen '14 Pfg. mehr für alle!' und 'Bezahlung der Streikstunden!'. Gleichzeitig wird der Kontakt zu den Union- und Phönix-Werken hergestellt. Bald stehen auch das Blockwalzwerk auf Union und das Blechwalzwerk auf Phönix still. Auf der Streikversammlung, die in der alten Kantine der Westfalenhütte stattfindet, tuen sich v. a. einige Vertreter der Vertrauenskörperleitung verbal durch die besonders kämpferische Parolen hervor. Als der Betriebsrats-Vorsitzende Pfeiffer, der Rolle, die das Betriebsverfassungsgesetz ihm zuweist, gerecht zu werden versucht, indem er das Angebot der Unternehmensleitung bekanntgibt, in Verhandlungen - 'allerdings ohne Druck von unten' - d. h. erst nach Wiederaufnahme der Arbeit einzutreten, macht sich der VK-Leitungsmann Borchert noch stark:
'Der Druck wird nicht von uns, sondern von dem Angebot des Vorstands ausgelöst. Wir streiken weiter, bis die 14 Pfg. zugestanden sind.'"
Die KPD/ML-ZK bzw. KPD/ML meint, daß die DKP schuld an der Niederlage sei (vgl. 11.10.1974).
Die DKP berichtet:"
NICHT 46 SONDERN 60 PFENNIG! DARUM BEI HOESCH WESTFALENHÜTTE PHOENIX UNION STREIK!
'Unsere Geduld ist zu Ende!' 'Sind wir denn nur noch Dreck in der Gosse?' 'Das Maß ist voll!' 'Wir wollen unsere ursprüngliche Forderung von 60 Pfennig durchsetzen!'
Das ist die Auffassung der Mehrheit der Hoesch-Belegschaft. Darum haben mehrere tausend Kollegen aller drei Werke am Donnerstag um 8 Uhr die Arbeit niedergelegt, um den Verhandlungen des Betriebsrates um eine lineare Erhöhung des Lohnes um insgesamt 60 Pfennig Nachdruck zu verleihen."
In einem Interview berichtet das DKP-Mitglied Otto Meyerling, Betriebsrat bei Hoesch und einer der Entlassenen auf die Frage:"
Der Vorstand der IG Metall bezog während des berechtigten Streiks der Hoescharbeiter eine sehr unklare Haltung. Wie schätzt du die weitere Gewerkschaftsarbeit ein?
OTTO MEYERLING: Es gab und gibt starke Kritik am Verhalten führender Gewerkschaftsfunktionäre. Daraus folgt, daß wir darum kämpfen müssen, daß die Gewerkschaft auf allen Ebenen die gleiche, an den Interessen der Arbeiter im Betriebe orientierte Politik macht. Aber dabei ist zu beachten: Gerade die Unternehmer haben indirekt versucht, die entstandenen Schwierigkeiten in unserer Gewerkschaft zu fördern und zu vergrößern. Das ist nämlich ihr Interesse, unsere Einheit und damit unsere Kraft zu schwächen. Deswegen sind sich die Kollegen über eins klar: Wir alle sind die Gewerkschaft und wir brauchen eine starke, einheitliche Gewerkschaft, besonders im Betrieb! Das hat auch die Arbeit unseres Vertrauensleutekörpers gezeigt."
Die anarchistische Zeitung 'Befreiung' Köln (vgl. Apr. 1973) berichtet:"
HOESCH-STREIK
DGB-Vorsitzender Vetter sah schon im Dezember dunkle Wolken von wilden Streiks aufziehen, wenn es nicht gelingen sollte, die Kluft zwischen Teuerung und Einkommen zu schließen. Zu dieser Zeit ging es der Wirtschaft bereits besser und sie schwamm auf einer neuen Konjunkturwelle. So waren in der Stahlindustrie bereits im Dezember 1972 von 33, 6 Mio. Arbeitsstunden 10, 2% Überstunden. Im Vergleich zu Januar 1972 stieg die Stahlproduktion im Januar 1973 um 26, 2%. trotz dieses Aufschwungs wurde weiter entlassen. Innerhalb eines Jahres reduzierte man die Belegschaft der Stahlindustrie um 25 000 Arbeiter. Steigende Produktivität und schrumpfende Belegschaft waren die Ausgangslage zur diesjährigen Tarifrunde. Daß sich die IGM-Führung in dieser Situation mit 8, 5% abspeisen ließ, spricht deutlich für ihren Verrat. Nun traten die Kollegen als Tarifkommissionen auf und in vielen kleinen Streiks holten sie sich das, wofür die Idioten der IGM wochenlang geredet haben. Mit ihrer Forderung nach 14 Pfennig mehr für jeden machten die Kollegen von Hoesch endlich Schluß mit dem Lohnsystem, das doch nur zur Spaltung der Arbeiter beiträgt. Sie zeigten den Unternehmern, daß sie auch nicht mit internen Tarifabschlüssen - sprich Haustarif - mitmachen werden. Mit ihrer 14-Pfennig-Forderung stellten sie die alte 60-Pfennig-Forderung wieder her. Mit ihrem Verhalten zeigten sie mehr Solidarität und bewiesen der Gewerkschaftsführung, wie man kämpft; daß sie trotzdem nicht alles bekamen lag an dem verräterischen Verhalten der IGM-Führung, die aus Angst vor weiteren unzufriedenen Kollegen und den Unternehmern, den Streikenden in den Rücken fielen und ihre Arbeitsniederlegung als illegal bezeichneten. Es sprach ihre Angst daraus, daß die Aktionen überspringen und man langsam erkennt, daß man das, was man will, sich selbst holen muß. Die Gewerkschaftsleitung versuchte mit Hilfe der Vertrauensleute den Streik zu unterdrücken und unter ihre Kontrolle zu bringen. Als dies nicht funktionierte, versuchte sie, die Solidarität der Arbeiter zu brechen. Als die Geschäftsleitung gegen acht Arbeiter die Entlassung aussprach, konnten auch die Gewerkschaftsbonzen nicht anders, - um ihre Glaubwürdigkeit nicht ganz zu verlieren - sie verhandelten mit der Geschäftsleitung - die Entlassungen wurden zurückgezogen.
War dieser Streik ein Erfolg?
Zum Teil.
Er zeigte deutlicher als bisher, wer die Interessen der Arbeiter wahrnimmt, und dies müssen und werden die Arbeiter lernen: Nicht die Gewerkschaftsbonzen, denen sie jahrelang vertraut haben und die es bisher immer wieder verstanden haben, das Vertrauen zu erschleichen: Sondern nur sie selber!"
Für den 'Express' u.a. des SBü berichtet Eberhard Schmidt (vgl. 9.2.1973):"
Es ist nicht zufällig, daß es der Arbeitsdirektor Dr. Sieber war, der nach dem enttäuschenden Tarifabschluß Anfang Januar dem Betriebsrat den provokatorischen Vorschlag machte, die Löhne innerhalb des Betriebes stufenweise zu erhöhen, und zwar derart, daß die ursprüngliche Forderung nach gleicher Erhöhung für alle Lohngruppen durch neue prozentuale Erhöhungen wieder unterlaufen werden sollte. Die Aufsplitterung der Arbeiter in möglichst viele Lohngruppen und die Ausweitung der Lohnunterschiede ist nach wie vor ein zentrales Mittel unternehmerischer Interessenpolitik, um die Solidarisierung der Arbeiter untereinander zu behindern. Hinzu kam in diesem Falle die Provokation, daß 2 021 Kollegen in die niedrigeren Lohnstufen gar nichts bekommen hätten, 1 300 Kollegen einen Pfennig mehr pro Stunde und ganze 110 Kollegen mehr als 14 Pfennige. Die große Masse sollte nach diesem Vorschlag weniger als 5 Pfennige erhalten.
DER VERLAUF DES STREIKS
Als die Nachricht von diesem Angebot der Unternehmensleitung sich im Betrieb verbreitet, legen am 8. Februar die Arbeiter in der Feineisenstraße, die vorwiegend in niedrigeren Lohngruppen arbeiten, um 4 Uhr morgens spontan die Arbeit nieder. Bis morgens 8 Uhr hat sich der Streik auf die gesamte Westfalenhütte und die Werke Phoenix und Union ausgeweitet. Die Forderung lautet einheitlich: 14 Pfennige pro Stunde mehr. Diese Forderung entspricht der alten Tarifforderung nach 60 Pfennigen, von denen in den Tarifverhandlungen nur 46 Pfennige durchgesetzt worden waren. Die Unternehmensleitung weigert sich zunächst zu verhandeln. Erst am Nachmittag kommt es zu einer gemeinsamen Sitzung zwischen dem Unternehmensvorstand und den Betriebsräten. Die Unternehmensleitung bleibt hart. Sie ist offenbar entschlossen, auf keinen Fall nachzugeben. Die IG Metall enthält sich jeder Stellungnahme. Inzwischen findet in der alten Fahrradhalle der Westfalenhütte eine permanente Versammlung der Arbeiter statt, die auf das Verhandlungsergebnis warten. Die Vertrauensleuteleitung wird von der Versammlung zur Streikleitung bestimmt. Man beschließt am folgenden Tag, Freitag, 9. Februar, eine Demonstration auf dem Alten Markt in Dortmund zu veranstalten."
Ebenfalls für den 'Express' berichten Walter Müller-Jentsch und Otto Jacobi von der Stahltarifrunde (STR) in NRW bzw. von Hoesch Dortmund:"
FORTSETZUNG DER TARIFRUNDE DURCH DIE KOLLEGEN IN DEN BETRIEBEN
1. Das in der Tarifverhandlung in der Stahlindustrie ausgehandelte Ergebnis (46 Pfennig lineare Erhöhung gegenüber einer Forderung von 60 Pfennig) hat nicht die Zustimmung der Kollegen gefunden. Unmißverständlich hatten sie in der zweiten Urabstimmung mit einer Zweidrittel-Mehrheit der abgegebenen Stimmen (bei Hoesch sogar mit einer Dreiviertel-Mehrheit) den ausgehandelten Kompromiß abgelehnt. Obgleich die Erklärungsfrist gegenüber dem Unternehmerverband noch nicht abgelaufen war, nahm der Vorstand der IG Metall das Abstimmungsergebnis nicht zum Anlaß, in neue Verhandlungen mit den Unternehmern einzutreten. Ihm genügte, daß die Ablehnung nicht die satzungsgemäße Quote von 75% aller Stimmberechtigten gefunden hatte, um die Tarifrunde in der Stahlindustrie abzuschließen, die - nebenbei gesagt - das Orientierungsdatum für die folgenden Tarifverhandlungen (metallverarbeitende Industrie; öffentlicher Dienst (ÖD - ÖTV-Bereich, d.Vf.) setzte.
2. Für die Kollegen in den Betrieben war die Tarifrunde damit keineswegs beendet. Die lineare Erhöhung von 46 Pfennig, die einer Tariflohnerhöhung von durchschnittlich 8, 5% entsprach, machte - auf die Effektivverdienste umgerechnet - nur durchschnittlich 6, 5% aus. Bei Preissteigerungsraten in gleicher Höhe mußten die zusätzlichen Lohnsteuerbelastungen und gestiegenen Sozialversicherungsbeiträge zu einer Senkung der realen Nettoeinkommen führen. Die Unzufriedenheit der Kollegen mit dem Tarifabschluß ist daher nur zu verständlich. Die nach dem Abschluß bekannt gegebenen Preiserhöhungen in der Automobilindustrie haben diese Unzufriedenheit noch bestärkt.
3. Unzufriedenheit nach Tarifrunden wird in den großen Konzernen häufig durch Vereinbarungen über zusätzliche Erhöhungen zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat aufgefangen. Darin besteht eine wesentliche konfliktmindernde Funktion der Betriebsräte. Dies geschah auch diesmal. Aber offenbar war die Unzufriedenheit der Kollegen größer als die Konzessionsbereitschaft der Unternehmer.
Schon vor dem Hoesch-Streik war es in mehreren Betrieben zu spontanen Arbeitsniederlegungen wegen Anschlußforderungen gekommen. Aber erst der Massenstreik von 15 000 bis 20 000 Hoesch-Arbeitern hat die Unzufriedenheit der Stahlarbeiter zu einem Politikum gemacht. So unmittelbar nach einem Tarifabschluß wurde in dieser Größenordnung bislang noch nicht 'wild' gestreikt. Die konfliktlösende und den sozialen Frieden stiftende Funktion der Tarifautonomie ist damit ernsthaft in Frage gestellt worden.
4. Wirkungsvoller konnten die Hoesch-Arbeiter ihre Kritik an der Vertretungspolitik der IG-Metall-Führung kaum zum Ausdruck bringen. Die ihnen nach dem für den Vorstand so blamablen Urabstimmungsergebnis in Aussicht gestellte 'Mitgliederschelte' fällt nun auf den selbstherrischen Vorstand zurück, ohne daß die Unternehmer über die aufgetretenen Differenzen zwischen Basis und Führung froh werden können. Was die Gewerkschaftsführungen von der ursprünglichen Forderung abgeschrieben hatte, wird nicht nur von den streikenden Kollegen bei Hoesch, sondern auch in zahlreichen betrieblichen Verhandlungen jetzt nachgefordert. Für die gewerkschaftliche Basis war zumindest diese Tarifrunde kein Teppichhandel. Dafür war die Forderung schon in der Tarifkommission zu niedrig heruntergehandelt worden, als daß von ihr - wie üblich - weitere 20 bis 30% einem Kompromiß geopfert werden konnten.
5. Die Krise der gewerkschaftlichen Vertretungspolitik hat der Streik der Hoesch-Arbeiter auf drei Ebenen sichtbar gemacht. Erstens: Der großflächigen Tarifpolitik ist es bislang nicht gelungen, den übertariflichen Lohnerhöhungsspielraum in der Großindustrie einzuschränken. Häufig machen die übertariflichen Bestandteile ein Drittel und mehr des Effektivverdienstes aus. Lohnerhöhungen, deren Bezugsbasis die Tariflöhne bleiben, werden in der Regel zu niedrig kalkuliert. Im Falle Hoesch machen 8, 5% Tariflohnerhöhung nur 6, 4% Effektivlohnerhöhung aus.
Zweitens: In der Vertretungspolitik der Gewerkschaften finden Wachstums- und Stabilitätsgesichtspunkte eine stärkere Berücksichtigung als die Mitgliederinteressen, weil die Gewerkschaftsführungen im Gegensatz zu den Unternehmern immer 'das große Ganze' im Auge haben.
Drittens: Die Vertretungspolitik degradiert die Mitglieder zu Empfängern von Leistungen, die der Vorstand oder seine nachgeordneten Bezirksleitungen ohne Mitgliederbeteiligung aushandeln. Daß die Tarifkommissionen in ihren Beschlüssen noch den Mitgliederwillen zum Ausdruck bringen, kann nach den letzten Ereignissen keiner mehr behaupten. Die unterlassene Aktivierung und Beteiligung der Mitglieder bedeutet aber, daß Durchsetzungschancen ungenutzt bleiben.
Angesichts dessen muß Loderers Kommentar, daß die 'wild' Streikenden die gewerkschaftliche Aktionsfähigkeit gefährden, wie reiner Hohn klingen.
6. Die streikenden Hoesch-Arbeiter akzeptierten nicht das Angebot der Unternehmensleitung, auf die tarifliche Erhöhung von 46 Pfennig Zulagen nach einem abgestuften Punktsystem zu zahlen, demzufolge der Hilfsarbeiter zusätzlich 1 Pfennig, der hochqualifizierte Facharbeiter jedoch 21 Pfennig bekommen sollte. Entgegen der Aussage des Vorstandsmitglieds und Tarifexperten Hans Mayr, daß die lineare Erhöhung Ursache der Unzufriedenheit gewesen sei, streikten die Hoesch-Arbeiter gerade für den Restbetrag der linearen Forderung und lehnten das auf die Spaltung der Arbeiterschaft zielende Unternehmerangebot ab.
Wie nicht anders zu erwarten, hat der IG Metall-Vorstand zur Zufriedenheit der bürgerlichen Öffentlichkeit seine Ordnungsfunktion voll wahrgenommen und den Streik sowie die Forderung der Streikenden als gewerkschaftsschädigend gebrandmarkt. In der ZDF-Sendung 'Bilanz' (Sonntag 11.2.) in der eine Scheindiskussion zwischen 100 'Arbeitnehmern' (vorwiegend Betriebsräte) und vier Gewerkschaftsvorsitzenden ablief, hat der erste Vorsitzende Loderer die Stirn gehabt, der linearen Forderung die Schuld für die Unzufriedenheit der Kollegen zu geben - dies just zu dem Zeitpunkt, als die Hoesch-Arbeiter für den Rest der linearen Forderung streikten. Erlauben konnte Loderer sich diese dreiste Lüge, weil die vier ursprünglich eingeladenen Hoesch-Kollegenwohl nicht zuletzt auf seine Intervention hin wieder ausgeladen wurden. Sicherlich wäre die Diskussion im ZDF-Studio anders verlaufen, wenn die vier Dortmunder Vertrauensleute nicht ausgesperrt worden wären. Loderer hätte sich dann nicht so leicht der Diskussion über den Hoesch-Streik entziehen können.
7. Aus dieser Tarifrunde, aus der allgemeinen Unzufriedenheit in den Betrieben, bestätigt durch den Hoesch-Streik, lassen sich folgende Lehren ziehen:
Der Vorstand der IG Metall und seine Bezirksleitungen werden - wie in den letzten 20 Jahren - weiterhin offizielle Streiks im Ruhrgebiet zu verhindern suchen. Aufgrund der aktiven und zur Vorstandslinie oppositionellen Gewerkschaftsgruppen müssen sie befürchten, daß Streiks im Ruhrgebiet eine Eigendynamik und Durchschlagskraft bekommen, die weder der Vertretungspolitik des Vorstands, noch der 'Stabilitätspolitik' der Regierung förderlich wäre. Ohne Streiks jedoch können die Mitgliederinteressen auf Dauer nicht wirksam gegen die 'Stabilitätsforderungen' durchgesetzt werden. Notwendig sind daher innerorganisatorische Veränderungen der IG Metall.
Die Tarifkommissionen repräsentieren schon lange nicht mehr die Mitgliederinteressen. Vorstand und Bezirksleitung kontrollieren nicht nur den Zugang zur Tarifkommission; sie üben über den Kanal der Geschäftsführerkonferenzen und ihre wissenschaftlichen Experten massiven Einfluß auf die Entscheidungen der Tarifkommissionen aus. Notwendig ist daher sowohl eine Rechenschaftspflicht der Kommissionsmitglieder gegenüber den Kollegen, die sie vertreten, als auch eine Wahl durch die Vertrauensleute (letzteres ist auf dem letzten Gewerkschaftstag der IG Chemie (CPK - vgl. **.**.197*, d.Vf.) bereits durchgesetzt worden).
Die Resolutionen zur betriebsnahen Tarifpolitik, auf vielen Gewerkschaftstagen der IG Metall verabschiedet, gilt es nun in die Tat umzusetzen. Dem Vorstand können seine eigenen Worte um die Ohren geschlagen werden: 'Man sollte erwägen, ob die Zeit nunmehr herangereift sei, mit einem Schlag im Rahmen einer Tarifbewegung u.a. die 'Tarifehrlichkeit' zu fordern, d.h. die Spanne zwischen Tarif- und Istlöhnen radikal zu reduzieren. Ebenso müßte überprüft werden, ob im Zeichen einer aktiveren Haltung der Belegschaften konzernbezogene Zusatzverträge nicht erreichbar wären.' So der Vorstand der IG Metall in einem Diskussionspapier, das er - in der Auseinandersetzung mit den Septemberstreiks 1969 - an alle Verwaltungsstellen verschickte (vgl. **.**.19**, d.Vf.). Der Hoesch-Streik erinnert daran, daß die Lehren aus den Septemberstreiks bislang noch nicht gezogen wurden.
Der Hoesch-Streik lehrt uns eine weitere Konsequenz: Inoffizielle Streiks, die auf ein Unternehmen beschränkt bleiben, haben auf Dauer nicht die nötige Durchschlagskraft gegenüber Unternehmern und Gewerkschaftsvorstand. Der Widerstand, den Forderungen der Streikenden nachzugeben oder den Streik offiziell zu unterstützen, wird besonders hart sein, weil offenbar ist, daß ein Erfolg in einem Werk die Beschäftigten anderer Betriebe zu ähnlichen Aktionen motivieren wird. Vorstand der IG Metall und Unternehmer haben ein gemeinsames Interesse, daß die 'wild' Streikenden ohne Erfolg bleiben. Notwendig ist daher die solidarische Aktion anderer Belegschaften bereits im Entstehen solcher spontaner Streiks. Die Zusammenarbeit und Absprache von aktiven betrieblichen Gewerkschaftskadern über die einzelnen Betriebe hinaus ist für einen Erfolg spontaner Streikbewegungen unerläßlich."
Laut 'Westfälischer Rundschau' (WR) von morgen sind "mehrere Tausend auf Phoenix, Westfalenhütte und Union im Ausstand. 14 Pfennig mehr gefordert - Spontaner Streik bei Hoesch". Weiter heißt es:"
Mit Arbeitsniederlegungen haben gestern mehrere tausend Arbeiter der Hoesch-Hüttenwerke AG in Dortmund für eine innerbetriebliche Lohnerhöhung demonstriert. Die insgesamt 20 000 Belegschaftsmitglieder fordern über die tariflich vereinbarten 46 Pfennig je Stunde hinaus eine weitere lineare Lohnerhöhung um 14 Pfennig. Die Hoesch-Unternehmensleitung ließ lediglich die Bereitschaft zu einer Erhöhung zwischen 3 und 5 Pfennig erkennen. Falls heute kein neuer Vorschlag unterbreitet wird, rechnet der Betriebsrat mit weiteren Streiks. Anlaß zu den spontanen Aktionen war ein am Vortag bekannt gewordener Vorschlag der Unternehmensleitung: Die letzte Lohnerhöhung sollte nach einem Punktesystem um Beträge zwischen einem und 21 Pfennig insbesondere für Facharbeiter verbessert werden. Die Belegschaft hielt dieses Angebot für unzureichend.
Bereits um 4 Uhr morgens legte die Frühschicht auf der 'Westfalenhütte' die Arbeit nieder. Einige Stunden später schlossen sich die Teile der Belegschaft in den Werken 'Union' und Phoenix' an. Auch die Nachtschicht hielt an einem Teilstreik fest. Als Betriebsratsvorsitzender Albert Pfeiffer gestern nachmittag das Angebot der Unternehmensleitung der Belegschaft auf der Westfalenhütte bekanntgab, wurde das von den Streikenden mit Pfui-Rufen aufgenommen. Ihre Forderung auf eine lineare Erhöhung um 60 Pfennig - statt der tarifvertraglich vereinbarten 46 Pfennig - würde der ursprünglich von der Gewerkschaft angestrebten Lohnerhöhung um 11 Prozent entsprechen. Da der Vorstand sich zu keinen weiteren Verhandlungen bereitfand, stieg in den Werken Phoenix und Union, wo am frühen Nachmittag bereits zeitweilig wieder gearbeitet worden war, die Zahl der Streikenden am Abend erneut an. Bei Hoesch, dem zweitgrößten Stahlkonzern der Bundesrepublik, war es zuletzt im September 1969 (vgl. 2.9.1969, d.Vf.) zu einem rund 30stündigen spontanen Streik gekommen. Er hatte mit der Erfüllung der Stahlarbeiterforderung in Höhe von 30 Pfennig je Stunde geendet."
In der 'Werk und Wir' erscheint der Artikel (vgl. 9.2.1973):"
ZUM STREIK BEI DEN HÜTTENWERKEN
DIE ZUKUNFT NICHT GEFÄHRDEN!
Das zwischen dem Arbeitgeberverband Eisen und Stahl und der IG Metall abgeschlossene Tarifabkommen für den Bereich Nordrhein-Westfalen ergab eine lineare Erhöhung der Stundenlöhne um 46 Pfennig. Die Betriebsratsvorsitzenden der Werke Westfalenhütte, Phoenix und Union stellten an den Vorstand der Hoesch Hüttenwerke AG den Antrag, bei der Durchführung des Tarifabkommens über diese 46 Pfennig hinauszugehen. Da die Verarbeitungsgesellschaften der Hoesch Werke AG aufgrund des Tarifabkommens im Bereich der Metallverarbeitung effektive Lohnerhöhungen von durchschnittlich 7, 2% verzeichneten, unterbreitete der Vorstand der Hoesch Hüttenwerke AG den Betriebsräten einen Vorschlag, der sich an die Lohnerhöhungen der Verarbeitungsgesellschaften der Hoesch-Werke AG anglich.
Bevor überhaupt über diesen Vorschlag Verhandlungen aufgenommen werden konnten, wurde am Donnerstag, dem 8. Februar 1973, zunächst in einem Teil der Betriebe die Arbeit niedergelegt. Viele Belegschaftsmitglieder blieben zwar an der Arbeit und trugen sich in die Listen der Arbeitswilligen ein. Trotzdem mußten im Laufe der Ereignisse 3 Hochöfen gedämpft werden, und eine Reihe von Betrieben konnte wegen des gestörten Stoffflusses sowie wegen des unterbrochenen Energieverbundes nicht oder nur teilweise produzieren."
Der KABD (vgl. 12.2.1973) berichtet (vgl. 9.2.1973):"
HOESCH-ARBEITER STREIKEN GEGEN LOHNRAUB
Am 8.2. trat praktisch die gesamte Belegschaft der Hoesch AG in den Dortmunder Werken Westfalenhütte, Union und Phoenix in den Streik. Sie forderten eine Lohnerhöhung von 14 Pfennig pro Stunde. Das heißt die volle Durchsetzung der ursprünglich geforderten Stundenlohnerhöhung von 60 Pfennig. Die Hoesch-Bosse versuchen mit allen Mitteln, ihre Profite zu steigern. Im vergangenen Jahr wurden 1 200 Arbeiter 'eingespart' und die Produktion weiter gesteigert. Jetzt versuchen sie sogar, den 8, 5%-Lohnraubabschluß noch zu unterbieten: 'Die Unternehmensleitung hatte am Mittwoch ein betriebliches Angebot unterbreitet, das sich an der sogenannten punktuellen Arbeitsplatzbewertung orientierte. NACH DIESER SKALA WÜRDE EIN ERHEBLICHER TEIL DER BELEGSCHAFT VÖLLIG LEER AUSGEHEN, und erst die höher eingruppierten Arbeitskräfte hätten pro steigender Platzziffer einen Pfennig mehr auf den Stundenlohn erhalten.' (Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 9.2.1973). Das Angebot der Unternehmensleitung - 5 Pfennig mehr pro Stunde - wurde einmütig abgelehnt (Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 9.2.1973)."
Der KABD (vgl. 1.5.1973) berichtet:"
20. 000 Hoesch-Arbeiter streikten vor wenigen Wochen entschlossen gegen die Lohnraub-Politik und den Mitbestimmungsschwindel der rechten Gewerkschaftsführer."
Berichtet wird auch in Berlin durch die Betriebsgruppe DWM (vgl. Feb. 1973), durch den KB Bremen (KBB - vgl. 19.2.1973), auch beim Vulkan (vgl. März 1973), den KOB Bremen (vgl. 2.3.1973), die Ortsleitung (OL) Dortmund der KPD (vgl. 21.3.1973), die KG Eschwege (vgl. März 1973), den KB im Hamburger Chemiebereich (vgl. 27.3.1973), die SSG Hamburg (vgl. 13.2.1973), den KB / Gruppe Eutin (vgl. März 1973), den KB / Gruppe Flensburg (vgl. Apr. 1973), die KG (NRF) Mannheim / Heidelberg (vgl. 15.2.1973), die KSG (NRF) Heidelberg (vgl. 17.3.1973), die RJ (ML) Tübingen (vgl. Feb. 1973), die RSF München (vgl. 26.3.1973), den KB Göttingen (vgl. 27.2.1973), den KB Hildesheim (vgl. März 1973), die KPD auf der Zeche Westerholt Polsum (vgl. 20.2.1973), die KPD/ML bei Siemens Würzburg (vgl. Feb. 1973) und durch den AStA der PH Dortmund (vgl. 9.4.1973, 21.5.1973).
Q: Roter Lautsprecher Nr. 10, Würzburg Feb. 1973, S. 4f; Schulkampf Nr. 3, Bremen 30.3.1973, S. 4f;Schulkampf Nr. 9, Heidelberg o.J. (1973), S. 14;Arbeitende Jugend Jetzt erst recht: Weiterkämpfen!, Tübingen o. J. (1973), S. 2;Arbeiter-Zeitung Extrablatt Was steckt hinter der Währungskrise?, Mannheim 15.2.1973, S. 3f;Das Ruder Nr. 3, Bremen März 1973, S. 5;Der Chemiearbeiter Nr. 22, Hamburg März 1973;Der Metallarbeiter Nr. 22, Flensburg Apr. 1973, S. 7ff;Der rote Weichensteller Nr. 29, Berlin Feb. 1973, S. 3f;Metallarbeiter Nr. 4, Eschwege März 1973, S. 1f;Metallkampf Nr. 13, Eutin März 1973, S. 1 und 5f;Rote Fahne Extrablatt, Tübingen, o. J. (1973);Rote Presse Nr. 3, Hamburg 29.1.1973, S. 1f;Kommunistische Arbeiterpresse Hoesch Nr. 21, Dortmund o. J. (16.2.1973), S. 4f;Kommunistische Arbeiterpresse Westerholt Polsum Nr. 3, Herten 13.6.1972, S. 4f;Kommunistische Arbeiterzeitung Extra Kampf dem Ausschlußantrag gegen Thomas Klingeberg!, Göttingen 27.2.1973, S. 2;Kommunistische Pressekorrespondenz Nr. 7, Tübingen 12.2.1973, S. 1;Werk und Wir Nr. 3, Dortmund März 1973, S. 63;Solidarität Sonderdruck Die Tarifbewegung 1972/73 und die Februarstreiks bei den HOESCH-WERKEN, Dokumentation, Analyse 2. Aufl., o.O. (Dortmund) o.J. (Apr. 1973), S. 6;Westfälische Rundschau-Lokalteil Dortmund, 9.2.1973;Express Nr. 2 und 3, Offenbach 17.2.1973 bzw. 17.3.1973, S. 1 und 4 bzw. S.6;Befreiung, Köln Apr. 1973, S. 12;Dem Volke Dienen Nr. 6, Dortmund März 1973, S. 5ff;Heisse Eisen Kollegen fordern mindestens 0, 10 DM für alle und Extrablatt, Dortmund 7.2.1973 bzw. 8.2.1973;Kommunist Nr. 18, Hamburg Apr. 1973, S. 9f;Rote Fahne Nr. 7, Dortmund 14.2.1973, S. 1ff;Rote Fahne - Röchling o.Nr. (3), Völklingen 1.3.1973;Die Rote Front Weitermachen und Nr. 4, Dortmund o.J. (1973), S. 1 bzw. S.1f;Klassenkampf Nr. 30, Freiburg 21.2.1973;Klassenkampf für die Kollegen der Metallindustrie Nr. 11, Freiburg 15.2.1973, S. 4;Klassenkampf Nr. 21 und 27, Frankfurt März 1973 bzw. Sept. 1973;Arbeiter-Zeitung Nr. 4, Mannheim Apr. 1973;Wahrheit Nr. 2 und 3, Bremen Feb. 1973 bzw. März 1973, S. 1 bzw. S.*;Spartacus Nr. 35, Berlin Feb. 1973;Spartacus Nr. 6, Mainz Aug. 1973;Zündfunke Nr. 15, München März 1973;Rote Optik Nr. 18, München März 1973;Roter Weg Ausgabe München Nr. 5, München März/April 1973, S. 13;Arbeiterzeitung Nr. 2, Hildesheim März 1973, S. 6;Auf Draht Nr. 24, München März 1973;Auf Draht Nr. 2, Regensburg Feb. 1973, S. 6;Herner Schülerpresse Nr. 1, Herne 1973;Regionales Komitee gegen das Demonstrationsverbot: Das Regionale Komitee gegen das Demonstrationsverbot ruft euch auf: Heraus zur Protestdemonstration gegen das Demonstrationsverbot, Freitag, 18.5., 18h, Nordmarkt, Dortmund o.J. (Mai 1973);DKP-Hoesch-Betriebsgruppen Westfalenhütte und Phoenix: Heisse Eisen 1968-1978, Dortmund o.J. (1978), S. 8;Stählerne Faust Nur Kampf gegen Kapitalismus und Arbeiterverrat verhindert neuen Lohnabbau, Dortmund o.J. (Okt. 1974), S. 1ff;Arbeitersache Nr. 29, Regensburg Feb. 1973, S. 1;Revolutionäre Gewerkschaftsopposition Nr. 2, Dortmund 1973, S. 23f.;Roter Sachsenwerker Nr. 14, Regensburg Feb. 1973, S. 1 und 5;KPD-OL Dortmund Rote Fahne an die Bewohner der Zimmerstraße!, Dortmund o.J. (März 1973), S. 1;DOS Extra Sdr.Nr. Einführung in das PH-Studium Ergänzung SS 73 und Nr. 20, Dortmund o.J. (Apr. 1973) bzw. o.J. (1973), S. 9 bzw. S.17
08.02.1973:
Die DKP gibt bei Hoesch Dortmund vermutlich zweimal ihre 'Heisse Eisen' (vgl. 1.2.1973, 9.2.1973) heraus.
Vermutlich morgens erscheint eine zweiseitige Ausgabe, die das Angebot der Kapitalisten veröffentlicht und ausführt:"
KOLLEGEN FORDERN MINDESTENS 0, 10 DM FÜR ALLE
Wieder einmal wollen die Hoeschbosse ihre Profite auf Kosten des kleinen Mannes vergrößern. Die Forderung der Kollegen lautet: mindestens 0, 10 DM betriebliche Zulage linear für alle. Stattdessen haben sich die Hoeschbosse einen - wie die Kollegen meinen - bösen Trick einfallen lassen. Sie wollen 2 021 Kolleginnen und Kollegen, die mit 2 bis 13 Punkten einanalysiert sind, leer nach Hause schicken. Alle anderen sollen nach einem ausgeklügelten System 0, 01 bis 0, 21 DM je nach dem Punktwert erhalten. Die mit 2 598 Kollegen größte Gruppe, die mit 23 Punkten eingestuft ist, soll mit 0, 07 DM abgespeist werden; das entspricht einer Erhöhung von 5, 3%. Ganz besonders sollen die Kollegen aus dem Hochofenbereich geschruppt werden, die 0, 20 DM Hochofenzulage haben. Diese 0, 20 DM sollen wegfallen; dafür sollen die Kollegen 0, 07 DM erhalten, also einen Verlust von 0, 13 DM in Kauf nehmen. - Ähnliches versuchten die Unternehmer schon beim Hoesch Rohrwerk in Barop und bei der Hoesch Röhrenwerke AG in Hamm. Die Kollegen in diesen Betrieben haben ihre Forderungen mittels Streik (vgl. 25.1.1973, d.Vf.) durchsetzen müssen. Auch die Kolleginnen und Kollegen der Dortmunder Firma Pohlschröder mußten zu Kampfmaßnahmen greifen (vgl. 18.1.1973, d.Vf.), um dem Unternehmer klar zu machen, daß sie nicht gewillt sind, die Profitbäume in den Himmel wachsen zu lassen. - Überall kann man hören und nachlesen, daß die Gewinne im Jahr 1972 erheblich waren, und die Voraussagen für das Jahr 1973 weisen aus, daß es ein hochprofitables Jahr werden wird. Die Unternehmer können zahlen, die Forderungen der Kolleginnen und Kollegen sind maßvoll und realisierbar. - In der Öffentlichkeit ist nach dem ungenügenden Lohnabschluß 1973 für den Stahlbereich viel darüber gesprochen und geschrieben worden, daß die Stahlbosse sich etwas einfallen lassen müssen, wenn sie eine Wiederholung des Septembers 1969 vermeiden wollen. Offensichtlich ist ihnen nichts Besseres eingefallen als die umseitig genannten Daten, die von den Kolleginnen und Kollegen einhellig als Provokation verstanden werden. Die Suppe werden nun diejenigen auslöffeln müssen, die sie eingebrockt haben."
Vermutlich nachmittags bis abends erscheint ein auf den 7.2.1973 datiertes Extrablatt, in dem von einem Streik am Donnerstag berichtet wird. Dies wäre dann dann der 1.2.1973 gewesen und mit einem solchen Bericht stünde die DKP allein auf weiter Flur, weswegen wir auf einen Datierungsfehler tippen. Nach dem Streikbericht von heute wird fortgefahren:"
Das Angebot der Unternehmer für die Anwendung des letzten, völlig unzureichenden Lohnabkommens bei der Hoesch-Hüttenwerken ist geradezu provokatorisch. So hatten sich die Herren Abs, Harders und Co. die Sache gedacht:
2 021 Arbeiter sollten lediglich die im unzureichenden Kompromiß ausgehandelten 46 Pfg. bekommen.
2 598 Arbeiter sollten 7 Pfg. und alle anderen lediglich 1 bis 21 Pfennig zusätzlich bekommen.
Der Gipfel ist aber, daß die Kollegen vom Hochofen 7 Pfennig zusätzlich bekommen sollten, während die Hochofenzulage von 30 Pfg. abgebaut werden soll.
Kein Wunder, daß den Kollegen der Kragen platzte. Ständige Produktionssteigerungen bei verringerter Belegschaftsstärke führen zu einer enormen Leistungssteigerung.
Durch das System der analytischen Arbeitsplatzbewertung (AAB, d.Vf.) kann sich diese Leistungssteigerung nicht in entsprechender Lohn- und Gehaltsaufbesserung niederschlagen. Den Segen der Leistungssteigerung stecken sich also die Aktionäre allein in die Tasche. Ständige Preis- und Mieterhöhungen knabbern am Lebensstandard und fressen die geringen Lohn- und Gehaltserhöhungen auf. Da spricht Bundeskanzler Brandt (SPD, d.Vf.) davon, daß diejenigen, die mehr Geld fordern mehr leisten müssen. Damit wird deutlich: Was die Arbeiter und Angestellten brauchen und haben wollen, können sie sich nur selbst erkämpfen. Solche Kämpfe sind erfolgreich! Das hat nicht nur der September 1969 bewiesen, sondern auch die erfolgreichen Aktionen der Kollegen von Pohlschröder (vgl. 18.1.1973, d.Vf.), Hoesch-Rohrwerk (vgl. 25.1.1973, d.Vf.) u.a." sowie der MF Eickhoff Bochum (vgl. Jan. 1973).
Auf der Rückseite findet sich ein Steckbrief für die "Preistreiber-Bande" und ein Artikel aus der 'UZ' über Streiks in verschiedenen Metallbetrieben.
Q: Heisse Eisen Kollegen fordern mindestens 0, 10 DM für alle und Extrablatt, Dortmund 8.2.1973 bzw. 7.2.1973; DKP-Hoesch-Betriebsgruppen Westfalenhütte und Phoenix: Heisse Eisen 1968-1978, Dortmund o.J. (1978), S. 8
09.02.1973:
In Dortmund demonstrieren, laut BKA Freiburg, mehr als 1 000 Hoesch-Arbeiter durch die Innenstadt (vgl. 8.2.1973, 10.2.1973).
Laut KPD demonstrieren von der Westfalenhütte aus 3 000 in die Innenstadt. Laut SAG nehmen ca. 5 000 an Demonstration und Kundgebung auf dem Alten Markt teil. Von 5 000 aus allen drei großen Hoesch-Werken berichtet auch die RFO Saarland.
Für den 'Express' u.a. des SBü berichtet Eberhard Schmidt (vgl. 8.2.1973, 10.2.1973):"
Mehr als 5 000 Kollegen marschieren in geschlossenen Marschsäulen von ihren Werken zur Stadtmitte. Auf der Kundgebung wird von den Streikenden die Entschlossenheit zum Ausdruck gebracht, den Streik erfolgreich zu Ende zu bringen. Am Abend wird bekannt, daß der Vorstand der Hüttenwerke einen Brief an die Belegschaftsmitglieder verschicken will, der allen Streikenden arbeits- und sozialrechtliche Konsequenzen androht. Die Dortmunder IG Metall- Ortsverwaltung beschränkt sich darauf, 'zu beobachten' und nimmt nicht Stellung. Die Unternehmensleitung erklärt, sie werde ihr Angebot nicht erhöhen und auch die Streikzeit nicht bezahlen."
Laut der GIM bei Hoesch Dortmund wird an diesem Tag "der Streik fortgesetzt. Die Produktion in den drei Betrieben (14 000 Kollegen befinden sich im Ausstand), Westfalenhütte, Phönix und Union ist völlig lahmgelegt. Am Vormittag findet eine kämpferische Demonstration und Kundgebung in der Innenstadt statt, an der sich 6 000 Kollegen beteiligen. Die Stimmung der Kollegen findet ihren Ausdruck in den Parolen: 'Unser Lohn ist ein Hohn', 'Solange der Arsch inne Hose paßt, wird keine Arbeit angefaßt', 'Alle Räder stehen still, wenn der Arbeiter es will' usw. Am Abend werden die Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung fortgesetzt. Doch die Betriebsleitung ist nicht bereit, den Forderungen der Kollegen nachzugeben."
Der Vorstand erklärt:"
In anbetracht der Rechtswidrigkeit der Arbeitsniederlegungen, behält sich der Vorstand alle Möglichkeiten vor, die arbeits- und sozialrechtlich in solchen Fällen gegeben sind."
Laut der GIM wird abends das Ergebnis bekanntgegeben. Ca. 2 000 Versammelte reagieren "in der alten Kantine der Westfalenhütte mit lauten Pfui-Rufen." Der Vorsitzende der IGM, Loderer, "distanziert sich öffentlich von diesem Streik und erklärt ihn als gewerkschaftsschädigend." Die Betriebsgruppe der GIM "verteilt für die Mittagschicht ein Flugblatt, in dem sie die Forderung nach einer linearen Lohnerhöhung um 14 Pfennig unterstützt. In einem Flugblatt für die Nachtschicht werden die wichtigsten Ergebnisse des Tages zusammengefaßt und die Kollegen aufgefordert weiterzustreiken. Die vom Werksschutz herbeigerufene Polizei versucht uns vom Werkstor zu vertreiben, doch ohne Erfolg."
Laut 'Westfälischer Rundschau' (WR) von morgen "dauerte der spontane Streik, der am Donnerstagmorgen in den drei Dortmunder Betrieben Westfalenhütte, Union und Phoenix der Hoesch-Hüttenwerke begonnen hatte, auch gestern den ganzen Tag über an." Höhepunkt der Streikaktionen "war eine Kundgebung an dem Alten Markt in der Dortmunder Innenstadt an der rund 5 000 Arbeiter teilnahmen. Gestern abend kam es in einem Informationsgespräch zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung offensichtlich zu keiner Annäherung über die Forderung der Streikenden: Erhöhung der Stundenlöhne um 14 Pfennig. Auf einer Zusammenkunft in der Westfalenhütte am späten Abend reagierten die rund 2 000 Teilnehmer auf diese Mitteilung mit Pfui-Rufen. Kurz zuvor hatte die Hoesch-AG in einer offiziellen Stellungnahme erklärt: 'Der Vorstand hat dem Betriebsrat erneut erklärt, daß er das gestern gemachte Angebot unter keinen Umständen erhöhen wird. Er stellt überdies ausdrücklich fest, daß die Hoesch-Hüttenwerke mit den Löhnen an der Spitze aller Stahlwerker liegen.' Weiter hieß es: 'Der Vorstand erklärt, daß Streikzeit nicht bezahlt wird und er sich in Anbetracht der Rechtswidrigkeit der Arbeitsniederlegungen alle Möglichkeiten vorbehalten muß, die arbeits- und sozialrechtlich in solchen Fällen gegeben sind.'
Entsprechende Schreiben sollen heute an alle Belegschaftsmitglieder der Hoesch-Hüttenwerke geschickt werden. Während in den drei bestreikten Betrieben ein Notdienst dafür sorgte, daß kein Schaden an den Anlagen auftritt, erklärte die Unternehmensleitung: 'Aus Sicherheitsgründen mußten bereits mehrere Anlagen stillgelegt werden. Drei Hochöfen wurden gedämpft, die restlichen Hochöfen werden weiterbetrieben, um die Gichtgasleitung unter Druck zu halten und eine Explosion zu verhindern.'
In drei Marschsäulen waren gestern morgen die Teilnehmer der Protestkundgebung von den Werken Westfalenhütte, Phoenix und Union in die Dortmunder Innenstadt marschiert. In Sprechchören forderten sie immer wieder: '14 Pfennig, 14 Pfennig!' Ein vorausgegangenes Angebot des Hoesch-Vorstandes, die Stundenlöhne über die vor rund vier Wochen festgelegte Erhöhung von 46 Pfennig hinaus um fünf Pfennig anzuheben, lehnten sie kategorisch ab. Betriebsrat und Unternehmensleitung hatten bei neuen Verhandlungen am Vormittag kein Ergebnis erzielt. Ein Betriebsratssprecher erklärte: 'Wir sind keinen Schritt weitergekommen.'Die Zahl der Streikenden unter den insgesamt 22 000 Belegschaftsmitgliedern wurde gestern auf 14 000 geschätzt. Bei der Westfalenhütte streikte gestern die gesamte Mittagschicht. Bei Phoenix stand das Blechwalzwerk still; in einigen Abteilungen konnte - trotz der Bereitschaft von Teilen der Belegschaft - nicht gearbeitet werden, da der Materialfluß gestört war. Im Werk Union erkundigten sich zahlreiche Arbeiter nach den möglichen arbeits- und versicherungsrechtlichen Konsequenzen; die Arbeitsbereitschaft nahm, nach Auskunft des Betriebsrates im Laufe des Nachmittags zu. Die Dortmunder Ortsverwaltung der IG Metall nahm zu den Vorgängen bei HOESCH nicht offiziell Stellung, sondern beschränkte sich darauf, zu 'beobachten'."
In der morgigen 'Westdeutschen Allgemeine Zeitung' (WAZ) erscheint der Artikel "Dortmunder Hüttenwerker hörten vom Vorstand: 'Die Streikzeit wird aber auf keinen Fall bezahlt.' Hohngelächter in den Sprechchören auf der Straße.", in dem es heißt:"
Auf der Westfalenhütte in Dortmund, wo während der Nachtschicht zum Donnerstag der wilde Streik seinen Ausgang genommen hatte, wurde am Freitag praktisch nur noch ein Notdienst verrichtet. Im Werk Union arbeiteten nur 30 v.H. der Betriebe, und im Werk Phoenix standen die Walzenstraßen still. Inzwischen hat der Vorstand in einem Schreiben die Belegschaft noch einmal auf die Rechtswidrigkeit der Arbeitsniederlegung sowie auf die Konsequenzen für Sozial- und Krankenversicherung hingewiesen. 'Wir wissen nicht, wie es weitergehen soll', sagte ein Betriebsrat des Werkes Union. Und ein Kollege von der Westfalenhütte bekannte: 'Die Lage ist unerfreulich'. Die Betriebsratsvertretungen tagten teilweise in Permanenz. Aber die Lage blieb unverändert. 'Wir machen weiter' rief unter dem Beifall der weißgehelmten Männer in grauen Arbeitskluften oder im 'Blaumann' ein Sprecher der Streikenden. Und Hohngelächter erschallte, als er feststellte: 'Die Hüttenwerke haben schon mehr Geld verloren als die Lohnerhöhung für das ganze Jahr gekostet hatte.' Der Dauerregen dämpfte zeitweise die Stimmung. Aber dann ertönten wieder die Sprechchöre mit dem bekannten Text: 'Alle Räder stehen still, wenn der Arbeiter es will.' Aber auch ein neuer, markiger Spruch wurde erfunden: 'Solange der Arsch in die Hose paßt, wird keine Arbeit angefaßt.'Inzwischen hat der Vorstand dem Betriebsrat erneut erklärt, daß er das auf der Tisch liegende Angebot unter keinen Umständen erhöhen werde (versehen mit dem Hinweis, daß die Löhne in den Hoesch-Hüttenwerken an der Spitze aller Stahlwerker lagen). Der Vorstand erklärte weiterhin, daß er sich angesichts der 'Rechtswidrigkeit der Arbeitsniederlegung' alle Möglichkeiten vorbehalte, die arbeits- und sozialrechtlich gegeben seien. Die Streikzeit werde auf keinen Fall bezahlt. Aus Sicherheitsgründen seien bereits mehrere Anlagen stillgelegt worden. Drei Hochöfen würden gedämpft, die restlichen weiterbetrieben, um die Gichtgasleitung unter Druck zu halten und eine Explosion zu verhindern. Ein Teil der Belegschaft habe durch intragung in Anwesenheitslisten seine Arbeitswilligkeit bekundet. Das ist wohl als Hinweis darauf zu verstehen, daß sich nicht die gesamte Belegschaft mit den Streikenden solidarisiere."
Laut Dortmunder Lokalteil der morgigen 'WAZ' hat sich "die Auseinandersetzung um innerbetriebliche Lohnzulagen in den Dortmunder Hoesch-Werken weiter zugespitzt. Die Produktion in den drei Betrieben Westfalenhütte, Union und Phoenix war am Freitag völlig lahmgelegt. In der Dortmunder Innestadt demonstrierten in den Vormittagsstunden mehrere tausend Arbeiter für ihre Forderung nach nach einer allgemeinen Anhebung der Stundenlöhne um 14 Pfennig. Die Unternehmensleitung beharrte dagegen auf ihrem bisherigen Angebot, das der Mehrheit der rund 22 000 Beschäftigten Lohnerhöhungen von drei bis fünf Pfennig pro Stunde bringen sollte. Zur spontanen Arbeitsniederlegung erklärte der Vorstand der Hoesch-Hüttenwerke AG, er behalte sich 'in Anbetracht der Rechtswidrigkeit der Arbeitsniederlegung alle Möglichkeiten vor, die arbeits- und sozialrechtlich gegeben seien.'
Als Gefahr für die künftige Aktionsfähigkeit der Gewerkschaft betrachtet der IGM-Vorsitzende Eugen Loderer den 'wilden' Streik der Dortmunder Stahlarbeiter der Westfalenhütte. Die Mitglieder müßten einsehen, daß sie mit derartigen Aktionen der Gewerkschaft und sich schadeten. Allerdings müsse auch erkannt werden, daß die Arbeit in der Stahlindustrie sehr unattraktiv geworden sei. So sei unverständlich, daß bis auf wenige Betriebe wie die Deutschen Edelstahlwerke (DEW, d.Vf.) nahezu alle Unternehmen an einem überholten starren Prämiensystem festhielten, erklärte Loderer."
In der morgigen 'Westfälischen Rundschau' (WR) erscheint der Artikel "Hoesch-Arbeiter streikten gestern weiter. Kein neues Lohn-Angebot des Vorstandes. Marschsäulen zogen durch die Innenstadt zur Protestkundgebung auf dem Alten Markt", in dem es heißt:"
Auch gestern bestimmte der Streik das Bild in den Hoesch-Hüttenwerken. In den späten Abendstunden fanden sich noch einmal Betriebsrat und Unternehmensleitung zu einem Informationsgespräch zusammen. Der Vorstand erklärte, er könne sein Angebot - 3 bis 5 Pfennig mehr - nicht erhöhen. Die Hoesch-Hüttenwerke lägen mit den Löhnen an der Spitze aller Stahlwerker. Der Vorstand erklärte weiter, daß die Streikzeit nicht bezahlt werde und er sich 'in Anbetracht der Rechtswidrigkeit der Arbeitsniederlegung alle Möglichkeiten' vorbehalten müsse, die 'arbeits- und sozialrechtlich in solchen Fällen' gegeben seien. In Briefen wolle der Vorstand alle Belegschaftsmitglieder darüber informieren.
Mit lauten Buh- und Pfuirufen beantworteten rund 2 000 Arbeiter bei einer anschließenden Zusammenkunft in der Westfalenhütte diese Nachricht. Die überwiegende Mehrheit sprach sich für die Beibehaltung der Forderung nach 14 Pfennig mehr aus. Bereits am frühen Morgen entschlossen sich 3 000 Arbeiter der Frühschicht in allen drei Dortmunder Werken zu einem Protestmarsch durch die Innenstadt. Ziel: der Alte Markt. Er wurde Schauplatz einer temperamentvollen Protestkundgebung. Nachdrücklich und in vielen einfallsreichen Sprechchören unterstrichen die Arbeiter ihre Forderung nach 14 Pfennig mehr Lohn. Dabei kam es zu keinerlei Zwischenfällen. Die Polizei sicherte den Aufmarsch und den Abmarsch der drei 'Marschsäulen', bei dem es keine Störungen gab. Nur kurzfristig kam es zu Verkehrsstauungen in der Innenstadt. Auf dem Alten Markt unterstrichen die Arbeiter noch einmal ihre Forderung nach 14 Pfennig mehr pro Arbeitsstunde. Das Angebot der Unternehmensleitung lehnten sie als unzureichend ab. Ein Sprechchor: 'Vier Pfennig sind für'n Hund, 14 Pfennig sind gesund.'
Für die Betriebsräte bot sich am Nachmittag ein unterschiedliches Bild: Während die gesamte Mittagschicht der Westfalenhütte weiter streikte, wollten etliche Arbeiter in den Werken Phoenix und Union die Arbeit wiederaufnehmen. Das Blechwalzwerk in Hörde stand still, in anderen Teilbereichen konnte die Arbeit nicht aufgenommen werden, da der Materialfluß unterbrochen war. Der Betriebsrat des Werkes Union teilte mit, daß die Mittagschicht teilweise wieder arbeite. Es mehrten sich die Anfragen der Arbeiter nach den möglichen versicherungsrechtlichen und arbeitsrechtlichen Folgen des Streiks. Es bestehe der Eindruck, daß bei der Belegschaft zunehmend die Bereitschaft wachse, die Arbeit wiederaufzunehmen. Nach wie vor bestehe aber eine große Unzufriedenheit mit dem Angebot des Vorstandes. Zur 'Streiklage' teilte der Vorstand der Hoesch-Hüttenwerke gestern mit, daß 'aus Sicherheitsgründen… bereits mehrere Anlagen stillgelegt' werden mußten. Drei Hochöfen seien gedämpft worden, die restlichen würden weiterbetrieben, um die 'Gichtgasleitung unter Druck zu halten und eine Explosion zu verhindern.' Gerüchte wollen wissen, daß IG-Metall-Chef Loderer am Montag zu einer Betriebsversammlung kommen werde."
In dem Schreiben des Vorstands der Hoesch-Hüttenwerke AG, welches morgen als Flugblatt verteilt und vermutlich heute am frühen Abend bekannt wird, heißt es:"
An alle Belegschaftsmitglieder
Vorstand und Betriebsleitungen sehen sich veranlaßt, die Belegschaft der Hoesch-Hüttenwerke AG erneut über die Lage zu unterrichten und auf die Folgen hinzuweisen, die durch die Arbeitsniederlegungen eintreten können. Drei Hochöfen wurden gedämpft. Die restlichen Hochöfen werden weiterbetrieben, um die Gichtgasleitung unter Druck zu halten und eine Explosion zu verhindern. Da die Betriebe im Stofffluß um im Energieverbund eng miteinander verzahnt sind, können wir nur dann allen Belegschaftsmitgliedern Beschäftigung geben, wenn wieder geordnete Arbeitsverhältnisse eintreten. Ohne geordnete Arbeitsverhältnisse wird auch die Lohnzahlung für die Arbeitswilligen gefährdet. Wir wissen, daß der Großteil unserer Belegschaft inzwischen die tatsächliche Lage erkennt und die Arbeit wiederaufnehmen möchte, aber von bestimmten Gruppen daran gehindert wird. Es kommt darauf an, daß sich die Arbeitswilligen gegenüber diesen Gruppen durchsetzen. Wir fordern deshalb jeden einzelnen auf, seinen Arbeitsplatz wiedereinzunehmen und sich dafür einzusetzen, daß jeder an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt.
Hoesch-Hüttenwerke AG, Der Vorstand"
In der 'Werk und Wir' (vgl. 8.2.1973, 10.2.1973) heißt es:"
Der Vorstand der Hoesch-Hüttenwerke AG ließ keinen Zweifel daran, daß er weder während noch nach Beendigung dieser Arbeitsniederlegungen ein weitergehendes Angebot als vorher machen werde.
In einem Schreiben an alle Belegschaftsmitglieder wies der Vorstand der Hoesch-Hüttenwerke AG auf die Rechtswidrigkeit und die Tragweite solcher Arbeitsniederlegungen hin, deren Schaden letzten Endes auch zur Gefährdung der Arbeitsplätze führe. Das bedeutet auch, daß Streikzeit nicht bezahlt werde.
Der KABD (vgl. 12.2.1973) berichtet (vgl. 8.2.1973):"
Über 3 000 Arbeiter zogen am nächsten Morgen durch Dortmund, Sprechchöre brachten die Kampfbereitschaft der Kollegen zum Ausdruck: 'Das Angebot ist für'n Hund - 14 Pfennig sind gesund!''Solange der Arsch in die Hose paßt, wird keine Arbeit angefaßt!'(Westfälische Rundschau vom 10.2.)."
Der KSV der KPD (vgl. März 1973) berichtet (vgl. 8.2.1973, 10.2.1973):"
Auch als die Unternehmensleitung durch Einschüchterungsbriefe, in denen mit rechtlichen Konsequenzen für die Streikenden gedroht wird, durch die Verbreitung von Unterschriftenlisten für 'Arbeitswillige' und durch den gezielten 'Einsatz' des BR-Vorsitzenden Pfeiffeer (der wiederholt, ganz 'sachlich und wertneutral', die Kollegen durch Hinweis auf die 'arbeits- und sozialrechtlichen Risiken' von der Fortführung des Streiks abzuhalten versucht) die Streikfront zu schwächen versucht, sind es nach wie vor (noch) die Vertreter der VK-Leitung, die sich zum Sprachrohr der kampfbereiten Kollegen machen. Als BR-Vorsitzender Pfeiffer das Ergebnis der Verhandlungen mit den Hoesch-Kapitalisten bekanntgibt, wonach diese den Streikenden keinerlei Zugeständnisse einräumen, fordern Borchert und Kett von der VK-Leitung die Kollegen auf, weiterzustreiken und erinnert an die Londoner Dockarbeiter, die mehrere Monate gestreikt haben, 'ein paar Wochen werden wir auch noch durchhalten', und auf die Drohbriefe des Vorstandes hin kündigt Borchert an: 'An diesen Briefe werden wir uns morgen die Hände wärmen'.
Die VK-Leitung unternimmt gleichzeitig jedoch nichts, um die Kollegen aktiv an der organisatorischen Durchführung des Streiks zu beteiligen, sie im Kampf erfahren zu lassen, was es heißt, die Forderungen der Arbeiter gegen die vereinigte Macht von Hoesch-Kapitalisten, BR und IG-Metall-Spitze durchzusetzen.
Das anfänglich radikale Gerade der VK-Leitung, daß die 'Streikfront stehe', hatte eher die Funktion, eine konsequente Organisierung des Streiks zu verhindern, da die meisten Kollegen aufgrund des 'kämpferischen' Verhaltens der Vertrauensleute davon ausgingen: 'Wozu eine Streikleitung? Die VK-Leitung ist unsere Streikleitung, der können wir trauen, die machend das schon.'
So kam es, daß weder eine Streikleitung gewählt wurde, noch Streikposten organisiert wurden, d. h. daß der Streik sowohl ohne politisches und organisatorisches Zentrum blieb als auch daß eines der wesentlichsten politischen Erziehungsmittel des Streiks (der 'Kriegsschule des Klassenkampfes'), nämlich die möglichst umfassende und unmittelbare Einbeziehung der Kollegen in die Organisierung des Streiks, gar nicht zum Tragen kam. Da - wenn man überhaupt von 'Führung' sprechen kann - diese so gut wie ausschließlich in den Händen der VK-Leitung lag, ist der Grund für den Abbruch des Streiks - trotz der nach wie vor großen Kampfbereitschaft vieler Kollegen - vor allem im kapitulantenhaften Verhalten der VK-Leitung, die fast sämtlich aus SPD-Mitgliedern besteht, zu suchen."
Q: Dem Volke Dienen Nr. 6, Dortmund März 1973; Kommunistische Pressekorrespondenz Nr. 7, Tübingen 12.2.1973, S. 1;Werk und Wir Nr. 3, Dortmund März 1973, S. 63;Hoesch Hüttenwerke AG-Der Vorstand: An alle Belegschaftsmitglieder, Dortmund 10.2.1973;Westfälische Rundschau, Dortmund 10.2.1973;Westdeutsche Allgemeine Zeitung-Lokalteil Dortmund, 10.2.1973;Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 10.2.1973;Westfälische Rundschau-Lokalteil Dortmund, Dortmund 10.2.1973;Express Nr. 3, Offenbach 17.3.1973, S. 6;Heisse Eisen o.Nr. bzw. Extrablatt, Dortmund 8.2.1973;Klassenkampf Nr. 21, Frankfurt März 1973;Rote Fahne Nr. 7, Dortmund 14.2.1973;Rote Fahne - Röchling o.Nr. (3), Völklingen 1.3.1973;Klassenkampf Nr. 30, Freiburg 21.2.1973;Solidarität Sonderdruck Die Tarifbewegung 1972/73 und die Februarstreiks bei den HOESCH-WERKEN, Dokumentation, Analyse 2. Aufl., o.O. (Dortmund) o.J. (Apr. 1973), S. 6f
09.02.1973:
Bei Hoesch Dortmund verteilen, laut KPD, ihre eigene Zelle und die Jugendbetriebszelle ihres KJV je ein Flugblatt.
Q: Rote Fahne Nr. 7, Dortmund 14.2.1973, S. 3
09.02.1973:
Die DKP gibt bei Hoesch Dortmund zweimal ihre 'Heisse Eisen' (vgl. 8.2.1973, 12.2.1973) heraus.
Vermutlich am Nachmittag erscheint eine vierseitige - ordentlich gedruckte Ausgabe:"
NICHT 46, SONDERN 60 PFENNIG!
WIR BRECHEN MIT DEM ALTEN BRAUCH!
JETZT: PREISE RUNTER - LÖHNE RAUF!
Das waren Sprechchöre, unter denen ca. 3 500 Kollegen der Westfalenhütte heute - Freitag - Vormittag in die Stadt demonstrierten, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.
Nachdem die Direktion des Hoesch-Konzerns bis 10 Uhr keine Bereitschaft zeigte zu verhandeln, geschweige denn die Forderung nach zusätzlicher Erhöhung der Stundenlöhne um 14 Pfennig zu erfüllen, formierte sich der Demonstrationszug vor der Westfalenhütte.
Auf dem 'Alten Markt' in der Stadtmitte kam es zu einer Kundgebung, auf der mehrere Kollegen sprachen.
'Wir glauben, daß die Harders, Abs und Co. sich mit ihrem Verhalten für den September 1969 rächen wollen. Aber die Einheit und Geschlossenheit unseres Auftretens beweist, daß wir uns nicht unterkriegen lassen. Wir sind bereit, für unsere Forderungen entschlossen weiterzukämpfen.' - So sagte ein Kollege von der 'Tribüne' des Bläserbrunnens auf dem 'Alten Markt'.
Inzwischen waren die Kollegen der Werke Phoenix und Union ebenfalls auf dem 'Alten Markt' eingetroffen. Auf der Kundgebung wurden noch einmal die Forderungen der Stahlarbeiter formuliert:
1. 14 Pfennig zusätzlich für alle!
2. Bezahlung der ausgefallenen Arbeitszeit!
3. Keinerlei Maßregelung von Kollegen, die für ihre berechtigten Forderungen kämpfen!
Der Kampf der Hoesch-Hüttenarbeiter findet ein großes Echo in der Öffentlichkeit. Die Sympathie für die Hoeschianer wächst. Ein Vertreter der streikenden Metallarbeiter aus Velbert (von Hülsbeck und Fürst - HuF, d.Vf.) erklärte richtig, daß nur der entschlossene und einheitliche Kampf aller Arbeiter zum Erfolg führt.
Unterstützungserklärungen für die kämpfenden Hoesch-Arbeiter trafen ein von:
- der GEW-Gruppe Gesamtschule Scharnhorst
- dem AStA der Pädagogischen Hochschule (PH, d.Vf.) Dortmund
- den Jungdemokraten (Judos der FDP, d.Vf.) Dortmund
- den Studierenden des Westfalenkollegs
In einem Grußschreiben der SDAJ Dortmund heißt es: '…Eure Forderungen sind voll berechtigt, notwendig und durchsetzbar.'
Die mächtige Demonstration am Freitag fand große Zustimmung bei der Dortmunder Bevölkerung. Winkende und grüßende Menschen überall. Besonders die jungen Kollegen der Berufsschule begrüßten das entschlossene Auftreten der Stahlarbeiter.
'4 Pfennig sind ein alter Hut, 14 Pfennig tun uns gut!'
Das war, ist und bleibt die Forderung der Kollegen von Hoesch."
Auf den folgenden drei Seiten werden Artikel aus der heutigen Presse (WAZ, Ruhr-Nachrichten und Westfälische Rundschau) über den Streik bei Hoesch sowie Artikel aus der 'UZ' der DKP über die Lohnrunde bzw. HuF Velbert nachgedruckt und ausgeführt:"
Der Kreisvorstand der DKP Dortmund übermittelt den Kollegen der Hoesch-Hüttenwerke herzliche Grüße.
Der einheitliche Kampf aller Arbeiter, Angestellten und jungen Kollegen wird Abs, Harders und Schmitthals in die Knie zwingen.
Es bleibt dabei: nur was sich die Arbeiter und Angestellten selbst erkämpfen ist ihnen sicher."
Vermutlich nachts erscheint eine weitere zweiseitige Ausgabe mit einem einfacheren Druckverfahren:"
25 000 ARBEITER GEGEN EIN HÄUFCHEN AKTIONÄRE
GEMEINSAM SIND WIR STÄRKER!
Die Hoesch-Belegschaften haben heute in einer großen Demonstration und Kundgebung den 'Alten Markt' gefüllt, die Bevölkerung über ihre Forderungen informiert.
In dieser Aktion kam die Geschlossenheit und vor allem die Stärke der Arbeiter und Angestellten zum Ausdruck. 'Heisse Eisen' hat Informationen darüber, daß während dieser Demonstration das Händchen voll verantwortlichen Direktoren zitternd bei bestem Cognac überlegte, wie den Arbeitern und Angestellten beizukommen sei. Denn sie wissen genau, daß sie am kürzeren Hebel sitzen. Eine, der aus ihrer Angst um Macht und Politik geborenen Maßnahmen ist der gesetzwidrige Aushang, in dem sie versuchen, mit Drohungen die Belegschaft gefügig zu machen. Die Kollegen des Betriebsrates stellen zu dem Anschlag des Vorstandes fest:
'Wir haben diesen Schrieb nicht genehmigt, das wäre aber in einem Montan-mitbestimmten Betrieb notwendig gewesen, damit die Anweisung des Vorstandes Gültigkeit hat!'
Die Absicht des Vorstandes ist also klar: er will provozieren, die Streikfront zerbrechen und mit gesetzwidrigen Mitteln den Profit für sich und die Aktionäre in Sicherheit bringen.
Der Kollege Heinrich Borchert - Sprecher der Vertrauenskörperleitung der Westfalenhütte - erklärte während der Kundgebung auf dem 'Alten Markt': 'Wir dürfen uns jetzt nicht weichkloppen lassen. Solidarität und Einheit ist oberstes Gesetz. Wenn wir so handeln, wird unser Anliegen erfüllt. Der Erfolg wird sicher sein, wenn wir uns durch nichts und niemanden provozieren lassen!'
Die Kollegen verstanden das sehr gut und riefen im Sprechchor: 'Alle Räder stehen still, wenn der Arbeiter es will!'
Inzwischen konnte sich jeder ausrechnen, daß die Unkosten des durch den Vorstand provozierten Streiks weit höher werden, als die Kosten für die Erfüllung der Forderung von 14 Pfennig. Diese Rechnung wurde inzwischen von namhaften Wirtschaftswissenschaftlern bestätigt.
Es geht dem Vorstand also in erster Linie darum, sich zu behaupten. Er will sich rächen für den September 1969, als zum ersten Mal kräftig an seinem Thron gerüttelt wurde. Aber das erfolgreiche Rezept der Arbeiter vom September 1969 wird auch im Februar 1973 erfolgreich sein: alle Räder stehen still, wenn der Arbeiter es will."
Q: Heisse Eisen 25 000 Arbeiter gegen ein Häufchen Aktionäre bzw. Extrablatt, Dortmund 9.2.1973
09.02.1973:
Flugblatt der GIM-Dortmund, das vermutlich zur Mittagschicht bei Hoesch verteilt wird:"
LOHNFRAGEN SIND MACHTFRAGEN! WIR BEKOMMEN NUR DAS WAS WIR UNS ERKÄMPFEN! STREIK UM 14 PFENNIG LINEAR!
Das die in der Tarifrunde von der IGM abgeschlossene 46 Pfennig Erhöhung nicht ausreichen würde, wußte jeder, denn schon die 60 Pfennig Forderung lag an der untersten Grenze zum Lohnabbau.
46 Pfennig mehr bedeutete nach den Preissteigerungen des letzten Jahres, der Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge im Januar und bei Einrechnung der gestiegenen Lohnsteuerprogression für die meisten Kollegen:
LOHNSTOPP oder LOHNABBAU.
Die Argumente mit denen den Arbeitern dieser kümmerliche Abschluß von Unternehmern, SPD-Minister Schmidt und den Bürokraten der IGM aufgedrängt wurde, waren:
1. Sei das der Beitrag der Arbeiter zur Wiedergewinnung der Preisstabilität und 2. Könnten die Unternehmen nicht mehr verkraften, ohne kaputt zu gehen.
WAS IST DAVON ZU HALTEN?
Zum 1. ist zu sagen, daß durch die 46 Pfennig nicht einmal die Preissteigerung der letzten Jahre ausgeglichen werden und daß die Preissteigerung trotz des mäßigen Tarifergebnisses unentwegt weitergehen (Die Automobilindustrie, die in diesem Dingen regelmäßig den Vorreiter macht, hat bereits kräftige Preiserhöhungen für die nächste Zeit angekündigt).
Das zweite 'Argument' ist ebenfalls leicht als nicht stichhaltig nachzuweisen.
1. Seit 100 Jahren schon geht HOESCH (angeblich) an den Löhnen kaputt - und wächst und gedeiht dabei offensichtlich ganz prächtig.
2. Konnte Daimler-Benz in Baden-Württemberg auch keine 11% vertragen ohne kaputt zu gehen. Und nun gibt derselbe Schleyer, der als Verhandlungsführer der Metallarbeitgeber den gewerkschaftlichen Forderungen so harten Widerstand entgegengesetzt hatte, bei Daimler-Benz innerbetriebliche Lohnerhöhungen bis zu 15% und 20%.
Das zeigt, was in dieser Tarifbewegung drin gewesen wäre und wie schlaff die IGM-Bürokratie die Interessen vertreten hat. Es wird also klar, daß durch den 'Stabilitätspakt' und die geringen Lohnerhöhungen die Gewinne der Unternehmer auf dem Rücken der Arbeiter gesichert werden sollen.
Wir müssen deswegen aus der Erfahrung der letzten Jahre lernen. 1969 erzwangen 30 Stunden Streik die vollständige Erfüllung der Forderung der Arbeiter.
1971 gelang es den Baden-Württembergischen Metallern in der Tarifbewegung durch ihr entschlossenes Aushalten im Streik ein deutlich über dem Unternehmer-Angebot liegendes Ergebnis zu erzwingen. Das zeigt: WIR BEKOMMEN NUR WAS WIR UNS ERKÄMPFEN!
Deswegen: ENTSCHLOSSENES AUSHALTEN IM STREIK UM 14 PFENNIG LINAR!
Warum lineare Forderungen?
Es ist deutlich was die Geschäftsleitung durch gestaffelte Erhöhungsbeiträge bezweckt: Durch die Staffelung der Beträge zwischen 1 und 21 Pfennig würde auf die meisten Kollegen eine Erhöhung zwischen 1 und 7 Pfennig entfallen und nur ganz wenige würden den Höchstbetrag erreichen. Das kann nicht akzeptiert werden. Denn 1. sind die Preise für alle gleich gestiegen und 2. ist dies eindeutig der Versuch, die Arbeiter durch weitere Lohnunterscheidungen zu spalten. Was wir brauchen ist Einigkeit und Entschlossenheit.
DESHALB KÄMPFEN WIR FÜR DIE EINHEITLICHE ERHÖHUNG UM 14 PFENNIG FÜR ALLE!
VERTRAUENSLEUTE IN DIE TARIFKOMMISSION! KEIN TARIFABSCHLUß OHNE URABSTIMMUNG!"
Herausgeber des Flugblatts ist die GIM-Ortsgruppe Dortmund, Betriebsgruppe.
Kontakt: Hermann Schink, Dortmund.
Q: GIM-Ortsgruppe Dortmund, Betriebsgruppe: Lohnfragen sind Machtfragen! Wir bekommen nur was wir uns erkämpfen! Streik um 14 Pfennig linear, Dortmund o.J. (9.2.1973)
09.02.1973:
Nach eigenen Angaben verteilt bei Hoesch Dortmund die Betriebsgruppe der GIM zur Nachtschicht ein weiteres Flugblatt, das "die wichtigsten Ereignisse des Tages zusammenfaßt und die Kollegen auffordert, weiterzustreiken. Die vom Werksschutz herbeigerufene Polizei versucht uns vom Werkstor zu vertreiben, doch ohne Erfolg."
Q: Solidarität Sonderdruck Die Tarifbewegung 1972/73 und die Februarstreiks bei den HOESCH-WERKEN, Dokumentation, Analyse 2. Aufl., o.O. (Dortmund) o.J. (Apr. 1973), S. 6f
10.02.1973:
Bei Klöckner Bremen gibt die Zelle des KBB vermutlich heute ein Extrablatt "Der Kampf geht weiter!" ihres 'Zunderbrechers' (vgl. 5.2.1973, 13.2.1973) heraus u.a. zum Streik bei Hoesch Dortmund.
Q: Der Zunderbrecher Extrablatt Der Kampf geht weiter!, Bremen o. J. (1973), S. 1
10.02.1973:
Bei Hoesch Dortmund wird heute Abend, laut KPD, der Streik beendet (vgl. 9.2.1973, 12.2.1973).
Für die Gewerkschaftsabteilung des ZK der KPD (vgl. März 1973) berichtet das RK Rhein/Ruhr der KPD (vgl. 9.2.1973, 12.2.1973) gleich lautend wie zuvor bereits die Zelle Hoesch Westfalenhütte der KPD (vgl. 16.2.1973):"
0.00 Uhr: Nach Meldungen soll auf Union wieder gearbeitet werden. 40 PKWs und etwa 200 Kollegen machen sich auf den Weg.
In der Alten Radstraße wird das Tor eingedrückt. Der Werksschutz informiert die Polizei. Ein hoher Polizeioffizier trifft mit einem Werksschutzmann zusammen. Die Kolonne geht durch die Maschinen-Reparaturwerkstatt, in der sich etwa 20 Kollegen aufhalten, die nicht zum Streik zu bewegen sind. Im Walzwerk ruft ein SPD Vertrauensmann ihnen zu: 'Kommunistenpack', verzieht sich aber, als er mit Handschuhen beworfen wird. Im Siemens-Martin-Stahlwerk trifft der Zug auf eine Betriebsrat- und Vertrauensleute-Delegation. Die Kollegen versichern, wenn die Charge zuende ist, streiken wir auch.
1 Uhr: Während der Streikversammlung treffen in der alten Kantine Solidaritätsadressen von HOAG (Oberhausen, d.Vf.), von RHEINSTAHL-GIEßEREI MEIDERICH (Duisburg, d.Vf.) und von ZECHE WESTERHOLT (Polsum, d.Vf.) ein. Die Kollegen treffen in der Streikversammlung ein und berichten.
Samstag morgen: Loderer-Interview im WDR. Ein Mitglied der Bezirksleitung Essen und des Zweigbüros sind nach Dortmund geschickt worden."
Über das Lodererinterview wird allein vom RK NRW der KPD berichtet:"
Am Samstag morgen gab IGM-Chef Loderer dem Westdeutschen Rundfunk ein Interview mit folgendem Inhalt:
1. Loderer erklärte, daß die IG-Metall den Streik auf keinen Fall unterstützen würde.
2. behauptete er: Zu Spannungen in der Stahlindustrie sei es wegen der linearen Lohnforderungen gekommen. Denn dadurch hätten diejenigen, die vorher hohe Löhne hatten, nicht mehr soviel bekommen. Durch lineare Forderungen sei es zu verstärkten Lohnunterschieden gekommen.
3. meinte er: Der 1. große Fehler sei gewesen, für NRW in der Tarifrunde eine lineare Lohnforderung aufzustellen. Der 2. Fehler sei gewesen, bei Hoesch mit den 14 Pfennig wieder eine lineare Forderung aufzustellen.
4. verwies er darauf, daß ein Mitglied der Bezirksleitung und des Zweigbüros 'zur Beobachtung' nach Dortmund entsandt worden ist.
Von diesen unverschämten Äußerungen hatte die VK-Leitung den ganzen Samstag über eine Tonbandaufnahme, die sie allen in der Kantine versammelten Kollegen NICHT vorgespielt hat. Sie hat dieses Tonband lediglich in der Sitzung der drei VK-Leitungen besprochen und sich an Loderers Ausführungen gehalten. Sie hat daraufhin den Streik abgewürgt."
Weiter heißt es:"
6.15 Uhr: Borchert gibt einen Bericht vom letzten Streiktag. Er gibt nach wie vor die Forderung aus: '14 Pfennig mehr für alle! Bezahlung der Streiktage!' Den Kapitalisten gelingt es immer wieder, besonders auf Union und Phoenix, die Streikfront zu spalten.
10 Uhr: In allen Tageszeitungen wird die Stellungnahme des IGM-Hauptvorstandes abgedruckt. Loderer hat den Streik als gewerkschaftsschädigend und illegal bezeichnet und jede Unterstützung abgelehnt. Die Zelle (der KPD, d.Vf.) stellt ein Plakat her mit dem Loderer-Zitat und hängt es am Werkstor aus. Währenddessen werden in der Kantine von der VK-Leitung heftige Angriffe gegen die Linksradikalen vorgebracht, die den Streik politisch mißbrauchen.
12.30 Uhr: Im kleinen Kreis spielt die VK-Leitung ein Tonband mit einem brisanten Thema ab: Das Loderer-Interview vom Samstagmorgen. Die VK-Leitung verhindert, daß dieses Interview öffentlich abgespielt wird. Sie will es erst intern analysieren. Beginn der gemeinsamen Sitzung der drei VK-Leitungen von der Westfalenhütte, Union und Phoenix auf dem Werk Union. 15 Uhr: Gleichzeitig zieht auf der Westfalenhütte ein 40-Mann-Trupp in Richtung Siemens-Martin-Werk 3. Dort wollen die Kollegen wieder arbeiten. Als der Trupp eintrifft, ist zufällig Betriebsrat Bruns schon lange dort. Pfeiffer kommt zufällig gerade vorbei. Die Maschinisten sind weg. Sie streiken weiter. Deshalb steht das Werk. Aber Teile der Kollegen wollen weiterarbeiten. Einer sagt: 'Wir streiken seit zwei Tagen. Weil die Gewerkschaft die Unterstützung ablehnt, machen wir nicht mehr mit.' Pfeiffer hilft nach. Der Trupp muß erfolglos wieder abmarschieren.
16.15 Uhr: Der Trupp ist zurück. Alle halbe Stunde wird die VK-Leitung angekündigt. Es kommen immer mehr Kollegen in die alte Kantine. Auch von den Freischichten.
18 Uhr: VOR CA. 1 000 KOLLEGEN VERKÜNDET DER VK-SPRECHER: GEMEINSAME ERKLÄRUNG DER VK-LEITUNG: 'DER STREIK HAT KEINE BASIS MEHR. UNION UND PHOENIX SIND NICHT MEHR STREIKBEREIT. DESHALB WIRD DER STREIK ABGEBROCHEN.' TOTENSTILLE WÄHREND DER REDE. DANN DAGEGEN: PFUIRUFE UND PFIFFE. BORCHERT: ' MAN MUß EINSEHEN, DAß ALLES ZWECKLOS IST.' ER WIRD UNTERBROCHEN. EIN VERTRAUENSMANN VON UNION SPRINGT NACH VORNE: 'ES STIMMT NICHT, DAß UNION NICHT MITSTREIKEN WILL. UNION IST STREIKBEREIT!' ER RUFT DAZU AUF, NACH UNION ZU ZIEHEN.
Es kommt zu tumultartigen Szenen im Saal. Die Kollegen sind empört, fassungslos, wütend. Kollegen rennen zum Mikrofon und fordern die Fortsetzung des Streiks. Zwischendurch greift sich die ums Mikrofon versammelte Mannschaft aus VK-Leitung und Betriebsrat das Mikrofon und behauptet: 'Auf Union werden wir nur beschimpft. Da macht keiner mit.' Kollegen treten auf und schreien durchs Mikrofon: 'Wenn die VK-Leitung nicht mehr will, machen wir ohne sie weiter.' Die VK-Leitung sieht sich isoliert.
Borchert tritt auf:
'Wir sind an einem Punkt angelangt, wo bei Fortsetzung des Streiks strafrechtliche Konsequenzen drohen. Wir verheizen nicht unsere besten Vertrauensmänner, aber dazu kommt es, wenn die Polizei eingreift. Laßt Euch nicht von linksradikalen Gruppen irritieren.'
Tumulte. Ein Kollege ergreift das Mikrofon:
'Wer will aufgeben? Wer will arbeiten? Der soll einen Ton sagen.'
Totenstille im Saal. 'Wer will mit nach Union ziehen?'
'Wer will die 14 Pfennig erkämpfen?'
Zustimmung von allen. Er wird von weiteren Kollegen unterstützt. Sie fordern, nach Union und Phoenix zu marschieren, aber da wird das Mikrofon abgedreht, keiner kann mehr über den Lautsprecher sprechen. Pfiffe und Pfui-Rufe. Schlägerei am Mikrofon. Es bilden sich hektische Diskussionsgruppen, aber kein Vorschlag kann sich richtig durchsetzen. Kollegen, die versuchen, sich ohne Lautsprecher Gehör zu verschaffen, umsonst. Im Saal herrscht eine Mischung aus Wut, Ratlosigkeit und Verwirrung. DKP-Betriebsrat Kaiser bewirkt, daß die im Saal die ersten sind, die geschlossen die Kantine in Richtung ihrer Arbeitsplätze verlassen. 'Es hat alles keinen Sinn mehr', meint er. 20. 30 Uhr: Die letzten Kollegen verlassen die alte Kantine. Es wird abgeschlossen. Fortwährend treffen Kollegen ein, die in die alte Kantine wollen und fassungslos fragen: 'Wie? Wird nicht mehr gestreikt?'
21 Uhr: Auf Union teilt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Schäfer Kollegen mit: 'Endlich sind wir aus dem Solidaritätsschwur entlassen. Wir können jetzt hoffen, daß diese Nacht keine Rollkommandos mehr von der Westfalenhütte kommen.'
Die Betriebszelle (der KPD, d.Vf.) verteilt an die ankommenden Kollegen ein Flugblatt: 'Weiterstreiken!'"
Laut der GIM bei Hoesch Dortmund werden "während der Streikversammlung am frühen morgen weitere Solidaritätsadressen verlesen. Loderer gibt dem WDR ein Interview in dem er noch einmal betont, daß die IG-Metall den Streik auf keinen Fall unterstützen werde. Er verurteilt die Forderungen nach linearer Lohnerhöhung auf's Schärfste. Um 15 Uhr findet eine Sitzung der Vertrauenskörperleitungen statt. Die Betriebsleitung läßt ein Flugblatt verteilen, worin sie zur Wiederaufnahme der Arbeit auffordert, da 'wir nur dann allen Belegschaftsmitgliedern Beschäftigung geben können, wenn wieder geordnete Arbeitsverhältnisse eintreten.' Gegen 18 Uhr verkündet der VK-Sprecher Borchert, daß der Streik keine Basis mehr habe, da die Kollegen von Phoenix und Union angeblich nicht mehr weiterstreiken wollen. Nach tumultartigen Szenen wird auch die Arbeit in der Westfalenhütte nach mehr als 60 Stunden Streik wieder aufgenommen. Die Forderungen wurden nicht erfüllt. Die Betriebsgruppe (der GIM, d.Vf.) verteilt ein in aller Eile verfaßtes Flugblatt an die Nachtschicht, das die Kollegen auffordert, weiterzustreiken."
Für den 'Express' u.a. des SBü berichtet Eberhard Schmidt (vgl. 9.2.1973, 18.2.1973):"
Am Samstag, 10.2., wird dann ein Interview des IG Metall-Vorsitzenden Loderer bekannt, der sich eindeutig von dem Streik distanziert und auf seine Unrechtmäßigkeit verweist. Die Wirkung dieser Äußerungen auf die Streikenden ist demoralisierend. Vor allem in den Werken Phoenix und Union finden sich wieder die ersten Arbeitswilligen ein. Kollegen, die von der Westfalenhütte zum Werk Union marschieren, um die dort beschäftigten Arbeiter zum Aushalten zu überreden, treffen auf geringe Streikbereitschaft. Als um 15 Uhr eine Vertrauenskörperleitung aller drei Werke zusammenkommt, wird bekannt, daß bei Phoenix und Union wieder voll gearbeitet wird. Die Vertrauenskörperleitung der Westfalenhütte beschließt darauf, den Streik abzubrechen, um ein stufenweises Abbröckeln zu verhindern. Nach einstündiger Diskussion begeben sich die Streikenden wieder geschlossen an den Arbeitsplatz. Die Nachtschicht arbeitet bereits voll. Der Betriebsrat schließt in der folgenden Woche mit der Unternehmensleitung ab - Resultat: 5 Pfennig mehr für alle Kollegen, keine Bezahlung der Streikausfallzeiten."
Laut der 'Westdeutschen Allgemeinen Zeitung' (WAZ) vom Montag haben sich beim Hoesch-Streik "die Arbeitswilligen gegen die Minderheit durchgesetzt". Weiter heißt es:"
Am Samstagmorgen waren sie noch einmal marschiert: bis zum Mittag waren in der alten Fahrradhalle an der Eberhardstraße, der 'Streikzentrale', noch markige Worte durch den Lautsprecher gesprochen worden. Aber in jeder weiteren Stunde dieses dritten Streiktages hatte sich die Zahl der Zweifler an der Durchsetzbarkeit der Forderung nach 14 Pfennig mehr pro Mann und Stunde vergrößert. Am Samstagabend gingen die Hüttenleute wieder in die Betriebe. Die Sonntagfrühschicht in den kontinuierlich arbeitenden Anlagen war nach Angaben der Werksleitung bereits wieder vollzählig 'an Bord' und blies auch den letzten der gedrosselt gefahrenen Hochöfen wieder an. Es wird
nicht erwartet, daß die Unruhen mit Wochenbeginn wieder aufflackern.
In dem Flugblatt, das die Unternehmensleitung noch am Samstagabend an allen Betriebspunkten hatte verteilen lassen, war jeder einzelne aufgefordert worden, seinen Arbeitsplatz wieder einzunehmen und sich selbst dafür einzusetzen, daß ihre Kollegen an die Arbeitsplätze zurückkehrten. Ein weitergehendes Angebot als vor dem Streik werde nicht gezahlt werden. Lohnzahlungen an die Streikenden für die Dauer der Arbeitsniederlegung käme nicht in Frage. In ähnlichem Sinne waren Briefe abgefaßt, die die Unternehmensleitung noch am Freitag an die Adresse ihrer arbeitswilligen Belegschaftsmitglieder auf die Post gegeben hatte. Wer als 'Arbeitsunwilliger' oder jedenfalls als Streik-Sympathisant angesehen war, hatte die Unternehmensleitung bereits durch entsprechende 'Interviews' geklärt, nachdem zuvor jeder einzelne von Beauftragten der Firmenleitung am Arbeitsplatz befragt worden war. Die als 'arbeitswillig' registrierten Belegschaftsmitglieder erhalten nach Angaben von Dr. Schmithals ungekürzten Lohn, während den übrigen die Streikzeit nicht bezahlt werde. Der Vorstandsvorsitzende der Hüttenwerke kommentierte das Ende des Streiks mit den Worten: 'Der große Teil der Arbeitswilligen hat sich gegen die Minderheit durchgesetzt.' So war es wohl auch nur noch die Minderheit, die am Samstagvormittag marschierte und anschließend in der Fahrradhalle weitere Möglichkeiten der Demonstration von Macht diskutierte. Wärend die einen eine Vollkonferenz forderten, wollten andere für den heutigen Vormittag (12.2.1973, d.Vf.) eine Belegschaftsversammlung aller drei Werke einberufen lassen. Die radikalste Forderung, notfalls 'mit Frau und Kindern durch die Straßen zu ziehen und nicht 15 000, sondern 40 000 Menschen zu mobilisieren', ging selbst den Streik-Vorderen zu weit, wie das schrille Pfeifkonzert bewies."
Am Montag erscheint im Lokalteil Dortmund der 'Westdeutschen Allgemeinen Zeitung' (WAZ) der Artikel "Hoesch-Streik beendet. Betriebsratssprecher: In Erwartung neuer Verhandlungen", in dem es heißt:"
Der wilde Streik in den drei Dortmunder Hoesch-Hüttenwerken Westfalenhütte, Phoenix und Union (20 000 Beschäftigte) ist nach dreieinhalbtägiger Dauer am Wochenende beendet worden. Die Streikenden seien 'in Erwartung neuer Verhandlungen' an ihre Arbeitsplätze zurückgekehrt, erklärte ein Sprecher des Betriebsrates. Man hoffe, daß der gute Wille der Belegschaft von der Unternehmensleitung honoriert werde. Demgegenüber erklärte der Vorstandsvorsitzende der Hoesch-Hüttenwerke, Schmithals, es werde zwischen Unternehmensleitung und Betriebsvertretung keine neuen Lohnverhandlungen geben. Man sei lediglich bereit, Gespräche darüber zu führen, ob der 'Topf' - aus dem entsprechend dem bisherigen Angebot eine Erhöhung der Stundenlöhne von durchschnittlich fünf Pfennig gezahlt werden könne - nach einem anderen Modus verteilt werden sollte. Die Streikenden hatten 14 Pfennig zusätzlich zu der tariflich vereinbarten Lohnerhöhung von 46 Pfennig je Stunde gefordert. Noch am Samstagvormittag waren erneut mehrere hundert Hüttenleute protestierend durch die Straßen gezogen. Am Nachmittag empfahlen jedoch selbst die Vertrauensmänner ihren streikenden Kollegen die Wiederaufnahme der Arbeit, weil eine Fortsetzung des Ausstandes 'nicht zu verantworten' sei. Zuvor hatte der IGM-Vorsitzende Loderer in einem Rundfunkinterview betont, seine Gewerkschaft werde den wilden Streik 'nicht legalisieren'. Der vier Wochen zuvor abgeschlossene Tarifvertrag sei bindend für beide Seiten. Ein Bruch des Abkommens könne 'unabsehbare Folgen' haben. Zum Meinungsumschwung bei den Streikenden dürfte - neben der Empfehlung der Vertrauensleute - der Inhalt eines am Samstagabend in den Betrieben verteilten Flugblattes des Unternehmensvorstandes entscheidend beigetragen haben. In diesem Flugblatt hatte der Vorstand erklärt, daß er nur dann allen Belegschaftsmitgliedern 'Beschäftigung geben' könne, wenn wieder geordnete Arbeitsverhältnisse einträten. Eine Lohnzahlung für die Dauer des wilden Streiks komme im übrigen auf keinen Fall in Frage."
Laut den 'Ruhrnachrichten' vom Montag übt die IG-Metall Kritik an den Hoesch-Arbeitern:"
Der Streik in den drei Dortmunder Hoesch-Werken mit über 20 000 Beschäftigten ist in der Nacht zum Sonntag zu Ende gegangen. Ein Sprecher des Betriebsrates erklärte, die Streikenden seien 'in Erwartung neuer Verhandlungen' an ihre Arbeitsplätze zurückgekehrt. Man hoffe, so fuhr der Sprecher fort, daß der gute Wille der Belegschaft von der Unternehmensleitung honoriert werde. Der Vorstandssprecher der Hoesch-Hüttenwerke AG, Ulrich Schmithals, erklärte gestern dazu, daß man zu weiteren Gesprächen mit dem Betriebsrat bereit. Eine 'befriedigende Lösung sei auf der Basis der angebotenen fünf Pfennig zuzüglich zu den tariflich vereinbarten 46 Pfennig je Stunde möglich. Nach Ansicht des Sprechers hat auch der Appell der Vertrauensleute der IG Metall, die Arbeit wiederaufzunehmen, zum Streikende beigetragen. Der IG-Metall-Vorsitzende Loderer hatte sich am Wochenende gegen den wilden Streik ausgesprochen, da ein gültiger Tarifvertrag vorliege. Im Gegensatz zu Loderer vertrat der Generalbevollmächtigte der Hoesch-AG, Vogel, die Auffassung, der wilde Streik sei keine innerbetriebliche Angelegenheit der Hoesch-Hüttenwerke gewesen. Der Grund für die Arbeitsniederlegung sei vielmehr in der beim letzten Tarifabschluß von der IG Metall gewünschten und durchgesetzten linearen Lohnerhöhung zu suchen. Die Hoesch-Arbeiter waren am vergangenen Donnerstag in den Streik getreten, der die Produktion in den drei Betrieben weitgehend lahmgelegt hatte. Sie forderten eine allgemeine Anhebung der Stundenlöhne um 14 Pfennig. Dagegen zeigte sich die Unternehmensleitung nicht bereit, über ihr Angebot von drei bis fünf Pfennig hinauszugehen. Ein Sprecher des Betriebsrates wandte sich gestern gegen Vermutungen, daß der Streik von Kommunisten gesteuert worden sei."
In der 'Werk und Wir' (vgl. 9.2.1973, 13.2.1973) heißt es:"
Am Samstag (vgl. 10.2.1973, d.Vf.) konnte festgestellt werden, daß der Großteil der Belegschaft die Arbeit wieder aufzunehmen gewillt war, von bestimmten Gruppen aber der Versuch unternommen wurde, dies zu verhindern. Der Vorstand der Hoesch-Hüttenwerke AG rief erneut dazu auf, die Arbeitsplätze wieder einzunehmen. Die meisten Belegschaftsmitglieder nahmen im Laufe der Mittagschicht des Samstages die Arbeit auf, die anschließende Nachtschicht erschien vollzählig."
Die Marxisten-Leninisten (ML) Dortmund (vgl. 11.2.1973) berichten:"
ABER EINS, ABER EINS, DAS IST GEWIß, DAß 14 PFG MÖGLICH IST
Samstagabend um 19 Uhr verbreitete sich in der alten Kantine auf der Westfalenhütte, es waren etwa 500 bis 800 Kollegen anwesend, die Nachricht, daß auf Union und Phönix die meisten wieder arbeiten würden. Einzelne Vertrauensleute sagten daraufhin über Mikrofon, daß damit die Basis für die Fortführung des Streiks nicht mehr vorhanden wäre. Die Kollegen sahen sich verdutzt an.
Damit hatte wohl nach den Ereignissen vom Donnerstag und Freitag keiner gerechnet. Doch eine ganze Reihe aktiver Kollegen ließen sich durch die Erklärungen nicht entmutigen.
Sie gingen ans Mikro und wiesen daraufhin, wie wichtig es wäre, die Streikfront auf der Westfalenhütte geschlossen zu halten. Sie schlugen dann vor, gemeinsam nach Union zu marschieren, um die Kollegen dort wieder für den Streik zu gewinnen. Über diesen Vorschlag wurde abgestimmt, und er wurde ohne Gegenstimme mit großem Beifall angenommen. Einige Vertrauensleute wehrten sich gegen den Beschluß und erklärten, eine Weiterführung des Streiks sei sinnlos. Als die Kollegen jedoch immer wieder für Streik sprachen und Anstalten machten, nach Union aufzubrechen, blockten diese V-Leute jedes gemeinsame Handeln ab, indem sie das Mikro ausschalteten, so daß die Kollegen nur noch in kleinen Grüppchen beraten konnten. So kam es, daß sich die Vollversammlung der Streikenden auflöste.
Dieser momentane Zusammenbruch des Streiks spiegelt jedoch nicht den Willen der Mehrheit der Hoesch-Kollegen wieder. Am Freitag, als die volle Belegschaft da war, hat die volle Belegschaft gestreikt und in der Demonstration eindeutig gezeigt, daß sie entschlossen ist, ihre Forderungen im Streik voll durchzusetzen. Die Ereignisse vom Samstagabend beweisen erstmal nur, daß Fehler gemacht worden sind bei der Durchführung des Streiks. So hat man z. B. die Erklärung des Betriebsrats vom Donnerstagmorgen, wo sie sich voll hinter die 14 Pfennig gestellt hatten, zu viel Vertrauen geschenkt.
Denn bis auf einzelne ungenaue Berichte über die Verhandlungen mit dem Vorstand war das dann auch alles, was man von ihnen hörte. Im Verhältnis zur Westfalenhütte sah es bei Union und Phönix mit der Organisierung des Streiks noch schlechter aus, da dort ein zentraler Ort fehlte, wo sich die Streikenden gemeinsam versammeln, beraten und zentral den Streik organisieren konnten. So hatten dort die Meister und Betriebsleiter mit Drohen und Belabern bei einzelnen Kollegen besser die Möglichkeit einen Keil in die Belegschaft zu treiben.
Außerdem wurde die Verbindung zwischen den drei Werken nicht ausreichend hergestellt, so daß immer Gerüchte auftauchen konnten und man selten wirklich Klarheit hatte, wie es in den einzelnen Werken genau aussah. Deshalb ist es unbedingt notwendig, daß nicht nur ein paar V-Leute, sondern eine große Zahl aktiver Kollegen den Streik anleiten und organisieren. Damit nicht der ganze Streik zusammenbricht, wenn ein paar V-Leute unsicher werden und umkippen.
UNSERE FORDERUNG IST VERSTÄNDLICH UND BERECHTIGT!
Der Vorstand triumphiert schon und die Gewerkschaftsbürokraten fühlen sich bestätigt. In 'Konzertierter Aktion' haben sie seit Donnerstag immer wieder erklärt, daß unser Streik 'unverständlich', 'rechtswidrig' und 'ungesetzlich' sei.
1. Was heißt hier unverständlich?
Zweimal haben wir in Urabstimmungen gesagt: 60 Pfennig sind das Mindeste, was wir brauchen, damit unser Lebensstandard sich nicht noch mehr verschlechtert. Ist das für Loderer, Troche und Dieterich, die von unseren Mitgliedsbeiträgen leben, unverständlich?
2. Was heißt hier rechtswidrig?
Wir haben das Recht, Tag für Tag bei dauernd steigender Arbeitshetze malochen zu gehen. Wenn wir dann angemessene, gesicherte Lebensbedingungen verlangen, ist das rechtswidrig?
3. Was heißt hier ungesetzlich?
Laut Gesetz sollen wir mit unserer Gewerkschaft unsere Interessen durchsetzen. Wenn wir jetzt gezwungen sind, für unsere gewerkschaftlichen Interessen selbständig zu kämpfen, weil die Gewerkschaftsführung diese nicht vertritt, ist das ungesetzlich?
Wer diesen Streik unverständlich findet, wer solches Recht und Gesetz gemacht hat und sie jetzt gegen uns wendet, beweist, daß ihnen nicht die Lebensinteressen der Arbeiter und ihre Familien interessieren, sondern allein die Profite der Stahlmonopole.
Zu unserer Forderung selbst aber sagen sie nichts. Sie wagen nichts zu sagen, weil sie genau wissen, daß unsere Forderung vollkommen berechtigt ist, weil ja die vollen 60 Pfg. kaum ausreichen, damit unser Lohn nicht so viel wert ist wie vor einem Jahr.
Ja, der Vorstand wagt noch nicht einmal, das übliche Märchen zu erzählen, daß kein Geld da sei. Denn in allen Zeitungen kann man es lesen, daß die Stahlindustrie mitten im Beginn eines kräftigen Aufschwungs steht, der den Stahlkapitalisten Millionen Profite für die nächsten Monate garantiert. Daß es hier nicht allein um Geld geht, erkennt man auch daran, daß den Hoeschkonzern der bisherige Streik schon das mehrfache gekostet hat, als wenn sie uns die 14 Pfg. gezahlt hätten.
Für die Kapitalisten ist das ein reiner Machtkampf. Sie wollen uns Arbeitern mal wieder zeigen, wer in diesem Staat die Macht hat. Sie wollen uns für die nächsten Monate und Jahre klein kriegen. Und es geht hier auch nicht allein um Hoesch und Dortmund. Denn jeder kann sich an fünf Fingern abzählen, daß die Kollegen von Thyssen und Krupp nicht tatenlos zusehen werden, wenn wir den Kampf um unsere berechtigten Forderungen konsequent fortsetzen.
Genauso wie '69 werden sie nach kurzer Zeit mitmachen.
'69 WIE HEUTE: UNSERE SOLIDARITÄT ZWINGT DIE KAPITALISTEN IN DIE KNIE!
Der Vorstand scheint in einer starken Position zu sein. Doch Schmitthals spielt nur den starken Mann. Er weiß genau, daß seine Lage schlecht ist und unsere Kampfbedingungen sehr gut.
1. Die Auftragsbücher sind voll, und die Aufträge müssen fristgerecht erledigt werden, sonst werden sie zurückgezogen und an andere Konzerne vergeben. Zwar unterstützen die anderen Konzerne den Hoesch-Vorstand zur Zeit noch, weil er auch stellvertretend für sie die Löhne der Stahlarbeiter drücken soll. Doch auch ihnen ist natürlich das Hemd näher als der Rock, und sie werden die Unterstützung sofort abbrechen, wenn sie fette Extraprofite für sich wittern oder es bei ihnen auch anfängt zu kriseln.
2. Noch nie waren Arbeitskräfte in der Stahlindustrie so gesucht wie heute. Wenn wir geschlossen streiken, dann gibt es niemanden für sie, der an unserer Stelle arbeiten würde. Und wenn wir nicht arbeiten, gibt es für die Kapitalisten keine Profite, denn sie leben ja davon, daß wir arbeiten.
3. Was der Vorstand dagegen setzen kann- Aussperrung, Einstellung der Krankenkassenzahlung sind leere Drohungen. Denn sie sind in dem Moment wirkungslos, wenn wir geeint und geschlossen handeln. Deshalb ist die erste Aufgabe am Montagvormittag, daß wir diese Einheit und Geschlossenheit von Freitag wieder herstellen.
Die Kollegen von Velbert haben uns in den letzten Tagen bewiesen, daß man so seine Forderungen durchsetzen kann. Sie waren nur 180 von mehr als tausend Arbeitern eines Werkes. Sie haben sich über 14 Tage nicht einschüchtern lassen, weil sie wußten, daß der Kapitalist für sie zur Zeit keinen Ersatz kriegen kann. Woher will der Hoesch-Vorstand 22. 000 Stahlarbeiter hernehmen?
Deshalb werden wir wahrscheinlich auch nicht 14 Tage zu streiken brauchen, um unsere Forderungen hundertprozentig durchzusetzen.
Für die meisten von uns sind bis jetzt von Donnerstag bis Samstag drei Schichten verloren gegangen. Soll das alles für die Katz' gewesen sein? Wenn es uns am Montagmorgen gelingt, da weiter zu machen, wo die Mehrheit am Freitag von uns aufgehört hat, nämlich im geschlossenen Streik für 14 Pfg. und die volle Bezahlung der Streikstunden, dann wird sich schnell zeigen, daß 22 000 Hoescharbeiter am längeren Hebel sitzen als fünf Vorstandsmitglieder und ihre Handvoll Lakaien.
Um die geeinte Streikfront von Freitag wieder zu erreichen, müssen auf allen drei Werken zumindest die Vertrauensleute sofort bei Schichtbeginn zusammenkommen. Sie müssen beraten, wie und wo bis zur Frühstückspause Belegschaftsversammlungen gemacht werden können. Allein die Belegschaftsversammlungen sind gegenwärtig berechtigt, zu entscheiden, wie der Kampf fortgesetzt werden kann. Anschließend müssen umgehend feste und dauernde Verbindungen zwischen den drei Werken hergestellt werden.
14 PFG. FÜR ALLE! VOLLE BEZAHLUNG DER STREIKSTUNDEN!"
In der 'Roten Fahne' (vgl. März 1973) berichtet der KABD (vgl. 16.2.1973):"
HOESCH-STREIK: SIGNAL ZUR ARBEITEROFFENSIVE
Die 20. 000 Dortmunder Hoesch-Arbeiter haben für die gesamte westdeutsche Arbeiterklasse ein Signal gesetzt. Als die Hoesch-Bosse versuchten, den miserablen 8, 5%-Lohnraubabschluß mit Hilfe des Lohnschemas, das ausgerechnet der mitbestimmte Aufsichtsrat entwickelt hatte, auch noch zu drücken, da schmissen sie die Brocken hin. Drei Tage lang zeigten die Kollegen, was Arbeiteroffensive heißt. Sie forderten 14 Pfennig mehr pro Mann und Stunde. Als die Bosse 5 Pfennig anboten, gingen die Hoesch-Arbeiter auf die Straße. Über 3. 000 zogen durch die Stadt. Sie riefen: 'Das Angebot ist für den Hund - 14 Pfennig sind gesund!' Die Kampfansage führt nicht nur den Hoesch-Herren, sondern der ganzen westdeutschen Kapitalistenmeute gewaltig in die Knochen. Schon sahen sie einen neuen September heraufziehen. Und nicht nur ihnen, sondern auch den Gewerkschafts-Spitzen rutschte das Herz in die Hose. Hatten sie doch den Metallbossen mit dem 8, 5%-Abschluß gerade erst vorgeführt, wie sie auf der Arbeiterklasse herumtrampeln können; und nun traten 20. 000 an, um bei den Bossen die volle Rechnung einzutreiben! Die Loderer und Co. wußten, daß das eine Kriegserklärung der Hoesch-Arbeiter an ihre Politik der Klassenzusammenarbeit war. Denn wenn die Arbeiterklasse sich nicht mehr von ihnen gängeln läßt, wenn sie dazu übergeht, sich jeden Pfennig Lohn, um den sie geprellt wurde, jedes Recht, das man ihr streitig macht, im selbständigen Kampf zu holen, dann haben die Herren rechte Gewerkschaftsführer bei der Arbeiterklasse ausgespielt. Mit den 5 Pfennig mehr auf alle Löhne und Gehälter gab sich der Betriebsrat zufrieden. Noch ist der Einfluß der rechten Gewerkschaftsführung in der Arbeiterklasse übermächtig, noch muß sie Kampferfahrungen erst sammeln und sich davon überzeugen, daß die eigene Kraft die stärkste Waffe ist. Diese Offensive der Hoesch-Arbeiter war eine Kraftprobe, der unvermeidlich weitere folgen werden."
Die RJ/ML des KABD (vgl. Feb. 1973) berichtet:"
PREISE RUNTER - LÖHNE RAUF
In den drei Hoesch-Hüttenwerken in Dortmund lieg die Produktion weitgehend still. Seit 9. 2. stehen die Stahlwerker im Streik. Die Zahl der Streikenden ist bis zum Samstag, den 10. 2., auf 20. 000 angestiegen. Die Kollegen fordern 14 Pfennig Lohnzulage pro Stunde, die Bosse bieten lächerliche fünf Pfennig. Die Bosse drohen den Kollegen:
'Der Vorstand erklärt, daß die Streikzeit nicht bezahlt wird und er sich in Anbetracht der Rechtswidrigkeit der Arbeitsniederlegung alle Möglichkeiten vorbehalten muß…'
Doch die Kollegen lassen sich nicht einschüchtern. Am 10. 2. 1973 zogen 3. 000 Stahlwerker in drei Marschsäulen zu einer Kundgebung in die Innenstadt. Sprechchöre 'Unser Lohn ist ein Hohn!', 'Wir brechen einen alten Brauch: Preise runter - Löhne rauf!' ertönen. Die Stimmung der Streikenden ist gut, ihr Kampfwille ungebrochen. Eine Streikparole drückt dies treffend aus: 'Solange der Arsch in die Hose paßt, wird keine Arbeit angefaßt!"
Der KSV der KPD (vgl. März 1973) berichtet (vgl. 9.2.1973, 22.2.1973):"
VERRAT DER VK-LEITUNG
Am dritten Tag nach Streikbeginn hatte sich die Lage - wie nicht anders zu erwarten - zugespitzt. IG-Metall-Chef Loderer hatte in einem WDR-Interview inzwischen die Hoesch-Kapitalisten seines Einverständnisses vergewissert und den Streik als gewerkschaftsschädigend und illegal bezeichnet sowie jegliche Unterstützung abgelehnt.
Um den Streik möglichst schnell zu beenden, hatte er ein Mitglied der Bezirksleitung und des Zweigbüros der IG-Metall 'zur Beobachtung' nach Dortmund geschickt.
Die Betriebsräte Bruns und Pfeiffer 'kümmern' sich plötzlich um die Kollegen, sie begeben sich 'an die Basis', um die Kollegen mit dem Hinweis auf die gefährlichen Konsequenzen einzuschüchtern und zum Streikbruch zu bewegen, was ihnen auch in einigen Fällen gelingt, und zwar vor allem bei Kollegen der unteren Lohngruppen, die nach der 'Distanzierung' der IG-Metall-Spitze vor Entlassungen und Lohnausfall Angst haben. Gezielte Gerüchte über den angeblichen Streikbruch der ausländischen Kollegen und die allgemeine Wideraufnahme der Arbeit bei Union und Phönix werden in Umlauf gebracht. Einige Arbeiter resignieren:
'Wir streiken seit 2 Tagen. Weil die Gewerkschaft die Unterstützung ablehnt, machen wir nicht mehr mit.'
Und in dieser Situation kapitulierte die VK-Leitung. Am Samstagabend, drei Tage nach Streikbeginn, verliest der VK-Sprecher in der alten Kantine vor einigen hundert Kollegen eine gemeinsame Erklärung der VK-Leitung:
'Der Streik hat keine Basis mehr. Union und Phönix sind nicht mehr streikbereit. Deshalb wird der Streik abgebrochen.'
Und Borchert, derselbe, der noch 2 Tage vorher mit der Beschwörung monatelang streikenden englischen Dockarbeitern hausieren ging, fügt hinzu:
'Man muß einsehen, daß alles zwecklos ist.'
Die Reaktion bei den Kollegen ist allgemeine Wut, Empörung und Fassungslosigkeit. Als die Arbeiter zum Mikrofon rennen und die Fortsetzung des Streiks - wenn nötig auch ohne VK-Leitung - fordern (nachdem ein Vertrauensmann von Union die Lüge vom Zusammenbruch der Streikfront bei Union zurückgewiesen und die Streikbereitschaft der Union Arbeiter betont hat), versucht sich die VK-Leitung aus der plötzlichen Isolierung zu retten, indem sie den Buhmann der 'Wühlarbeit' sog. 'linksradikaler Gruppen' aus der Tasche zieht. Borchert brüllt ins Mikrofon:
'Wir sind an einem Punkt angelangt, wo bei Fortsetzung des Streiks strafrechtliche Konsequenzen drohen. Wir verheizen nicht unsere besten Vertrauensmänner, aber dazu kommt es, wenn die Polizei eingreift. Laßt euch nicht von linksradikalen Gruppen irritieren.'
Als ein Kollege daraufhin die Anwesenden fragt, wer den Streik fortsetzen will und mit nach Union ziehen will, um die Streikfront wieder aufzurichten, und daraufhin einhellige Zustimmung erfährt, wird das Mikrophon plötzlich abgedreht und jede weitere Verständigung unmöglich gemacht. Kollege Kaiser wird sich trotzdem sehr gewundert haben, als er in 'seiner' Zeitung UZ ('Zeitung der DKP') einige Tage später lesen konnte, daß die Hoesch-Arbeiter Grund zum Feiern hatten, denn dies sein ein Streik gewesen, 'der allein deshalb schon als Erfolg gewertet werden muß, weil durch ihn der berechtigte und demokratische Protest gegen ein den Stahlarbeitern von Unternehmern und Regierung gemeinsam aufgezwungenes Lohndiktat deutlich wurde… Zwar konnte die Forderung nach einer 14-Pfennig-Lohnerhöhung über den Tarifabschluß hinaus nicht voll durchgesetzt werden, jedoch wurde mit Hilfe des Streiks und der Demonstrationen die gesamte Öffentlichkeit auf die Lage der Stahlarbeiter aufmerksam gemacht.' (UZ, 16. 2. 1973).
Jetzt wissen wir also, woran die Revisionisten den Erfolg eines Streiks messen: Hauptsache, man hat den 'Herren im Hause' mal wieder gezeigt, was 'ne Harke ist und die Bevölkerung darauf aufmerksam gemacht, wie beschissen es einem geht! Daß die Forderung nach 14 Pfennig mehr für alle, für die der Streik aufgenommen wurde, auch nicht annähernd erkämpft werden konnte und daß die Kapitalisten nicht um einen Deut von ihrem ursprünglichen 'Angebot' von 5 Pfennig heruntergingen, scheint nicht so wichtig.
Richtig, die Hoesch-Arbeiter haben den Kapitalisten gezeigt, daß sie von ihrer Kampfbereitschaft, die sie schon in den Septemberstreiks 1969 zeigten, nichts verloren haben. Der Streikverlauf hat den Kapitalisten aber auch gezeigt, wie man mit Hilfe reaktionärer Betriebsräte, verräterischen Elementen des Vertrauensleutekörpers und der Gewerkschaftsführung diese Kampfbereitschaft abwiegeln und den Streik abwürgen kann. Davon natürlich kein Wort in den 'Erfolgsmeldungen' der DKP! Im Gegenteil: die verräterische Abwiegelungs- und Einschüchterungspolitik des BR u. v. a. der IG-Metall-Spitze wird indirekt unterstützt, denn als Erfolgsfaktor wird vor allem auch verbucht, daß der Streik die Position des BR gestärkt habe, desselben BR, der mit Hinweis auf die 'Verhandlungen' von Anfang an konsequent auf Streikabbruch hingearbeitet hatte. Wer diese augenblickliche Niederlage als Erfolg hochjubelt und kein Wort darüber verliert, wer den Streik abgewürgt hat, der vermittelt nicht nur ein völlig falsches Bild von der augenblicklichen Wut, Empörung und teilweisen Resignation der Kollegen, sondern der verhindert damit, daß sie die notwendigen Lehren aus den Fehlern des Streiks ziehen und bei einem nächsten Streik wissen, wer zu ihnen und wer zum Lager des Klassenfeindes gehört!
Die Zelle Hoesch-Westfalenhütte der KPD schreibt in einem ihrer Streik-Flugblätter zu dieser Kapitulation der VK-Leitung:
'Kollegen, damit ist uns die VKL-Leitung in den Rücken gefallen: Mit Lüge und Manipulation hat sie den Kampf um die 14 Pfennig abgewürgt. Um 16 Uhr, als auf der Westfalenhütte noch voll gestreikt wurde, wurde den Kollegen von Phönix und Union gesagt, die Westfalenhütte hat die Arbeit wieder aufgenommen. Auf der Westfalenhütte wurde behauptet, bei Union und Phönix sei der Streik zusammengebrochen. Kollegen, es ist klar: Bei Phönix und Union wurde nicht so geschlossen gestreikt wie auf der Westfalenhütte.
Doch gerade dann ist es unsere Pflicht - und so haben auch viele Kollegen gehandelt - die schwankenden, eingeschüchterten und mutlosen Kollegen durch tatkräftige Unterstützung in die Streikfront miteinzubeziehen. Solidarität im Streikkampf kommt nicht von allein, sie muß organisiert werden. Das Verhalten der VK-Leitung hat deutlich gemacht, daß die Fortschrittlichkeit auch noch so wortradikaler Vertrauensleute allein daran abgelesen werden kann, wie sie sich dann verhalten. Wenn sich der Kampf verschärft, ob sie also die Einschüchterungspolitik der Kapitalisten und der Gewerkschaftsspitze von vornherein einkalkulieren, die Kollegen durch konsequente Organisierung des Streiks und die Entlarvung der konterrevolutionären Machenschaften darauf vorbereiten und zum Kampf dagegen mobilisieren, oder ob sie beim ersten 'Machtwort' der Kapitalisten und der Gewerkschaftsspitze den Schwanz einziehen. Wer meint, einen solchen 'wilden Streik' mit Billigung und Unterstützung der reaktionären IG-Metallspitze durchführen zu können, betreibt Augenwischerei und macht die Kollegen für den Fall der verschärften Angriffe der Kapitalisten waffenlos.
NIEDERLAGE IN SIEGE VERWANDELN!
Die Erfahrung, die die Kollegen in diesem Streik gemacht haben, daß nämlich ein Streik ohne klare politische und organisatorische Führung, ohne Streikleitung und Streikposten, ohne umfassende Einbeziehung der Kollegen in die Organisierung des Streiks und ohne Klarheit über den Charakter der Konterrevolution schutzlos schon den ersten Schlägen der Kapitalisten und ihrer Handlanger ausgesetzt ist, - diese Erfahrung bildet gleichzeitig die Grundlage dafür, die augenblickliche Niederlage in einen strategischen Sieg zu verwandeln.
Noch reichte der Einfluß der Hoesch-Zelle der KPD nicht aus, um die verräterische Rolle der VK-Leitung umfassend zu entlarven und die Mehrheit der Kollegen davon zu überzeugen, die Organisierung des Streiks selbst in die Hand zu nehmen. Das Verhältnis der Gewerkschaftsspitze und die Großmäuler Borchert und Co. hat jedoch vielen Kollegen die Augen geöffnet. Schon während des Streiks entwickelten sich - nicht zuletzt aufgrund der intensiven Agitation der Kommunisten - einige Forderungen und Elemente heraus, die über die unmittelbar ökonomischen, betriebsbezogenen Forderungen hinauswiesen (wie: Kampf gegen Lohnpunkt-System, Forderungen nach regionaler Ausweitung der Streikfront, Kampf gegen Gesetze, 'die ja doch nur für die Arbeitgeber gemacht sind', Demonstration in die Stadt usw.).
Die Partei sah es u. a. als ihre Aufgabe an, gerade diese vorwärtstreibenden Elemente des Streiks zu fördern und weiter voranzutreiben - gegen den Widerstand der SPD-Vertrauensleute, die eifrig bestrebt waren, um Gottes willen keine über den Betrieb hinausweisenden Forderungen aufkommen zu lassen. Daß die Agitation und Propaganda der Partei nicht furchtlos geblieben ist, wird u. a. auch an der Tatsache deutlich, daß in dieser Woche die mehr als dreifache Anzahl der 'ROTEN FAHNEN' als üblich vor der Westfalenhütte verkauf werden konnte!
WAS KÖNNEN WIR STUDENTEN AUS DIESEM STREIK LERNEN?
Die im vergangenen Semester verstärkten Angriffe der Bourgeoisie auf die von den fortschrittlichen Studenten erkämpften Positionen haben dazu geführt, daß immer mehr Studenten zur Waffe des aktiven, politischen Massenstreiks griffen, um bestimmte konkrete Teilforderungen durchzusetzen. Wenngleich die Streiks der Arbeiterklasse sich von den Streiks der Studenten darin unterscheiden, daß erstere einen wirklichen ökonomischen Druck auf die Kapitalisten auszuüben vermögen, während der Druck der Studentenstreiks vor allem in der immer weiter greifenden politischen Mobilisierung der Studenten besteht, lassen jedoch auch wesentliche Erfahrungen aus diesem Streik für die Kämpfe an der Uni ableiten. Der Hoesch-Streik zeigt, nicht 'Verhandlungen' sondern daß nur die einheitliche und solidarische Kampfkraft der Arbeiter den Kapitalisten Zugeständnisse abtrotzen kann und daß die Kapitalisten jede kleinste Bresche und Unsicherheit unter den Arbeitern ausnutzen, um diese zu vertiefen, indem sie ihre Handlanger aus dem Betriebsrat und der Gewerkschaftsspitze vorschicken, damit sie die Kollegen wieder 'zur Vernunft bringen.'
Genauso wie die Kapitalisten die Arbeiter der verschiedenen Hoesch-Abteilungen durch Drohungen und Verbreiten von Gerüchten gegeneinander auszuspielen versuchten, genauso versuchen die Stein/Löffler und Co. das jeweils schwächste Glied der Streikfront mit gutem Zureden, Polizeieinsatz und Drohungen zur Aufgabe des Kampfes zu zwingen, wie etwa die Maßnahmen des SPD-Senates gegenüber der PH und gegenüber den Medizinern in Berlin gezeigt hat. Die Rolle, die die Gewerkschaftsspitze und die verräterischen BRäte und Vertrauensleute bei Hoesch spielten, übernahmen an der Uni Organisationen wie MSB-Spartakus, dessen 'vernünftige' Hinweise auf 'bedenkliche Konsequenzen' und darauf, daß man die Konterrevolution nicht zu sehr reizen dürfe, jeder Student von den Streikvollversammlungen dieses Semesters her kennt. Der Streik zeigt weiter, daß die Konterrevolution, sobald sie sich durch eine einheitliche Streikfront bedroht fühlt, ihr gesamtes Arsenal an Einschüchterungs- und Disziplinierungspraktiken einsetzen wird, um die Kampfbereitschaft der Kollegen zu zerbrechen: Die Hoesch-Kapitalisten drohen mit Entlassung, Lohnrückstufung und 'juristischen Konsequenzen', die Gewerkschaftsspitze droht mit Ausschlußverfahren wegen 'gewerkschaftsschädigenden Verhaltens' und entzieht die Streikunterstützung, die KuMis und Uni-Bürokratien illegalisieren die VV-Beschlüsse, holen die Polizei auf den Campus, kriminalisieren sog. 'Störer' und drohen mit Semesteraberkennung und Stipendienentzug.
Trotz des Wirbels, den die bürgerliche Presse um z. T. wochenlangen Streik an den Unis in diesem Semester verbreitet hat, zeigt im Vergleich dazu die äußerst heftige Reaktion der Bourgeoisie auf den nur drei Tage dauernden Streik bei Hoesch, um wieviel mehr sie vor der Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse zittert und daß sie sehr wohl weiß, daß der einzige Gegner, der ihr wirklich gefährlich werden kann, die Arbeiterklasse ist.
Der Streik hat schließlich deutlich gemacht, daß auch die kleinsten ökonomischen Teilforderungen in einen Streik nur durchgesetzt werden können, wenn die Streikenden politisch und organisatorisch auf alle Einschüchterungs- und Spaltungsversuche der Kapitalisten vorbereitet sind uns diese Machenschaften durch eine eiserne Disziplin und straffe Organisation des Streiks erfolgreich begegnen können, daß also ein Streik ohne organisatorisches Zentrum in Form einer gewählten Streikleitung, ohne Streikposten, ohne kontinuierliche Koordination und Information zwischen den Kollegen und einzelnen Abteilungen wehrlos den Angriffen der Konterrevolution preisgegeben ist und infolge des Verrats der Streikführung schnell zusammenbrechen kann.
KORRESPONDENZ EINES VERTEILERS
Ich bin Student an der PH in Dortmund. Als Sympathisant der KPD unterstützte ich in den Tagen des Streiks die Agitproparbeit der Betriebszelle bei Hoesch, verteilte Flugblätter, verkaufte die Rote Fahne.
Bei Schichtwechsel, als die Kollegen der ankommenden Schicht sich sofort dem Streik der anderen Kollegen anschlossen, auf der Demonstration der Hoesch-Arbeiter in der Dortmunder Innenstadt, in der Streikkantine der Westfalenhütte, überall Zuversicht: 'Bei den Septemberstreiks, haben wir es geschafft, wenn wir diesmal nicht durchhalten, hauen sie uns einen rein.'
Am Samstagabend besuchte ich die Streikkantine in der Westfalenhütte, in den Tagen des Streiks kontrollierte man kaum die Werksausweise. Überall Trauben von diskutierenden Kollegen. Einzelne Kollegen rannten durch die Tischreihen, sammelten Trupps von 10-20 Mann, zogen los in die einzelnen Abteilungen, um zu kontrollieren, ob dort auch alles stillstehe. Es wurde lauthals auf einzelne Meister, die versuchten die Kollegen zur Arbeit zu pressen, geflucht. Alle wollten weiterkämpfen. Ein Kollege der Betriebszelle unserer Partei stürmte auf unsere Gruppe zu, berichtete kurz über die abgelaufene VKL-Sitzung, die Sache stehe auf des Messers Schneide. Die VKL-Leitung sei dabei, den Streik abzuwürgen. Um die Genossen der Betriebszelle daran zu unterstützen, sich in dem Lärm der Streikkantine verständlich zu machen (das Mikrofon war von der VKL-Leitung besetzt), fuhren wir los, holten ein Megaphon und brachten es den Genossen im Betrieb. Zurück im Parteihaus der KPD, erfuhren wir durch den Anruf eines Kollegen von der Westfalenhütte: der Streik war abgewürgt worden, die Nachtschicht wird sicherlich arbeiten, da keiner wüßte was los sei und das Streiklokal geschlossen worden sei. Sofort wurde ein Flugblatt von Genossen der Zelle geschrieben und für die Herstellung gesorgt. 1 Stunde später waren die Flugblätter fertig und die Verteilertrupps eingeteilt.
Ich verteile immer am Eingang Ofenstraße, dem Haupteingang des Hoesch-Werkes Union. Als ich am Tor ankam, es war 9. 35 Uhr, war ein Teil der Nachtschicht schon im Werk, dennoch war ein ständiges Kommen und Gehen. Am Tor stand bereits ein Genosse der Betriebszelle und ein ausländischer Kollege, die in einer Traube von Kollegen den Verrat der VK-Leitung diskutierten. Die Genossen hatten vorher schon Stelltafeln aufgestellt, auf denen die neuesten Nachrichten standen. Wir verteilten das Flugblatt 'Messer im Rücken! VKL-Leitung und Betriebsrat würgen den Streik ab!' Fast alle Kollegen bleiben stehen, lesen das Flugblatt und die Stelltafeln, diskutieren mit uns. Sie waren zum größten Teil enttäuscht, verzweifelt. Einer Reihe von Kollegen standen die Tränen in den Augen. Ich will hier nur einige Beispiele der Reaktion der Kollegen schildern, die jedoch typisch sind.
'Diese Schweine, in dem Augenblick, wo die wenigsten Kollegen auf der Hütte sind, würgen sie den Streik ab.'
Ein SPD-Betriebsrat, der gerade an unserer Gruppe vorbeiging, wurde beschimpft: 'Hau bloß ab, laß dich ja nicht hier blicken.'
Kollegen, die herauskamen, lasen kurz das Flugblatt, kamen zurück, fragten, was denn jetzt zu tun sei gegen diese Kumpanei von Betriebsrat, VKL-Leitung und Kapitalisten. Die anwesenden Kollegen und Freunde, der Partei erklärten ihnen die Notwendigkeit von gewählten Streikleitungen und dem Aufstellen von Streikposten. 'Stimmt, ihr habt recht, diesmal jedoch leider zu spät.' Zwei Kollegen verließen das Werk, kamen auf uns zu:
'Wir haben die Schnauze voll, das beste ist, wir gehen zum Ostwall (Spitze der örtlichen Gewerkschaftsspitze), schmeißen die Möbel der Bonzen auf die Straße, stecken alles an! Diese Scheißkerle!'
Sie sahen erst nach längerer Diskussion die Notwendigkeit, organisiert innerhalb der Gewerkschaften noch mehr Kollegen vom Verrat der Gewerkschaftsführer zu überzeugen. Die neuankommenden Kollegen hatten im Fernsehen von Streikbruch in den Werken Phönix und Union gehört, lasen unsere Stelltafeln:
'Das kann doch nicht wahr sein, als ich heute morgen wegging, stand doch noch alles!'
Inzwischen war es 10.25 Uhr geworden, vor dem Tor wurde es ruhiger. Ein Kollege, der ziemlich zum Schluß das Tor verließ, erzählte uns noch was viele Kollegen dachten:
'Scheiße ist das, ihr habt völlig recht mit dem was ihr sagt, aber was soll ich machen. Ich hab drei Kinder, ich krieg die Streiktage nicht bezahlt, ich schaff das einfach nicht, diese scheiß Gewerkschaftsbonzen zahlen ja nichts!'
'Jetzt ist erst mal alles aus, jetzt sind die Kapitalisten dran.'
Wir diskutierten noch lange mit dem Kollegen, daß es jetzt gilt zu kämpfen, um der Profitgier der Kapitalisten nicht schutzlos ausgeliefert zu sein. Daß die Kollegen jedoch nicht nur resignieren, wurde aus der Reaktion vieler Kollegen deutlich, als ich am Sonntag und Montag die Flugblätter der Zelle zur Einschätzung dieser Streiktage verteilte: 'Gib mal her, ihr habt ja recht, die werden sich bei der VKL-Wahl wundern. Sowas passiert uns nicht noch mal!' Am Donnerstag verkauften wir dreimal soviel Exemplare der Roten Fahne wie sonst vor der Union."
Q: Dem Volke Dienen Nr. 6, Dortmund März 1973; Kommunistische Arbeiterpresse Hoesch Nr. 21, Dortmund o. J. (16.2.1973), S. 6;Rebell Nr. 2, Tübingen Feb. 1973, S. 4;Rote Fahne Nr. 3, Tübingen März 1973, S. 3;Die Rote Front Aber eins, aber eins, das ist gewiß, daß 14 Pfg. möglich ist, Dortmund o.J. (1973), S. 1f;Werk und Wir Nr. 3, Dortmund März 1973, S. 63;Ruhrnachrichten-Lokalteil Dortmund, Dortmund 12.2.1973;Westdeutsche Allgemeine Zeitung-Lokalteil Dortmund, Dortmund 12.2.1973;Westdeutsche Allgemeine Zeitung, ******* 12.2.1973;Express Nr. 3, Offenbach 17.3.1973, S. 6;Rote Fahne Nr. 7, Dortmund 14.2.1973;Solidarität Sonderdruck Die Tarifbewegung 1972/73 und die Februarstreiks bei den HOESCH-WERKEN, Dokumentation, Analyse 2. Aufl., o.O. (Dortmund) o.J. (Apr. 1973), S. 7;Revolutionäre Gewerkschaftsopposition Nr. 2, Dortmund 1973, S. 25f. und 43;GIM: Mehr als 60 Std. Streik!, Dortmund o. J. (1973)
10.02.1973:
Bei Hoesch Dortmund verteilen, laut KPD, ihre eigene Zelle und die Jugendbetriebszelle ihres KJV je ein Flugblatt.
Q: Rote Fahne Nr. 7, Dortmund 14.2.1973
10.02.1973:
Bei Hoesch Dortmund verteilt die Betriebsgruppe der GIM, nach eigenen Angaben zur Nachtschicht ein weiteres Flugblatt (vgl. 9.2.1973, 12.2.1973), "das die Kollegen auffordert, weiterzustreiken".
Q: Solidarität Sonderdruck Die Tarifbewegung 1972/73 und die Februarstreiks bei den HOESCH-WERKEN, Dokumentation, Analyse 2. Aufl., o.O. (Dortmund) o.J. (Apr. 1973), S. 7
11.02.1973:
Die Marxisten-Leninisten (ML) Dortmund geben vermutlich ab heute ihre 'Rote Front' (vgl. 8.2.1973, 16.2.1973) - Organ der Marxisten-Leninisten Dortmund mit 2 Seiten DIN A unter Verantwortung von R. Wagner, Uhlandstr.82, Dortmund, mit dem Titel 'Aber eins, aber eins, das ist gewiß, daß 14 Pfg. möglich ist', heraus. Verteilt wird diese vermutlich u.a. Montagmorgen bei Hoesch, von wo auch berichtet wird (vgl. 10.2.1973).
Weitere Ausgaben erscheinen auch in Castrop-Rauxel.
Q: Die Rote Front Aber eins, aber eins, das ist gewiß, daß 14 Pfg. möglich ist, Dortmund o.J. (1973)
12.02.1973:
Bei Opel Rüsselsheim erscheint in dieser Woche eine Ausgabe des 'Revolutionären Kampf' (RK - vgl. 8.1.1973, 22.2.1973) unter der Überschrift "Streikberichte" zu den Streiks bei Hoesch Dortmund und Hülsbeck & Fürst (HuF) Velbert.
Q: Revolutionärer Kampf Streikberichte, Frankfurt o. J. (1973), S. 1
13.02.1973:
Die GIM gibt die 'Was tun im Betrieb für die Beschäftigten der Metallindustrie im Raum Mannheim - Heidelberg - Speyer - Neustadt' heraus unter der Schlagzeile "Der Streik bei Hoesch war erst der Anfang: Den Kampf um betriebliche Lohnerhöhungen zum allgemeinen Kampf gegen den 8,5 % Abschluss machen" zum Streik in Dortmund bzw. zur Metalltarifrunde (MTR).
Q: Was tun im Betrieb für die Beschäftigten der Metallindustrie im Raum Mannheim - Heidelberg - Speyer - Neustadt Der Streik bei Hoesch war erst der Anfang: Den Kampf um betriebliche Lohnerhöhungen zum allgemeinen Kampf gegen den 8,5 % Abschluss machen, Speyer 13.2.1973
16.02.1973:
Die Zelle Hoesch Dortmund der KPD gibt einen Sonderdruck ihrer 'Kommunistischen Arbeiterpresse' (vgl. 12.2.1973, 19.2.1973) heraus. Darin heißt es u.a.:"
MACHT DEN VERRÄTERN AUS DER IGM-FÜHRUNG UND VK-LEITUNG EINEN STRICH DURCH DIE RECHNUNG: NOCH HEUTE BELEGSCHAFTSVERSAMMLUNG!
Nachdem sie 2 1/2 Tage lang wortradikale Töne von sich gegeben hatten, würgte am späten Samstagnachmittag die VK-Leitung der Westfalenhütte den Streik ab. Ohne die geringste Zusage der Hoesch-Kapitalisten sollen wir jetzt auf Verhandlungen vertrauen, obwohl jeder weiß, daß der Hoesch-Vorstand an seinem spalterischen und unzureichenden Angebot festhält.
DARUM MUß DER KAMPF FORTGESETZT WERDEN. NICHT DIE KOLLEGEN VON PHOENIX UND UNION - SONDERN DIE VK-LEITUNG UND BETRIEBSRAT HABEN UNS VERRATEN!
Kein Kollege war auf der Westfalenhütte bereit die Arbeit am Samstagnachmittag aufzunehmen. Ein Kollege rief: 'Wer will die Arbeit wieder aufnehmen?' Keine Stimme erhob sich. 'Wer zieht mit zur Union und sorgt dafür, daß weitergestreikt wird?' Tosender Beifall. Dem nächsten Kollegen wird schon von der VK-Leitung das Mikrofon abgedreht. Die VK-Leitungen aller drei Werke haben zur Arbeitsaufnahme aufgefordert, weil die Streikfront angeblich nicht mehr stünde. Insbesondere dem Werk Union versuchen sie den schwarzen Peter zuzuschieben, um von ihrem eigenen Verrat abzulenken. Am Abend waren Kollegen und Genossen unserer Betriebszelle im Werk Union, wo Kollegen, die immer noch streikten, erklärten:
'Die Arbeit auf Union wurde erst am Nachmittag wieder aufgenommen, nachdem von IGM-Funktionären die Lüge verbreitet worden war, die Westfalenhütte wolle allein weiterstreiken.' Davon war aber am Samstagnachmittag überhaupt nicht die Rede.
DER KAMPF GEHT WEITER!
Kollegen!
WIR MÜSSEN DIE BEREITS AM SAMSTAG GEPLANTE BELEGSCHAFTSVERSAMMLUNG UNBEDINGT DURCHFÜHREN, UND ZWAR SOFORT.
Wir müssen gemeinsam den Streik neu anpacken, wir müssen uns eine Streikleitung wählen, die nicht nur großtuerisch auf den Tisch haut, sondern dafür sorgt, daß durch Streikposten vor allen Toren und vollständige Lahmlegung der Produktion den Hoesch-Kapitalisten die Luft abgedreht wird, bis sie nicht mehr können und klein beigeben.
VERSAMMELN WIR UNS IN DEN ABTEILUNGEN, MARSCHIEREN WIRD DURCH DIE ANDEREN WERKE ZUM ALTEN FAHRRADSCHUPPEN OESTERHOLZSTRASSE
Die VK-Leitung hat keine offensiven Streikmaßnahmen organisiert, sie hat die Streikfront nicht ausgeweitet, sie hat den Streik auf der Westfalenhütte abgeblasen, als die Streikfront noch weitgehend stand. Deshalb muß die VK-Leitung abgesetzt werden.
WEG MIT DER VK-LEITUNG!
Kollegen! Auf zur Belegschaftsversammlung. Warten wir nicht, bis Pfeiffer oder Borchert dazu aufrufen; denn dann können wir lange warten.
DER KAMPF MUß UNBEDINGT WEITERGEHEN"
Q: Kommunistische Arbeiterpresse Sonderdruck, Dortmund 12.2.1973, zitiert nach: Revolutionäre Gewerkschaftsopposition Nr. 2, Dortmund o.J. (1973), S. 42f.; Rote Fahne Nr. 7, Dortmund 14.2.1973
Letzte Änderung: 04.11.2019